Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 28: Eine Lilie unter Disteln ------------------------------------ Nebel über Hogwarts – Kapitel 28: Eine Lilie unter Disteln Der Mädchenschlafsaal der siebten Klasse von Gryffindor brummte vor hektischer Aktivität, während der Halloweenball näherrückte. Nur Emily und Lily schienen am Nachmittag, bevor sie sich fertigmachen mussten, noch klar denken zu können, und sich auf die Reihenfolge zu einigen, in der die fünf Mädchen duschen würden, war vollkommen unmöglich. Emily und Lily lösten das Problem, indem sie in das – zum Glück freie, alleine der Gedanke daran, James hier zu treffen, war so peinlich, dass sie nicht einmal daran denken mochte! – Badezimmer der Schulsprecher auswichen und erst danach in den Gryffindorturm zurückkehrten, um ihre Sachen zu verstauen. „Und du möchtest wirklich mit Potter gehen?“, meinte Lily, während sie in ihr besticktes Kleid schlüpfte und Emily den Reißverschluss am Rücken für sie schloss, eine Frage, die bei ihrer Freundin nur ein genervtes Aufseufzten auslöste. „Meinst du wirklich, dass sich meine Meinung jetzt noch ändert? Ich kann dir versichern, meine Angst vor einem langweiligen Abend mit James ist nicht größer als noch vor einer Woche.“ „Aber er ist nervig und redet die ganze Zeit über Quidditch und seine unglaublich tollen Streiche!“ „Nicht jedem ist Quidditch genauso egal wie dir, Lily – also haben wir schon einmal ein Gesprächsthema gemeinsam, und ich bin mir sicher wir werden auch noch ein anderes finden.“ Emilys Zwinkern machte Lily misstrauisch und sie runzelte die Stirn, was ihre beste Freundin so sehr zum Lachen brachte, dass ihr fast ihre Haarbürste aus der Hand fiel. „Komm schon, Lily – es ist doch klar, dass er mich über dich ausfragen wird!“ „Über mich?“ Der Gedanke erschreckte Lily ein wenig und das musste sich auch in ihrem Gesicht gezeigt haben, denn Emily überbrückte die wenigen Schritte zu ihr hinüber und tätschelte ihren Arm. „Ich werd ihm nichts peinliches erzählen, vertrau mir – aber es könnte witzig werden, glaube ich.“ Lily schüttelte den Kopf. „Deine Definition von witzig unterscheidet sich wohl ziemlich von der normaler Menschen!“ „Das behauptest ausgerechnet du“, schnaubte Emily und senkte die Stimme. „Meine Definition von angenehmer Gesellschaft würde auch nicht unbedingt Severus Snape miteinschließen.“ Lily zuckte ertappt zusammen, sie hatte ihrer Freundin noch immer nicht verraten, dass sie gemeinsam mit ihm zum Ball gehen würde, sondern ein großes Geheimnis aus ihrem Partner gemacht. Zwar wusste sie, dass sie ihn nicht ewig verstecken konnte, aber sie hatte viel zu viel Angst vor Emilys Reaktion, als dass sie sich ohne weiteres getraut hätte, darüber zu sprechen. Trotz ihres Gespräches, als sie geschwommen waren, kannte sie die Einstellung ihrer Freundin Slytherins gegenüber viel zu gut. „Meine Güte“, murmelte Emily hinter ihr, während sie gerade damit beschäftigt war, Lilys Haare hochzustecken. „Du gehst wirklich mit ihm, oder?“ Lily spürte, wie eine Welle aus Eis durch ihren Körper schoss und wollte nichts mehr, als ihrer Freundin ins Gesicht zu sehen, wurde aber von deren Fingern an ihrem Kopf abgehalten. „Beweg dich nicht so viel, oder ich steche dich!“ Gezwungenermaßen hielt Lily still, während Emily ihre Haare mit dem Zauberstab und der Haarbürste bearbeitete und dabei leise vor sich hinmurmelte, bis sie schließlich aufseufzte. „Wirklich, Lily, denkst du ernsthaft, dass ich keine Ahnung hatte? Du wolltest mir nicht sagen, mit wem du gehst, und es gibt nur eine einzige Person in diesem Schloss, bei dem du das tun würdest – also musste ich nur zwei und zwei zusammenzählen, und so viel Arithmantik kann ich dann gerade noch.“ Sie griff nach der ersten der weißen Lilien, die auf Lilys Nachttisch lagen, um sie in die Frisur einzubauen. „Außerdem ist es deine Entscheidung, mit wem du deine Zeit verbringst, auch wenn es mir nicht gefällt. Und wie dir vielleicht aufgefallen ist, habe ich nicht die ganze letzte Woche versucht, dir deinen Tanzpartner auszureden – im Gegensatz zu gewissen anderen Personen.