Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 7: Dunkle Magie ----------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 7: Dunkle Magie Severus Snape betrat die Krankenstation mit dem vagen Gefühl, seine Pflichten vernachlässigt zu haben, ohne dass er genau sagen konnte, woraus diese überhaupt bestanden hatten. Madame Pomfrey entdeckte ihn in dem Moment, in dem er durch die Tür kam, blickte vom – ganz offensichtlich gebrochenen – Arm einer kleinen Ravenclaw auf und deutete mit einem knappen Nicken auf den weißen Vorhang, der Nathan Devers' Bett vom Rest der Krankenstation abschirmte. Durch den Baldachin trat er hinein in das weiße Zwielicht, gerade als das Mädchen vor Schmerz aufjapste, da die Medihexe ihren Knochen mit einer harschen Bewegung wieder in die richtige Position gebracht hatte. Er schnaubte. Der Flugunterricht für die ersten Klassen hatte gerade wieder begonnen und forderte wie jedes Jahr wieder seinen Tribut, aber er selbst war sicherlich nie so verdammt klein gewesen wie die Ravenclaw, deren leises Schluchzen wie gedämpft zu ihm drang. Wahrscheinlich ein Abschirmungszauber... Nathan Devers lag in seinem Bett, jemand hatte seinen Kopf fast zärtlich auf dem Kissen drapiert und der Slytherin-Vertrauensschüler starrte die Decke der Krankenstation an, als stünden dort die letzten Geheimnisse der Magie und des Universums geschrieben. Severus warf selbst einen prüfenden Blick nach oben, nur um vollkommen sicher zu gehen, doch da war... nichts und er seufzte leise auf. Ganz offensichtlich hatte sich Madame Pomfrey getäuscht, was ihre ursprüngliche Einschätzung seines Zustandes betraf. Obwohl außer einiger hartnäckiger, gelb-grüner Flecken auf der Haut an seinem Jochbein nichts mehr von der Tracht Prügel zeugte, die seine Peiniger ihm mitgegeben hatten, weigerte sich Devers stumm, aber sehr, sehr hartnäckig, aufzuwachen. Er trat einen Schritt näher an den Vertrauensschüler, bei näherem Hinsehen wirkte sein Gesicht ungesund blass und er glaubte, fast einen Stich ins Gelbliche zu sehen. Nein, dies war keine gewöhnliche Ohnmacht, es war nicht einmal ein Koma, sondern etwas anderes... etwas, das mit Schwarzer Magie zu tun hatte. Mit höherer Schwarzer Magie. Hätte irgendeiner der bekannteren Flüche, die die Schüler so gerne gegeneinander verwendeten, Devers getroffen, so wäre Madame Pomfrey schon längst in der Lage gewesen, den Jungen aufzuwecken, daran zweifelte er nicht. Aber es schien, als wäre die Medihexe am Ende ihrer Weisheit... also hatte sie zweifellos Dumbledore hinzugezogen, der im Moment sicherlich seine eigenen Nachforschungen anstellte. Aber wenn Dumbledore keinen Erfolg hatte, was... „Severus?“ Er wollte schon nach seinem Zauberstab greifen, doch dann erkannte er aus dem Augenwinkel Lilys roten Haarschopf und entspannte sich. „Komm.“ Sie trat gänzlich durch den Vorhang und stellte sich an seine Seite, ihr Blick ruhte ebenfalls auf Devers starren, reglosen Gesichtszügen und für einen Augenblick oder zwei durchdrang Stille den Raum um das Bett. „Wie geht es ihm?“, wisperte sie, so als ob sie unwillig wäre, die Ruhe zu stören, doch er legte nur warnend den Finger an die Lippen und deutete über die Schulter in die Richtung, in der er die Medihexe und ihre kleine Patientin vermutete. „Unverändert.“ Verstehend nickte sie und trat zu dem kleinen Nachtkästchen, ein hübscher, bunter Blumenstrauß mit einer kleinen Karte stand dort, doch die ersten Köpfe begannen bereits zu welken und Lily zog sie vorsichtig heraus und legte sie neben der Vase auf dem Tischchen ab. Fast verstohlen beobachtete Severus sie, ihre Fingerspitzen, die vorsichtig die Stängel teilten, ihre Augen, die prüfend die Blüten betrachteten und ihm fast ein wenig feucht erschienen, so als ob sie sich bemühen würde, ihre Tränen zurückzuhalten. „Lily?“ Das Wort suchte sich einen Weg über seine Lippen, ohne dass er es überhaupt bemerkte. Wie ertappt blickte sie sich um und starrte ihn für einen Moment an, dann nahm sie leise und vorsichtig auf der Bettkante Platz, fast wie in dem Bemühen, Devers nicht aufzuwecken. Für einige Minuten verfielen sie in Schweigen, bis sie hörten, wie Madame Pomfrey die kleine Ravenclaw zurück in ihren Gemeinschaftsraum schickte und danach selbst in ihrem Büro verschwand. Lily räusperte sich. „Dumbledore hat noch immer nichts gesagt.