Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 72: Am Abgrund ---------------------- Wir gehen in den Endspurt, heute das vorletzte Kapitel von Nebel über Hogwarts! Danke an alle, die so lange dabeigeblieben sind. Nebel über Hogwarts – Kapitel 72: Am Abgrund Lily rief nach ihm und Florence, wollte ihnen irgendetwas mitteilen, doch dann erschien über ihnen der Orden des Phönix, mit Professor Dumbledore und Professor McGonagall an der Spitze, und was auch immer sie sagen wollte verlor jegliche Bedeutung. Auch Florence neben ihm sah ihre Rettung, und er spürte, wie sie sich mit neuer Motivation in den Kampf stürzte, Flüche auf die letzten, verbliebenen Todesser abschoss. Als die Unterstützung durch den Orden auftauchte, hatten sie sich in einem Duell mit einem besonders entschlossenen Gegner befunden, doch nun schien der Mann begriffen zu haben, dass dies ein Kampf war, den er nicht gewinnen konnte – nicht mehr. Er wandte sich zur Flucht, und Remus' Schocker traf ihn in den Rücken, gerade als er disapparieren wollte – ein Gefangener, der ihnen vielleicht etwas Wichtiges verraten konnte. Auch die Todesserin, die Lovejoy in ein langes, kräftezehrendes Duell verwickelt hatte, hatte nun endlich eingesehen, dass sie auf verlorenem Posten stand, und setzte zu einer Drehung an, während Lovejoy noch versuchte, sie mit einem letzten Schocker zu erwischen. Der Zauber sauste harmlos durch die Luft an der Stelle, an der sich die Frau gerade noch befunden hatte, und Remus ließ seinen Blick über die Lichtung wandern. Sie hatten es geschafft... sie hatten sie alle vertrieben... jetzt war es an der Zeit, nach Peter zu suchen. Oder hatte James ihn schon gefunden? Er wusste es nicht. Der Fluch kam aus dem Nichts, und Remus duckte sich in instinktiver Abwehr unter dem grünen Strahl hinweg, griff nach Florence' Hand, um sie auch auf den Boden zu ziehen. Ihre Finger schlossen sich für einen Moment um die seinen, doch dann ließ sie los, und er drehte sich um, wollte sie fragen, was denn los wäre... und dann sah er ihre leblosen blauen Augen in den sternenbedeckten Nachthimmel starren. Zuerst hörte er den erstickten Schrei nur, dann erst, als er sich nach vorne beugte und ihre Hand in seinen Schoß zog, begriff er, dass er es war, der seinen Schmerz hinausbrüllte, seinen Hass auf diese Welt, die ihm das Wichtigste in seinem Leben genommen hatte. „Florence“, wisperte er, während die Auroren ins Unterholz stürmten auf der Suche nach dem Todesser, der sie getötet hatte, doch in diesem Moment war ihm das egal. Rache würde sie nicht zurückbringen – nichts konnte sie zurückbringen, und deswegen war alles bedeutungslos... alles. Seine Finger streichelten über die noch warme Haut ihrer Hand, so als ob er darauf warten würde, dass sie sich wieder bewegte, versuchte, das Gefühl in seine Erinnerung einzubrennen, während er in die Leere starrte und die Auroren um ihn herum schwärmten und nach Todessern suchten. Zwischen all der Bewegung nahm er nicht wahr, wie jemand an ihn herantrat, und als ein paar Arme sich um seinen Hals schlang, glaubte er zuerst, sich getäuscht zu haben, bis sein Blick auf die tote junge Frau auf dem Waldboden fiel, deren Hand er noch immer festhielt, und er aus dem Augenwinkel die lange, rote Strähne sah, die über seine Schulter nach unten fiel. Lily... es war Lily... es war nur Lily... nicht Florence. Der Gedanke war genug, um den Kloß, der sich in seinem Hals geformt hatte, als er sie zum ersten Mal