For Want of Evidence von Glasschmetterling (A The Dark Knight Fanfiction) ================================================================================ Kapitel 8: Pretence ------------------- For Want of Evidence – Chapter 8: Pretence Der Streifenwagen fuhr das Pier entlang, die Straßenlaternen spiegelte sich im dunklen, grauen Wasser wider und erleuchtete die Kabine für ein Augenzwinkern, bevor wieder Dunkelheit einkehrte. Das Blaulicht setzte eigene eigene Akzente, er blickte nach links, wo die wandernden Schatten Thomas' Gesicht einen entstellten, fast gespenstischen Ausdruck verliehen, der durch die Tatsache, dass sie vollkommen ruhig wirkte, noch verstärkt wurde. Der Umriss ihrer Dienstwaffe zeichnete sich unter ihrer Jacke ab, wie er überrascht feststellte, er hatte zwar gehört, dass sie eine ganz passable Schützin war, aber seine Zweifel in Bezug auf ihre Reaktionen blieben bestehen. Er hatte nicht den Eindruck, dass sie ihre Fähigkeiten im Ernstfall auch würde umsetzen können, zu... geschockt, zu schreckstarr hatte sie in den Momenten gewirkt, in denen sie mit wirklichem Grauen konfrontiert gewesen war. Auch McVeighs Leiche hatte sie nicht besonders gut aufgenommen, sie war ihm vorgekommen wie ein Mädchen, das zwar auf einer abstrakten Ebene wusste, dass diese Welt und diese Stadt rau und ungerecht waren, sich aber am liebsten im Bett verkrochen hätte, als sie mit der Nase darauf gestoßen wurde. Allerdings hatte sie sich mittlerweile wieder erholt, die für sie typische Ruhe war wieder zurückgekehrt und sie blickte fast entspannt aus dem Fenster auf die Rolltore und Fassaden der Lagerhäuser, an denen sie vorbeifuhren. Zumindest sah sie so aus, und selbst darum beneidete er sie – die Fähigkeit, wenigstens absolute Ruhe zu vermitteln, wenn man sie schon selbst nicht empfand, war für einen Kommandanten fast genauso wichtig und in dieser Hinsicht hatte sie ihm ganz offensichtlich einiges voraus. „Denken Sie, wir werden Jeffries finden?“ Er hatte gefragt, bevor es ihm gewusst geworden war, einfach, um die Stille, die nur vom montonen Motorengeräusch unterbrochen wurde, zu durchdringen. Thomas zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Wenn sie vernünftig wäre, wäre sie sicherlich schon längst verschwunden. Allerdings sind ihre beiden Söhne noch hier – Morgan hat sie ins Präsidium gebracht – und das gibt mir zu denken.“ „Wieso?“ Gordon war neugierig, ob sie dieselbe Schlussfolgerung gezogen hatte wie er, Thomas hatte keine Kinder und er wusste nicht, ob sie verstehen würde, was dahinterstecken konnte. „Weil ich nicht denke, dass sie fliehen würde, ohne ihre Kinder mitzunehmen... und das bedeutet, sie hat etwas anderes vor.“ Der Commissioner nickte, gerade, als der Polizeiwagen vor einem dunklen, kleinen Bürogebäude aus Backsteinen hielt, auf einem schräg herabhängenden Schild entdeckte er eine 42, als er ausstieg und die Fassade hochblickte. Im obersten Stockwerk brannte Licht, er konnte durch das Fenster sich bewegende Schatten ausmachen, die ihr Auftritt mit Blaulicht und Folgetonhorn sicherlich erschreckt hatte. Auch die anderen Streifenwagen, die er mitgebracht hatte, waren mittlerweile eingetroffen und Lieutenant Hedges gab mittlerweile Befehle, ließ seine Leute ausschwärmen und das Gebiet abriegeln. Auch Thomas war inzwischen ausgestiegen und starrte an der Fassade hoch, sie musterte die schmutzigen, stumpfen Fenster und die Wasserflecken an der Fassade desinteressiert, dann machte sie ein paar Schritte auf die Tür zu. Ein alter Klingelzug hing unter dem Dachvorsprung, der den Eingang schützte, hervor und sie schien für einen Moment ernsthaft zu überlegen, ihn zu benutzen, dann zuckte sie mit den Schultern und