Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 4: Nathan Devers ------------------------ Nebel über Hogwarts – Kapitel 4: Nathan Devers Lily Evans betrat die Große Halle und durchkämmte mit ihren Blicken die Massen der Schüler. Verdammt, wo ist er nur... wo ist er nur... da! Sie hatte Severus Snapes markantes Profil inmitten der schwarzen Umhänge am Slytherintisch entdeckt und hastete, ohne auf ihre Umgebung zu achten, auf ihn zu. „Severus!“ Er blickte überrascht, fast geschockt auf und starrte sie an, selbst als sie sich zu ihm hinunterbeugte. „Hast du Nathan Devers irgendwo gesehen?“ Für einen Augenblick zeigte sein Gesicht nichts als Verwirrung, doch dann schien er sich an ihr Gespräch im Hogwarts-Express zu erinnern und schüttelte den Kopf. „Nein... nein, hab ich nicht.“ Sie seufzte ein wenig genervt. „Ich auch nicht, ich hab an der Tür zur Großen Halle auf ihn gewartet, aber er ist nicht durchgekommen... seitdem er das Abteil seiner Freunde verlassen hat, hat ihn niemand gesehen.“ Severus runzelte die Stirn. „Vielleicht ist er irgendwo auf Patrouille, ihr Vertrauensschüler und Schulsprecher sollt das doch tun...“ „Nein.“ Energisch schüttelte sie den Kopf. „Er war gar nicht bei uns, nicht einmal, als die Pläne für die Wachen verteilt wurden... er ist einfach verschwunden...“ Für einen Augenblick starrte Snape sie an, dann nickte er. „Komm.“ Überrascht stellte sie fest, dass der Slytherin sie nach vorne zum Lehrertisch führte, direkt zu Dumbledores Platz, der sich gerade leise mit Professor Sprout, die neben ihm saß, unterhielt. „Sir?“, fragte er, und der Direktor blickte mit einem merkwürdig ertappt wirkenden Gesichtsausdruck auf. „Mr Snape, Miss Evans, was kann ich für Sie tun?“ „Sir...“ Lily zögerte für einen Moment, doch als Severus keine Anstalten machte, das Wort zu übernehmen, sprach sie leise weiter: „Nathan Devers ist verschwunden, seit er im Hogwarts-Express sein Abteil verlassen hat, hat ihn niemand gesehen. Er wollte zu den anderen Vertrauensschülern, aber da ist er nie angekommen, und im Schloss ist er auch nicht, befürchte ich.“ Die Augenbrauen des Schulleiters zogen sich misstrauisch zusammen. „Sind Sie sich sicher?“ „Ja. Ich... ich mache mir mittlerweile wirklich Sorgen, Sir... Nathan hat seine Pflichten im letzten Jahr, seit er Vertrauensschüler wurde, immer sehr ernst genommen, und es sieht ihm gar nicht ähnlich, einfach zu verschwinden.“ Dumbledore nickte gedankenverloren und starrte für einen Moment seinen silbernen Kelch an, dann nickte er. „Kommen Sie... Sie auch, Mr Snape“, fügte er hinzu, als Severus sich schon seinem Haustisch zuwenden wollte, und gemeinsam verließen sie die Große Halle durch eine Nebentür. „Was machen wir jetzt, Sir?“, fragte Severus, als sie neben dem alten Zauberer durch die Gänge von Hogwarts und Stufen hinauf hasteten – Lily erkannte vage den Weg zum Büro des Direktors wieder. „Wir suchen Mr Devers, natürlich“, antwortete der Schulleiter und blieb vor einem steinernen Wasserspeier stehen, der sie mit einem ausgesprochen finsteren Blick musterte. „Bertie Botts Bohnen.“ Die Statue sprang zur Seite und gab ihnen über eine Wendeltreppe den Weg in Dumbledores Büro frei. Neugierig sah Lily sich um, trotz ihrer nun erlauchten Position war sie noch nie hier gewesen, wohl anders als Severus, der mit offensichtlichem Desinteresse den Holzfußboden anstarrte. „Fiona?“ Der Direktor blickte eines der Portraits an der Wand an, das eine hübsche, zierliche Frau mit grauen Locken zeigte, die sofort aus ihrem Schlaf erwachte. „Gehen Sie in die Eingangshalle und fragen Sie die Portraits, ob Nathan Devers, der Slytherin-Vertrauensschüler aus der sechsten Klasse, durch die Tür gekommen ist.