Notebooks and Tea von Klayr_de_Gall (KuroxFye-FF-Production GmbH & Co.KG) ================================================================================ Kapitel 8: 07.Woche - Tanz -------------------------- ~Schneeblume~ Von Tapferkeit und Mitgefühl Eigentlich hatte Kurogane gedacht, mal einen entspannten Nachmittag mit seinem Betthäschen verbringen zu können. Doch wie hieß es so schön: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ein dämliches Sprichwort, wenn man ihn fragte. Der schwarzhaarige Dämon war einer der engsten Vertrauten Satans und demzufolge permanent schwer beschäftigt. Da blieben Schäferstündchen leider oftmals auf der Strecke. Das passte ihm natürlich gar nicht in den Kram, doch es gab nun mal immer etwas zutun in der Unterwelt. Dafür waren die – mehr oder weniger – friedlichen Stunden, die er mit seinem Geliebten verbringen konnte, umso befreiender. Ja, er, einer der begehrtesten Dämonen, denen jeder andere zu Füßen lag, hatte sich für eine monogame Beziehung entschieden. Empörend, wie nicht nur Wesen der Unterwelt fanden, denn ihm waren auch schon Scharen von Engeln verfallen gewesen. Doch für Kurogane spielte das alles keine Rolle mehr; es interessierte ihn herzlich wenig, was Paradies und Unterwelt dazu zu sagen hatten. Seit ihrer ersten Vereinigung war er dem blonden Dämon Fye treu geblieben und das war immerhin schon ein paar Jahrhunderte her. Kaum jemand verstand, warum ausgerechnet diese zwei einander gehörten, denn sie waren so verschieden wie Tag und Nacht auf Erden. Während alle Wesen der Furcht einflößenden Macht des Schwarzhaarigen nicht widerstehen konnten und sie gleichzeitig fürchteten, versprühte Fye eher einen kaum merklichen, indirekten Charme, dem man sich aber genauso wenig entziehen konnte. Trotzdem wurde dem Blonden, der um ein halbes Jahrtausend älter war als Kurogane, wo er auch auftauchte, Missbilligung entgegen gebracht. Er war anders. Er war aus Prinzip zu jedermann freundlich und hilfsbereit, ja schlimmer noch: Er empfand Mitleid. Und das auch noch gegenüber Wesen, die schwächer waren als er. Und von denen gab es reichlich, denn auch er gehörte zu den Mächtigsten. Niedere schwarze Wesen machten oftmals den Fehler, ihn zu unterschätzen und sich von seinem sorglosen Auftreten täuschen zu lassen. Aber es fehlte diesen gestaltlosen und tierischen Dämonen an Intelligenz, man konnte es ihnen nicht verübeln. Die mächtigen, reinrassigen Dämonen der obersten Klassen, in menschlicher Gestalt mit imposanten schwarzen Flügeln, wussten hingegen zumindest seine Macht zu respektieren. Außerdem war da noch Kurogane, der immer und ausnahmslos hinter seinem Geliebten stand – und ihn fürchtete jeder. Sogar Satan selbst hielt es für klüger, sich nicht allzu oft mit dem Schwarzhaarigen anzulegen. Kurogane war loyal und erledigte seine Aufträge makellos. Doch niemand wollte riskieren, es sich mit ihm zu verscherzen und ihn zum Feind zu haben. Der einzige, der es wagte, ihm auf Nase und Nerven rumzutanzen, war Fye selbst. Obwohl der Blonde ihm insgeheim ebenfalls nicht widerstehen konnte, so hatte er doch keine Angst vor ihm. Doch zurück zu jenem Nachmittag. Wenn sie mal ihre Ruhe von diversem schwarzen Getier und misstrauischen Blicken haben wollten, trafen sie sich auf der Bauminsel. Das war ein neutraler Ort zwischen der Unterwelt und dem Paradies. Er verdankte seinen Namen einem uralten, riesigen, mittig stehenden Baum, dessen Geäst über die ganze Insel reichte. Sie war vom Schwarzen Ozean umgeben, dessen Oberfläche allerdings einladen silbern schimmerte und der den Übergang zur Unterwelt darstellte. Der immer strahlend blauweiße Himmel über ihr dagegen war das Tor zum Paradies. Von den Durchschnittsengeln und –dämonen wagte sich niemand auf die Bauminsel. Es hieß, dort lebten Hüter, die jeden vertrieben oder töteten, der dort nicht geduldet wurde. In Wahrheit war die Insel voller tanzender Elfen, die mit ihrem Tanz und ihrem schönen Schein den Baum liebevoll pflegten. Sie waren nicht gefährlich, denn sie konnten nicht kämpfen. Sie tanzten. Ihr ganzes langes Leben lang. Wenn sie aufhörten zu tanzen, starben sie. Fye mochte die zarten, unschuldigen Wesen, die nicht größer waren als seine gespreizte Hand. Das war eine seiner Flausen, die Kurogane längst aufgeben hatte, ihm auszutreiben. Kurogane lag ruhig in saftig grünem Gras im Schatten des alten Baumes und wartete auf den blonden Dämon, der mal wieder zu spät zu kommen schien. Er beachtete die tanzenden und hüpfenden, gestaltlosen Lichter um sich herum nicht, genauso wenig wie die Elfen ihn, die Fremden nur selten ihre Gestalt zeigten. Der Schwarzhaarige öffnete die Augen, just in dem Moment, als der blonde Schopf durch die schimmernde Wasseroberfläche stieß und Fye ans Ufer watete. Nass war er nicht, denn das Wasser des Schwarzen Ozeans war nicht von irdischer Natur. Auch konnten Dämonen ganz normal in ihm atmen. „Kuro-sama!“, juchzte Fye und tänzelte auf ihn zu, ließ sich einfach auf ihn fallen und küsste ihn überschwänglich. Kurogane grinste und presste den etwas Kleineren an sich. Als sie sich nach längerer Zeit atemlos voneinander lösten, warf er ihm einen vorwurfsvollen Blick aus den roten Augen zu. „Du bist ziemlich spät dran. Du weißt doch, dass ich nicht viel Zeit habe.“ Fye blinzelte und richtete sich plötzlich auf, als wäre ihm was eingefallen. „Tut mir Leid, aber irgendwo an der Grenze treiben sich niedere Dämonen rum. Ich habe sie auf die Schnelle nicht gefunden. Könnten wir…?“ „Fye, muss das sein?!“ Kurogane war nicht sonderlich begeistert. Die wenige freie Zeit, die er hatte, wollte er nicht damit verbringen, unnütze Dämonen zu vertreiben. Der Blonde verzog das Gesicht. „Ja, muss es. Wenn die an der Grenze spielen, fehlt nicht mehr viel bis sie hier landen. Und du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn andere mich so sehen! Außerdem ist es ihnen nicht erlaubt.