zog ihre Pistole aus dem Holster. Gordon folgte ihr, er wusste, normalerweise sollte er seinen Leuten den Vortritt lassen – ein Commissioner sollte es eigentlich nicht riskieren, in ein Feuergefecht zu laufen – aber in diesem Fall war er um einiges zu neugierig, um die Sicherheitsregeln zu beachten. Nicht nur darauf, was passieren würde, sondern auch darauf, wie Thomas sich bei ihrer erneuten Feuerprobe machen würde, wo sie doch bei den ersten beiden kläglich durchgefallen war. Die Frau drückte die Schnalle hinunter und mit einem leisen quietschen schwang die Tür auf, ein enger, dunkler Gang, aus dem muffiger, abgestandener Geruch drang, erwartete sie und Gordon trat hinter ihr ein. Sie sah sich kurz um, dann steuerte sie zielsicher das Treppenhaus an und nahm Stufe um Stufe, hinter ihm schwärmten die Polizisten aus, betraten die verbliebenen Räume im Erdgeschoß, doch Thomas hatte ganz offensichtlich denselben Gedanken gehabt wie er – wer auch immer hier war, er befand sich höchstwahrscheinlich im obersten Stockwerk, und dorthin wollte sie anscheinend. Auch Gordon zog seine Waffe und setzte einen Fuß vor den anderen, sie Treppe flog förmlich unter ihm hinweg, er schenkte den anderen Türen, an denen er auf seinem Weg vorbeikam, nur ganz am Rande Beachtung, sondern stieg weiter hinauf. Hinter sich spürte er die Präsenz eines Kollegen, doch er ignorierte sie, konzentrierte sich ganz auf den schmalen Rücken der Frau vor ihm, bis sie plötzlich inne hielt und er fast gegen sie geprallt wäre. Thomas warf ihm einen ruhigen Blick zu, fast so, als ob sie ihn um Erlaubnis bitten würde, dann öffnete sie die Tür zum obersten Stockwerk, Licht hatte durch den Spalt am Boden hervorgeschimmert und flutete nun durch das dämmrige Treppenhaus. „Hier ist das GCPD!“ Ihre Stimme hallte durch den Schacht bis nach unten und vervielfältigte sich durch das Echo, doch sie trat unbeeindruckt in das hell erleuchtete Büro, Gordon kniff die Augen zusammen, er konnte nur ihre Silhouette erkennen und folgte ihr fast blind. Umso überraschter war er, als er bemerkte, dass die Räumlichkeiten, in denen vor wenigen Minuten noch rege Aktivität geherrscht hatte, verlassen waren, allerdings glühte die Heizung noch und geöffnete Schachteln mit chinesischem Essen standen auf den Schreibtischen. Wer auch immer hier gewesen war, er war noch nicht lange fort. Thomas senkte die Waffe und blickte sich um, einzelne Blätter, vermutlich aus Akten, lagen wie zufällig verstreut auf dem Boden und in einem massiven, metallenen Papierkorb glühte noch die Asche von hastig verbrannten Dokumenten, der Teppich unter ihm war geschwärzt und verbreitete leichten Rauchgeruch. Gordon trat vorsichtig näher, er spürte die Hitze, die von dem gelöschten Feuer ausging, noch immer, und blickte stirnrunzelnd auf die Überreste hinab. „Na, da hat sich aber jemand Mühe gegeben.“ Thomas nickte nachdenklich. „Aber er hatte nicht besonders viel Zeit – vielleicht können die Forensiker noch etwas rekonstruieren.“ Gordon verkniff sich, zu erwähnen, dass es einen Mann in dieser Stadt gab, der sich auf Untersuchungen wie diese noch besser verstand als die Forensiker seiner Teams, den er allerdings nicht hinzuziehen konnte, weil er auf seinen eigenen Wunsch hin von der Polizei als Mörder gejagt wurde. Thomas ließ ihren Blick über die Wände des Raumes wandern, doch ein Fenster erregte schließlich ihre Aufmerksamkeit, der Vorhang wehte durch die geöffneten Flügel nach draußen und er konnte das stumpfe graue Metall einer Feuertreppe erkennen, die in die Tiefe führte. „Interessant“, erklärte er und die Frau blickte kurz zu ihm, dann überbrückte sie den Abstand mit wenigen Schritten und streckte den Kopf nach draußen. Gordon trat neben sie, doch sie versperrte ihm trotz ihrer schmalen Schultern die Sicht, die Vorhänge umwehten sie und er konnte trotz seiner Vorsätze seine Ungeduld nicht vollkommen verbergen, als sie ausführlich die Umgebung musterte, während die ersten seiner Kollegen, die die unteren Stockwerke durchsucht hatten, den Raum betraten. „Und?