“ Emilys Sarkasmus schnitt tief, sie hatte doch eigentlich recht und trotzdem fiel es Lily so unglaublich schwer, sich zurückzuhalten, ihre Meinung nicht zu sagen, wo sie sich doch so sicher war, dass ihre Einschätzung von James Potter stimmte. „Tut mir leid“, meinte sie geknickt, während Emily die zweite Lilie in ihre Haare steckte und schnaubte. „Ist schon okay – solange du versprichst, mir vor dem Weihnachtsball nicht so auf die Nerven zu gehen!“ „Hoch und heilig“, entgegnete Lily und wurde nur Sekunden später, nachdem Emily die dritte Blume platziert hatte, aus ihren Fängen entlassen, um sich im Spiegel zu begutachten. Ihre Hochsteckfrisur sah sehr elegant aus, denn Emily hatte mehr Talent mit dieser Art von Zaubern als sie, und das Gelb der Lilien spiegelte sich in einigen Stickereien auf ihrem weißen Kleid wieder. Ihre Freundin war ebenfalls fast fertig und musste sich nur noch einige Bänder in ihr Haar stecken, damit ihre Frisur halbwegs griechisch aussah, bevor sie sich eigentlich auf den Weg machen konnten. Wobei – eine Sache war da noch. „Emily?“ „Ja?“ Ihre Freundin nickte abwesend, während sie die letzten Strähnen in Position legte, um sie gleich darauf mit ihrem Zauberstab festzupinnen. „Du verrätst doch niemandem, dass ich mit Severus auf den Ball gehe, oder? Ich möchte nicht, dass er Ärger mit Potter bekommt.“ Emily verdrehte die Augen. „Habe ich in der letzten Woche etwas verraten? Nein! Und außerdem, wenn James noch immer im Besitz zweier funktionstüchtiger Sinnesorgane ist – was er zumindest am Samstag noch war, sonst hätte er den Torring gar nicht getroffen – findet er ohnehin heraus, dass du mit Snape gehst. Spätestens, wenn ihr zusammen tanzt.“ „Ähm... wir haben einen Plan. Das heißt, er hat einen Plan, wie wir das vielleicht verhindern können, und ich möchte nicht, dass alles den Bach hinunter geht, nur weil ich getratscht habe.“ Emily wirkte skeptisch, während sie in ihre Sandalen schlüpfte und die vielen Falten ihres griechisch angehauchten Kleides zurechtrückte. „Keine Angst, wegen mir erfährt niemand davon. Ich kann mir nur nicht richtig vorstellen, wie das funktionieren soll.“ „Du wirst schon sehen“, entgegnete Lily nur, um das Thema für den Moment abzuhaken, auch, weil ihre Vorbereitungen nun eigentlich beendet waren. Sie und Emily warfen einen letzten, prüfenden Blick in den Spiegel, bevor sie nach ihren Handtaschen griffen und sich auf den Weg in ihren Schlafsaal machten, um ihre Schulumhänge und ihre Toilettsachen zu verstauen. „Du siehst wirklich wie eine Griechin aus“, bemerkte sie, während sie die Treppen hinaufstiegen, was Emily nur zu einem lauten Lachen veranlasste. „Na, besonders historisch korrekt bin ich nicht – Professor Binns würde wahrscheinlich in der Luft rotieren, wenn er mich sehen könnte.“ Auch Lily kicherte, während sie sich, nachdem sie durch das Portraitloch gestiegen waren, zwischen ihren kostümierten Hauskllegen hindurchschoben. Sie brauchten nur wenige Minuten, bevor sie die Treppe zum Gemeinschaftsraum wieder herunterkamen, und sofort entdeckte Emily Potter und seine Freunde. „Letzte Chance“, meinte sie nur, doch ihre Freundin schüttelte nur den Kopf und verabschiedete sich mit einem Grinsen vor ihr. „Wird schon nicht so schlimm werden.“ Lily wusste nicht, ob sie damit ihren Abend mit Potter oder Lilys eigenen mit Severus meinte, und für einen Moment spürte sie, wie die Zweifel in ihr hochkrochen. Sie wollte Severus nicht noch mehr Ärger machen, als er ohnehin schon hatte, und wenn sein Plan schiefging, wäre er zweifellos noch schlimmer dran als jetzt gerade. Doch als sie sich sein enttäuschtes Gesicht bei einer Absage vorstellte, schüttelte sie den Kopf und trat vorsichtig durch das Portraitloch nach draußen, um nicht über den bestickten Saum ihres langen Kleides zu stolpern. Sie hatte zugesagt, also musste sie auch kommen, und außerdem freute sie sich schon darauf, endlich wieder einmal mehr Zeit mit ihm verbringen zu können, Zeit, in der er er selbst sein konnte und sich nicht Sorgen darüber machen musste, was andere über ihn dachten. Fast schon aus Gewohnheit achtete sie darauf, dass sie nicht verfolgt wurde, während sie durch die langen, kalten Korridore zu ihrem Treffpunkt