“ Severus nickte sachte, dass der Schulleiter beim Bankett zu Beginn des Jahres über den Vorfall geschwiegen hatte, konnte er sich noch erklären, aber die Stille seitdem begann, ihn zu irritieren. In einem Versuch einer Erklärung meinte er: „Wahrscheinlich wartet er darauf, dass Devers aufwacht und auspackt... in der Zwischenzeit will er die Schuldigen nicht warnen.“ Er schnaubte. „Das ist mit Abstand die dämlichste Strategie, von der ich jemals gehört habe.“ Lily starrte ihn an. „Aber wenn Dumbledore denkt...“ Mit einer ungeduldigen Handbewegung wischte er ihren Einwand fort. „Nur weil ein Plan von Dumbledore stammt, ist er nicht automatisch unfehlbar und man muss ihn ohne weiter darüber nachzudenken anwenden. Und sein Gryffindor-Hirn kommt ganz offensichtlich nicht mit der Slytherin-Denkweise zurecht.“ Gerade noch rechtzeitig erinnerte er sich daran, mit wem er sprach, und setzte hastig hinzu: „Nichts gegen dich, natürlich, aber es ist so.“ Mit funkelnden Augen blickte sie ihn an, der Ausdruck auf ihrem Gesicht schnitt tief in sein Herz, doch er nahm seine Worte nicht zurück. „Ich hab mich umgehört und die Augen offen gehalten... und ich denke, dass Regulus Black und seine Freunde dahinter stecken. Er ist sehr darauf bedacht, mit seinen Leistungen die Scharte auszuwetzen, die sein Bruder...“ Er spürte, wie Abscheu in ihm aufstieg, schluckte ihn aber hinunter. „... in der Familienehre hinterlassen hat, und von den schwarzmagisch interessierten Schülern Slytherins ist er mit Sicherheit der Gefährlichste, obwohl er erst in der sechsten Klasse ist.“ Mit einer Ausnahme, dachte er sarkastisch, und das weiß Regulus glücklicherweise sehr genau. Lily betrachtete ihn mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck, Verwirrung lag darin und etwas, auf das er den Finger einfach nicht legen konnte, so sehr er sich auch bemühte... vielleicht ein Anklang von Misstrauen? Er wusste es nicht. „Aber wieso sollte er das tun? Devers ist doch ein Slytherin wie Regulus?“ Im letzten Moment verkniff Severus sich ein genervtes Stöhnen – Gryffindors waren manchmal geradezu erschreckend naiv. „Verrat, Lily.“ In ihrem Blick konnte er erkennen, dass sie noch immer nicht begriff, und er bedachte sie mit einem tadelnden Kopfschütteln. „Devers ist einer der Slytherins, die weiterhin auf Dumbledores Seite stehen und mit Lucius Malfoy und seiner Clique nichts zu tun haben wollten. Dem hat das natürlich gar nicht gefallen, und jetzt darfst du einmal raten, bei wem sich Regulus schon den ganzen Sommer einzuschmeicheln versucht...“ Lily kniff die Augen zusammen. „Bei Malfoy.“ „Natürlich... außerdem möchte Regulus seine Stellung im Haus festigen und jene auf seine Seite ziehen, die ihm bisher eher distanziert gegenüber stehen, wie Rabastan Lestrange zum Beispiel, aber das nur am Rande. Wirklich wichtig ist, dass Devers kein Wort darüber verlieren wird, wer ihm das angetan hat. Dies hier ist eine Slytherin-interne Angelegenheit und Schmutzwäsche wäscht man im eigenen Haus, Lily, und trägt sie nicht vor die Augen des ganzen Schlosses. Wir haben schon genügend Probleme mit dem Rest der Schule, auch wenn wir nicht zugeben, dass wir uneins sind und damit schwächer, als sie denken...“ Genervt verdrehte Lily die Augen. „Bei Merlin, ist das idiotisch. Ich denke, Dumbledore könnte Devers helfen...“ „Könnte er das?“, entgegnete Severus düster. „Regulus würde ihn dann vielleicht nicht mehr halb umbringen, aber es gibt Dinge, gegen die der Schulleiter nicht vorgehen kann. Verschwundene Bücher und Aufzeichnungen. Tote Haustiere. Tragische Unfälle. Außerdem wäre dann ganz Slytherin gegen Devers, nicht nur Regulus' Freunde, denn...“ „... Schmutzwäsche wäscht man im eigenen Haus, ich habs begriffen, glaub mir.“ „Gut. Im Moment würde ein nicht unbeträchtlicher Teil der Slytherins Regulus' Handlungen verurteilen, wenn sie von ihnen wüssten, da ein – potentiell tödlicher – Angriff auf einen Hauskollegen in ihren Augen entschieden zu weit geht. Aber wenn Devers seine Mit-Slytherins durch seine Aussage diskreditiert, dann kann das Pendel sehr schnell in die andere Richtung schwingen.