Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 6: Florence ------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 6: Florence Remus Lupin starrte für einen Augenblick auf seine Pizza, dann spießte er eine Ecke mit der Gabel auf und schnitt sie langsam ab. Die ersten beiden Schultage im neuen Jahr waren bis jetzt recht ruhig verlaufen. Bis jetzt hatten seine Freunde noch keine größere Katastrophe verursacht – was ihn eigentlich ein wenig überraschte, wenn er ihren Ruf bedachte – und so waren ihm die Peinlichkeiten, an die er mittlerweile fast gewöhnt war, erspart geblieben. Er säbelte ein neues Stück von seiner Pizzaecke, die Salami wehrte sich und so schob er die Scheibe ganz auf seine Gabel und hinterließ einen kleinen Krater im Käse und der Tomatensoße. Es war... ruhig. Fast ein wenig zu ruhig, fand er, denn die Große Halle war nahezu leer, er war einer der letzten, die ihr Abendessen einnahmen, denn er hatte noch seine Arithmantik-Hausaufgaben in der Bibliothek erledigt. Auch Professor Vektor hielt nichts davon, das Schuljahr langsam anzugehen. Sie hatte mit einer kurzen Wiederholung des Stoffes seit der dritten Klasse und einem beunruhigenden Ausblick auf ihre UTZ-Prüfungen begonnen, der sie offensichtlich davon überzeugen sollte, brav, fügsam und fleißig zu sein, damit sie nicht durchfielen. Seine Freunde hatten schon längst gegessen, sie hatten die letzten beiden Stunden frei gehabt, nur er hatte sich noch durch Zahlen und ihren Bedeutungen gekämpft, die seinem vom Rest des Tages schon vernebeltes Gehirn nur rätselhaft und vage erschienen. Für einen Augenblick fragte er sich, wer eigentlich diesen Stundenplan für ihn zusammengestellt hatte, wahrscheinlich war es... „Remus?“ Er blickte auf, überrascht, dass ihn jemand angesprochen hatte – und sah direkt in die blauen Augen von Florence Silverspoon, die nervös an ihrem Hufflepuff-Abzeichen herumnestelte. Er ließ das Besteck fallen und starrte sie für einen Augenblick an, dann besann er sich auf die Tatsache, dass er eigentlich auch sprechen konnte. „Was machst du denn hier?“ „Ich... darf ich mich zu dir setzen?“ „Öhm... klar.“ Er räumte mit einer fahrigen Bewegung seine Tasche, die fast vor Büchern überquoll, von der Bank, um Platz für Florence zu machen. Sie setzte sich mit einem Lächeln. „Ich... ich wollte dich fragen, ob du mir wieder Nachhilfe in Verwandlung geben könntest, wir hatten heute die erste Stunde und ich hab über die Ferien alles vergessen, glaub ich... die McGonagall wollte mir schon fast Punkte abziehen.“ Remus blickte sie überrascht an. „Warum hast dus nicht abgewählt? Du bist doch letztes Jahr schon kaum durch die Prüfungen gekommen...“ Unbehaglich zuckte sie mit den Schultern. „Ich halte dich vom Essen ab, nicht wahr?“ „Nein, natürlich nicht...“ Remus warf einen Seitenblick auf seine Pizza, entschloss sich dann aber endgültig, dass sein knurrender Magen auch warten konnte. „Red ruhig weiter.“ „Naja... ich kann Verwandlung nicht abwählen. Ich möchte eine Ausbildung zur Medi-Hexe anfangen, sobald ich mit Hogwarts fertig bin, und dafür muss man einen UTZ in Verwandlung haben... immerhin haben sie in St. Mungos doch dauernd mit misslungenen Transformationen zu tun... Leuten, die ein Animagus werden wollten und es nicht geschafft haben und dergleichen...“ Remus nickte, auch James hatte Zaubertränke gewählt, weil er Auror werden wollte und dafür einen UTZ brauchte... oder möglicherweise auch, weil Snape und Lily in derselben Klasse waren, und er den einen triezen und die andere anhimmeln konnte, wenn ihm langweilig wurde. „Also, was kann ich für dich tun?