“ Vorsichtig zog Thomas den Kopf zurück in das Zimmer, sie musste sich erst von den Vorhängen befreien, in die sie sich verheddert hatte. „Nicht viel.“ Er trat an ihre Stelle und sah sich um, die Feuertreppe zog sich unter ihm hinweg bis auf den Boden, er konnte einige Polizisten ausmachen, die wachsam zu ihm hochblickten, sie sahen entspannt genug aus, um schon längere Zeit dort zu stehen – wenn jemand über diesen Weg entkommen war, dann schon, bevor sie das Lagerhaus erreicht hatten. Reifenspuren auf dem nassen Asphalt des Hinterhofes deuteten an, dass einige der Verbrecher genau diesen Weg genutzt hatten, doch irgend jemand musste noch hier sein – wer hätte sonst die Papiere verbrennen können? Über ihm führten die Stufen hinauf bis zur Kante des Flachdaches des Gebäudes, ein verräterischer Lichtschein spiegelte sich in den Metallstreben und er nickte nachdenklich. „Ein paar sind weg, aber der Großteil ist oben?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, an niemand bestimmten gerichtet, doch Thomas nickte nachdenklich. „Denke ich auch.“ „Dann kommen Sie.“ Er schwang sich durch das Fenster nach draußen, die Feuertreppe knirschte bedrohlich unter seinen Füßen, trug allerdings problemlos sein Gewicht und er trat ein paar Schritte zurück, um Platz für Thomas zu schaffen, die die Hilfe eines Stuhles benötigte, um nach draußen zu kommen. Unruhig blickte sie nach unten, durch das Gitter unter ihren Sohlen war der Boden in beunruhigender Entfernung zu erkennen und das doppelte Gewicht stellte die Metallkontstruktion unter ihnen anscheinend auf eine Belastungsprobe, die Gordon eigentlich nicht allzu lange ausdehnen wollte. Auch Thomas fühlte sich ganz offensichtlich unwohl, auch wenn sie versuchte, es zu verbergen, indem sie sich der nach oben führenden Treppe zuwandte und vorsichtig und leise die ersten Stufen nahm. Gordon folgte ihr mit gezogener Waffe, über die Stimmen und Rufe seiner Leute unter ihm und in den Büros konnte er – deutlich näher, aber gedämpfter – andere Gespräche vernehmen, vermischt mit scharrenden Geräuschen, das Klirren des Metalls unter seinen Füßen bei jedem Schritt klang nun plötzlich fast unerträglich laut. Thomas hielt an der Dachkante inne, sie stand geduckt, sodass sie von oben noch nicht zu erkennen war und warf ihm einen ruhigen Blick zu, sie wirkte vollkommen beherrscht, hatte ihre charakteristische Selbstkontrolle also wiedergewonnen. Er nickte und sie trat mit zwei langen Schritten nach oben. „Gotham City Police Department. Waffen fallenlassen!“ Er folgte ihr hinauf, sein Unterbewusstsein nahm wahr, dass sich Verstärkung über die Treppe nach oben bewegte und einen Augenblick später, als er die Situation auf dem Dach erfasste, war er sehr, sehr dankbar dafür. Wie eine Statue stand Thomas neben ihm, sie war zur Seite getreten, um Platz für ihn und die Polizisten zu machen, die nun nachfolgten, und hielt die Pistole auf einen grinsenden Mann in einem schwarzen Anzug gerichtet. Ob sie wirklich ruhig war oder nur schreckstarr, konnte er nicht sagen, aber er hätte es ihr nicht verdenken können – er kannte keinen Polizisten, den es kalt ließ, wenn ein Mafioso seine Waffe an die Schläfe einer gefesselten Geisel hielt. Die Frau war mit Klebeband auf einen Stuhl fixiert und doch versuchte sie, sich zu befreien, sie rüttelte und verursachte damit die scharrenden