Wichtelfic für Deckendiebin von Wieldy (zwei Originale, einmal Neji & Hinata) ================================================================================ Kapitel 1: Pekka ---------------- Pekka fuhr zur See, wie sein Vater schon, dessen Vater und Großvater und alle seine Vorfahren vor ihm, um Fische zu fangen. Die Fische zumindest, dachte Pekka zu oft, waren der Vorwand. In Wahrheit jedoch fuhren Pekka und seine Leute zur See um sich zu sehnen. Draußen auf dem alten Boot seines Vaters sehnte Pekka sich viel. Er sehnte sich danach, einmal mit den schäumenden tanzenden Wellen mittanzen zu dürfen, wie sie alle Weltmeere zu durchwandern um doch irgendwo anzukommen. Er sehnte sich nach dem Meeresgrund, der so weit unter den Planken seines Schiffs lag, dass es dort immer dunkle Nacht war. Er sehnte sich nach dem Horizont, der blau war, in der Ferne, ein einziges Blau von Ozean und Himmel. Er sehnte sich nach dem Himmel, nach den Wolken. Nach dem Fliegen. Er sehnte sich nach dem Festland, nach Gesellschaft, nach dem Rätselding, das sich Liebe nennt. Auf seinem Boot in der unendlichen blauen Einsamkeit war Pekka ein Mensch. Überall sonst war er Pekka, der Fischer, Pekka, der Sohn Pekkas des Fischers, wohlhabender vielleicht, als andere Fischer und ärmer wiederum. Im Dorf, da war er ein Junggeselle, Sohn oder Bruder. Cousin oder Schwager. Freund oder Rivale. Auf dem Meer aber galt keine dieser Bezeichnungen etwas. Dort war er bloß noch ein Mensch, der einzige. Und doch war Pekka auf See immer auch ein wenig Pekka die Möwe, die sich im rauhen Wind wiegt, fliegt. Pekka der Fisch, der schwimmt, taucht, gleitet durch salziges Wasser. Pekka, die Muschel, die geduldig wartet auf etwas, das niemals kommt. Pekka sehnte sich immer zu nach dem Meer, weil er sich dort sehnen durfte. Nicht nur einfache Leute wie Pekka fuhren zur See, auch Könige von Zeit zu Zeit. Natürlich gab es auch in Pekkas Land einen König, selbst wenn Pekka nie viel an ihn dachte, der König war ihm egal, solang es das Meer gab und Fische. Doch ab und an macht auch ein König eine Reise in ein kleines Fischerdorf und der König der regierte, als Pekka Fischer war und zur See ging, hatte sich vorgenommen seinem ältesten Sohn das Reich zu zeigen. Natürlich nur die schönsten Flecken und nicht die gar zu ranzigen, denn selbstverständlich gab es in diesem Königreich für des Königsohns Augen nur schöne Ecken. Bisher hatte dieser nur die Paläste gekannt, in denen alle Reichtümer des Landes zusammentrafen. Die Schätze der Ländereien, kostbare Felole, edler Wein und getrocknete Früchte ebenso wie die Kostbarkeiten der Städte, die Meisterwerke der Goldschmiede- und Teppichweberzünfte, die Erkenntnisse der Universitäten und natürlich, auch und vor allen Dingendie reichen Schätze der Ozeane: Korallenketten, Perlen, Walfleisch, Fisch. So hatte der König seinem Sohn bereits die Städte gezeigt, mit ihren üppig verzierten Gebäuden, den dicht gedrängten Marktplätzen. Sie waren auf die Ländereien gefahren, zum Jagen in den Wald, zum Spazieren in die grünen Hügel, zum Speisen in die herausgeputzten Gasthäuser. Und immer hatte der Königssohn gesagt: „Schön ist es hier!“, hatte sich die Hand küssen lassen und war weiter gezogen, in seiner vergoldeten Kutsche. Als der König und sein Sohn aber an die Ozeane kamen, wo alle Fischer, Pekka und die anderen gerufen wurden, ihre schönsten Fische zu holen und zu präsentieren, da sagte der Königssohn: „Schön ist es hier!