dort liegen gesehen hatte, aufzulösen, und das erste, trockene Schluchzen nach draußen zu lassen. Sie war tot – tot – tot, und das alles nur wegen ihm, weil er sie in die Suche nach Suzanne hineingezogen hatte, weil er sie gebeten hätte... ohne ihn würde sie sicher im Turm der Ravenclaws in ihrem Bett liegen und schlafen, ohne dass sie wusste, was geschehen war. Der Gedanke ließ die ersten Tränen über seine Wangen sickern, Tränen nicht nur des Schmerzes, sondern auch der Schuld, weil er sie umgebracht hatte. Der namenlose Todesser, den die Auroren hatten entkommen lassen, war nur ein Werkzeug gewesen – aber er hatte Florence in Gefahr gebracht. Er. Er. Seine Finger verkrampften sich um ihre Hand, während er spürte, wie Lily ihn wiegte, wie sie es vielleicht mit einem weinenden Kind getan hätte, und die Scham in ihm aufstieg. Aber er konnte nicht... konnte sich nicht zusammennehmen, konnte seinen Schmerz nicht verbergen, konnte nicht verstecken, was er ihr angetan hatte... Auroren traten in sein Gesichtsfeld, vor ihn, knieten sich neben ihm, und eine von ihnen griff nach seiner Hand, wollte sie von Florences Fingern lösen, doch er hielt sich nur stärker an ihr fest, schlang seine Arme um sie, bettete ihren Kopf auf seinen Schoß, der kraftlos herumrollte, ein Anblick, der ihn fast würgen ließ. Nur ein weiterer Beweis, dass sie nicht schlief, sondern tot war, und niemals wieder aufwachen würde... seine Finger kämmten vorsichtig durch ihre Haare, glätteten die widerspenstigen Locken, und schließlich ließ die Aurorin von ihm ab, gab ihre Versuche auf, und ließ ihn alleine mit ihr. Er wünschte auch, dass Lily gehen würde, ihm diesen Moment geben würde mit ihr, doch als er versuchte, ihr das zu erklären, krächzte er nur, konnte seine eigenen Worte nicht verstehen, also gab er auf. Sich verständlich zu machen war viel zu anstrengend, zu viel für seinen geschundenen Geist, also ließ er sich von ihrer leichten Bewegung einlullen in der Hoffnung, doch ein wenig Frieden darin zu finden. Wie viel Zeit verging, wusste er nicht, doch schließlich tauchte ein bekanntes Gesicht vor ihm auf, mit langem, weißen Bart und einer halbmondförmigen Brille, und sah auf ihn hinab. „Mr Lupin...“ Er antwortete nicht, schob das Gefühl, dass er Florence nun endgültig würde aufgeben müssen zur Seite, und hoffte, dass er Dumbledore genauso ignorieren konnte. „Remus...“ Der Direktor klang bittend, und schließlich öffnete er doch die Augen, die er fest zusammengekniffen hatte, starrte ihn an, während die Wut in ihm aufstieg. Wieso war er nicht da gewesen? Wieso war McGonagall nicht da gewesen? Wieso hatten sie ihr nicht helfen können, wieso hatten sie sich alleine in diesen Kampf geschickt? Wieso? „Wo waren Sie? Wieso haben Sie sie nicht geschützt?“ Seine Stimme klang rau und ungeübt, und trotzdem konnte er die Anklage in ihr hören – und Dumbledore konnte es auch. „Es tut mir leid, mein Junge.“ Er wollte dem Direktor ins Gesicht springen und ihn schlagen, spürte aber, dass er nicht die Kraft dazu hatte, und begnügte sich mit einem Blick, der seinen Schmerz genauso offenbarte wie seine planlose, ziellose Wut. „Das sollte es.“ Dumbledore seufzte und streckte die Hand aus, legte sie auf seine, die immer noch die von Florence umklammert hielt. „Aber du musst sie gehen lassen... die Auroren müssen sie mitnehmen...“ „Um Himmels Willen, Professor! Geben Sie ihm noch einen Moment!