Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 10: Pflicht oder Wahrheit --------------------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 10: Pflicht oder Wahrheit? Lily Evans wandte sich von James Potter ab und straffte für einen Moment die Schultern, bevor sie ihren Blick auf Sirius Black richtete, der in einer Traube kichernder Mädchen auf einem der Sofas vor dem Kamin saß. Sie konnte Mary O'Donnel auf seinem Schoß erkennen, eine durchaus hübsche Fünfklässlerin, die – genauso wie Black, wie sie angewidert bemerkte – bereits recht... heiter schien und gerade herzhaft über einen Witz lachte, den der selbsternannte Casanova gerade gelallt hatte und geistig atmete sie dreimal tief durch. „Hey, Evans!“ Überrascht wandte sie sich um, es war Potter, der gesprochen hatte und herausfordernd stemmte sie die Hände in die Hüften, wo sie doch versprochen hatte, mit dem einen Idioten zu sprechen, wollte sie den anderen nicht auch am Hals haben. „Was auch immer du sagen möchtest... nein.“ Potter grinste. „Trifft sich das aber gut... ich wollte gerade fragen, ob du keine Lust hast, mit mir zu tanzen... also willst du.“ Er kam bereits auf sie zu und sie betrachtete ihn abschätzend, verschränkte die Arme vor der Brust. „Hast du nichts Besseres zu tun, Potter?“ Mittlerweile hörte der halbe Gemeinschaftsraum zu, doch es kümmerte sie nicht im Geringsten. „Ich meine... du könntest die Gelegenheit nutzen und dich im See ertränken gehen... immerhin friert der bald zu, letzte Chance sozusagen.“ Potter grinste und sie hatte das Gefühl, ihm gleich ihre Faust ins Gesicht rammen zu wollen – eine recht ungewöhnliche Regung für sie, allerdings eine, die sie erschreckend oft einholte, wenn sie mit diesem arroganten, aufdringlichen... Kerl zu tun hatte. „Ach... du willst doch nicht, dass ich sterbe. Du willst nur sehen, wie sich mein Hemd an meinen Luxuskörper schmiegt, während du versuchst, mich wiederzubeleben... mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung.“ Ein paar ihrer Mitschüler johlten, doch sie lächelte nur frostig und blickte zu ihm auf. „Potter, mir wäre der Atem für ein Enervate zu schade, um dich zu retten – denkst du wirklich, da würde ich auch noch einen Finger krumm machen? Also such dir jemand anderen, dem du auf die Nerven gehen kannst... und verzieh dich.“ Bevor Potter noch etwas erwidern konnte, wandte sie sich um und steuerte auf Emily, ihre beste Freundin, zu, die gerade die Treppen von den Mädchenschlafsälen herunterkam und offensichtlich noch das Ende der Auseinandersetzung mitgehört hatte. „Wieder der große James Potter?“ Während Emily den Kopf schüttelte und ihr das Glas Feuerwhiskey, das sie noch immer in der Hand hielt, wegschnappte und einen Schluck nahm, nickte Lily langsam „Natürlich... oder fällt dir sonst jemand ein, der mich in diese Stimmung versetzen könnte?“ Emily blickte in gespieltem Nachdenken zur Decke, dann kicherte sie. „Vielleicht... Sirius Black?“ Lily schüttelte den Kopf und gemeinsam nahmen sie die letzten Stufen, Potter hatte sich in eine andere Ecke des Zimmers verzogen und sie lächelte erleichtert, trat an die Bowlenschüssel und schöpfte sich einen Löffel voll in ein Glas. Wenn sie ehrlich war, mochte sie Feuerwhiskey nicht besonders und die vielen Früchte waren ihr eindeutig lieber. „Du auch?“ Emily schüttelte den Kopf, sie schien sich mit dem härteren Alkohol in Lilys Glas angefreundet zu haben und nicht gewillt, ihn wieder herzugeben. „Warum bist du eigentlich hier?“ Lily hob die Augenbrauen und wandte sich um ob der Frage. „Wie meinst du?“ „Naja... du kannst James nicht leiden, du kannst Sirius nicht leiden... und das ist ihre Party. Was machst du also hier?