Thursdays Fault von Arcturus ================================================================================ Faith ----- Faith Seit seiner Geburt saß seine Mama jeden Abend an seinem Bett und sagte ihm, die Engel des Herren würden auf ihn aufpassen und er bräuchte sich vor nichts fürchten. Als er drei war, da glaubte er, die Worte seiner Mama zu verstehen. Er glaubte an die Engel und daran, dass sie ihn schützten. Er betete jeden Abend vor dem Schlafen gehen mit seiner Mama, damit die Engel ihn nicht vergaßen. Und wenn seine Angst vor dem Monster in seinem Schrank zu groß war, da nahm seine Mama das Gefäß mit dem Salz aus der Küche und zog mit dem Salz einen Kreis um sein Bett. Zur Unterstützung für die Engel, denn Monster könnten Salz nicht überqueren, weil Salz so rein war wie er. Als er vier war, da brannte seine Mama an der Decke. Er fragte sich, ob die Engel keine Zeit hatten, um auch auf seine Mama aufzupassen. Als er fünf war, da fragte er seinen Papa, ob er an Engel glaubte und ob die Engel auf ihn aufpassen würden. Sein Papa nickte und sagte ihm, dass die Engel auch auf ihn aufpassten. Er verstand erst Jahre später, dass sein Papa vielleicht nur versucht hatte, ihn aufzumuntern und mit den Gedanken ganz woanders gewesen war. Als er sechs war, da brachte sein Papa ihn das erste Mal zu Pastor Jim. Er brauchte einige Zeit, um zu verstehen, was Pastor Jim war, aber er mochte ihn, denn auch Pastor Jim glaubte an Gott und seine Engel. Als er acht war, da fragte Sammy ihn, wo ihre Mama war. Und er wusste nicht, wieso er es sagte, aber er sagte ihm, sie sei ein Engel und sie könnten sie nicht sehen, aber sie würde immer auf sie aufpassen. Er versuchte, seinen eigenen Worten zu glauben. Er schaffte es nicht ganz. Als er zehn war, starb Sammy fast. Er wusste, dass es seine Schuld war, denn er hatte Mist gebaut. Um dieses Wissen kam er nicht herum, denn jeder Blick seines Vaters, jedes Wort, auch wenn es nur um den Salzstreuer auf dem Tisch ging, jede Bewegung brannte dieses Wissen in sein Gehirn. Und obwohl sich dieses Wissen in ihn brannte, fragte er sich, wo sie denn waren, die Engel. Als er dreizehn war, stritt er mit Pastor Jim darüber, warum Gott zuließ, dass all die Monster, von denen er wusste, dass es sie gab, unschuldige Menschen verletzten, töteten, schlimmeres. Was es denn brachte, zu diesem Gott und seinen Engeln zu beten, wenn sie einen nicht beschützten. Jahre später erinnerte er sich nicht mehr an das sorgenvolle Gesicht des Mannes, wohl aber daran, dass am selben Abend Pastor Jim auch mit seinem Vater stritt und er die Schuld bei sich suchte und sie nicht fand. Als er fünfzehn war, waren sie in einem kleinen Kaff, irgendwo in West Virginia. Es sollte eigentlich gar nicht seine erste Jagd werden. Die Instruktionen seines Vaters waren klar. Bleib im Motelzimmer. Sorge dafür, dass Sammy im Motelzimmer bleibt. Das Salz ist im Schrank, der Revolver unter deinem Kissen. Zwei Messer, Silber, stecken unter der Matratze. Natürlich hatte er nicht vorgehabt, dagegen zu verstoßen. Er verstieß nicht gegen die Regeln seines Vaters. Das der tat er nicht mehr, seit er zehn gewesen war. Dann klingelte das alte, schäbige Telefon und er ging ran und ein Mädchen, Susan, war dran. Er warf seinem Bruder einen finsteren Blick zu, der schuldbewusst den Kopf einzog. Es blieb keine Zeit, um ihn weiter finster anzustarren. Was auch immer es war, es war bei der Kirche. Die Kirche, das war zu nah für ihn und zu weit weg für John. Er wartete nicht auf seinem Vater. Das eine Messer drückte er Sammy in die Hand, das andere steckte er sich mit dem Revolver in den Gürtel. Das Salz ist im Schrank, lass das Messer nicht aus der Hand und lass niemanden rein. Die Kirche hatte einen Nebeneingang, den er erst fand, als er das Gebäude ein zweites Mal umrundete. Er brauchte ihn nicht zu öffnen. Etwas schlug gegen seine Brust, warf ihn zu Boden und presste ihm die Luft aus den Lungen. Er hörte seine Rippen knacken und nur der Adrenalinschock verhinderte, dass er darüber nachdachte. Für Nachdenken war keine Zeit. Die Energie, die ihm zwei Rippen brach, rettete ihm vermutlich das Leben. Mit viel zu viel Schwung drückte ihn der Angreifer hart in den Boden, rollte dann doch über ihn hinweg und gab ihm die Gelegenheit, sich so weit zur Seite zu drehen, dass der nächste Angriff ihn um Millimeter verfehlte. Er hatte seine Hand bereits um den Griff des Messers. Revolver würde nicht viel bringen, das ahnte er