Notebooks and Tea von Klayr_de_Gall (KuroxFye-FF-Production GmbH & Co.KG) ================================================================================ Kapitel 1: 01.Woche - Halloween ------------------------------- ~Klayr_de_Gall~ Süßes oder Saures „Hey Kuro-Sama?! Süßes oder Saures?” „Hä?“ Genervt hob der große schwarzhaarige Mann seinen Blick, und musterte seinen Gegenüber aus den so charakteristischen, rubinroten Augen, in denen wie immer ein kalter Ausdruck lag. Was wollte der nervige Blondschopf denn nun schon wieder? Und warum zum Teufel trug Fay einen großen, schwarzen Umhang und Katzenohren auf dem Kopf? „Was hast du eigentlich... MOMENT! Ist das etwas MEIN Umhang?“ „Ahahahah!“ Vergnügt flüchtete sich der Magier aus der Reichweite seines grummeligen Reisegefährten und strahlte ihn von der anderen Seite des Raumes her an, wo er sich schon eher in Sicherheit wähnte. „Keine Panik. Kuro-chan. Ich hab ihn mir nur geliehen, Ehrenwort!“ „Na, wer’s glaubt.“ Zwar störte es den Ninja wirklich, dass dieses Nervensäge einfach ohne zu fragen an seine Sachen ging, aber was wollte man von Fay denn auch anderes erwarten? Wer freiwillig mit Katzenohren im strubbeligen blonden Haar durch die Gegend lief, der machte auch vor den privaten Dingen anderer Menschen nicht halt. Erst recht nicht wenn dieser jemand Fay D Flourite hieß. Zumal diese seltsame Kostümierung auch noch passend war. Immerhin sah sie schön bescheuert aus. Der viel zu große Umhang war notdürftig zusammengerafft worden, damit er dem blonden Schlacks nicht über die dürren Schultern rutschte, und bauschte sich nun seltsam auf, ließ ihn im Ganzen wie einen Sack aussehen. Und die schwarzen Öhrchen waren an Sinnlosigkeit und Hässlichkeit sowieso kaum noch zu übertreffen. Fand zumindest Kurogane. „Also? Kuro-rin?“ „Also, was?“ „Süßes oder Saures?“ Irritiert zog der schwarzhaarige Krieger seine Augenbrauen zusammen, wusste nicht im geringsten was der kleinere Mann von ihm wollte. Und das sah man ihm wohl auch an, denn Fay konnte ein Kichern nicht mehr unterdrücken. Schnell wurde es zu einem Prusten, und trotz seiner auf den Mund gepressten Hand brach er dann in fröhliches Gelächter aus. „Sag bloß du kennst das nicht, Kuro-chan? Du weißt wirklich nicht was Halloween ist?“ Missmutig wedelte der Angesprochene mit der Hand. „Nein, weiß ich nicht, Und will ich auch gar nicht wissen, denn es klingt ja schon mal lächerlich!“ Der Magier verzog seine blassen Lippen zu einer Schmollschnute, und verschränkte demonstrativ die Arme. „Aber Kuro-sama! Über so etwas muss man informiert sein! (sonst zweimal „wissen“)Es ist extrem wichtig, über so ein Fest Bescheid zu wissen!“ Dazu ein Gesichtsausdruck, der Fays Meinung nach wohl eine leidende Miene zum Ausdruck bringen sollte. Dabei wirkte er wie ein halb überfahrenes Tier, als wie der Überbringer einer ernstlich wichtigen Nachricht. Kurogane war jedenfalls nicht gerade überzeugt und wandte seine Aufmerksamkeit nach einem demonstrativen Augenverdrehen wieder der Mangazeitschrift zu, die er immer las. Seinem heißgeliebten Mangayan, das es erstaunlicherweise in jeder Dimension zu geben schien. Fay war damit allerdings natürlich ganz und gar nicht einverstanden, schnappte nach dem Schriftstück und entzog ihm dieses dreist. „Ey!!!“ „Nichts da Kuro-mune, erst hörst du mir mal zu!“ Nach einigen bitterbösen, blutroten Blicken gab der Schwarzhaarige es auf und ächzte genervt - für den Magier ein deutliches Zeichen, dass er gewonnen hatte. Grinsend tätschelte er dem sitzenden Mann den Kopf, bevor er sich einfach auf dessen Knien niederließ und mit einem koketten Augenaufschlag zu berichten begann. „Alsooo: Zu Halloween verkleiden sich alle Kinder –„ „Welche Kinder?