huschte, einem Geheimgang, der ganz in der Nähe der Großen Halle endete. Gänsehaut kroch ihre nackten Arme hinauf, sie hatte nicht daran gedacht, ein Jäckchen zu ihrem Kleid anzuziehen und jetzt fror sie. Der Gedanke an die Kälte allerdings verschwand in dem Moment, als sie hinter dem Wandteppich hevortrat und einen ersten Blick auf Severus erhaschte. Für einen Moment fragte sie sich, wer dort auf sie wartete, doch dann drehte er sich zu ihr um, als er ihre Schritte hörte, und sie spürte, wie seine Augen über ihre Haare, über ihr Kleid huschten. Auch sie musterte ihn, er sah so gar nicht nach dem Severus aus, den sie kannte und der sich nicht darum kümmerte, welchen Eindruck er auf andere machte. Natürlich, seine Nase war dieselbe geblieben, aber seine Haare schienen gewaschen und waren mit einem blauen Band im Nacken zusammengefasst. Und die Robe, die er trug, ließ ihn entschieden größer, muskulöser und... erwachsener wirken, nicht so wie den schüchternen Jungen, den sie vor Jahren kennengelernt hatte und der sich immer noch ein wenig über ihr Bild von ihm legte, wenn sie ihn sah. „Hi“, meinte sie ein wenig atemlos und unsicher und er trat auf sie zu, ein merkwürdig wehmütiges Lächeln auf den Lippen. „Hey.“ Die Stille des Korridors wurde nur durch ihren eigenen Atem unterbrochen, der plötzlich unglaublich laut in ihren Ohren klang, bis Severus noch einen halben Schritt auf sie zutrat und zu ihr hinunterblickte. „Eine Lilie?“, fragte er leise und sie nickte, ihr Mund war plötzlich sehr, sehr trocken. Er lächelte. „Und eine wunderschöne noch dazu.“ Sie fühlte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss, und schließlich erwiderte sie: „Du siehst auch gut aus.“ Und es stimmte, das wurde ihr erst bewusst, als sie die Worte schon ausgesprochen hatte – Severus sah wirklich attraktiv aus in der langen Jacke und der Robe, auch wenn ihm das gar nicht bewusst zu sein schien und er nicht wusste, wie er ihr Kompliment aufnehmen sollte. „Möchtest du nach unten gehen?“, fragte er anstatt einer Antwort darauf und sie nickte, so gut sich der Korridor auch für heimliche Treffen eignete, jetzt, Ende Oktober, war er einfach zu kalt, um hier länger untätig herumzustehen. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum anderen Ende des Geheimganges, der nur eine Treppe unter der Eingangshalle endete, doch bevor sie hinaustraten, holte Severus aus den Tiefen seiner Robe eine wunderschön verzierte venezianische Maske hervor und hielt sie an sein Gesicht. Sofort passte sie sich seinen Zügen an, schien mit ihnen zu verschmelzen und sie doch zu verdecken, bis sie ihn schließlich nicht mehr erkannt hätte, hätte sie nicht gewusst, dass Severus sich hinter dem Kostüm verbarg. Er schien sich sogar anders zu bewegen als in seinen Schulroben, ging gerader, aufrechter, was ihr zum ersten Mal das Gefühl gab, dass dieser Slytherin-Plan vielleicht sogar funktionieren könnte. „Kommst du?“, fragte er leise und sie nickte, griff nach dem Arm, den er ihr angeboten hatte, während sie abwesend feststellte, dass sogar seine Stimme anders, tiefer klang als vorher. „Ja.“ Gemeinsam traten sie hinaus in den Korridor, hinein in die Massen an Slytherins und Hufflepuffs, die von ihren Gemeinschaftsräumen hinauf in die Eingangshalle strömten, und nach einem kurzen Moment der Orientierung schlossen sie sich ihnen an. Lily spürte, wie sie strahlte, auch wenn sie gemeinsam mit Emily ein wenig über die anderen Gryffindor-Mädchen gelacht hatte, die alleine der Gedanke an einen Ball in Ekstase versetzte, konnte auch sie sich der sirrenden Vorfreude nicht entziehen, die das gesamte Schloss erfasst hatte. Ohne es zu wollen, lächelte sie die ganze Zeit, während sie mit Severus plauderte, und auch die Mundwinkel seiner Maske schienen sich ein wenig nach oben zu ziehen, vielleicht das Ergebnis eines Zaubers. Nur für einen kurzen Moment, als sie Emily gemeinsam mit Potter und seinen Freunden die Treppe herunterkommen sah, wankte ihre gute Stimmung, doch dann wandte sie sich ab, zog Severus mit sich hinter einer Statue in Deckung, und widmete sich wieder ganz ihrem Gespräch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)