Geräusche, die er schon auf dem Weg aufs Dach gehört hatte ein schmutziger Stoffrest war in ihren Mund gestopft worden und ihre Augen bedeckte ein Schal, der hübsche Stoff ließ ihn vermuten, dass es vielleicht ihr eigener war. Zwar war er sich sicher, dass es nicht Jeffries war – diese Frau hatte dunkelrote Locken, keine blonden, zerzausten Strähnen, aber das waren auch schon alle positiven Aspekte der Situation, die ihm auf Anhieb einfielen. Er hatte nicht gewusst, dass die Leute hier eine Geisel hatten, ansonsten wäre er viel vorsichtiger vorgegangen – denn der Mann, der seinen Arm um ihren Hals geschlungen hatte, grinste nicht wie jemand, der für seinen guten Willen berühmt war. „Commissioner Gordon. Wenn das keine nette Überraschung ist...“ Sein hastiger Blick glitt über den Rest des Daches, außer der Geisel und dem Sprecher zählte er noch sieben andere Bewaffnete und er wusste nicht, welche Überraschungen sich unter den Kisten und Fässern verbargen, die in der Nähe der Mafialeute standen. Selbst mit den zusätzlichen Polizisten, die nun hinter ihm standen, würde es eine ausgesprochen hässliche Schießerei werden. „Und wenn das nicht Skipper Thomas ist...“ Aus dem Augenwinkel sah Gordon, dass der Lauf ihrer Waffe bei den verächtlichen Worten zwar leicht schwankte, aber ihr Gesicht keine bewusste Reation zeigte, sie betrachtete den Mann nur. „Ich muss zugeben, Sie haben zwar den Lieutenant verpasst, aber sein Stellvertreter ist immerhin hier geblieben, um mit Ihnen zu plaudern... und meine kleine Freundin ist auch noch hier.“ Seine Finger legten sich fast vorsichtig auf die Schulter der Frau und sie erstarrte augenblicklich, die Angst lähmte sie und trotz ihrer Fesseln vermeinte Gordon zu sehen, wie sehr sie zitterte. „Der Lieutenant?“ Thomas wirkte noch immer ruhig, selbst als sie sprach, irgend etwas in ihrem Geist schien eingeschnappt zu sein, seit sie die Leiche McVeighs gefunden hatte – er wusste nicht, was das in Bezug auf ihre geistige Gesundheit bedeutete, aber solange er eine zusätzliche Person an seiner Seite hatte, die nicht zu überstürzten Reaktionen neigte, sollte ihm alles recht sein. Der Mann lächelte fast entschuldigend, sofern jemand, der gerade eine Geisel terrorisierte, dazu in der Lage sein konnte. „Oh, verzeihen Sie... wissen Sie gar nicht, mit wem Sie es zu tun haben?“ Er trug keine Krawatte, sein bloßer Hals war durch den geöffneten Kragen seines Hemdes zu erkennen und Gordon konzentrierte sich darauf, der süffisante Tonfall würde ihn vielleicht sehr, sehr bald zu einer unbedachten Reaktion treiben und wenn das schon bei ihm der Fall war... er warf einen wachsamen Blick zur Seite, auf seine Leute, ein paar von ihnen sahen zwar ungeduldig und unruhig aus, aber noch niemand war am Rande der Meuterei. „Klären Sie mich auf.“ Thomas klang fast trocken und er wusste, es war gut, dass sie das Reden übernahm, sie wirkte wenigstens so, als ob sie einen klaren Kopf hatte, und er wollte sehen, wie sie sich machte – bis jetzt schien sie nämlich wirklich dazu in der Lage, sie hinzuhalten. Denn diese Mafiosos waren neu in der Stadt, und das bedeutete, dass sie ganz offensichtlich noch keine Bekanntschaft mit dem dunklen Ritter gemacht hatten... und nicht ahnten, dass er jeden Moment auftauchen konnte, denn in diesem Fall wären sie um einiges nervöser gewesen. „Ach, Sie kennen den Lieutenant nicht, Skipper Thomas... das ist doch nicht zu fassen. Wirklich unglaublich ist das... Sie lassen nach, jawohl, das tun Sie.“ Selbst seine eigenen Leute schienen seine Vorstellung nicht lustig zu finden, sie blickten unverändert grimmig drein und hielten ihre automatischen Waffen fest, schienen aber trotzdem großes Vertrauen in den Mann zu haben. Ein oder zwei von ihnen vermeinte Gordon von früheren Fällen her zu erkennen, war sich aber nicht sicher, der Rest stammte wohl von außerhalb. „Vielleicht tue ich das.