“, ließ sich die Hand küssen, schaute ein weiteres Mal wehmütig auf das Meer und fragte mit schüchterner Stimme, ob er nicht mitfahren könne, auf solch einem Schiff. Da gab es ein Raunen bei der Dorfbevölkerung, dass es sich anhörte wie Donnerbrausen und der König überlegte gerade, wie er den törichten Wunsch seines Sohns abschlagen sollte, als auch schon der desinteressierte Pekka, der an diesem Tag gar keinen Fisch vorzuzeigen gehabt hatte, nur solche mit Stellen und solche, die zu klein waren, wo es doch Fische mit Stellen und Fische, die zu klein waren, in des Königs Reich gar nicht gab, der nur zurück in sein Boot wollte, auf das Wasser, fort, als der desinteressierte Pekka aufsprang und sagte: „Mit mir darfst du.“ Das war dann also ein junger, eigenbrötlernder Fischer mit verkrusteten Händen, haarigen Armen und breitem, starken Rücken mit dem Königssohn, schön wie die Nacht des Sommers, bleichgepudert, durchgekämmte Goldhaare und schwarzbraune Unnahbar-Augen, Rätselaugen, Geheimnisaugen, auf einem Boot, in den schaukelnden Wellen, Sandbänke umfahrend, Fische fangend, auf einmal fort im Horizont. Und Pekka begann sich zu sehnen, nach den schaukelnden Wellen, nach stürmischen Nächten. Und Pekka begann sich zu sehnen, nach salziger Luft, nach geheimnisschwarzen Augen auf unruhiger See. Und Pekka begann sich zu sehnen, nach hellweißer Gicht, nach mondblasser Haut. Und Pekka sehnte sich, noch lange, nach glitzernder Sonne im goldenen Haar. Der Königssohn aber stand auf dem Boot wie neugeboren, wie einer, der noch nieetwas gesehen hat und immer bloß staunen muss, und er sah die Wolken und er sah den Rand des Meeres, der blau in blau verschwimmt mit Himmel, Horizont genannt. Er sah Schaumkronen spielen auf den Wellen, spürte Wind durch seine Haare streichen. Da fragte Pekka: „Sehnst du dich?“ Niemals hatte er gefragt, ob sich einer sehnt auf dem Meer. Das war nur so ein Gefühl, sein eigenes, wenn er der einzige Mensch auf Erden war. „Was soll ich mich sehnen?“, antwortete der Königssohn, bedächtig in die Ferne blickend, „Wie soll einer wie ich mich sehnen? Ich habe doch alles, was das Herz begehrt. Es mangelt mir an nichts. Mich sehnen? Nach Reichtum? Was gibt es denn, was ich nicht besitze? Nach Macht? Wie könnte einer mächtiger sein, als der König und sein Sohn? Nach Liebe? Sag, gibt es einen Menschen im Königreich, der mich nicht verehrt?“ Doch auch für den Königssohn, dachte Pekka, muss es doch einen Horizont geben, einen Himmel, die Sonne, Sterne. Auch für einen Königssohn muss es doch einen Meeresgrund geben, der tiefer noch ist als alles menschenvorstellbare. Auch für den Königssohn muss es die Vögel geben, den Wind und die Fische. Aber ob es für den Königssohn auch so schwarze Rätselaugen gab, die fern blickten, deren Geheimnisse es zu ergründen galt, wie es sie auf diesem Boot für Pekka gab, fragte Pekka sich nicht. Er hoffte bloß, dass der Königssohn in Pekkas eigenen, meergrauen, unwettergewöhnten, geheimnisfreien Augen Sehnsucht sah. Fortan liebte der Königssohn das Meer, so wie viele, die das Meer zum ersten Mal sehen und sagen: „Es ist schön“ und denken, sie haben das ganze Meer schon verstanden, so verstand auch der Königssohn das Meer. Viele Wochen wollte er noch bleiben und hinausfahren. Der König selbst, den Regierungsangelegenheiten riefen, verließ das reiche Fischerdorf schon bald. Der Königssohn jedoch war fasziniert von dem ruhigen und bedächtigen Pekka, der wenig sprach und viel wusste und den es immer nach irgendwohin zog. Nur den Königssohn, den zog es nach einiger Zeit nicht mehr aufs Meer. Seine Bewunderung für Pekkas Gleichmut auf See, Pekkas Auskommen mit dem immer gleichen Tagesablauf blieb, verstärkte sich sogar, doch die Lust am Meer verließ ihn mit der Zeit, wie ihn die Lust an allen Dingen verließ. Es zog ihn zurück in seine Paläste, wo es doch alles Schöne gab, viel mehr und viel reicher noch waren dort die Schätze des Meeres, als noch im