“ Lily klang wütend, und abwesend sah Remus, wie Dumbledores Augen zu der Stelle wanderten, wo er ihr Kinn an seiner Schulter spüren konnte. „Bitte, Miss Evans – machen Sie es nicht noch schwieriger. Es gibt noch genug Zeit für Trauer... aber ich fürchte, die Todesser könnten zurückkehren.“ Er spürte, wie Lily sich verkrampfte, wie ihre Arme schließlich die leichte Bewegung einstellten, die ihn gewiegt hatte, und seufzte. „Remus?“ Dumbledore nickte. „Bitte, Remus... ihre... ihre Eltern warten auf sie.“ Der Gedanke an Florence' Mutter und Vater, die ihm immer Grüße in ihren Briefen ausgerichtet und Süßigkeiten mitgeschickt hatten, seit sie zusammengekommen waren, und von denen sie so viel erzählt hatte, zerbrach schließlich seine Verteidigung, und er zog seine Finger zwischen ihren hervor, die mittlerweile nur noch von seinen warmgehalten würden. „Nehmen Sie sie...“ Mit dem Schmerz, zu sehen, wie Florence vorsichtig auf eine Bahre gelegt und weggetragen wurde, kehrten auch die Tränen zurück, und Lily drehte ihn herum, zog seinen Kopf an ihre Schulter, wo er ihren Umhang durchnässte und in ihren Armen zitterte, und doch dankbar war, dass er nicht sehen musste, wie der Leichensack um sie geschlossen wurde. Sie ließ ihn weinen, streichelte über seine Haare, wie lange, wusste er nicht, bis seine Schluchzer schließlich versiegten und sie ihm half, aufzustehen. Erst dann bemerkte er seine Freunde, die um sie herumstanden, sah Peters gerötetes Gesicht, und James' und Sirius' Besorgnis für ihn, die neben ihre eigene Trauer trat. Er nickte, langsam, vorsichtig, wie um auszuprobieren, wie die Bewegung funktionierte, und James seufzte. „Kannst du... könnt ihr apparieren?“ Die Frage war genauso an Peter wie an ihn gerichtet, und für einen Moment fragte er sich, wieso, dann erinnerte er sich, dass Peter nicht mit ihnen hierhergekommen war, und spürte, wie neues Grauen in ihm aufstieg, eine fürchterliche Vermutung... er schob sie für den Moment zur Seite, während Lily ihn am Arm hielt, um sein Taumeln zu verhindern. „Ich appariere mit Remus.“ James nickte und griff sich Peters Arm, und einen Moment später spürte Remus, wie er fortgesaugt wurde und seine Füße auf den harten Grund vor Hogwarts' großem Eingangstor aufschlugen. Er glaubte, seine Beine würden unter ihm wegknicken, doch Lily packte ihn, bevor er hinfallen konnte, und hielt seine Arme fest, bis er sicher war, dass sie ihn tragen konnten. „Alles okay mit dir?“ Er nickte stumm und mechanisch, und sie begannen den langen, gewundenen Weg hinauf zum Schloss zu gehen, während die ersten Sterne verblassten und der Himmel langsam begann, sich aufzuhellen. Keiner von ihnen sprach – Worte schienen überflüssig, wo ihr Schmerz und ihre Trauer so offensichtlich waren, und nur wenn Remus oder Peter stolperten, kam einer ihrer Freunde ihnen zu Hilfe. Remus war müde... so müde, doch es waren nicht seine Beine, die streikten, sondern sein Kopf, der sich weigerte, aufzunehmen, was geschehen war, der ihn in den Schlaf locken wollte, damit nicht noch mehr Schmerz auf ihn einprasseln konnte. Ein Teil von ihm wollte dem Ruf folgen – doch der andere, der, der sich für Florence' Tod verantwortlich fühlte, wollte nicht nur wissen, was als nächstes geschah, sondern auch wach bleiben, damit er dem Schmerz nicht entfliehen konnte. Dem Schmerz, den er verdient hatte, weil er es war, der sie umgebracht hatte... er... Er nahm kaum wahr, wie sie durch die großen Türflügel in das Schloss eintraten, an der Großen Halle zu ihrer rechten vorbei, wo die goldenen Teller und Tassen im Licht der ersten Kerzen glitzerten, noch bevor das Frühstück angerichtet wurde, und sie die Haupttreppe erklommen. Erst als sie an der Abzweigung zum Gryffindorturm vorbeigegangen waren, wurde ihm bewusst, was er gerade tat, und er hielt für einen Moment inne. „Wohin gehen wir?