“ Ein weiterer Grund, warum andere Dämonen ihm misstrauten, waren Fyes Flügel. Im normalen Zustand waren sie, wie bei allen anderen, tiefschwarz. Doch auf dem neutralen Boden der Bauminsel konnten weder Engel noch Dämonen ihre Flügel benutzen, welche deshalb klein wurden. Und im kleinen Zustand waren seine Flügel weiß – was sich niemand erklären konnte. Aus diesem Grund verkleinerte Fye seine Flügel niemals, auch wenn es im Alltag oft nützlicher war. Hier jedoch war er gezwungen, dies zutun. „Na schön… Du kannst dich ja eh nicht entspannen, ehe wir sie nicht verjagt haben.“, gab Kurogane sich geschlagen, da er wusste, wie unwohl sich sein Geliebter mit den kleinen, weißen Flügeln fühlte, „Und ich würde unser Schäferstündchen gern genießen.“ Fye lachte und umarmte ihn erleichtert. „Du machst es nicht umsonst, versprochen.“ „Das will ich doch hoffen.“ Der Schwarzhaarige grinste diabolisch. Beide tauchten ins Wasser und waren Sekunden später von hier und da blubbernder Schwärze umgeben. Zusammen brauchten sie nicht lange, bis sie eine kleine Horde niederer Dämonen aufgetrieben hatten, die mit etwas Leuchtendem spielten. Kurogane verdrehte genervt die Augen. „Sie haben es schon wieder getan. Dämliches Pack.“ „Was denn?“ Ein besorgter Ausdruck legte sich auf Fyes Gesicht, denn er ahnte nichts Gutes. Der Schwarzhaarige schwieg. Er wollte es seinem Partner nicht sagen, da er wusste, wie dieser reagieren würde. Doch es blieb ihm nichts anderes übrig, denn sie hatten die Gruppe fast erreicht. „Eine Elfe gefangen. Sie haben Spaß daran, Fallen auszulegen und Elfen, die im Eifer ihres Tanzes in den Schwarzen Ozean fallen oder so dumm sind, aus Neugierde hinein zu springen, in Glaskugeln einzuschließen. Sie spielen dann damit, bis die Elfe verendet ist.“ „Wie bitte?!“, entsetzt starrte Fye ihn an. Kurogane zuckte mit den Schultern. „Sieh mich nicht so an. Es ist ihnen verboten worden, doch wir haben Wichtigeres zutun als ein paar verirrten Elfenwesen zu retten.“ Der Blonde schnaubte verächtlich und warf dem Größeren einen bösen Blick zu, während er sich beeilte, den Ort des Geschehens zu erreichen und der Elfe zu helfen. Er hasste die Arroganz der Dämonen, die sich für so viel Besseres als alle anderen Geschöpfe hielten. Kurogane seufzte innerlich und folgte ihm. Das war so klar gewesen! Warum musste Fye so einen Aufstand machen, es war doch nur eine Elfe. Doch er hütete sich, das auszusprechen, denn dann würde Fye wohl für die nächsten paar Jahrzehnte nicht mehr mit ihm reden. „Hört sofort auf damit, sonst setzt es was!“ Fye baute sich vor der Horde auf, die die Lichtkugel gerade noch hin und her geworfen hatten. Das schwarze Getier hielt ertappt inne und versteckte die Elfe hinter sich. Einige gaben herablassende Laute von sich, andere sanken verängstigt in sich zusammen. Nicht nur, dass Fyes blaue Augen sich vor Zorn golden verfärbt hatten, nein, nun erschien auch noch Kurogane neben seinem Partner und durchbohrte die armseligen Geschöpfe mit einem tödlich roten Blick. Bald war auch der letzte Dämon verstummt. Sie drängten sich voller Furcht, aber auch mit Trotz, zusammen. Da keiner von ihnen Anstalten machte, die Elfe herauszugeben, ging plötzlich ein eisiger Hagelschauer auf sie nieder. Die Dämonen schrieen auf, stoben auseinander und ließen ihr Spielzeug fallen. Während Fye die Glaskugel auffing, knurrte Kurogane leise und drohend: „Macht, dass ihr verschwindet!“ Die kreischenden und zeternden Kreaturen gehorchten sofort und flohen in alle Richtungen davon. „Du liebe Zeit, armes Ding!“, sprach der Blonde mitleidig und drückte die Kugel behutsam an sich. Das Licht wurde schwächer und so konnte er nun eine hübsche kleine Elfe mit nussbraunem Haar, seidigen Libellenflügeln und leuchtend grünen Augen erkennen, die verstört zu ihm aufsah. Sie flatterte tanzend und zitternd in ihrem kleinen Gefängnis umher und rief für die Dämonen unhörbar nach jemandem. „Ist ja gut, Kleines, ich bringe dich wieder zurück. Beruhige dich.“ Eindringlich redete er auf die Elfe ein, während er kehrt machte und zurück flog. Sie schaute ihm lange in die wieder blauen Augen und wurde tatsächlich ruhiger. „Fye, du weißt, dass das keinen Sinn hat.“, wand Kurogane ein, der wieder neben ihm war. „Wenn sie einmal in den Schwarzen Ozean gefallen und gefangen worden ist, wird sie sterben.“ „Nein!“ Verbissen blickte der Ältere in Richtung der Wasseroberfläche, der sie immer näher kamen. „Ich bitte dich, du…“ Kurogane verstummte. Die zwei blauen Kristalle schimmerten traurig und hilflos. Ihm wurde klar, dass Fye es wusste, aber zu verdrängen versuchte. Der Blonde schämte sich offensichtlich für seine Rasse und wollte das kleine Wesen unbedingt retten. Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf, beschleunigte aber sein Tempo. Als sie die Bauminsel erreichten, hatte die sonst hell perlmutfarbene Haut der Elfe begonnen, sich schwarz zu färben. Die Schwärze hatte sich bereits über beide Beine ausgebreitet, was die Kleine wieder hektischer tanzen ließ. Atemlos fiel Fye im Gras auf die Knie und legte die Glaskugel behutsam ab. In seiner Hand erschien ein scharfer Keil aus Eis, mit dem er sie mit einem sauberen Hieb in zwei Teile teilte. Die kleine Elfe taumelte aus ihrem Gefängnis und wurde von großen, warmen Händen aufgefangen. Kurogane hatte sich ihnen gegenüber niedergelassen und setzte die Elfe nun schweigend auf Fyes Händen ab. Das zerbrechliche Geschöpf brachte unter Anstrengung ein erleichtertes Lächeln zustande und tippelte über die hellen Handflächen. Fye spürte, wie seine Augen zu brennen begannen. Die Elfe schien jetzt, wo sie wieder zuhause war, ihren Mut zurück gewonnen zu haben. Tapfer, wie sie war, hatte sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden. „Bitte hör auf zu tanzen, Kleines. Wenn du dich so sehr bewegst, verbreitet sich die Schwärze noch schneller in deinem Körper.