reichsten Fischerdorf, das war gewiss. Es gab rauschende Festlichkeiten, Süßigkeiten, Honig Früchte, Gesang, Tanz, Spiel. Es gab Lustgärten und Menagerien, Ballsäle und Deckenbemalungen, einst gemalt von den begabtesten Künstlern des Landes. Was suchte der Königssohn da noch am wilden Meer, wo es so vieles eben nicht gab? Der Wind wehte doch auch durch die Palastanlagen, der Horizont war auf den Landschaftsmalereien in den Privatgemächern des Königssohns vieltausendfach festgehalten. Die Paläste hatten wunderlichere, wesentlich exotischere Tiere zu bieten als jede Küste, mochte sie noch so schön sein. Sogar Schiffe besaßen der König und sein Sohn. Das waren fürwahr prächtige Schiffe, mit goldenen Kanonen und farbenprächtigen Flaggen, Gallionsfiguren von berauschender Schönheit. Pekka würde es gefallen. Und wie Pekka der Vorschlag gefiel, mit dem Königssohn zu den Palästen zu fahren! Wofür, fragte er sich, war all sein Sehnen wohl jemals gut gewesen, wenn nicht dafür? War er denn nicht an der Erfüllung seiner Träume angelangt, dort, wo er sich all die harten Tage auf See hingesehnt hatte? Pekka fuhr also,der Sohn eines Fischerdorfs, in der königlichen Kutsche mit und er sah Dinge, die er noch nie im Leben gesehen hatte. War er bisher, den Landweg im Sinn, nie weiter gekommen als bis zum nächsten Dorf, so erstreckten sich nun vor seinen Augen all die Möglichkeiten der Menschen. Er konnte sich kaum entscheiden, was er am meisten liebte: das hügelige Land, die protzigen Städte oder doch die Gesellschaft des Königssohns, der sich zwar immer höflich gab und weltgebildet, aber doch auch so kühl war und fern von den Dingen. Allerdings verstand der es gut, Pekka zu unterhalten. Er konnte über jedes Thema geistreich reden und Klatschgeschichten vom Hofstaat erzählen, die jede Dorfnutte zum erbleichen brächten. Er beherrschte Schach und andere Spiele, das ein oder andere Musikinstrument und belehrte Pekka in edler Etikette. Die Tage mit dem Königssohn waren voller Kurzweil für Pekka und die Nächte erst recht. Wenn sie sich nicht im Labyrinth versteckten, holpernd und lachend durch den kerzenerleuchteten Ballsaal tanzten oder einen Gang nach dem anderen verspeisten, lagen sie oft draußen, unter den Sternen, hörten die leisen Klänge des Palastes von ferne und das Atmen des anderen, ganz nah. Fragten laut und auch leise, was die Welt bewegte und die Welt, die ist nicht unbedingt groß, für den, der verliebt ist. Der Königssohn lächelte dann oft, weil er ahnte, we glücklich sein Pekka war und er schob ihm noch eine weitere Nascherei in den Mund, denn er wollte nur das Beste vom Allerbesten für Pekka. Doch dann kam der Tag, da wollte Pekka nicht mehr mit Süßigkeiten gefüttert werden. Es kam der Tag an dem Pekka die unzähligen Horizonte der Landschaftsbilder nicht mehr genügten.Es kam der Tag an dem Pekka das Beste vom Besten nicht mehr gefiel. Es kam gar der Tag, an dem Pekka meinte, alle Geheimnisse der Geheimnisaugen ergründet zu haben, die fortan nur noch Spiegel waren, die ihn zeigten, Pekka, den einfachen Fischer. Und da endlich sehnte sich Pekka. Er sehnte sich so sehr, dass er platzen wollte, nichts hielt ihn mehr in den Hallen und Palästen. Da machte er sich früh morgens auf, mit seinem Boot, kein Mensch der Welt hätte ihn noch halten können, in Richtung Meer, in Richtung Freiheit, in Richtung Ozean. In den Horizont hinein, wo blau und blau sich treffen, wo er so sehr hoffte sich wieder zu sehnen, nach den Möwen, den Fischen, der Weite, der Ferne und vor allem nach dem Geheimnis hinter den Rätselaugen. Doch alles was blieb, im unendlichen Blauton, Wasser, Luft: Das Sehnen nach der Sehnsucht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)