“ Lily zuckte mit den Schultern, über ihren Streit mit Potter hatte sie vergessen, was sie eigentlich hierher geführt hatte und sie hätte sich treten mögen... eigentlich war sie hier, um mit Black wegen der möglichen Flüche zu sprechen, die seine Familie entwickelt hatte und nachdenklich sah sie zu ihm hinüber. Er lallte und wedelte mit seinem Glas, schien nicht in der Lage, noch über etwas anderes nachzudenken als über das Dekolletee der Sechsklässlerin ihm gegenüber und sie seufzte leise auf – die beste Gelegenheit hatte sie eindeutig verpasst. Zwar war sie es Devers eindeutig schuldig, mit diesem verdammten Ekel von Black zu sprechen, denn immerhin hatte sie als Schulsprecherin es nicht geschafft, ihn zu beschützen, doch jetzt war sicher nicht der geeignete Zeitpunkt dafür. Selbst wenn sie sich ihm auch nur auf Rufweite nähern würde, würde er ihr eher in den Ausschnitt kriechen, als ihre Fragen zu beantworten – gesetzt den Fall, dass er sie überhaupt noch verstehen würde. Emily, die sie mit dem Ellbogen anstieß, weckte sie wieder aus ihren Gedanken, ihre Freundin grinste auf eine Art und Weise, die ihr nicht besonders gefiel. „Naja... vielleicht magst du Sirius doch ein wenig mehr, als du zugeben möchtest... immerhin hast du ihn eben verträumt angestarrt, weißt du?“ Mit einem Aufstöhnen verdrehte Lily die Augen, Emily schaffte es manchmal wirklich, sie in den Wahnsinn zu treiben. „Ich habe ins Leere gestarrt...“ „Ja, und diese Leere sieht aus wie Sirius Black. Zufälle gibt’s heutzutage...“ „Hier, trink noch was.“ Lily füllte Emilys Glas mit Feuerwhiskey auf, sie konnte ihrer Freundin kaum erklären, worüber sie wirklich nachgedacht hatte, immerhin war sie für Devers verantwortlich – und Dumbledore hatte ihr noch immer nicht erlaubt, über die Angelegenheit zu sprechen. Emily lachte herzhaft. „Ich bin schon ruhig... bevor du mich mit deinen Blicken zerstückelst...“ Lily schüttelte langsam den Kopf. „Würde ich nie machen...“ „Mit mir nicht“, entgegnete ihre Freundin trocken und schenkte ihr noch Bowle nach, während sie einen nicht besonders dezenten Seitenblick auf James Potter warf. „Bei anderen Anwesenden wäre ich mir nicht so sicher.“ Lily entschied sich, auf diese nicht ganz unwahre Anschuldigung nicht zu antworten, und fischte statt dessen mit ihrem Löffel eine Erdbeere aus ihrer Bowle, während sie aus dem Augenwinkel bemerkte, wie Emily sichtlich amüsiert den Kopf schüttelte. „Lily, du solltest dich wirklich langsam daran gewöhnt haben, dass ich dich...“ „JAMES POTTER!“ Lily zuckte bei dem plötzlichen Aufschrei zusammen, die Erdbeere platschte von ihrem Löffel zurück ins Glas und die Bowle hinterließ hässliche Flecken auf ihrer Bluse, doch sie ignorierte diese Tatsache und wandte sich dem Portraitloch zu. Remus Lupin stand darin, mit zerzausten Haaren und gelockerter Krawatte, und nachdenklich blickte sie zu Emily hinüber, die nur ratlos mit den Schultern zuckte. Sie hatte Remus in den mehr als sechs Jahren, in denen sie ihn nun schon kannte, noch nie so schlampig erlebt – oder so wütend. „Was, bei Merlin, sollte DAS?“ Potter stand an der improvisierten Bar, ein großes Glas Feuerwhiskey in der Hand, und betrachtete seinen Freund mit jenem Blick, den Lily zur Genüge kannte und mit dem er ganz offensichtlich versuchte, klein, süß und unschuldig auszusehen – was allerdings stark an einen Troll mit Kuhaugen erinnerte. Auch Emily musste sich ein Kichern verbeißen, während sie das Schauspiel beobachtete. „Was sollte was?“ „Sieh mich nicht so an. Das weißt du ganz genau!“ Remus hatte seinen Umhang über seinen Arm gelegt und seine geröteten Wangen ließen darauf schließen, dass er sich verdammt bewusst war, was für eine Szene er gerade machte. „Und jetzt komm.