Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 40: Im Dunkeln ---------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 40: Im Dunkeln Der Kronleuchter mit den unzähligen Kerzen glitzerte über ihnen, während die Gesellschaft sich auf den Sesseln und Sofas verteilte, Gläser in den Händen, und ihr leises Geplauder den Salon von Malfoy Manor füllte. Severus fühlte sich zwischen den vielen wohlerzogenen, vornehmen Reinblütern ein wenig fehl am Platz, zwar waren seine Freunde aus den vergangenen Jahren in Hogwarts hier, doch Wilkes, Avery, Mulciber und Rosier – sie alle hatten sich verändert, spielten jetzt in einer anderen Liga als er. Sie alle hatten ihm ihre Dunklen Male gezeigt, eingebrannt in ihre linken Unterarme mit der hässlichen Schlange, die aus dem Mund des Totenschädels hervorlugte, und voller Stolz davon erzählt, was sie bereits für den Dunklen Lord getan hatten. Muggel gequält – Auroren gefoltert – geheimes Wissen über Dunkle Magie aufgespürt. Zumindest der letzte Teil übte eine gewisse Anziehung auf ihn aus, reizte seine Neugier, die manchmal sogar ans Morbide grenzte, aber alles andere... er wusste es nicht. So angenehm der Gedanke auch war, vielleicht einmal James Potter gegenüberzustehen, der seiner Gnade ausgeliefert war, entwaffnet und auf Knien, er wusste nicht, ob er einem anderen Menschen – irgendeinem anderen Menschen, von Sirius Black vielleicht abgesehen – die Grausamkeiten antun konnte, die seine Freunde fröhlich, ja fast amüsiert, vor ihm ausgebreitet hatten. Und die Frage, die vielleicht noch viel wichtiger war – würden sie ihm dasselbe antun, wenn er vor der Spitze ihres Zauberstabes landen würde? Schon wenige Wochen, nachdem er nach Slytherin gekommen war, hatte Severus festgestellt, dass die Freundschaft seiner Hauskollegen anders war als die, die Lily ihm entgegenbrachte, vielleicht weniger... loyal. Natürlich, sie alle konnten Spaß miteinander haben, sich köstlich amüsieren, meist auf Kosten anderer, als Kameraden. Aber die Art von Zuneigung, von Opferbereitschaft, die er an Lily manchmal bemerkt hatte, die fehlte völlig unter Slytherins. Im Zweifelsfall, wenn es ernst wurde, hieß es jeder für sich in seinem Haus, und das wusste jeder. Das leise Rascheln von Stoff und das Klackern von Absätzen ließ ihn aufblicken, Narzissa Malfoy war mit einem graziösen Lächeln und einem Whiskeyglas in der Hand neben ihn getreten. Er war ein wenig überrascht, dass die junge, strahlende Gastgeberin einen Moment ihrer Zeit für ihn erübrigen könnte, aber vielleicht war das, weil Lucius ihn sehr oft als seinen besonderen Freund vorstellte. „Du siehst einsam aus“, bemerkte sie leise, während sie ihm das Glas reichte und über ihren Salon hinwegblickte auf der Suche nach Dingen oder Personen, die die perfekte Harmonie störten. „Mir geht es gut“, entgegnete er und brachte sich sogar dazu, die Lippen ein wenig nach oben zu verziehen. „Weihnachten auf Malfoy Manor ist wirklich beeindruckend.“ Sie lächelte, erfreut von seinem Kompliment, während er einen Schluck von dem Whiskey nahm und sich bemühte, nicht allzu angewidert dreinzusehen. Alkohol hatte ihm nie behagt, was wahrscheinlich am Beispiel seines Vaters lag und daran, dass er es hasste, die Kontrolle über sich zu verlieren, doch hier wollte er um jeden Preis dazupassen. Und wenn er dafür einen Schluck Feuerwhiskey trinken musste, dann war es das wert. „Trotzdem scheint abendlicher Smalltalk nicht gerade deine Lieblingsbeschäftigung zu sein, Severus“, entgegnete sie nach einer kurzen Nachdenkpause, und er kam nicht umhin, ihr zuzustimmen und vorsichtig zu nicken. „Das trifft sich ausgezeichnet – ich hätte es gehasst, dich von einem Gespräch wegzuholen, das dir Freude macht, aber Lucius würde gerne in seinem Arbeitszimmer mit dir sprechen.“ Er bemühte sich, sein Stirnrunzeln vor ihr zu verbergen, doch sie lächelte nur. „Keine Angst, du wirst vor dem Beginn des Tanzes zurück sein.“ Froh, dass sie seine Verwirrung missverstanden hatte, nickte er. „Vor der Tür wird ein Hauself auf dich warten, der dir den Weg zeigt.“ „Danke.