“ Seine Stimme klang rau, als hätte er sie tagelang nicht benutzt, und seine Freunde, die ihn noch nicht gehört hatten, konnten einen besorgten Blick nicht unterdrücken. „In Dumbledores Büro“, antwortete James schließlich leise, und Remus nickte. „Gut.“ Die Antwort schien die anderen zu überraschen, doch anstatt ihm zu antworten oder ihn zu fragen, setzten sie ihren Weg fort, bis zu dem steinernen Wasserspeier, den James mit dem gemurmelten Passwort dazu überredete, den Eingang freizugeben. Die sich drehende Wendeltreppe trug sie nach oben bis zu der Tür mit dem großen Türklopfer, doch anstatt ihn zu benutzen, traten sie einfach ein, in den Raum, der voll war mit surrenden, Dampfwölkchen ausstoßenden Instrumenten auf storchbeinigen Stühlen. An jedem anderen Tag hätte Remus sie neugierig gemustert, doch heute ließ er sich widerstandslos in einen der Stühle vor Dumbledores Schreibtisch bugsieren, neben Peter, der den anderen bekam, und starrte nach vorne auf die Vitrine, in der der Sprechende Hut eingeschlossen lag. Neben sich sah Remus, wie Lily und James sich gemeinsam an den Schreibtisch lehnten und er seinen Arm zum Trost um sie schlang, eine gedankenlose Geste der Zärtlichkeit, die in Remus den Schmerz und die Eifersucht erwachen ließ. So hatte er auch Florence gehalten... und erst jetzt, wo sie fort war, sah er den Wert dieser kleinen Dinge, eines Lächelns, ihrer verschränkten Hände unter dem Tisch, an dem sie gemeinsam lernten, eines beiläufigen Streichelns über seinen Rücken, wenn sie an ihm vorbeiging. All das war fort, unwiederbringlich, gestorben mit seiner wunderschönen Freundin, und erneut musste er die Tränen unterdrücken, Tränen der Trauer, der Wut, der Verzweiflung. Was sollte er jetzt tun? Sie hatten sich so lange ausgemalt, was sie tun sollten, wenn er die Schule verließ, wie sie Kontakt halten würden, sich jeden Tag schreiben, er sie zu den Hogsmeadewochenenden besuchen würde... aber jetzt? All diese Pläne waren nur noch Staub, und er wusste nicht einmal, wie er die Ferien überstehen sollte ohne sie, vom Beginn seines Berufslebens ganz zu schweigen. Er war... alleine. Natürlich, er hatte seine Freunde, aber ihre Gegenwart war nur ein schwacher Trost im Angesicht dessen, was er verloren hatte, und ein Teil von ihm, der wütende, kleinliche, eifersüchtige, wünschte sich, dass jemand anderer an Florence' Stelle gestanden hätte, jemand, dessen Verlust ihm nicht solchen Schmerz verursacht hatte. Er hasste sich selbst dafür, genauso, wie er sich für ihren Tod hasste, und er versuchte, den Gedanken zur Seite zu schieben, hoffte, dass die anderen ihm seine Wut nicht vom Gesicht ablesen würden... versuchte, sich auf Sirius' Schritte zu konzentrieren, der hinter ihm die Bücherregale abging, das Geräusch seiner Schuhe gedämpft in dem kalten, morgendlichen Licht... doch es funktionierte nicht. Erst, als er hinter sich hörte, wie sich die Tür öffnete und sie wieder ins Schloss fiel, blickte er auf, und sah, wie Dumbledore eintrat und hinter seinen Schreibtisch ging, sie alle kurz musterte, und dann auf seinem Stuhl Platz nahm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)