“ Florence lächelte ein wenig, und Remus spürte, dass er eigentlich doch nicht so müde war, wie er geglaubt hatte. „Naja... könntest du mir wieder Nachhilfe in Verwandlung geben? Ich muss bis übermorgen diesen Aufsatz fertig haben, und ich hab keine Ahnung, wie ich ein paar der Transformationen, über die wir schreiben müssen, machen soll...“ Erfreut lächelte Remus, er hatte sich schon ein wenig Sorgen gemacht, dass er Florence dieses Jahr weniger sehen würde, wo er doch für seine UTZ lernen musste... denn obwohl er nicht in sie verliebt war, wie seine Freunde so gerne behaupteten, war sie ihm doch ziemlich ans Herz gewachsen. „Natürlich. Was hältst du von morgen Abend?“ Florence starrte einen der goldenen Becher an, die auf dem Haustisch standen und im Licht der schwebenden Kerzen funkelten. „Ähm... heute wär besser... ich hab morgen Astronomie, und da muss ich mitten in der Nacht auf den Turm und würde gerne ein wenig vorschlafen...“ Ohne dass er es wollte, entwich Remus ein kleines Ächzen... er fühlte sich jetzt schon so, als ob der Krake ihn mit einem seiner Fangarme vom Ufer hochgehoben, gut durchgeschüttelt und bewässert und zum krönenden Abschluss mit ihm als Ball auch noch Pingpong gegen die Mauern von Hogwarts gespielt hatte, und er wollte gar nicht daran denken, was sein bereits schmerzender Kopf zu zwei Stunden Nachhilfe zu sagen hatte. Aber... „Ist es heute nicht so gut?“ Florence hatte den Kopf schief gelegt und betrachtete ihn aus großen, besorgten Augen, doch er schüttelte nur den Kopf. „Nein, ist schon in Ordnung... ich hab Zeit.“ Die Hufflepuff blickte ihn auf eine Art und Weise an, die ihn beunruhigend an Professor McGonagall erinnerte, wenn sie ihn oder seine Freunde bei einer unerlaubten Unternehmung erwischt hatte. „Hm... und wieso hab ich bloß das Gefühl, dass dem nicht so ist?“ Remus versuchte, überzeugend unwissend mit den Schultern zu zucken, aber er wusste, dass es ihm nicht gelang, während er spürte, dass die Hitze über sein Gesicht kroch. „Ähm... ich hab keine Ahnung?“ Florence grinste nur. „Remus... du kannst nicht lügen. Absolut nicht.“ „Möglich“, entgegnete er knapp, langsam hatte er das Gefühl, dass die Situation für sie eindeutig lustiger war als für ihn, und er machte Anstalten, sich wieder seiner Pizza zuzuwenden. „Außerdem siehst du aus, als hätte dich jemand von der Kerkermauer gekratzt, und ich hab das Gefühl, dass du dich lieber in deinem Bett verkriechen würdest, als mir zu helfen, also werd ich mich jetzt mal alleine an meinen Verwandlungsaufsatz setzen...“ Selbst er bemerkte den enttäuschten Unterton in ihrer Stimme, obwohl sie sich redlich Mühe gab, ihn zu verbergen, und als sie von der Bank aufstand, hielt er sie am Ärmel ihres Umhanges fest. „Es tut mir leid, Florence... aber ich... ich fühl mich heute einfach nicht besonders...“ Und das nicht nur, weil ich mich vor weniger als einer Woche in ein blutrünstiges Ungetüm verwandelt habe... „Ist schon okay...“, sie bedachte ihn mit einem mitleidigen Blick, die Schärfe war aus ihrer Stimme gewichen und Remus fragte sich, ob er wirklich um so viel kränker klang, als er sich eigentlich fühlte. Immerhin würde er nicht demnächst sterben oder für immer unter dem Beinklammerfluch leiden oder hatte Furunkel im ganzen Gesicht... „Aber hast du vielleicht irgendwann anders Zeit? Samstag vielleicht?