“ In einer untypischen Geste packte er seinen Freund am Arm und zerrte ihn hinauf, zu den Jungenschlafsälen, während die Stille, die sich vorübergehend über den Gemeinschaftsraum gelegt hatte, barst und eine ganze Welle an Getuschel freisetzte. „Wow.“ Emily lehnte sich zurück und betrachtete nachdenklich den Fleck auf Lilys Bluse, sie war sich nicht ganz sicher, was ihre Freundin jetzt damit meinte – Remus' Auftritt oder den Schmutz auf ihrer Kleidung – doch sie lächelte leicht. „Da kann ich dir nur zustimmen. Und ausgerechnet Remus...“ Emily nickte grinsend. „Der kleine, schüchterne, unschuldige und überaus gutmütige Remus, der viel zu gut ist für zwei arrogante, selbstbezogene Idioten wie Potter und Black? Das wolltest du doch sagen, oder?“ Lily verdrehte die Augen – sie hatte sich auch nach sechs Jahren noch immer nicht an Emilys Hang gewöhnt, sich einen Spaß auf Kosten anderer Leute zu machen, doch ihre Ehrlichkeit zwang sie, leicht zu nicken. „So ungefähr, ja.“ „Und seit wann denkst du das schon über die Beiden?“ Ihre Freundin betrachtete sie mit schräggelegtem Kopf, ein Blick, der meistens nichts Gutes bedeutete, und Lily zuckte mit den Schultern. „Seit ich sie kenne, würde ich sagen. Also seit mehr als sechs Jahren.“ Emily seufzte leise. „Und dir ist nicht ein einziges Mal der Gedanke gekommen, dass Menschen sich in einer so langen Zeit auch ändern können?“ „Potter und Black sich ändern? Das glaube ich erst, wenn ich es sehe“, entgegnete sie genervt, doch Emily schüttelte nur den Kopf und füllte ihr Glas mit Feuerwhiskey erneut auf, bevor sie sich ihr wieder zuwandte. „Vielleicht hast du das schon, und willst es nur nicht wahrhaben?“ Ganz entgegen Lilys Erwartungen war der Rest der Party nicht ganz so schrecklich geworden, wie sie eigentlich gedacht hätte, vor allem, da Potter noch einige Zeit verschwunden geblieben war, auch nachdem sie im Mädchenschlafsaal ihre Bluse gewechselt hatte. Sie hatte getrunken, getanzt und später Emily auf ihrem Weg auf die Toilette unterstützt, denn ihre Freundin hatte es wie immer mit dem Feuerwhiskey übertrieben. Eine Angewohnheit, die Lily ausgesprochen anstrengend fand – warum trank man weiter, wenn einem ohnehin schon schlecht war? Emilys Alkoholkonsum war außerdem der Grund, warum Lily jetzt im Nachthemd und mit ihrem Kopfpolster unter dem Arm in den Gemeinschaftsraum schlich – sie schnarchte wie verrückt, ein Geräusch, das jeden, der gerade versuchte, einzuschlafen, in den Wahnsinn trieb, und vielleicht war es hier unten wenigstens ein bisschen leiser. Leise seufzend trat sie in das Zimmer, nur noch ein schwacher Geruch nach Alkohol lag in der Luft und zeugte von der Party des Vortages, doch das improvisierte Buffet, die Flaschen, Krümel und Gläser waren allesamt verschwunden und der Gemeinschaftsraum sah wieder ganz normal aus. Nun, fast ganz normal, denn die zusammengerollte Gestalt, die sie im schwachen Schein der letzten glühenden Kohlen auf dem Vorleger vor dem Kamin erkennen konnte, gehörte eigentlich nicht hierher. „Black“, murmelte sie abwesend und trat näher, seine Krawatte war verschwunden und sein Hemd halb offen, was Lily auf die Tatsache schob, dass er am Abend zuvor mit einer Sechstklässlerin zu den Jungenschlafsälen hinauf verschwunden war – zumindest glaubte sie, sich dunkel daran erinnern zu können. „Hey, Black.“ Nachdenklich bückte sie sich nach unten, auch er schnarchte leise, und sie seufzte auf – war sie nirgends sicher vor Alkoholleichen? „Aufwachen, Black.“ Unsanft rüttelte sie ihn an der Schulter und seine grauen Augen öffneten sich, blinzelten verwirrt zu ihr hoch. „Umpf?“ Das unartikulierte Geräusch klang, als hätte sie ihm gerade in den Magen geboxt, und Lily schüttelte den Kopf. „Solltest du nicht in dein Bett verschwinden?“ Black fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung über die Augen. „Hab noch... aufgeräumt, mit James, jawohl.