“ „-Pst! Also, alle verkleiden sich, und gehen von Haus zu Haus und klingeln. Und die Leute müssen ihnen dann etwas Süßes schenken!“ „Sie „müssen“?“ Skeptisch musterte Kurogane den von einem Ohr zum anderen strahlenden Magier. „Und wenn sie sich weigern?“ „Dann darf man ihnen einen Streich spielen!“ Fay schien ganz aus dem Häuschen über diese Tatsache und rieb sich begeistert die Hände, während Kurogane versuchte, den kurzen Bericht irgendwie mit ihrer momentanen Situation in Verbindung zu bringen. Hier war nirgendwo ein Kind, und geklingelt hatte es auch nicht. Außerdem besaß er garantiert keine Süßigkeiten, die er an irgendjemanden verschenken konnte. Hier war einzig und allein ein verkleideter Idiot... Oh, Moment. DAS war also der springende Punkt. Nun war alles klar. Anscheinend war der blonde Lulatsch der Meinung, noch nicht zu alt für solche Kindereien zu sein, und wollte nun etwas Leckeres von ihm haben. Darauf hätte er auch eher kommen können. „Geh jemand anderen nerven.“ „Aber Kuro-sama! Wenn du mir nichts Süßes gibst, dann hab ich das Recht dir einen Streich zu spielen, willst du das?“ „Pff. Also ob ich vor dir irgendwelche Angst hätte.“ Es war doch geradezu lächerlich. Als ob der immer fröhliche, auf das Wohl seiner Mitmenschen bedachte Magier irgendwelche Gemeinheiten auf Lager hätte. Pff! „Oh, ich könnte dir im Schlaf Schleifchen in die Haare machen! Oder dich schminken!“ Allein die Vorstellung brachte Fay zum Kichern, während es dem Krieger kalt den Rücken hinunter lief. Solche Dinge hatte er gar nicht bedacht. „Oder ich könnte dir heimlich gaaaaanz viel Zucker ins Essen mischen. Oder...“ „Ist ja schon gut, ich hab’s verstanden!“ Kichernd rieb sich der Magier die gerade von Kurogane geknuffte Seite, und schenkte diesem ein zuckersüßes Lächeln. „Und wo bleiben dann meine Süßigkeiten?“ Seufzend lehnte sich Kurogane zurück. „Du weißt genau, dass ich so etwas nicht habe. Du bist doch sowieso nur deshalb hergekommen, oder nicht? Damit du mir anschließend den Streich spielen kannst.“ Fay machte reisengroße Kulleraugen. „Was denkst du denn von mir, Kuro-chan? Sowas würde ich doch niiiiiemals tun!“ Aber natürlich nicht. Von wegen. Es war absolut unmöglich, dass der Blondschopf ganz ohne Hintergedanken hergekommen war. Für die Prinzessin und den Jungen tat er vielleicht alles uneigennützig, aber doch nicht Kurogane gegenüber. „Bittebittebitte Kuro-sama! „ begann er jetzt zu quengeln. „Nur eine ganz kleine Kleinigkeit!“ „Ich hab nichts!“ „Aber..“ Weinerlich und enttäuscht blickten die blauen Juwelaugen nun zu ihm auf, und Kurogane musste den Blick abwenden. Das war ja fast noch schlimmer als das falsche Lächeln, das Fay sonst meistens für ihn bereit hielt... „Ich hab es dir doch schon gesagt, bei Süßkram bist du bei mir an der falschen Adresse.“ Nun versuchte der Größere es auf dem Vernunftweg, doch Fay schüttelte daraufhin nur wild den Kopf, so stark dass seine Haare hin und her flogen. „Irgendwas kleines... bitte. Es muss doch nicht mal etwas besonderes sein, ich freu mich doch sowieso über alles... wenn es von dir ist...“ Oh. Wenn das so war... Ohne ein weiteres Wort zu sagen hob Kurogane das Kinn des Kleineren etwas an, und schmiegte behutsam ihre Lippen aufeinander. Für einen Moment schien sein Gegenüber wie paralysiert, bevor er dann nur zu gerne nachgab und sich dem Krieger entgegendrängte. Schnell fanden lange, schlanke Arme den Weg um seinen Nacken, und der Kuss wurde tiefer, inniger. Erst nach einigen Minuten lösten sie sich wieder voneinander, schwer atmend und beide mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen. „Wenn du willst das ich dich küsse, dann sag es doch einfach.