“ Er nickte, er glaubte nicht, dass er an diesem Tag schon irgendetwas vorhatte, von James' und Sirius' jährlicher „Zurück in Hogwarts“-Party abgesehen... und Nachhilfe wäre eine willkommene Ausrede, einen Teil davon auszulassen. Einen möglichst großen Teil. „Natürlich. Im Verwandlungs-Klassenzimmer?“ „Okay...“ Florence blickte ihn unsicher an, sie spielte mit einer ihrer blonden Locken, die auf ihre Schulter hing und trat von einem Fuß auf den anderen. „Na... ich geh dann jetzt. Guten Appetit noch...“ Er blickte ihr nach, bis sie durch die Türen der Großen Halle verschwunden war, sie würdigte ihren fast leeren Haustisch keines Blickes, offensichtlich hatte sie schon früher als er gegessen – was er jetzt allerdings auch tun sollte. Missmutig wandte er sich seiner nun kalten Pizza zu und spießte sie mit seiner Gabel auf. „Wo warst du denn so lange, Moony?“ Kaum hatte er das Portraitloch durchquert, stürzte sich James auf ihn wie der Sucher der Quidditchmannschaft auf den Schnatz, doch Remus ging an ihm vorbei und ließ zuallererst seine schwere Tasche auf einen der Stühle fallen. Weder Sirius noch Peter waren von ihrem bequemen Plätzen am Feuer aufgestanden, denn obwohl der Sommer eigentlich noch gar nicht vorbei war, sah das Wetter eher regnerisch und kühl aus. „Essen“, entgegnete er nun und kuschelte sich in die weiche, rote Polsterung des Sessels, den seine Freunde ihm freigehalten hatten. Nun, wo er hier war, fühlte er sich gleich viel besser und er fragte sich, ob er Florence nicht vielleicht doch hätte helfen sollen. James hob die Augenbrauen. „Essen? Und dazu hast du so... ewig gebraucht?“ „Und ich hab Florence getroffen.“ „Florence?“ Nun sah selbst Sirius auf, der gerade schwer damit beschäftigt gewesen war, seinen Marshmallow über dem Feuer zu drehen, damit er nicht anbrannte. „Die Florence, von der wir denken, dass du sie meinst?“ Remus seufzte schicksalsergeben und fragte sich, warum er eigentlich nicht den Mund gehalten hatte. „Nein. Florence Matthews, du weißt schon, die Jägerin von Pride of Portree.“ „Und? Was wollte sie?“ James hatte sich offensichtlich entschlossen, seinen Einwand zu ignorieren, was Remus fast keine andere Wahl ließ, als zu antworten. „Sie hat wegen Nachhilfe in Verwandlung gefragt heute Abend.“ Sirius setzte sich auf und starrte ihn an. „Und was machst du dann hier? Warum hast du nicht ja gesagt?“ Remus blickte genervt in die Flammen des Kamins und beobachtete, wie Sirius' Marshmallow sich langsam auf seine Kohlenstoffbestandteile reduzierte. „Ich wollte ja 'ja' sagen, Tatze. Sie hat mich nur nicht gelassen.“ Peter blickte von dem geschlossenen Buch in seinem Schoß auf, er hielt den Zauberstab in der Hand und schien eigentlich Verwandlungen üben zu wollen, das aber vollkommen vergessen zu haben, während er ihrem Gespräch folgte. „Ähm... muss ich das verstehen?“ „Nein, musst du nicht“, entgegnete Sirius. „Frauen verstehen sich nicht einmal selbst, wie können sie es dann von uns erwarten?“ „Sag das besser nicht zu laut. Evans sitzt dort drüben, und wenn sie dich hört, hat sie dich schneller verflucht, als du Protego sagen kannst.“ James wischte Remus' Tasche von dem Stuhl neben ihm, um sich darauf fallen zu lassen. „Und das würde ich nicht riskieren.“ „Ach, du willst nur nicht, dass du schlechter dastehst als ohnehin schon, Krone. Aber, um zum eigentlichen Thema zurückzukommen...“, bei dieser Aussage Sirius' entwich Remus ein leises Stöhnen, „... so wird das nie etwas mit Moony und... verdammt.