“, flehte Fye leise und hob sie hoch, damit sie auf seiner Augenhöhe war. Sie schüttelte traurig lächelnd den Kopf und streifte mit ihren Flügeln in einer sanften Berührung seine Wange. Kurogabe setzte sich hinter seinen Geliebten und umarmte ihn sanft, während er das Geschehen schweigend verfolgte. Schließlich schüttelte er kaum merklich den Kopf und sprach ebenso leise: „Sie kann nicht aufhören. Zu tanzen ist ihr Lebenserhaltungstrieb. Wenn Elfen nicht tanzen, sterben sie.“ Fyes Augen füllten sich mit Tränen. Er wusste es doch! Aber die kleine Elfe tanzte so tapfer und streichelte mit ihren zarten Händen über seine Wangen, als wollte sie ihn trösten. Dabei war er doch ein Dämon… Der Blonde wisperte ihr Entschuldigungen zu, doch sie schüttelte nur aufmunternd den Kopf. Inzwischen waren auch ihre Arme schwarz. Plötzlich erschien ein Licht neben ihnen, das zu einem jungen Elf mit braunen Haaren und Augen und schimmernden Schmetterlingsflügeln wurde. Er flog auf die Elfe zu, den Mund zu stummen Schreien aufgerissen und wollte sie von den Dämonen wegziehen. Doch sie hielt ihn sanft davon ab und schenkte ihm einen liebevollen Blick. In diesem lag jedoch soviel Schmerz, den sie einfach nicht verbergen konnte. Der Elf starrte sie verzweifelt an, weinte stille Tränen. Behutsam, als fürchtete er, ihr wehzutun, legte er seine Arme um sie und tanzte mit ihr zusammen auf Fyes Händen weiter. Fye biss sich fest auf die Lippen. Der letzte Tanz der sich liebenden Elfen berührte ihn zutiefst und er hätte alles getan, um sie zu retten. Doch er, der er zu den Mächtigsten gehörte, konnte nichts für sie tun. Das Schwarz hatte den fragilen Körper fast zur Gänze vergiftet. Nur ihre empfindlichen Flügel leuchteten noch und ließen bei jeder Bewegung hübsche kleine Kirschblüten aus Licht nieder rieseln. „Kuro-pii… das ist so traurig.“, flüsterte der ältere Dämon brüchig und spürte, wie er fester in die Umarmung gezogen wurde. Kurogane konnte den Schmerz, das Mitleid, das sein Geliebter empfand, nicht verstehen, doch es gefiel ihm nicht, dass dieser so traurig war. Er hätte ihn gern getröstet, doch er wusste nicht, was er sagen konnte, ohne es schlimmer zu machen. Wortlos sahen sie dem Paar zu, bis die Elfe plötzlich stauchelte und sich an dem Elf festhalten musste. Fye war hoch geschreckt und sah mit dem gleichen Entsetzen wie der Elf, dass sich die zarten Flügel viel zu schnell schwarz färbten. Das geschwächte Wesen sank in den Armen ihres Geliebten zusammen und atmete schwer. Der Elf drückte sie verzweifelt an sich, versuchte tapfer zu sein. Der Blonde merkte die kühlen Tränen nicht, die ihm über die Wangen liefen, als sie ihm ein dankbares Lächeln schenkte, sich mit unhörbaren Worten von ihm verabschiedete. Die Elfe wand sich anschließend ihrem Partner zu, sprach zu ihm und sah ihn dann wortlos an. Der liebevolle Blick wurde aus den nussbraunen Augen ebenso erwidert. Bis ihr Flügel schließlich völlig schwarz waren, jede Bewegung erstarb und die kleine Elfe für immer ihre Augen schloss. „Es tut mir Leid… kleine Sakura.“, weinte Fye leise und senkte den Kopf. Der Elf flatterte auf der Stelle, tippelte nur leicht mit den Füßen, während er die leblose Elfe festhielt und sein Gesicht in ihren Haaren vergraben hatte. Sie trauerten in stiller Eintracht zusammen, obwohl sie zwei völlig verschiedener Rassen angehörten. Kurogane konnte sein Erstaunen kaum verbergen. Er verstand es nicht. Er war immer stolz gewesen, zu einer solch intelligenten und weit entwickelten Art wie die der Dämonen zugehören, die sich von vielen unterentwickelten Kreaturen abhoben. Dämonen, die sich herablassen mussten, sich mit solchen abzugeben. Dass so ein Dämon zusammen mit einem Elf weinte, war ein skurriles und völlig absurdes Bild. Und doch… er spürte plötzlich ein Ziehen in seiner Brust... War das Mitleid? Verwirrt drückte er Fye an sich und kraulte ihm beruhigend durchs Haar. Wie lange sie da schlussendlich saßen, wussten sie nicht. Der Elf regte sich als erstes, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und straffte seine Haltung. Ernst, aber tapfer und entschlossen sah er die zwei Dämonen nacheinander an. Abwartend wurde der Blick erwidert. Beide erwarteten Abneigung oder dergleichen, doch der Elf verneigte sich plötzlich tief, erst vor Fye, dann vor Kurogane. Anschließend umflatterte er die Hände des Blonden, auf die ein kleines, schimmerndes Juwel herabsegelte. Er lächelte und nickte ihnen zu, ehe er sich mit seiner Geliebten in den Armen in Licht auflöste und verschwand. Fragend hielt Fye den perlmutfarbenen Stein hoch. „Was ist das, weißt du das, Kuro-yasha?“ Der Angesprochene nickte verblüfft. „Das ist eine Elfenträne… Sie sind sehr selten. Niemand in der Unterwelt, außer Satan, und kaum ein Engel besitzt solch eine. Das ist ein sehr wertvolles Geschenk.“ „Echt?“ Fye bekam große Augen. „Aber wieso… ich verstehe das nicht…! Ich habe doch gar nichts ausrichten können.“ „Na ja, ich denke mal…“, begann Kurogane langsam, „Er wollte sich bei dir bedanken, weil du seine Partnerin zurück zur Bauminsel, zurück zu ihm, gebracht hast. So ist sie in seinen Armen gestorben und nicht allein in der Unterwelt verendet. Er hat sich für dein… Mitleid bedankt.“ Ehrfürchtig strich der Blonde über die glatte Oberfläche des Juwels. „Aber das kann ich doch unmöglich annehmen.“ Kurogane zuckte mit den Schultern. Fye drehte sich in seinen Armen und kuschelte sich an die breite Brust. „Weißt du was?“, fragte er traurig, „Er wird aufhören zu tanzen.“ „Bist du sicher? Wie kommst du darauf?“ Der Schwarzhaarige küsste ihn tröstend. Ihr Schäferstündchen konnte er für heute vergessen, aber das war nicht schlimm. Liebevoll strich er mit den Lippen über die geröteten, feuchten Wangen. „Ich weiß nicht. Ich habe das im Gefühl.