viel mehr, als das er es wusste. Keine Silberkugeln. Den dritten Angriff sah er nur aus dem Augenwinkel. Er warf sich zur Seite, schaffte es nicht ganz und spürte, wie sich Krallen in seinen linken Oberarm bohrten und tiefe Wunden schlugen. Nicht daran denkend, dass er Blut verlieren würde, zu viel Blut vielleicht, wartete er keinen vierten Angriff ab. Er stürzte sich auf den Gegner, Werwolf wie sein Vater vermutet hatte, das sah er jetzt, und brachte ihn gerade genug aus dem Konzept, um den Klauen zu entgehen. Keine Zeit mit atmen verschwendend, stieß er den rechten Arm vor, spürte, wie das Messer Fleisch durchschnitt, dann traf ihn die andere Pranke. Diesmal hörte er seinen Brustkorb nicht knacken. Das Blut rauschte in seinen Ohren, als er die Augen wieder aufschlug und das schmutzige Gras doppelt sah. Jetzt atmete er, musste einfach, und es viel ihm erschreckend schwer. Der nächste Angriff, von dem er wusste, dass er kommen würde, kommen musste, ihm den Rest geben könnte, blieb aus. Sein Körper schmerzte protestierend, als er sich aufrichtete, nur ein paar Zoll, gerade genug, um den reglosen Körper neben seinen Füßen zu sehen. Sein Blick verschwamm vor den Augen und Dunkelheit brannte in den Winkeln, doch er blinzelte sie wütend weg. Dann war er wieder auf den Beinen, auch wenn er nicht wusste, wie er es geschafft hatte. Er zog sein Messer aus der Brust des Werwolfes, zu schwach, um davon überrascht zu sein, tatsächlich das Herz getroffen zu haben. Sein einziger Gedanke galt der Kirche, das letzte, auf das er sich konzentrieren konnte. Das Tor des Haupteingangs war aus den Angeln gerissen und er sah, dass die alten hölzernen Bänke teils schweren Schaden genommen hatten. Dann sah er das Blut. Einen Schritt, den er nicht gehen wollte, und einen zweiten, dann sah er den Pastor und ein Mädchen, Sammys Alter, vermutlich seine Tochter, Susan. Es war zu viel. Er kippte nach vorn, fing sich gerade so mit einer Hand ab und übergab sich, bis sein Magen so leer war, wie sein Kopf. Sich die Frage zu stellen, wo zur Hölle sie denn waren, die Engel, dazu reichte es nicht mehr. Als er sechzehn war, folgte er seinem Bruder in dieses alte Haus, von dem die Anwohner sagten, es würde darin spuken. Sein Vater untersuchte einen mehrere mysteriöse Todesfälle in der näheren Umgebung des Kaffs, er tippte auf einen Wendigo, war sich aber nicht sicher, und hatte sich schon seit zwei Tagen nicht mehr blicken lassen. Natürlich spukte es in dem Haus. Sammy sollte eigentlich wissen, dass man solche Legenden ernst nehmen sollte. Das sagte er Sammy auch und der antwortete nur, dass ein paar Jungen, mit denen er Kontakt geknüpft hatte, in dem Anwesen waren. Die Jungen waren es nicht, aber Sam und er waren es und der gottverdammte Geist war es auch. Er hatte das Salz mit und eine Flinte mit genügend Steinsalz für die ganze Nacht. Als sie die Jungen nicht fanden, der Geist aber sie, zog er mit dem Salz, von dem er mittlerweile wusste, dass es sehr viel reiner war, als er selbst es je sein würde, einen Kreis um sich selbst und seinen kleinen Bruder, drückte Sammy an sich und verfeuerte in dieser ganzen beschissenen Nacht die ganze Munition. In der kommenden Nacht darauf buddelten sie ein paar Knochen aus und machten ein hübsches kleines Feuer. Eigentlich war er ein viel besserer Beschützer, als alle verfluchten Engel dieser Welt, dachte er grimmig, als ihr Vater Tage später wieder auf der Bildfläche erschien und sie fragte, wieso dort eine Patrone mit Steinsalz zu viel im Geheimfach des Impalas war... Als er zwanzig war jagte er längst allein und mit der Erlaubnis seines Vaters seine ersten Geister und war sich vielleicht selbst der beste Beschützer. Als er siebenundzwanzig war, hatte er längst eingesehen, dass er auf keinen Beistand von irgendwem zu hoffen hatte, der nicht den Namen Winchester trug. Und er hasste sich dafür und seinen Vater erst recht und ändern konnte er daran doch nichts. Als er achtundzwanzig war, gab es keinen Himmel mehr für ihn, nur die Wahl zwischen einer Hölle und einer anderen, die er beide nicht ertragen konnte. Er verlegte den Hass auf die Entscheidung seines Vaters auf sich selbst, suchte die nächste Kreuzung auf und wählte die Hölle. Als er neunundzwanzig war, war da plötzlich ein Himmel und er wusste nicht, ob er lachen, weinen oder diesem verfluchten Engel jede verfluchte Feder einzeln aus den verfluchten Flügeln reißen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)