“ Sie lächelte nur und schwebte einen Augenblick später davon, mischte sich wieder graziös unter ihre Gäste, hatte ein freundliches Wort für und unterhielt sich mit jedem, während Severus seinen Blick durch den Salon wandern ließ. Erst jetzt bemerkte er, dass der Herr des Hauses nicht hier war, er musste sich irgendwann zwischen dem überreichen Dinner und jetzt abgesetzt haben, während Narzissa die gesellschaftlichen Pflichten übernahm. Für einen Moment hielt er inne, betrachtete das breite, kurze Whiskeyglas in seiner Hand, dann leerte er es in einem Zug und schlängelte sich zwischen den anderen Gästen hindurch auf die großen Flügeltüren zu, die hinaus in die Eingangshalle führten. Kaum hatten sie sich hinter ihm geschlossen, kam ein kleiner, dünner Hauself hinter einer der großen Statuen hervorgeschlichen und verbeugte sich tief vor ihm. „Wenn Master Snape mir folgen würden...?“, flüsterte er fast und machte sich dann mit seinen kurzen Beinen auf den Weg zur großen Haupttreppe, die hinauf in die privaten Teile des Herrenhauses führte. Während er ging, musste er sich davon abhalten, nicht auf die vielen, alten Bilder und dekorativen Statuen zu starren, auf die Kerzenleuchter an den Wänden und den dicken, grünen Teppich unter seinen Füßen. Natürlich – Hogwarts hatte auch Portraits und Büsten, doch während das Schloss meistens sehr schlicht und mittelalterlich wirkte, herrschte hier auf Malfoy Manor eine Opulenz und Eleganz, die Severus verblüffte und verwirrte. Damals, als er zum ersten Mal aus dem Haus seines Vaters entkommen war, war ihm Hogwarts wie ein Palast vorgekommen – jetzt verschob sich diese Sichtweise erneut, nur, dass nun das Herrenhaus der Malfoys auf ein Podest gehoben wurde. „Das Arbeitszimmer von Master Malfoy“, verkündete der Hauself schließlich, als sie eine hohe, schwere Tür erreichten, und Severus holte noch einmal tief Luft, bevor das kleine Wesen die Klinke hinunterdrückte und er eintrat. Ein Feuer flackerte in dem geräumigen Kamin, das war das erste, das er wahrnahm, bevor er die drei Männer bemerkte, die auf bequemen Sesseln davor saßen, jeder von ihnen mit einem Glas mit – höchstwahrscheinlich – alkoholischem Inhalt vor sich. „Severus“, meinte der jüngste von ihnen gedehnt und erhob sich, trat ihm entgegen. „Wie schön, dass du zu uns gefunden hast.“ Ein fester Händedruck und er wurde hinüber zu den anderen geführt, um auf dem vierten Sessel Platz zu nehmen. „Wein? Whiskey? Etwas anderes?“ Es war klar, dass Lucius nicht ernsthaft damit rechnete, dass er jetzt um Wasser bat, also schlug er die Beine übereinander und bemühte sich, ernst und selbstbewusst dreinzusehen. „Whiskey, bitte.“ Lucius nickte und schenkte ihm ein Glas ein, bevor er selbst wieder Platz nahm und auf die beiden anderen Männer wies, die Severus zuvor nur aus dem Augenwinkel beobachtet hatte. „Nott, Lestrange – Severus Snape, im Moment Schüler der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei. Severus, Mr Nott und Mr Lestrange.“ Er nickte den beiden zu. „Eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ Und das war es wirklich – er hatte bereits von ihnen gehört, sie waren zwei der ersten gewesen, die sich dem Dunklen Lord angeschlossen hatten, und nun zwei seiner engsten Vertrauten, falls er denn überhaupt welche hatte. Es war offensichtlich, dass er gemustert wurde, von den fettigen, schwarzen Haaren bis hinunter zu den Spitzen seiner Stiefel, die unter dem Saum seines Umhanges hervorlugten, und wie immer in einer Situation wie dieser bemühte er sich, seinen Gesichtsausdruck ernst und unbeeindruckt zu halten. Merkwürdigerweise gelang ihm das hier besser als bei Potter und seinen unsäglichen Anhängen und auch besser, als wenn er Lily gegenüberstand. Nach einem Moment begriff er, dass es daran lag, dass er in diesem Haus und in dieser Gesellschaft keine sieben Jahre an Demütigung und Angst mit sich herumtrug. Hier konnte er einen neuen Anfang machen, ein neues Leben beginnen, und musste sich nicht dafür schämen, dass er ein verzweifelter elfjähriger Junge gewesen war mit der Hoffnung auf ein bisschen Freundschaft. „Lucius hat erzählt, dass du dich mit Zaubertränken beschäftigst.“ Lestrange – älter als sein Gefährte, mit grauen Strähnen im Jahr, und doch noch immer ein beeindruckender Zauberer mit einem großen Arsenal an Dunklen Flüchen. Wie alle in diesem Raum. „Das tue ich, Sir.“ Für einen Moment überlegte er, ob er weitersprechen, von seinen neusten Projekten erzählen sollte, doch der Gedanke hielt nicht lange – fröhliches, naives Geplauder würde ihn nicht näher an den größten Schwarzmagier aller Zeiten heranbringen. „Unter anderem.