“ Die Röte in Fays Gesicht vertiefte sich noch, und er erschauderte wohlig, als die rauen Lippen und der warme Atem bei den Worten über sein Ohr strichen. „M-hm...“ Über Kuroganes Gesicht huschte der Hauch eines Lächelns, während er dem Magier sanft durchs Haar strich. Wahrscheinlich hatte Fay dieses Halloween auch einfach nur erfunden... DING DONG <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Schneeblume~ Immer wieder Halloween Summend platzierte ein blonder, junger Mann am Abend des 31. Oktobers ein letztes Teelicht in Form eines Kürbisses auf dem Tisch und betrachtete anschließend stolz sein Werk. Seine kleine Zweiraumwohnung war dekoriert, süße und salzige Knabbereien standen bereit, sein allseits gefürchteter Halloweenpunsch war so alkoholhaltig, dass man allein vom Geruch betrunken wurde, und die Süßigkeiten für Minimonster und sonstigen Gestalten lagen zusammen mit einer großen Packung Taschentücher griffbereit im Flur. Fye, Student im vierten und letzten Jahr der hiesigen Uni, trug bereits sein selbst genähtes Vampirkostüm und falsche Eckzähne. Fehlten also nur noch seine Gäste, dann konnte die kleine Halloweenparty steigen. Als hätten sie diesen Gedanken gehört, klingelte es in diesem Moment an der Tür. Kaum hatte Fye geöffnet, schallte ihm auch schon ein zweifaches „Süßes oder Saures!“ entgegen. „Sakura-chan, Shaolan-kun, schön, dass ihr da seid. Kommt rein.“, grinste der blonde Vampir und ließ seine Freunde ein, nachdem er ihnen je einen Schokoladenkürbis zugesteckt hatte – er wollte ja schließlich keinen Ärger oder Saures riskieren. Shaolan, als Mumie verkleidet, starrte entgeistert auf die Schokolade, während seine Freundin Fye umarmte und ihm ein fröhliches Halloween wünschte. „Sakura-chan, du bist die hübscheste Hexe, die die Welt je gesehen hat.“, staunte Fye, als sie sich im Wohnzimmer auf der Couch niederließen. Das Mädchen, das nur wenige Jahre jünger war als er und sich mit Fug und Recht als seine Sandkastenfreundin bezeichnen durfte, lachte geschmeichelt, und achtete dabei gar nicht darauf, wie viel Punsch er ihr einschenkte. „Findest du nicht auch, Shaolan-kun?“ Der Angesprochene errötete peinlich berührt und nickte schnell. Natürlich fand er Sakura hübsch, vor allem weil sie von Tag zu Tag schöner wurde. Selbst, wenn es nicht so gewesen wäre, Shaolan war vernarrt in seine langjährige – feste! – Freundin. Fye und Sakura grinsten sich wissend zu, ließen ihn dann aber doch in Frieden und wechselten das Thema. Sie hatten sie noch nicht lange unterhalten, als sie Lärm vor der Wohnungstür aufsehen ließ. „Oh nein, es geht los.“ Fye grinste schief und wurde von den anderen beiden fragend angesehen. „Sekunde!“, verschob er die Erklärung auf später. Er eilte in den Flur und griff sich im Vorbeigehen ein paar Süßigkeiten und Taschentücher. Vor der Tür hockten ein paar Halloween-typisch verkleidete Kinder, nicht älter als Zehn, die sich die Seele aus dem Leib heulten. „Hey Kinder, ganz ruhig. Schaut mal, was der liebe Vampir für euch hat...“ Und so begann er, die verstörten Kleinen mit liebem Lächeln, lustigen Witzchen und viel Schokolade zu beruhigen. Erstaunt sahen Sakura und Shaolan ihm dabei über die Schulter, und ihre Verwunderung stieg noch, als Fye ein paar dazugekommenen Hexen, Kürbissen und Skeletten eindringlich einschärfte, nicht nebenan zu klingeln. Als die Kinder – die einen verwirrt, die anderen getröstet – von dannen gezogen waren, konnte Sakura ihr Erstaunen nicht länger im Zaum halten. „Was war denn das, warum waren die Kleinen so verstört? Kurogane-san ist doch dein Nachbar oder nicht?