“ Sie schwiegen. Plötzlich richtete Kurogane sich auf und zog seinen Partner mit sich. „Komm mit, ich habe eine Idee. Elfen werden durch Blumen geboren. Du kannst die Träne neben dem alten Baum vergraben. Und vielleicht wird dann irgendwann…“ „…eine hübsche kleine Sakura daraus, ja.“ Der Ältere lächelte. „Lass uns das machen. Ich glaube ganz fest daran, dass die zwei wiedergeboren werden und dann glücklich zusammen leben können.“ Fye reckte sich und gab Kurogane einen warmen Kuss. „Danke, Kuro-sama.“ „Für dich tue ich alles. Selbst das.“ „Ich weiß…“ Owari <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Klayr_de_Gall~ letzte Chance Schweigend blickte Fay auf sein Sektglas. Er drehte es lustlos auf dem Tisch, schwenkte es etwas, nahm einen kleinen Schluck und stellte es zurück. Mit einem schweren Seufzen ließ er sich wieder gegen die Wand sinken. Er HATTE gewusst, dass es hart werden würde, aber so sehr... nicht einmal Alkohol vermochte ihn aufzumuntern. Und das alles nur wegen... „Fay-san? Was ist los, fühlst du dich nicht gut?“ Die ruhigen, besorgten Worte rissen ihn aus seinen Gedanken und für einen der wenigen, seltenen Augenblicke galt sein Interesse nicht mehr ihm. „Machst du dir etwa Sorgen, Tomoyo?“ Augenblicklich war das Grinsen auf seine Lippen zurückgekehrt, als er die junge, dunkelhaarige Frau ansah, die den Blick forschend erwiderte. In ihren violetten Augen las er deutlich den Zweifel an seinem Verhalten, aber seine langjährige Freundin war taktvoll genug, es nicht erneut anzusprechen. „Dein Glas ist noch fast voll.“, meinte sie stattdessen mit hochgezogenen Augenbrauen, und der Blondschopf kicherte. „Aber nicht doch! Das ist schon mein Zweites!“ Es war so einfach, zu lügen. So einfach, zu lächeln und zu tun, als wäre nichts. Lebenslange Übung. Aber heute tat es seltsam weh. Ein dumpfes Stechen in seiner Brust, das er bisher nur selten gespürt hatte. Nur der Blick eines einzigen Manschens war in der Lage gewesen, ihn so zu treffen, dass er ein schlechtes Gewissen bekam, dass er endlich aufhören wollte mit den verdammten Lügen! Einmal hatte er es geschafft. Und nun... „Ach so. Na, dann stößt du doch sicher mit mir an, oder?“ Tomoyo lächelte zuckersüß und der blonde Wuschelkopf nickte sofort. „Aber sicher! Auf unser herzallerliebstes Brautpaar, nehme ich an?“ Automatisch gingen ihre Blicke in dieselbe Richtung, zu dem glücklichen Pärchen, das turtelnd und knallrot auf der Tanzfläche tanzte. Sakura in einem traumhaft verzierten, weißen Brautkleid, und Syaoran in einem ebenso weißen Frack – beide Kleidungsstücke von Tomoyo designt und selbst genäht. Ihr beider Glück und ihre Verliebtheit schwebten wie eine Aura um die frisch Verheirateten, und jeder, der sie ansah, musste unweigerlich lächeln. Es war so offensichtlich, dass sich hier die richtigen Zwei gesucht und gefunden hatten, dass sie sich abgöttisch liebten. Lang genug hatte es ja gedauert. Fay hatte es von der Oberstufe an beobachtet, dieses schüchterne Spiel, das ihm zu jeder Zeit ein feines Lächeln zu entlocken vermocht hatte. Auch wenn es meist wehleidig und traurig gewesen war, so wie jetzt. „Auf ihr hoffentlich nie enden wollendes Glück.“, murmelte der schlanke Mann und hob sein Glas. „Und auf das Glück aller Menschen, die ihnen wichtig sind.“, ergänzte Tomoyo mit einem wissenden Funkeln in den dunklen Augen, bevor sie ihre Gläser behutsam gegeneinander klirren ließen. Der prickelnde Alkohol brannte in seiner Kehle, ebenso wie die Tränen, die er tapfer zurückkämpfte. Er würde hier nicht weinen. So lange hatte er es sich verboten und beinahe jedes Mal das Versprechen sich selbst gegenüber eingehalten. Er wollte stark sein, sich selbst gegenüber. Er wollte all diesen Menschen nicht zeigen, was für eine traurige, bemitleidenswerte Gestalt hinter seiner ewig lächelnden Maske steckte. Aber vor allem wollte er ihm nicht zeigen, dass es noch immer so unglaublich wehtat. „Komm doch mit zu den anderen an den Tisch. Es kann doch nicht sein, dass du als einziger unserer alten Runde hier so allein stehst.“ „Gleich, okay?“ Fay versuchte, so normal wie immer zu erscheinen, versuchte zu lächeln, auch wenn die Tatsache, dass er sich ‚ihrer alten Runde’ schon so lange nicht mehr zugehörig fühlte, wie tausend Nadeln in sein Herz stach. Die Dunkelhaarige nickte verstehend, und blickte kurz zu dem Tisch, an dem die Anderen saßen, ihre Uni-Clique. Besser gesagt, ihre ehemalige Uni-Clique, denn viele von ihnen waren mittlerweile eigene Wege gegangen, hatten die Universität gewechselt, das Studium abgebrochen oder ähnliches. Dennoch hatte es wie ein tägliches Treffen angemutet, sich auf der Hochzeit von Sakura und Syaoran nach Ewigkeiten mal wieder zu sehen. Fast. „Lass nicht zu lange auf dich warten.“ Tomoyo – verständnisvoller Engel, der sie war – ließ ihn endlich wieder mit sich allein, und gesellte sich zurück zu dem lebhaften Treiben. Mit viel Trara und Hallo wurde sie wieder zurückbegrüßt, und Amaterasu knuffte ihre kleine Schwester grinsend in den Oberarm, worauf ihre spielerische Geschwisterdiskussion begann, die Souma nur schlichten konnte, indem sie ihre Freundin mit Anderem ablenkte. Ashura – schon recht angetrunken, wie der Blondschopf belustig feststellte – spaßte gerade mit Cardina und Chii herum, und Yûto war nach wie vor am Essen. Der Kerl war rank und schlank, aber es war unglaublich, was er an einem Abend in sich hineinstopfen konnte. Watanuki war mit Himawari tanzen, stolperte aber mehr über seine eigenen Füße als alles andere, was wohl daran lag, dass Doumeki die beiden mit recht undeutbarem Blick beobachtete. Oruha war ebenfalls auf der Tanzfläche, aber statt zu tanzen, lachte sie zusammen mit Yuuko über irgendetwas, einen belanglosen Witz, vielleicht auch einen kleinen frechen Streich, den sich die Beiden gerade ausdachten. Die Zwillinge Kamui und Subaru waren mit ihren