“ Während ihres Gespräches hatte Sirius seinen Marshmallow vollkommen vergessen, der Stock war zu tief über den Flammen gehangen und so hing jetzt eine schwarze, verbrannte Masse daran, die aussah, als wäre sie beim Hinunterfließen erstarrt. Er zog ihn zu sich und betrachtete ihn stirnrunzelnd aus der Nähe. „Wenigstens hast du bewiesen, dass Kohlenstoff drin ist“, bemerkte Remus nicht ohne Schadenfreude, als Sirius den verkohlten Marshmallow von der Spitze löste. „Kohlenwas...?“, fragte James und Remus zuckte mit den Schultern. „Egal. Sagt mein Vater immer, wenn er bei einem Kochversuch etwas verbrannt hat und meine Mutter es wegräumen muss...“ Sirius blickte die verkohlte, schwarze Masse auf seiner Handfläche an. „Ich finde, er sieht aus wie ein Letifold.“ „Wie ein Letifold?“ Peter hatte noch immer keinen Versuch unternommen, sein Buch in etwas anderes zu verwandeln, es sei denn, er hoffte, das durch bloßes Starren zu erreichen. „Natürlich“, erklärte Sirius gewichtig. „Schwarz und anderthalb Zentimeter dick. Das kommt doch hin.“ James grinste trocken. „Lass das bloß nicht Lovejoy hören. So viel Ahnung wie sie hat, glaubt sie das vielleicht noch wirklich... und zeigt dich beim Zaubereiministerium an. Wegen Besitz eines Baby-Letifolds.“ Sie hatten die gesamte erste Stunde in Verteidigung gegen die Dunklen Künste damit verbracht, das Lehrbuch nach Kapiteln durchzuackern und festzustellen, ob sie die Themen darin schon behandelt hatten oder nicht. Lovejoy hatte sich zu allem, das sie gesagt hatten, Notizen direkt in das Inhaltsverzeichnis ihres Buches gemacht, was allein Remus schon als ein Sakrileg angesehen hatte, und sie danach das Einleitungskapitel lesen lassen. Der Autor ließ sich darin vor allem darüber aus, dass man unbedingt darauf achten sollte, keine unnötige Gewalt anzuwenden, seinen Gegner – wenn ein Duell unvermeidbar war – mit möglichst einfachen Zaubern zu besiegen und vor allem, dass man immer und immer wieder auf praktische Übungen achten sollte. Remus fand es ein wenig ironisch, dass das ausgerechnet in einem ausgesprochen trockenen, sehr theoretischen Lehrbuch über Verteidigung gegen die Dunklen Künste stand, aber vielleicht hatte man es nachträglich als Warnung für alle Schüler eingefügt, die in etwa sagen sollte: „Finger weg von diesem Buch! Es ist schlecht und hilft dir in der Praxis absolut nicht.“ „Ich verstehe nicht, warum Dumbledore sie überhaupt genommen hat...“, murmelte Peter, sein Buch hatte sich noch immer nicht verändert und resigniert legte er den Zauberstab weg. „Wahrscheinlich hatte er einfach keine Auswahl. Der Posten ist ja nicht gerade das, was als sicher gilt...“ Nach allem, was Remus in den Schulchroniken hatte finden können, war kein Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste seit sehr sehr langer Zeit länger als ein Jahr geblieben, aus verschiedenen Gründen. Mittlerweile munkelte man, der Posten sei sogar verflucht. „Stimmt.“ Sirius steckte einen neuen Marshmallow auf seinen Stock, seinen Baby-Letifold hatte er mittlerweile schweren Herzens ins Feuer geworfen. „Und wenn ich an Pydoroth letztes Jahr denke, ist sie ja fast hochqualifiziert. Immerhin ist sie jünger als Dumbledore, kann noch sehen und fuchtelt nicht herum wie die Peitschende Weide, wenn sie versucht, einen Zauberstab zu halten.“ „Aber man könnte doch meinen, dass Dumbledore um unsere Ausbildung besorgter ist, wo doch dieser... Zauberer da draußen herumläuft und Leute umbringt.“ Peter räumte schweren Herzens auch das Buch zur Seite. Remus zuckte nur mit den Schultern. „Das denke ich auch... aber wer weiß, vielleicht war sie wirklich die Beste, die er für den Posten gefunden hat.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)