“ „Das ist eine lange Geschichte.“, griente Fye und schob seine Freunde zurück in die Wohnung. „Erzähl!“, bat das Mädchen neugierig und ließ sich auf Shaolans Schoß nieder. Der Blonde kratzte sich am Kinn und fragte gedehnt: „Wollt ihr das wirklich hören? So spannend ist die Story wahrscheinlich gar nicht...“ Kaum hatte auch Shaolan zustimmend genickt, fläzte Fye sich in seinen Sessel, machte eine dramatische Pause und begann dann mit leuchtenden Augen zu erzählen. Und seinen Freunden kam der Verdacht, dass er förmlich darauf brannte, diese Geschichte loszuwerden... „Ihr kennt Kuro-pon ja nun auch schon länger und wisst, dass wir zusammen studieren. Vor genau drei Jahren, an Halloween, als wir – wie ihr jetzt – im ersten Semester waren, hatte ich mich gerade erst hier eingelebt. Ich kannte ihn nur vom sehen, weil sich leider noch keine Möglichkeit ergeben hatte, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Anders an besagtem Abend. Alles lief normal. Kinder klingelten, bekamen ihre Süßigkeiten und gingen ihres Weges. Als es schließlich erneut klingelte, standen mir jedoch keine liebreizenden Kinderchen gegenüber, sondern mein wutschnaubender Nachbar. Ich sagte zu ihm: 'Hallo, Herr Nachbar, so eine Überraschung. Je später der Abend, desto interessanter die Gäste. Süßes oder Saures?' Er hat mich angestarrt, als wollte er mir auf der Stelle meinen Hexenbesen in den Magen rammen, und knurrte mich an: 'Du nicht auch noch! Was soll der Scheiß mit dem Süß-sauer-zeug? Ist denn die ganze Welt irre geworden?' 'Süßes oder Saures.', verbesserte ich ihn, 'So sagt man das nun mal an Halloween, wusstest du das nicht?' Irgendwie war ihm nicht nach Reden zumute, denn er erdolchte mich nur weiter mit seinem blutroten Blick. Also fragte ich ihn, ob er was Bestimmtes oder mir einfach so einen Besuch abstatten wollte, worauf er sich förmlich gewunden hat wie ein Aal. Das hättet ihr sehen sollen! Er hat geknurrt und böse geguckt, bis er dann endlich mit der Sprache rausgerückt ist: 'In meiner Wohnung stinkt es. Ich hab schon alle Fenster geöffnet, aber es ist unmöglich, länger als drei Minuten da drin zu bleiben.' 'Es stinkt in deiner Wohnung?', habe ich belustigt nachgehakt, 'Warum? Wonach?' Daraufhin ist er beinahe an die Decke gegangen. Es war wirklich lustig! 'Warum?!', fauchte er mich an, 'Weil alle fünf Minuten ein dämliches Balg vor meiner Tür steht, oder schlimmer noch: Gleich mehrere! Die quatschen mir einen Knopf an die Backe, weil sie irgendwas wollen, und zetern und lärmen, wenn ich ihnen die Tür vor der Nase zuschlage. Haben die Gören heutzutage keinen Respekt?? Dann sind die auf einmal toll geworden! Sie haben mir ständig Klingelstreiche gespielt und irgendwann flogen plötzlich Stinkbomben durch das angeklappte Wohnzimmerfenster – es war angeklappt, verdammt!! Da durch zu werfen, ist physikalisch nicht mal möglich! ...Und jetzt stinkt es bestialisch in der ganzen Wohnung.' Ich sage euch, ich stand kurz vor einem Lachkrampf, aber ich habe versucht, mich zu beherrschen, denn er sah wirklich fertig und wütend aus. Nicht, dass mich das später von irgendwas abgehalten hätte, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich ihm gegenüber noch Skrupel. Also meinte ich zu ihm: 'Es sind Kinder, natürlich ist das möglich. Komm erst mal rein, bei mir stinkt es nicht.' Witzig fand er das nicht, aber nach ein paar bösen Blicken konnte er sich dann doch überwinden, mit rein zu kommen. Ich habe ihm als Stärkung meinen Punsch angeboten und er hat ihn runtergekippt wie Wasser.“ „Der ist übrigens lecker!