“ Fiona nickte und verschwand am Rand ihres Bildes, während Dumbledore sich schon seinem Phönix Fawkes zuwandte. „Fawkes, versuch auch du bitte, den Jungen zu finden.“ Der Vogel gab einen leisen, melodischen Ton von sich und verschwand dann so unvermittelt in einer Stichflamme von seiner Stange, dass Lily ein wenig zusammenzuckte. Die rastlose Energie des Schulleiters hatte sich allerdings schon wieder einem neuen Gegenstand zugewandt, denn nun holte er eine flache, silberne Schale aus der Vitrine hinter seinem Schreibtisch und stellte sie auf der Tischplatte ab. Lily warf einen neugierigen Blick hinein und war überrascht zu sehen, dass sie mit Wasser gefüllt war, noch dazu mit Wasser, das absolut ruhig schien und sich nicht bewegte, obwohl Dumbledore das Gefäß keineswegs besonders sanft auf dem Schreibtisch abgestellt hatte. Auch Severus trat einen Schritt vor, seine schwarzen Augen glitzerten, während er die Schale betrachtete und als er die Runen an ihren Seiten studiert hatte, schnappte er leise nach Luft. „Ist das...“, wisperte er, doch Dumbledore winkte ab und zog seinen Zauberstab. „Nathan Devers“, sagte er leise und rührte mit der Spitze das Wasser um, das sich für einen Moment kräuselte, aufschimmerte und dann ein Bild formte... ein Bild, das nur schattenhaftes, plattgedrücktes Gras und einige Steine zeigte. Severus runzelte die Stirn. „Hat der Zauber nicht funktioniert?“ Dumbledore schüttelte den Kopf. „Ich denke, die Schale des unbegrenzten Blicks zeigt uns den Aufenthaltsort von Mr Devers... wir können ihn nur nicht sehen.“ „Sie meinen...“ Lily runzelte die Stirn. „Ein Desillusionierungszauber? Oder ein Tarnumhang?“ „Ja. Und so...“ Der Direktor unterbrach sich, als die gelockte Hexe Fiona leicht keuchend in ihr Bild zurückkehrte und sich erschöpft in ihren Lehnstuhl sinken ließ. „Der junge Nathan hat Hogwarts nicht durch den Haupteingang betreten. Ich habe andere Bilder losgeschickt, um bei den Geheimgängen nachzufragen, aber das scheint mir doch sehr unwahrscheinlich.“ „Mir auch... mir auch...“, murmelte Dumbledore kopfschüttelnd. „Allerdings kann Mr Devers, wenn er nicht im Schloss ist, sich auf der ganzen Bahnstrecke von hier nach London aufhalten und wir würden ihn erst finden, wenn wir buchstäblich über ihn stolpern.“ Lily starrte ihn an. „Sie meinen, das war kein Unfall?“ „Natürlich nicht“, antwortete Severus mit sarkastischem Unterton anstatt des Direktors. „Oder denkst du, er lässt sich zufälligerweise von selbst verschwinden, bewegt sich nicht und spricht noch einen Desillusionierungszauber über sich selbst?“ „Nein, aber...“, setzte sie an, doch bevor sie ihren Satz fortführen konnte scheuchte Dumbledore sie schon wieder aus seinem Büro. „Es sieht nicht so aus, als ob Mr Devers im Schloss wäre, also sollten wir draußen nach ihm suchen...“ Severus nickte. „Ich denke, wir sollten zuerst zum Bahnhof in Hogsmeade gehen. Wenn er den Zug verlassen oder sich auf den Weg nach Hogwarts gemacht hätte, dann hätten seine Freunde ihn zweifellos gesehen, also kann er sich nicht auf den Ländereien aufhalten.“ „Ein guter Gedanke, kommen Sie.“ Ebenso schnell, wie sie das Büro erreicht hatten, verließen sie nun das Schloss und hasteten den langen Weg hinunter in Richtung des Dorfes Die großen, von steinernen Ebern flankierten Tore waren geschlossen, doch Dumbledore öffnete sie mit einem Wink seines Zauberstabes und die Ketten glitten rasselnd beiseite. Die Auroren, die bei der Ankunft der Schüler den Eingang Hogwarts' bewacht hatten, waren nun verschwunden und so konnten sie ungestört passieren. Mittlerweile hatte die Dämmerung sich zu schwarzer Nacht verdichtet und der aufgefrischte