“ Thomas lächelte schräg, die erste emotionale Reaktion, die er von ihr sah, seit sie dieses Dach betreten hatten. „Das bedeutet allerdings nur, dass ihre Chancen zu überleben sich von nicht vorhanden auf minimal erhöht haben. Wollen Sie sich darauf verlassen oder lieber mit uns reden?“ „Tz tz“, machte der Mann tadelnd, „Drohungen hätte ich von Ihnen nicht erwartet. Vielleicht haben Sie ja dazugelernt.“ „Ich drohe nicht, ich stelle Tatsachen fest. Und eine andere ist: Sie haben etwas, das wir wollen. Aber haben wir auch etwas, das Sie wollen?“ Irgend etwas war anders mit Thomas, das spürte er, grundlegend anders – so ruhig, so selbstsicher hatte er sie zuletzt erlebt, als sie ihn hatte auffliegen lassen, eine Eigenschaft, die anscheinend mit ihrer Degradierung verschüttet worden war... bis jetzt. „Vielleicht haben Sie das wirklich, Detective Thomas...“ Der Geiselnehmer benutzte zum ersten Mal ihren wirklichen Rang und musterte sie intensiv. „Wissen Sie, eine Polizistin als Geisel würde sich doch viel besser machen als so ein armes, kleines Mädchen von der Straße... alle anderen sind dann so viel... unwilliger, ihren Tod zu riskieren, meinen Sie nicht auch? Deswegen schlage ich vor, sie schieben Ihre Waffe zu mir, nehmen die Hände hinter den Kopf und kommen 'rüber... nicht, dass der Kleinen noch etwas passiert.“ Seine Finger wanderten vorsichtig über den Hals der jungen Frau auf dem Stuhl und sie schauderte. Nun blickte Thomas zu ihm, das erste Mal, seit sie hier standen, und doch vermochte er den Ausdruck in ihren Augen nicht zu deuten... unzweifelhaft stand Angst in ihnen, das konnte er nicht leugnen, aber auch die merkwürdige, für sie so typische Ruhe und die Gewissheit, dass die Entscheidung eigentlich schon längst gefallen war. „Sir?“ „Gehen Sie.“ Er hatte kein Recht, sich ihr entgegenzustellen, nicht, wenn es ihr Leben war, um das es ging, nicht, wenn sie es war, die sich den Konsequenzen und Albträumen würde stellen müssen, wenn sie versagte. Ihre Lippen schienen einen stummen Dank zu formen, als sie tief die Luft einsog und ihre Waffe auf den Boden fallen ließ, mit dem Fuß kickte sie sie an und sie schlitterte über den geteerten Boden, bis sie vor den Füßen des Geiselnehmers liegen blieb. Das Geräusch hatte fast unerträglich auf ihn gewirkt, so als ob ihm nun endgültig die Verantwortung durch die Finger glitt, als ob sich die Situation nun immer weiter aus seiner Einflusssphäre entfernte. Thomas hob die Hände hinter den Kopf, ihre Arme rutschten hoch und er entdeckte die abgeschabte Dienstmarke an ihrem Gürtel, er verfolgte sie mit Blicken, während sie ruhig auf den Mann zuging, nur ihr beschleunigter Atem verriet ihre Nervosität. Als sie ihn fast erreicht hatte, schüttelte er nachdenklich den Kopf. „Nein... ich denke, Sie gehen am besten dort hinüber... ich möchte nicht, dass Sie vielleicht einem von meinen Leuten wehtun und dann in Deckung verschwinden...“ Er deutete auf einen freien Flecken Boden, weit weg von allen Fässern und Kisten und in der Nähe der Dachkante, doch sie fügte sich kommentarlos und blieb stehen, als er zufrieden nickte. Auch unbewaffnet betrachtete sie ihn mit einer Ruhe, die fast teilnahmslos wirkte, nur ihre wachen, dunklen Augen zeigten ansatzweise, wie konzentriert sie den Mann beobachtete. „Und jetzt die Geisel.“ Gordon versuchte gar nicht, die leise Drohung aus seiner Stimme zu verbergen – allein der Versuch hätte bei ihm lächerlich gewirkt – und Blick des Geiselnehmers zuckte zu ihm. „Nun, vielleicht sollte ich sie wirklich losbinden... es kann doch sein, dass ihr das nicht gefallen hat, meinen Sie nicht auch?