“, mauzte Sakura dazwischen und genehmigte sich noch einen Schluck. „Das sagst du erst ab dem zweiten Glas.“, gab Fye grinsend zurück, woraufhin Shaolan blass wurde und irgendetwas wie „Es ist schon ihr drittes...“ murmelte. „Weiter im Text. Wir haben also den Punsch getrunken und hatten irgendwann beide gehörig einen im Tee – unfairerweise merkt man Kuro-tan das kaum an. Ich habe in einer Tour versucht, ihm die Regeln von Halloween zu erklären, während er mich die ganze Zeit angefaucht hat, dass ich endlich ruhig sein sollte, weil ich ihm auf die Nerven ginge. ...Tja... das Ende vom Lied: Wir sind am nächsten Morgen mit einem Mordskater auf dem Teppich vor Couch aufgewacht. Leider muss ich sagen, dass man ihm auch einen Kater auf den ersten Blick nicht ansieht. Gerecht ist was Anderes, echt! Wie auch immer. Dieser folgenschwere Abend hatte zwei Konsequenzen.“ Eigentlich drei, aber die dritte ist nicht jugendfrei, ergänzte Fye im Stillen. „Die eine, dass wir von da an unzertrennlich waren.“ „Du meinst, du bist ihm gegen seinen Willen nicht mehr von der Seite gewichen.“, korrigierte Shaolan ihn belustigt. Der Blonde lachte hell auf. „So könnte man es auch ausdrücken, aber meine Wortwahl war netter. Jedenfalls, die Zweite ist, dass er sich seit dem jedes Jahr auf Halloween vorbereitet: Schon Wochen vorher bastelt er gruselig hässliche Masken und denkt sich eklige Schminkmuster aus. Und so brechen die Kinder jedes Jahr in Tränen aus, wenn sie bei ihm klingeln und er sie zu Tode erschreckt. Und da wird auch dieses Halloween keine Ausnahme werden.“ „Ach weh, die Armen.“ Sakura lächelte mitleidig, aber Fye winkte ab. „Die kommen mit einem Schrecken und einer Extraportion Schokolade von mir davon. Und die, die ich rechtzeitig abfangen kann, werden gewarnt.“ Nachdenklich legte die junge Studentin den Kopf schief. „Aber es ist schon erstaunlich, dass Kurogane-san so ausrasten kann. Immer wenn wir ihn sehen, ist er eigentlich die Ruhe selbst. Er macht immer den Eindruck, als könnte nichts und niemand ihn beeindrucken. Obwohl... bei dir macht da wohl eine Ausnahme.“ Sie kicherte albern. „Was ist das eigentlich zwischen euch? Er tut zwar immer so, als könnte er dich nicht ausstehen, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass da etwas zwischen euch läuft.“ Fye machte eine wegwerfende Handbewegung, sagte aber nichts weiter dazu. Manchmal habe ich dieses Gefühl auch, dachte er bitter bei sich und zog etwas ratlos die Schultern hoch. Seine Freunde tauschten fragende Blicke, beließen es aber dabei. Wie Fye es vorausgesehen hatte, gab es an diesem Abend unzählige Kinder, die getröstet und vor allem mit Schokolade bestochen werden mussten, damit deren Eltern nicht auf die Idee kamen, Kurogane zu verklagen. Unterdessen wurde der verhängnisvolle Punschkrug immer leerer und Shaolan und Sakura immer betrunkener. Irgendwann eierte das Mädchen angeheitert durch die Gegend, phantasierte von weißen Zauberhasen und warf sich schließlich auf Shaolan, der, auf dem Sessel schlafend, nur ein Grunzen von sich gab. Fye, der so nüchtern auch nicht mehr war, feixte von einem Ohr zum anderen und deckte sie fürsorglich zu. Anschließend schlenderte er in den Hausflur und klopfte an die Nachbartür. Abwartend verschränkte er die Arme vor der Brust und hob unbeeindruckt eine Augenbraue, als ihm von einer vermummten Gestalt mit skurril bemaltem und verzerrtem Gesicht geöffnet wurde. „Meinst du nicht, dass es genug für heute ist, Kuro-wanwan?“, erkundigte er sich schmunzelnd. Kurogane nahm die Maske ab und schnaubte. „Es wird niemals genug sein. Außerdem ist es vielleicht die letzte Möglichkeit.