Wind trieb die Nebelschwaden vor sich her. Lily fröstelte und zog ihren Umhang enger um sich, schon den ganzen Sommer war das Wetter ausgesprochen kühl gewesen, was sich hier im Norden Großbritanniens nur umso deutlicher zeigte. Sie war erleichtert, als sie endlich die Lichter Hogsmeades durch die dunklen Fetzen schimmern sah, die die Sicht verdeckten, und die Stufen erklomm, die zur Plattform des Bahnhofes führte. Der Zug war längst wieder zurück nach London geschickt worden und sie hoffte inständig, dass Nathan sich nicht noch immer in einem der Abteile befand... nein, das war unmöglich, er lag im Gras... und Gras gab es dort keines. „Lumos“, wisperte Severus neben ihr und sie tat es ihm gleich, ein wenig beschämt, dass sie nicht daran gedacht hatte. Die beiden Strahlen ihrer Zauberstäbe beleuchteten den Bahnsteig und suchten ihn ab, während Dumbledore hinunter auf die Schienen trat und sich wachsam umsah. Auf der anderen Seite des Gleisbetts lag eine Wiese, die langsam zu einem Wald hin anstieg und Lily richtete ihren Zauberstab darauf, suchte nach Steinen wie jenen, die sie in der Schale gesehen hatte, doch... nichts. Ein Vogelschrei riss sie aus ihrer stummen Konzentration, Fawkes saß vielleicht fünfzig Meter hinter ihnen neben den Schienen und schlug ungeduldig mit den Flügeln, während er mit dem Schnabel an etwas zerrte, das sie nicht sehen konnten. „Kommen Sie!“ Dumbledore hastete mit einem für sein Alter erstaunlichen Tempo über die Gleise auf seinen Phönix zu. Severus und Lily folgten ihm nach einem Moment und blieben keuchend neben dem Vogel stehen, wohingegen der Schulleiter absolut nicht außer Atem zu sein schien. „Finite Incantatem“, murmelte er und augenblicklich tauchte Nathan Devers aus dem Nichts auf, er lag mit dem Gesicht nach unten im Gras neben den Schienen und bewegte sich nicht, selbst als Dumbledore ihn vorsichtig umdrehte. Lily zuckte zusammen, als sie Nathans Gesicht sah, eine hässliche Platzwunde zog sich über seine Stirn und seine Wange hatte sich bereits blauviolett verfärbt. Auch sein Umhang war zerrissen und sein rechter Zeigefinger stand in einem unnatürlichen Winkel vom Rest der Hand ab; Snape betrachtete ihn mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck, hinter dem Lily Schrecken zu erkennen vermochte. In Dumbledores Gesicht arbeitete es, doch nach einem Moment hatte sich der Schulleiter wieder unter Kontrolle und griff nach seinem Zauberstab. Er murmelte etwas und ein silbriger Schemen brach aus der Spitze hervor, der zum Schloss davonflog, dann wandte er sich Nathan zu und ließ ihn mit einer weiteren Bewegung in der Luft schweben. Der Slytherin rührte sich nicht, während Dumbledore ihn in die Krankenstation brachte, doch Lily spürte, wie sie zitterte, das Erlebnis hatte sie mehr erschreckt, als sie erwartet hatte, besonders das Gesicht Nathans. „Severus?“, wisperte sie und warf einen Blick auf ihn, der neben ihr herging und gänzlich unbewegt zu sein schien. „Severus, wer hat das getan?“ Doch er sah sie nur für einen Augenblick aus dem Augenwinkel an, fast missbilligend, wie sie fand, und sie entschloss sich, lieber den Mund zu halten. Seine gespielte Ausdruckslosigkeit kaufte sie ihm ohnehin nicht ab, sie wusste einfach, dass Severus besorgt sein musste, auch wenn er nicht willens oder in der Lage war, es zu zeigen. Dumbledore führte sie an der geöffneten Tür der Großen Halle vorbei, gerade fand die Hauseinteilung statt und die Reihe der Erstklässler hatte sich mittlerweile merklich gelichtet, doch die fröhlichen Stimmen wirkten auf Lily merkwürdig distanziert, so als ob sie mit den glücklichen jungen Hexen und Zauberern dort drinnen kaum etwas gemein hatte. In Rekordzeit hatten sie die Krankenstation erreicht, Madame Pomfrey wartete bereits und Dumbledore ließ Nathan auf eines der Betten schweben, dann wandte er sich plötzlich Lily und Severus zu und betrachtete sie aus seinen durchdringenden blauen Augen. „Miss Evans, Mr Snape, ich denke, es ist besser, wenn Sie beide hierbleiben.