zugehörigen Anhängseln schon eine Weile lang von der Bildfläche verschwunden... Ja, sie waren schon ein bunt gemischter Haufen. Versonnen ließ Fay seine eisblauen Augen wandern, gelegentlich lächelnd, weil er sich an Dinge erinnerte, die er mit der jeweiligen Person verband. Schöne Sachen, lustige Dinge... auch stressige Momente. Wofür waren Freunde da, wenn nicht um mit ihnen durch dick und dünn zu gehen? Aber als seine Aufmerksamkeit wieder zu dem letzten Mitglied ihrer Truppe wanderte, verlor sich sein Lächeln wieder, und er betrachtete den hochgewachsenen, schwarzhaarigen Mann mit halb gesenkten Augenliedern. Kurogane. Wie oft hatte er ihn heute schon angesehen? Hatte seinen Blick nicht von ihm wenden können? Sein markantes Gesicht, der muskulöse Körper, seine Haltung, seine Kleidung, allein die Art, wie er die Krawatte ungebunden um den Hals zu hängen hatte... Es war einfach Kurogane. Wie lange war es her, dass er den schwarzhaarigen Mann das erste Mal so angesehen hatte? Wann war ihm zum ersten Mal aufgefallen, dass sein Herz zu rasen begann, wenn der Größere neben ihm stand, wenn sie sich flüchtig berührten? Wann hatte er nicht mehr aufhören können, in diese tiefroten Augen zu blicken, ohne zu ertrinken? Es war so lange her… aber Fay erinnerte sich an alles, an jedes Detail. Und es war noch so einfach gewesen, als Tomoyo den grummeligen, gut aussehenden Typen damals mit in ihre Gruppe gebracht hatte, wenige Tage nach Anbruch des zweiten Semesters. Fay blickte irritiert von seinem Mathebuch auf, in dem er eben noch gelesen hatte, als sich jemand ihrem Stammtisch in ihrem Stammcafe näherte. Tomoyo und... eine Kiste? Irritiert blinzelte der junge Mann, stellte dann aber fest, dass es nur eine Kiste war, die von jemandem getragen wurde. Das Objekt war zu groß, um das Gesicht dahinter zu sehen, aber die schlanken Beine in der schwarzen Jeans, die er ausmachen konnte, waren schon mal nicht schlecht. Aber auf den Schock, den er bekam, als der Fremdling die Kiste auf den Tisch wuchtete und er ihn ansehen konnte, hätte ihn nichts auf der Welt vorbereiten können. „Dreckverdammtes Mistdinger! Was hast du da drin?!“ Mit offenem Mund starrte er den hochgewaschenen Mann an, der gerade dabei war die kichernde Tomoyo zur Schnecke zu machen, unerfolgreich übrigens. Teufel, der sah aber verdammt gut aus, ganz genau sein Geschmack... Groß, muskulös, dunkler Typ... und diese Augen... wow. „Trag deinen Scheiß in Zukunft gefälligst alleine!!“ „Kurogane, nun sei doch nicht so, es ist nur Stoff da drin, nichts, woran du dir einen Bruch heben würdest.“ Der Schwarzhaarige verschränkte uneinsichtig die Arme vor der Brust, sein wütender Blick noch immer auf das gut drei Köpfe kleinere Mädchen vor sich gerichtet. „Scheiß drauf!“, fauchte er erbost und wand sich ab, aber Fay war schneller. Er erwischte den Miesepeter am Ärmel. Dieser blieb wie erstart stehen. Erst als dem Blonden bewusst wurde, dass alle am Tisch ihn fragend oder interessiert ansahen, atmete er den unbewusst angehaltenen Atem aus, und lachte etwas dünn. „Sorry. Ich meine... du hast doch Tomoyo-chan beim Tragen geholfen, oder? Ein Kaffee als Dankeschön wäre doch angebracht, oder nicht?“ Für einen Moment durchbohrten ihn die blutroten Augen, jagten ihm einen Schauer über den Rücken, bevor sich sein Gegenüber unsanft aus seinem Griff befreite und mit einem gemurmelten „Da scheiß ich drauf!“ das kleine Cafe verließ. „Ich wusste, dass er dir gefällt!“ Tomoyos darauf folgende Worte ließen ihn knall rot anlaufen. Verdammt! Die alte Erinnerung ließ ein trauriges Lächeln über Fays blasse Lippen huschen. Ja, das war ihre erste Begegnung gewesen. Kurogane hatte sich als Tomoyos Cousin herausgestellt, und mit einer bewundernswerten Beharrlichkeit des dunkelhaarigen Mädchens wurde der Sturkopf in die Gruppe integriert. Niemanden von ihnen störte das, außer vielleicht Kurogane selbst. Aber er lernte die seltsamen Angewohnheiten der Anderen mit der Zeit zu ignorieren. Und irgendwann, einfach so, konnte er plötzlich damit leben, hatte sich daran gewöhnt, Teil einer so verqueren Clique zu sein. Und egal, was er sagte, er war es gern, das wussten sie alle! Ob Kurogane sich noch an ihr erstes Treffen erinnerte? Sicher nicht. Er hatte sich nie viel aus so etwas gemacht. Aber für Fay war er von Anfang an etwas Besonderes gewesen. Ein Mensch, so anders als er selbst, dass er ihn einfach interessant finden musste. Er war glücklich gewesen, als der Schwarzhaarige endlich aufhörte, ihn einfach zu ignorieren. Kurogane zeigte auf seine eigene, versteckte Art und Weise Interesse an seiner Person, indem er zuhörte und sah. Blicke, die nicht immer angenehm waren, denn irgendwo im Innersten seiner Seele hatte der Blondschopf gewusste, dass sie ihn durchschauten. Es war zum einen schmerzhaft. Aber zum anderen tat gerade die Tatsache gut, dass der Andere seinen Blick nicht abwand. Auch nicht, als er bis auf den Grund seiner Seele hatte blicken können. An dem Tag als Yuui starb. Kurogane war da gewesen, im Krankenhaus, nachdem sein über alles geliebter Zwilling in der Intensivstation eingeliefert worden war, nachdem Fay unter Tränen und Schluchzen angerufen hatte. Die anderen kamen auch, aber nicht ganz so schnell. Er hatte nur den vertrauten Namen in den Hörer schluchzen müssen, wäre er zu mehr doch nicht im Stande gewesen. „Wo bist du, Idiot?