“ Nott schnaubte, ein Laut, von dem Severus nicht sicher war, ob er amüsiert oder abwertend klingen sollte. „Der Junge hat Humor.“ Ohne Vorwarnung, ohne jeden Übergang entzündete sich sein Temperament an den wenigen Worten des Mannes und an vielen Erinnerungen, in denen sein Vater in diesem Tonfall über ihn sprach, wenn er ihn hören konnte. Sein Zauberstab flog fast in seine Hand, die Spitze auf Notts Kehle gerichtet. „Der Junge ist anwesend.“ Ihn überraschte selbst, wie kalt, wie frostig und vor allem wie vollkommen furchtlos er klang, während der Blick des älteren Mannes an seinem Zauberstab entlang bis hoch zu seinem Gesicht wanderte. Es war keine Furcht, die in Notts Augen schimmerte, eher so etwas wie Respekt, als er nickte, so gut er es in seiner momentanen Situation vermochte. „Und du hast beeindruckende Reflexe. Steck deinen Zauberstab weg, wir wollen reden – wir können später testen, wie gut du die Dunklen Künste beherrschst.“ Ein wenig unsicher, ob er der Ruhe trauen konnte, nickte Severus, eine kurze, ruckartige Bewegung des Kopfes, bevor er seinen Zauberstab zurückzog, ihn aber nicht ganz wegsteckte. Wahrscheinlich sah er alles andere als beiläufig aus, wie er ihn festhielt, doch das störte ihn nicht, wenn er nur schnell genug einen Protego zaubern konnte, wenn er ihn benötigte. Seine Geste ging nicht an den beiden Männern vorbei, das konnte er an ihren Blicken spüren, während er sich in seinem Sessel zurücklehnte und sie betrachtete, während er versuchte, jede Anspannung aus seiner Miene und seinen Gesten zu vertreiben. „Aber getestet werden wirst du, darauf kannst du dich verlassen.“ Der Satz klang nicht wie eine Drohung, eher wie ein Versprechen, doch der Gedanke erschreckte Severus nicht – er wusste, was er wollte, und war sich ebenfalls sicher, dass er alles tun würde, um sein Ziel zu erreichen. Alles. „Fürs erste wird es allerdings reichen, wenn du einen kleinen Auftrag für den Dunklen Lord erfüllst.“ Sein Herz setzte für einen Schlag aus, doch er brachte sich schnell wieder unter Kontrolle und nickte, bemüht, seine Begierde tief in sein Inneres einzuschließen und so unbeeindruckt wie möglich auszusehen. „Welchen?“ Lestrange griff nach einer Rolle Pergament und reichte sie an Severus weiter, der für einen Moment auf das Siegel aus schwarzem Wachs starrte, bevor er es brach und das Dokument vor sich ausrollte, ohne den anderen Anwesenden einen Einblick zu gewähren. Ein Zaubertrank – der Dunkle Lord war auf der Suche nach einem Zaubertrank, oder genauer gesagt nach passenden Zutaten, und er, Severus, sollte sie für ihn finden. Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, dass es unter den Todessern wenige kompetente Tränkemeister geben musste, wenn ihm eine solch wichtige Aufgabe übertragen wurde, doch er verbat sich, ihn auszusprechen. Es war nützliches Wissen, und vielleicht würde es später eine Gelegenheit geben, es zu verwenden, doch nun gab es wichtigeres zu tun. „Lucius? Dein Labor steht zu meiner Verfügung?“ Sein alter Freund nickte mit einem Blick, den selbst Severus, der ihn seit sieben Jahren kannte, nicht lesen konnte, und er stand auf. „Sie entschuldigen mich doch.“ In den nächsten Tagen, bevor er wieder zurück nach Hogwarts musste, sah er mehr von dem alten Hauselfen, der ihm seine Mahlzeiten brachte, als von seinen beiden Gastgebern, doch es störte ihn nicht. Er hatte einen Auftrag, eine Aufgabe, etwas, in das er all seine Faszination und Energie und Leidenschaft pumpen konnte, und er stürzte sich mit all dem Enthusiasmus der Jungend auf die Frage, welche Zutaten für einen so dunklen, so gefährlichen Trank gebraucht wurden. Nur ein paar Stunden, bevor er abreisen musste, begriff er, setzten sich die vielen kleinen Puzzlesteine zu einem größeren Ganzen zusammen und er schrieb die Antworten auf, bevor er das Pergament versiegelte. Dies war nur für den Dunklen Lord bestimmt und nicht für seine Diener, das wusste er – Lestrange und Nott hatten keine Ahnung, was sie ihm überbracht hatten. Als er, bereits nach Hogwarts zurückgekehrt, Lucius Eule erhielt mit den Worten, dass der Dunkle Lord zufrieden wäre, spürte er, wie sich die Steine um ihn herum, die seine Welt waren, bewegten, wie sich die Waagschalen der Macht zu seinen Gunsten neigten. Es war ein berauschendes Gefühl. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)