“ Severus richtete sich fast rebellisch auf. „Aber wieso...?“ „Ich möchte, dass diese Angelegenheit unter uns bleibt, bis ich Gelegenheit hatte, mit Nathan zu sprechen und herauszufinden, wer dafür verantwortlich ist. Was allerdings...“, er lächelte ein wenig, „schwierig werden könnte, wenn Sie jetzt, mitten in der Auswahlzeremonie, in die Große Halle platzen... man würde Sie mit Fragen überhäufen und Sie hätten kaum eine Wahl, als die Geschichte zu erzählen. Daher bleiben Sie am besten hier.“ Ein kurzer Schlenker mit seinem Zauberstab, und auf dem Nachtkästchen eines der freien Betten erschienen zwei Platten mit belegten Broten, zwei Gläser und ein Krug, zweifellos mit Kürbissaft gefüllt. Danach war Dumbledore auch schon durch die Tür verschwunden, und Lily seufzte fast lautlos auf, als sie einen Blick zu Nathan warf, der gerade von Madame Pomfrey versorgt wurde. Erschöpft ließ sie sich neben Severus, der schon Platz genommen hatte, auf das Bett sinken und starrte die Brote an, aber sie hatte absolut keinen Hunger mehr und dem Slytherin schien es ähnlich zu gehen. Gerne hätte sie gefragt, wie es Nathan ging, aber die missbilligenden Geräusche, die Madame Pomfrey von sich gab, als sie seine Wunden untersuchte, hielten sie davon ab und so blieb ihr nichts weiter übrig, als auf den Fußboden zu starren und das unbehagliche Schweigen zwischen ihr und Severus zu verdrängen. Doch schließlich war die Behandlung beendet und die Medihexe trat auf sie beide zu, noch immer einen Ausdruck des Ärgers auf dem Gesicht. „Seine Verletzungen waren nicht lebensgefährlich und in ein paar Tagen ist er sicherlich wieder der Alte. Aber trotzdem wird mir bei dem Gedanken ganz schlecht, was ihm hätte passieren können, man weiß nie, welche Geschöpfe in diesen Tagen frei herumlaufen. Es ist gut, dass ihr ihn gefunden habt.“ Sie wischte sich die Hände an einem Handtuch ab. „Was ist mit ihm passiert?“, fragte Lily zaghaft, und Madame Pomfrey schnaubte. „Im Grunde nicht viel, er ist ordentlich verprügelt worden und hat ein paar Flüche abbekommen... trotzdem war es sicherlich sehr schmerzhaft für ihn, und ich würde gerne diejenigen in die Finger bekommen, die ihm das angetan haben... es war nicht schwierig, aber sicherlich sehr wirkungsvoll.“ Sie betrachtete die beiden Schüler für einen Moment, dann zuckte sie mit den Schultern. „Ich muss hinunter zur Feier, und ihr solltet etwas essen, immerhin habt ihr seit dem Frühstück nichts in den Magen bekommen...“ Madame Pomfrey gab sich nicht zufrieden, bis sie beide eines der Brote gegessen hatten, doch dann verließ sie die Krankenstation, und Lily seufzte auf und trat an Nathans Bett. „Wer hat das wohl getan?“ Ihr war nicht bewusst, dass sie laut gesprochen hatte, bis Severus aufschnaubte. „Du solltest öfter nachdenken... ist dir nicht aufgefallen, wo wir ihn gefunden haben?“ Verwirrt blickte sie über das Bett hinweg auf den Slytherin. „Hinter dem Bahnsteig... wieso?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, am Ende des Bahnsteiges... genau dort, wo der Slytherin-Teil des Zuges war.“ Lily starrte ihn an. „Du meinst... du meinst, das waren seine eigenen Kollegen? Und keine wütenden Schüler aus anderen Häusern?“ Severus nickte sehr sehr ernst. „Ich weiß es nicht... aber ich halte es für viel zu wahrscheinlich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)