“, brachte ihn die tiefe Stimme damals lang genug auf den Boden der Tatsachen zurück, um ihm zu sagen, dass er im Krankenhaus war, und nur 10 Minuten später hatte er sich an der starken Brust ausweinen können. Es war scheiß egal, dass Kurogane für das zu schnell Fahren ein Vierteljahr seinen Fuhrehrschein los wurde, es war egal, dass sein schwarzes Haar noch immer von der Dusche tropfte, weil er sich in der Eile nicht richtig abgetrocknet hatte, egal, dass er sein Hemd nicht zugeknöpft hatte. Er war da. Fay hatte ihm als einzigem erlaubt, seine bitteren Tränen zu sehen, als der ältere Arzt zu ihnen kam, mit einem bedauernden Blick, und ihm mitteilte, dass es ihnen leid tat, aber es für seinen Bruder keine Rettung mehr gegeben hatte, der Schaden, den das Auto verursacht hatte, wäre einfach zu groß gewesen. Er hatte ihm als einzigem erlaubt, ihn in das karge, sterile Zimmer zu begleiten, in dem Yuui lag, die dunklen Schürfwunden auf seiner Wange als skurriler Kontrast zu seiner extremen, im Tode noch blasseren Haut. Hatte Kurogane erlaubt, ihn nachhause zu bringen, apathisch und geschockt wie er war, weder im Stande zu lachen noch zu weinen. Und der Schwarzhaarige war geblieben, Tage und Nächte lang, in denen Fay seinen Kummer einfach nur aus sich herausschrie und weinte, sich in sich selbst verkroch. Kurogane kümmerte sich in der Zeit um ihn, sorgte dafür, dass er aß, und hielt ihn mit harten aber gerechten Worten in der Realität fest, oder saß einfach an seiner Seite, beruhigte ihn mit leichten Berührungen, je nach dem, was Fay gerade brauchte. Danach war zwischen ihnen nichts mehr so gewesen wie zu vor. Es machte Fay unruhig, jemanden an seiner Seite zu wissen, der so viel von ihm kannte, andererseits war er auch froh darüber, und lange Zeit schaffte er es, dem anderen Mann gegenüber diese Ehrlichkeit aufrecht zu erhalten. Umso unvergessener war der herzzereisende, vernichtende Blick, als er Kurogane gegenüber seine Maske wieder überstreifte... Ein paar Wochen hatte er die Blicke ausgehalten, bevor er den schmerzhaftesten Fehler seines Lebens gemacht hatte. „Hey Kuro-sama! Hast du mal eben Zeit?” Am andren Ende der Leitung ein Brummen und ein leises „Verdammt! Wie spät ist es?“, gefolgt von einem Rascheln, dann erst schien Kurogane dem Telefonhörer sein volles Interesse zu widmen. „Sag mal, bist du noch ganz dicht, mich fünf vor vier anzurufen?!“ Ein schwaches Lächeln legte sich auf Fays Lippen. Das war genau die Reaktion, die er erwartet hatte. Verschlafen, launisch. Kurogane halt. Wie er ihn kannte und... liebte. „Tut mir leid, dass ich so spät anrufe, aber hast du ein wenig Zeit für mich? Hier steht eine Sakeflasche auf dem Tisch, die schaut mich so hundewelpen-mäßig an und bettelt darum, geleert zu werden...“ Stille. Dann ein entnervtes Aufstöhnen. „Du weißt, dass ich im Zimmer nebenan bin, ja? Oder muss ich dich daran erinnern, dass wir vor über 2 Monaten in eine WG gezogen sind?“ Die letzten Worte erklangen schon nicht mehr nur aus dem Haustelephon, das der Blondschopf zwischen Kopf und Schulter geklemmt hatte, sondern auch von der Wohnzimmertür her hinter ihm, und Fay wand sich lächelnd um. „Hi.“, murmelte er leise in den Hörer, bevor er auflegte und neben sich auf die Couch klopfte. Kurogane setzte sich kommentarlos, während der schlanke, blonde Mann versuchte, nicht zu sehr auf die entblößte Brust zu schauen, oder sich all zu angezogen von dem halb verschlafen, halb trotzig blickenden Typen neben ihm zu fühlen. Kurogane sah zu solch einer gottlosen Zeit aber auch verboten gut aus! „Soll ich extra Gläser holen oder ist das so okay?“ „Ach, wir haben so was wie Gläser?“ Kurogane nahm nur die erwähnte Flasche vom Tisch und gönnte sich einen tiefen Zug, bevor er sich entspannt aufs Sofa zurücksinken ließ und sie ihm reichte. „Haben wir morgen Sonntag?“ „Jup!“ Der teure Sake war nichts im Vergleich zu dem Geschmack Kuroganes, der noch dezent an der Flaschenöffnung nachzuschmecken war. „Das heißt: Ausschlafen! Und es ist okay, wenn wir eine Runde saufen!“ „Ich wüsste nicht, wann dich das jemals davon angehalten hätte, dich auch mitten in der Woche abzuschießen.“ Da Kurogane Recht hatte, kicherte der Kleinere nur albern. Er war noch lange nicht betrunken. Für sein Vorhaben wollte er sich keinen Mut ansaufen müssen, so feige war er nicht. Nach dem nächsten großen Schluck gab er Kurogane die Flasche wieder in die Hände, aber dieser stellte sie ohne ein Wort der Erklärung auf ihren Wohnzimmertisch. „Also? Warum klingelst du mich mitten in der Nacht aus dem Bett? Was auch immer du bereden willst, rück raus mit der Sprache, ich hatte einen beschissen langen Tag und will schlafen.“ Natürlich, Kurogane war nicht dumm, dennoch hätte sich der Blondschopf fast auf die Lippe gebissen. War er etwa so durchschaubar? „Ist es denn nicht Grund genug, dass ich nicht allein einen trinken möchte?“, fragte er leise, aber die einzige Antwort war, dass der Schwarzhaarige aufstand, um wieder zu gehen. „Kurogane, warte.“ Die Worte waren heraus, bevor er sich eine Hand auf den Mund pressen konnte, und dass er es der Reaktion halber kurz darauf trotzdem tat, ließ ihn sich lächerlich vorkommen. „Ich meine... ich...“ Unbeholfen klopfte der Musikstudent wieder neben sich und sein Mitbewohner gab erneut nach. Als Fay das beruhigende Gewicht des anderen Körpers neben sich spüren konnte, atmete er tief durch. „Ich wollte eigentlich... na ja... benehme ich mich lächerlich?“ Kurogane nickte. Fay lachte. „Ich liebe dich, Kurogane. Ich kann nichts dagegen tun.“ Schweigen. Der schwarzhaarige Mann schwieg so lange, dass Fay schon glaubte, die Stille würde ihm die Nerven zerreisen. Aber als Kurogane schließlich reagierte, waren es dessen Worte, die das erledigten. „Guter Witz.“ Er hatte sich zurückgelehnt und griff lässig wieder nach der halbvollen Flasche, während der blonde Wuschelkopf ihn nur mit großen Augen ansehen konnte. „Witz?“, murmelte er fassungslos. „Wieso..? Wie kommst du darauf, dass ich einen Witz machen könnte? Es ist mein voller Ernst.“ „Red keinen Scheiß .Mit so etwas sollte jemand wie du, der nicht einmal zu seinen Emotionen und seiner Vergangenheit stehen kann, gar nicht erst ankommen. Du bist mir nichts schuldig für die Sache mit deinem Bruder, hör auf dir irgendetwas einzureden.