“ Er bückte sich und begann, das Klebeband an den Füßen zu lösen, zwar war er nun abgelenkt, doch die Anzahl an Waffen, die auf Thomas gerichtet waren, hielten sowohl ihn als auch seine Leute von unbedachten Reaktionen ab. Die Frau auf dem Stuhl begann sich zu regen, sobald er sie befreit hatte, sie stand auf und streckte sich und Gordon zog die Brauen hoch. Sie wirkte so... entspannt, so ruhig, nicht wie jemand, der noch immer jeden Moment aus einer Laune heraus getötet werden konnte... irgend etwas stimmte hier nicht, und als sie sich selbst den Knebel aus dem Mund nahm und die Augenbinde löste, ihren Schal für einen Moment betrachtete und ihn sich dann um den Hals wickelte, war er vollkommen sicher. „Was zum Teufel...?“ Es war nicht sein eigener Ausruf gewesen, sondern er war von hinten gekommen, von einem seiner Leute, und doch beschrieb er auch seine eigene Stimmungslage ausgesprochen akkurat. „Anna, willst du dich nicht dem netten, netten Commissioner anschließen, der sogar Skipper Thomas geopfert hat, um dich zu befreien?“ Der triefende Spott in der Stimme des Mannes brachte ihn fast um den Verstand, er glaubte, sich verhört zu haben, und sogar Thomas schloss für einen Moment die Augen. „Nein, du Arschloch.“ Sie bückte sich und hob Thomas' Waffe auf, die vor ihren Füßen auf dem Boden lag. „Und fass mich nie wieder an, verdammt.“ Bedrohlich blitzten ihre blauen Augen auf, und Gordon revidierte sofort seine Einschätzung der Kommandokette des Gegners. „Was zum Teufel wird hier gespielt?“ Anna lächelte trocken und brachte ihre zerzausten Locken in Ordnung, die durch ihre Augenbinde sehr gelitten hatten. „Wissen Sie, wir hatten gerade keine Geisel zur Hand... also dachten wir, wir tun wenigstens so, als ob.“ Für einen Moment oder zwei blieb ihm der Atem stehen ob dieser Verschlagenheit, er fragte sich, von wem der Plan stammte, und tippte automatisch auf Anna – sie hatte immerhin auch die Ausführung übernommen, und das in einer Weise, die sie alle getäuscht hatte. Er warf einen Blick zur Seite, er spürte, dass zumindest einige seiner Leute kurz davor waren, etwas sehr, sehr Dummes zu tun, etwas, das Thomas mit größter Wahrscheinlichkeit umbringen würde, und konnte es ihnen trotzdem nicht verdenken. Die Spannung auf dem Dach war fast greifbar, er hatte das Gefühl, dass man die Blitze sehen musste, auch Anna stand nun schussbereit und musterte Gordon aus kühlen, hellen Augen, er starrte zurück... und hinter ihr erhob sich ein schwarzer Fledermausschatten wie eine Nemesis über die Dachkante. Er folgte Batman reflexartig mit seinem Blick und auch seine Leute taten es, was es war, das die Mafia auf sein Erscheinen aufmerksam machte, er war bereits lautlos auf dem Teerboden gelandet und machte sich gerade zum Sprung bereit, als Anna sich umwandte, eine Warnung brüllte und damit das Chaos entfesselte. Der erste Schuss gellte in diesem Augenblick und Gordon warf sich zu Boden, aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, wie Thomas zur Seite in Deckung hastete und Kugeln hinter ihr einschlugen. Er selbst schoss, bemühte sich, Batman nicht zu treffen, der gerade den ersten Bewaffneten zu Boden warf und einen anderen mit einem geworfenen Messer in Fledermausform niederstreckte, während hinter ihm einer seiner Leute aufschrie und Blutgeruch sich verbreitete. Weder Anna noch ihr Komplize waren in dem Chaos zu entdecken, vielleicht verbargen sie sich hinter irgendwelchen Kisten und erst als er über dem Lärm der Schüsse Reifen quietschen hörte, begriff er, dass sie – irgendwie – entkommen waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)