“ Sie betrachtete ihn für einen Augenblick, er sah die feinen Falten, die sich in ihre Stirn gruben, als sie misstrauisch die Augenbrauen zusammenzog. „Und warum erklärst du mir das alles in aller Ausführlichkeit? Wie du vielleicht bemerkt hast, bin ich keine Slytherin.“ Sie deutete auf das rot-goldene Wappen auf ihrem Umhang. Er schluckte, sein Stolz versuchte wieder einmal, ihm einen Streich zu spielen, doch irgendwie schaffte er es, die Worte auszusprechen. „Ich brauche deine Hilfe.“ „Und wozu?“ Es gelang ihr nicht, die Überraschung ganz aus ihrer Stimme zu verbannen, und ein schmales Lächeln schlich über seine Lippen. „Du bist die Einzige, die von der Sache weiß, und ich bin nicht bereit, Dumbledores Anweisung zu missachten... noch nicht.“ Ihr fragender Blick war die einzige Antwort, die er erhielt, und er blickte sie fast schicksalsergeben an, sich vollkommen der Tatsache bewusst, dass ihr nicht gefallen würde, was er zu sagen hatte. „Du musst mit Sirius Black reden.“ Sie starrte ihn an. „Ich? Mit Sirius Black reden? Du denkst doch nicht ernsthaft, dass er mir zuhören würde, oder? Wenn er mich sieht, lässt er einen seiner vollkommen hirnlosen Anmachsprüche ab, sein Freund Potter tut dasselbe, und dann bringen sie sich schleunigst in Sicherheit.“ Severus schnaubte, er konnte den Sarkasmus einfach nicht aus seiner Stimme verbannen. „Immerhin verflucht er dich nicht, sobald du in Sichtweite bist. Du hast also eindeutig Vorteile mir gegenüber.“ Unbehagliches Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, er war sich sicher, dass Lily an genau denselben Vorfall vor etwas mehr als einem Jahr dachte wie er selbst. Noch immer stieg ihm die Schamesröte ins Gesicht, wenn seine Erinnerungen in diese Richtung gingen, und auch wenn er seitdem besser darauf geachtet hatte, seine Verteidigung nicht zu vernachlässigen, bereitete ihm allein der Gedanke, dass seine Demütigung sich wiederholen könnte, fast körperliche Schmerzen. Lily war es, die ihr Schweigen brach und ihn fast scheu ansah. „Da hast du wohl recht. Aber was, bei Morgana, willst du von Sirius Black?“ Severus schüttelte seine Starre ab. „Weder Madame Pomfrey noch Dumbledore waren bisher in der Lage, etwas gegen den Fluch zu tun, der Devers getroffen hat. Ich weiß nicht, wieso, aber vielleicht kennen sie den Zauber einfach nicht... Wenn man danach noch mit einbezieht, dass ich vermute, dass Regulus Black dahinter steckt, dann liegt die Vermutung nahe, dass er einen der geheimen Flüche seines Hauses benutzt haben könnte, um Devers außer Gefecht zu setzen. Besonders intelligent wäre das natürlich nicht, aber es würde zu ihm passen... denke ich.“ Lily betrachtete ihn überrascht. „Moment... geheime Flüche? Wovon redest du?“ „Die meisten älteren Familien der Zauberwelt haben einige von ihnen entwickelt. Zauber, die nur sie kennen und mit denen sie ihre Gegner ausschalten konnte, ohne dass ein Verdacht auf sie fiel... denn bei vollkommen neuen Flüchen dachten die magischen Strafverfolgungsbehörden meist eher an ferne Länder und nicht an findige Hexen und Zauberer im eigenen Land. Natürlich sind die meisten schwarzmagischen Praktiken der Familien nun bekannt, aber ich habe ein wenig recherchiert und vermute, dass es noch immer einige Geheimnisse da draußen gibt...“ Und dass ich mich schon vor dieser Sache dafür interessiert habe, muss Lily nicht wissen. Wirklich nicht. „In diesem Licht klingt die Sache schon plausibler... aber was hat das mit Sirius zu tun?“ „Vielleicht haben seine Eltern ihm einige Geheimnisse der Familie verraten, bevor er in Ungnade fiel, weil er nach Gryffindor geschickt wurde... und damit hätten wir eine Chance, Devers zu helfen.“ Lily starrte für einen Augenblick auf die Bettdecke, die Devers' Beine verhüllte. „Aber was machst du, wenn er keine Ahnung hat?“ Er zuckte mit den Schultern. „Das überlege ich mir, wenn ich Grund dazu habe.“ Noch einmal bedachte er sie mit einem durchdringenden, forschenden Blick, doch dann zuckte er nur mit den Schultern und verscheuchte die düsteren Gedanken. „Du solltest jetzt gehen, bevor dich jemand vermisst. Viel Glück, Lily.“ „Danke“, wisperte sie und huschte durch den Vorhang nach draußen, die verwelkten Blumen, die sie aus dem Strauß gezogen hatte, waren der einzige Hinweis darauf, dass sie jemals hier gewesen war, und er seufzte auf. Irgendwie fand er dieses Detail... passend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)