“ Das saß. Und wenn Fay gewusst hätte, dass so wenige, so simple Worte, dermaßen wehtun konnten, hätte er sich vorher das Herz aus der Brust geschnitten. Er hatte das Gefühl, es zerbrach in diesem Augenblick in tausende kleine, gemein stechende Splitter, die seine Seele zerschnitten und zerkratzten. Wenn er gewusst hätte, dass Kurogane das Glasherz, was er so mühsam vor anderem Übel zu beschützen schien, so leichtfertig zerstören konnte... Irgendwie musste er diesen Scherz kompensieren, und Wut war das Erste, was Fay einfiel. „Du glaubst mir nicht??“ Fahrig sprang er auf, hatte seine Hände an seinem Hemdkragen, bevor er sich selbst davon abhalten konnte, und warf Kurogane das Kleidungsstück schon Sekunden darauf ins Gesicht. Seine Hose folgte, so wie seine Shorts. „Willst du, dass ich dir zeige, wie ernst ich das meine?? Was willst du? Soll ich mir einen Arm abscheiden? Mein kleiner Finger wird dir wohl kaum reichen, wenn es meine Worte schon nicht tun!? Oder wie wäre es mit meinem Körper?!“ Vollkommen nackt stand er vor Kurogane, vor Lauter Wut gar nicht zu Schamgefühl imstande, obwohl sein Verhalten sehr erniedrigend war. „Ich würde ihn dir ohne zu zögern geben! Mehr noch als das, meine Seele oben drauf, weil ich dir verdammt noch mal vertraue, du elender Mistkerl!!“ Er holte aus, um seinem Gegenüber eine Ohrfeige zu verpassen, aber dieser war schneller. Kurogane war Kampfsportler, seine Reflexe waren exzellent. Noch bevor Fay seine Hand ganz erhoben hatte, stand er und hielt diese am Handgelenk fest. Sein Griff war eisern und äußerst schmerzhaft, entlockte dem blonden Mann ein Aufkeuchen. „Lass mich los!“, forderte er aufgebracht und wand sich, zucke vor der Hand zurück, die sich auf seine Hüften legte, um ihn etwas besser bändigen zu können. Er hatte sich nach solchen Berührungen gesehnt... aber nicht auf diese Weise. „LASS LOS!!!“ Er versuchte, Kurogane zu treten, aber dieser schob ihn bestimmt etwas von sich, gegen die Couch, und drückte ihn darauf zurück. Es war unmöglich, sich gegen diesen Griff zu wehren, und er kam einfach nicht weg, also griff Fay auf das letzte zurück, was er noch hatte: Beschimpfungen. Sein Mitbewohner ließ ihn schreien, ließ ihn heulen und sich wehren, bis er einfach nicht mehr konnte und keuchend in die weichen Polster zurücksank, zitternd vor Erschöpfung und Schmerz. Fay erinnerte sich bis heute nicht genau an den Rest der Nacht. Er wusste dunkel, dass Kurogane ihn schließlich ins Bett gebracht hatte, aber ob der leichte Kuss Realität gewesen war… Sicher nicht. Als er am nächsten Morgen aufwachte, war Kurogane schon weg. Mitsamt all seinen Sachen. Die Worte in den darauffolgenden zwei Jahren, die Kurogane von sich aus mit ihm gesprochen hatte, konnte er an einer Hand abzählen. Es hatte nichts an Fays Gefühlen geändert, aber auch der Schmerz blieb. Ebenso wie die Gewissheit, dass er lieber geschwiegen hätte, dann hätte er Kurogane jetzt noch nicht verloren, müsste ihm nicht aus der Ferne solche sehnsüchtigen Blicke zuwerfen. Er wollte ja nicht mal, dass seine Liebe erwidert wurde, aber ihre enge Freundschaft hätte er gern zurück. „Fay? Tanzt du mit mir?“ Die schüchterne Frage riss ihn aus seinen nostalgischen Erinnerungen, und kurz musste der blonde Mann blinzeln, bevor er seine Orientierung wieder gefunden hatte. Ach ja. Er war auf einer Hochzeit... „Aber gern doch, Chii!“ Lächelnd folgte er dem blonden Mädchen auf die Tanzfläche. Schaffte es nicht, Kurogane anzusehen, als sie an ihm vorbei gingen. Für einen Moment war ihm, als würden die tiefroten Augen ihm folgen und ein exstatisches Prickeln rann seinen Rücken hinab, aber als Fay sich umwand, sah er wie immer nur den Hinterkopf des Schwarzhaarigen. Er war so ein armseliger Tropf. „Kannst du denn gut tanzen, Chii?“ „Deine Blicke gelten wie immer nur ihm...“ Kurogane zuckte so erschrocken zusammen, dass er beinahe sein Sektglas umgestoßen hätte, als warmer Atem zusammen mit diesen Worten sein Ohr streifte. Himmel, wieso hatte er sich auch dermaßen ablenken lassen?! „Oruha!“ Die schwarzhaarige Schönheit kicherte, und nahm auf ihrem Stuhl neben ihm Platz. „Könntest du bitte aufhören, dich an mich anzuschleichen? Sonst bekomm ich das nächste Mal noch einen Herzinfarkt!“ „Aber nicht doch.“ Sanft gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. Sie waren jetzt seit fast zwei Jahren zusammen. Es war zuerst nur eine Notlösung gewesen, dass er bei der jungen Frau einzog, und er hatte ihr nie erzählt, warum er aus der WG mit Fay weg war, und sie hatte nie gefragt. Und irgendwann war es nicht mehr nötig gewesen, wieder auszuziehen. Kurogane blickte seine Freundin noch einen kurzen Moment an, bevor sein Blick wieder zu einer anderen Person wanderte. Fay. Schon den ganzen Abend hatte er die Augen kaum von ihm abwenden können. Selbst nach zwei Jahren konnte er im Gesicht des blonden Mannes lesen wie in einem Buch, und die tiefe Trauer darin war erschreckend. Und sie tat ihm selbst weh. Jemanden, der ihm so wichtig war, wollte er nicht so verletzlich sehen. „Geh doch einfach mal zu ihm, und redet ein paar Worte.“, schlug Oruha leise vor. Die junge Sängerin wusste manchmal besser, was in Kurogane vorging, als dieser selbst. Genauso wie sie wusste, dass sie nie an erster Stelle stehen würde. Kurogane seufzte nur. „Und dann?“ „Was ‚Und dann’? Ihr wart mal unzertrennlich, und du bist der Einzige, dem Fay je vertraut hat. Wieso muss es ein ‚Und dann’ geben, bevor du dich endlich aufraffst und zu ihm gehst?“ „Du verstehst das nicht. So einfach, wie du das sagst, ist es leider nicht.“ Seine Freundin schnaubte entrüstet. Normalerweise war der Schwarzhaarige nicht der Typ, der so einfach aufgab, und das war auch der Grund, warum sie ihn jetzt so vorwurfsvoll ansah. Aber statt noch etwas zu dem Thema zu sagen, erhob sie sich, und zog auch ihn auf die Füße. „Komm, lass uns tanzen.