“ Sie glaubte ihm kein Wort, bevor die beiden freiwillig für das, was sie getan hatten, die Verantwortung übernahmen, würde Slughorn im rosa Tutu auf dem Gryffindor-Haustisch den sterbenden Schwan tanzen. „Von mir aus... aber trotzdem solltest du jetzt ins Bett. Ich glaube nicht, dass der Boden hier besonders bequem ist...“ „Hast wohl recht...“, nuschelte Black schlaftrunken und rappelte sich auf, bevor er die Augen zusammenkniff und sie mit plötzlicher Schärfe musterte, „... Lily.“ Erst jetzt schien er zu bemerken, dass er mit ihr sprach und nicht mit einem seiner Freunde, der ihn mit wohlmeinenden Worten ins Bett komplimentieren wollte. Doch nach einem Moment, in dem sie die Zahnräder förmlich hinter seiner Stirn rattern hören konnte, nickte er langsam und wandte sich dann ab. „Nacht.“ Mit ihrem Blick folgte sie ihm, wie er ein wenig unsicher – was auch an der Dunkelheit, die in dem Raum herrschte, liegen konnte, sie glaubte es nur nicht wirklich – auf die Wendeltreppe zu den Jungenschlafsälen zutapste, und nachdenklich legte sie den Kopf schief. Irgendetwas... „Hey, Black.“ Auch Lilys eigene Zahnräder schienen noch nicht besonders gut geölt zu sein, fast hätte sie vergessen, diese einmalige Gelegenheit, allein mit ihm zu sprechen, zu nutzen – vor allem, da er im Moment viel zu müde zu sein schien, um mit ihr zu flirten. „Kann ich dich was fragen?“ „Wenn du wissen möchtest, ob ich mit dir ausgehen würde, lautet die Antwort ausnahmsweise nein“, entgegnete er mit einem schnellen Grinsen, und Lily revidierte ihre erste Einschätzung kopfschüttelnd. „Ich meine... ernsthaft.“ Abwesend fragte sie sich, ob dieser Begriff überhaupt in seinem Wortschatz vorhanden war, doch zu ihrer eindeutigen Überraschung nickte er langsam und kam zurück, ließ sich schwer in einen der bequemen Ohrensessel sinken, die neben dem Feuer standen. Auch schien er das Sirius-Äquivalent eines ernsthaften Gesichtsausdruckes aufzusetzen, eine Miene, die sie allerdings nicht unbedingt zuversichtlicher stimmte. Trotzdem seufzte sie leise, sie wusste kaum, wo sie anfangen sollte, und entschloss sich schließlich, einfach mit der Tür ins Haus zu fallen – es war ja nicht so, dass sie von Black behaupten konnte, dass er selbst besonders... zurückhaltend wäre. „Ich... ich wollte dich nur fragen, ob dir deine Familie jemals irgendetwas über geheime Flüche oder Zauber verraten hat... Zauber, die möglicherweise von Medimagiern nicht geheilt werden können...“ Trotz ihres zurückhaltenden, fast scheuen Tonfalls schnaubte Sirius wütend auf und wandte sich ihr zu, der Ausdruck in seinen grauen Augen überraschte sie, denn sie hatte ihn noch nie so zornig und doch so verletzlich erlebt. „Hör mir zu... meine Familie würde mir nicht mal ihre Eule übers Wochenende anvertrauen, vom Babysitten nicht zu sprechen – was bringt dich auf den Gedanken, dass sie mir irgendwelche Geheimnisse verraten?“ Er klang... bitter, stellte sie überrascht fest, und sie wusste nicht, ob der Kontrast zu dem leichtlebigen, verspielten jungen Mann, den sie seit sechs Jahren kannte, von den Nachwirkungen des Alkohols herrührte oder ob sie wirklich seinen wunden Punkt gefunden hatte. „Ich... ist egal, Sirius. Danke für deine Hilfe.“ Fast konnte sie die Neugier hinter seinem Blick schmecken, während er sie anstarrte, doch dann schien die Müdigkeit Überhand zu gewinnen und er nickte langsam. „Na dann... Nacht, Evans.“ „Nacht“, entgegnete sie leise und sah ihm nach, wie er – diesmal endgültig – zur Treppe seines Schlafsaales hinüberging und schließlich verschwand, während sie hoffte, dass er zu betrunken war, um sich am nächsten Morgen an ihr Gespräch zu erinnern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)