“ Und statt auf Widerspruch zu warten, zog sie ihn mit auf die Tanzfläche. Nur wiederwillig folgte ihr der große Mann. Er konnte zwar tanzen – wessen Idee in ihrer Truppe war das noch mal gewesen, dass sie alle zusammen einen Tanzkurs belegten? – aber er hatte weder Lust noch Laune dazu. Normalerweise tolerierte seine Freundin das auch, aber heute war sie etwas erbarmungslos mit ihm, und alles was Kurogane tun konnte, war grummelnd eine Hand auf ihre Hüfte zu legen, während sie seine andere noch immer festhielt, und sich mit in den Tanz ziehen zu lassen. Auf der Tanzfläche war genügend Platz, um sich nicht mit anderen Pärchen ins Gehege zu kommen und er tat sein Bestes, die anderen einfach nicht zu beachten. Besonders nicht Fay und Chii. Gerade als er es geschafft hatte, sich halbwegs von der Musik berieseln zu lassen, und seine Aufmerksamkeit auf Oruha zu konzentrieren, lächelte diese. „Partnertausch.“ Als nächstes ging alles zu schnell, als dass er sich irgendwie hätte wären können. Fay seufzte innerlich, während er seine kleine Freundin geschickt und in großen, wiegenden Kreisen über die Tanzfläche führte. Selbst das vermochte ihn nicht abzulenken. Immer und immer wieder musste er zu Oruha und Kurogane schauen, die erst geturtelt hatten und jetzt auch noch tanzten. Die beiden gaben ein großartiges Paar ab. Und das zu wissen, tat nur um so mehr weh. Er hatte niemals eine Chance gehab, wieso sollte so ein gutaussehender Typ wie Kurogane, der allein mit einem Lächeln jede haben konnte, ihn wollen? Es war absurd, dass er sich jemals Hoffnungen gemacht hatte. Chii trat ihm aus Versehen auf den Fuß, und kicherte nervös. „Was ist denn los, Chii-chan? Normalerweise bist du doch eine ausgezeichnete Tänzerin.“ Sie blickte ein wenig ertappt. „Naja, ich... tut mir leid.“ Hinter ihnen hörte er eine vertraute Frauenstimme etwas raunen. ‚Partnertausch’, wie ein Stichwort, und plötzlich war Chii verschwunden, indem sie zur Seite weg huschte und ihn noch mit sich herumzog. Plötzlich stand er jemand anderem gegenüber, dessen rote Augen ebenso verwirrt blickten, wie er es gerade tat. Ihre beiden Tanzpartnerinnen hatten sich bei den Händen genommen und waren schon aus ihrer Reichweite entfleucht, drehten sich etwas weiter unten auf der Tanzfläche zum Takt der Musik. „Diese dummen Weiber!“, fauchte Kurogane aufgebracht, im Begriff zu den Beiden zu stürmen, um ihnen gründlich die Leviten zu lesen. „Das war doch alles gepla...“ Er erstarte mitten in der Bewegung, mitten im Satz, als Fays kühle Finger sich um seine Hand schlossen. „Kurogane... bitte...“ Fay klang atemlos, sein Herz raste so schnell, dass es wehtat. „Bitte... nur diese eine Lied...“ Er hatte erwartet, dass der Schwarzhaarige ihn nur anknurren und abhauen würde, aber es war fast noch schlimmer, dass Kurogane seinem leisen Flehen nachgab und ihn behutsam an sich zog, beide Arme lose um seine Taille gelegt. Eher als wären sie ein Pärchen, das zu einem Schmusesong tanzte, nicht zu einem Wiener Walzer. In dem Moment wurde Fay einfach alles zu viel. Mit einem leisen Schniefen ließ er sich gegen den warmen, schutzbietenden Körper sinken, vergrub sein Gesicht in der Halsbeuge des anderen. Und es wurde ihm erlaubt, genauso wie früher, während Kurogane begann, ihn im Takt der Musik mitzuziehen, immerhin war das hier ein Tanz, und keine Kuschelstunde. Die anderen mochten jetzt sonst was von ihnen denken, aber das war Fay egal. Er hatte sogar bald schon vergessen, dass es ‚Andere’ gab. Alles was zählte war Kurogane. Seine Nähe, seine Wärme, die starken Arme, die ihn hielten. Aus einem Lied wurden zwei, drei, vier... Und sie waren beide nicht gewillt, die Tanzfläche zu verlassen, bedeutete das doch die Rückkehr zur Normalität. „Ich hab eine Anfrage bekommen, ob ich nicht in einem Orchester mitspielen möchte.“, begann Fay leise und löste sich etwas von Kurogane, um in die tiefroten Augen blicken zu können. Und es tat so gut, dass dieser den Blick erwiderte, dennoch brauchte es Überwindung, die folgenden Worte auszusprechen. „In Spanien.“ „Ah.“ Hatte er es sich gerade eingebildet oder hatte Kurogane noch mehr sagen wollen? Das sich der Griff der starken Arme um seine Taille für einen Augenblick festigte, konnte doch auch Wunschdenken sein. „Ja. Ein sehr berühmtes Orchester in Madrid möchte mich als Pianisten engagieren.“ In seiner Stimme klang weder Freude noch Trauer mit, und auch in seinen Augen war kein konkretes Gefühl zu lesen, machte es die Mixtur doch unleserlich, was in ihm vorging. „Wirst du gehen?“ Kuroganes Stirn lehnte nun vertraut an seiner, ihre Gesichter waren sich so nah, dass der schlanke Mann ganz weiche Knie bekam. Sein Gegenüber verstand es aber auch nach wie vor großartig, ihn den Rest der Welt völlig vergessen zu lassen. „Küss mich. Und sag mir, dass du nicht willst, dass ich gehe...“, wollte Fay sagen, aber er brachte es nicht über die Lippen, stattdessen machte sich dort ein kleines Lächeln breit. Falsch und durch und durch gelogen. In Kuroganes Augen flackerte für einen kaum wahrnehmbaren Moment Schmerz auf über das erneut weggeworfene Vertrauen. Und Fay wusste, dass er die letzte Chance verspielt hatte, den Schwarzhaarigen doch noch von seiner Liebe zu überzeugen. „Wahrscheinlich. Was hält mich hier?“ „Halt mich fest! Halt mich fest und lass nicht zu, dass ich so etwas Dummes tue! Ich will bei dir sein!?“ Kurogane ließ seien Arme sinken. Sie hatten schon vor Minuten aufgehört zu tanzen, jetzt standen sie nah beieinander, ohne sich mehr zu berühren, auch wenn es schien, dass der größere Mann für einen Moment die Hand heben und etwas sagen wollte. Aber er tat es nicht. Nach ewigen Minuten des Schweigens zuckte er nur die Schultern. „Gratuliere. Ich wünsch dir viel Glück.“ Und ging. Zwei Tage später saß Fay in einem Flieger nach Madrid. Einen Rückflug hatte er nicht gebucht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)