“ Fye stockte kaum merklich und ballte die Hände für Sekunden zu Fäusten, ehe er grinsend abwinkte. „Du hast dich die letzten drei Jahre gerächt. Lass es gut sein und komm rüber. Ich habe dir etwas vom Abendessen aufgehoben.“ Der Schwarzhaarige verzog verstimmt das Gesicht, gab aber nach und brachte seine schauerlichen Verkleidungsutensilien weg, um Fye anschließend nach nebenan zu folgen. „Gibt es wieder Kürbissuppe?“, erkundigte er sich betont gelangweilt, bedachte die zwei Schlafenden mit hochgezogenen Augenbrauen und setzte sich auf die Couch. Fye tänzelte mit einem vollen Teller herbei und nickte. „Mir extra viel Chili, so wie du sie magst!“, trällerte der Blonde. „Wie kommst du darauf?“ Kurogane verdrehte abfällig die Augen und machte sich mit Heißhunger über Suppe und Brot her. Grinsend beobachtete Fye ihn dabei. „Das sagt mir mein mütterlicher Instinkt, Kuro-Daddy.“ Die Antwort darauf war ein weiteres Augenverdrehen. Nachdem Fye ihnen Punsch eingegossen hatte, gesellte er sich zu seinem Nachbarn und hob sein Glas. „Lass uns anstoßen!“ „Prost, du übergroße Fledermaus.“ „Hey, ich bin ein Vampir!“ „Sag ich doch.“ Es gab ein leises Klingen, dann einen Moment der Stille, in dem sie ihre vollen Gläser in einem Zug leerten. „Schmeckt das?“ Fye und Kurogane sahen irritiert auf den Tisch, wo plötzlich ein seltsamer weißer Hase saß und sie unverhohlen neugierig anstarrte. „Ähm ja... Danke...“, erwiderte der Schwarzhaarige verwirrt. Das Wesen lachte fröhlich und schaute dann erschrocken auf Fyes Wanduhr. „Au weia! Mokona kommt zu spät, zu spät! Yuuko wird sauer. Tschüss ihr Zwei, bleibt anständig. Oh, zu spät!“ Und mit einem großen Hops war es so schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war. Kurogane starrte erst auf die Stelle, wo Mokona eben noch gesessen hatte, dann auf sein Glas, dann auf Fye, der genauso entgeistert guckte. „Was-war-das? Ich wusste, dass das Zeug den stärksten Mann umhaut, aber das ist doch absurd!“ „Wem sagst du das. Noch einmal Prost, Kuro-chan.“ Einige Stunden und viele geleerte Gläser später stand Fye am Fenster und sah gedankenverloren nach draußen. Im warmen Licht der Laternen wirkten die leeren Straßen friedlich und vertraut. Einzelne letzte gelbe Blätter segelten hier und dort zu Boden, wo schon hunderte ihrer roten und goldenen Artgenossen lagen. Obwohl Fye wirklich mehr Punsch intus hatte als gut für ihn war, kam er nicht umhin, bei diesem Anblick ein tief gehendes, schwermütiges Gefühl in seinem Herzen zu spüren. Lautlos seufzend lehnte er seine Stirn an die kühle Fensterscheibe, als er plötzlich eine warme Hand in seinem Nacken spürte. Er musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Kurogane hinter ihm stand. „Ich habe die zwei in dein Bett gelegt, ist das okay?“, brummte der Schwarzhaarige fragend. Seine Stimme war rauer als sonst – eins der wenigen Anzeichen, dass auch er betrunken war. Fye schwieg einen Moment ehe er leicht nickte. „Klar. Dann bleibt für uns wohl wieder nur die Couch...“ Der Blonde, der sich nur noch lallend artikulieren konnte, schmunzelte. „Du meinst wohl eher den Teppich.“, wurde er trocken verbessert. Kurogane legte seine Arme um den etwas Kleineren und verschränkte sie locker vor dessen Bauch. Fye lächelte warm und lehnte sich an ihn. „Dass du dich daran noch erinnerst.“ „Wie könnte ich nicht... immerhin wachen wir seit drei Jahren jedes Mal am 1. November zusammen auf dem Teppich auf. Ich gebe hauptsächlich deinem Punsch die Schuld dafür. Ich freue mich jetzt schon auf die Kopfschmerzen, die ich in den nächsten Tagen deswegen haben werde.“ Die Worte brachten Fye dazu, leise aufzulachen und über die Schulter zu flüstern: „Und ich freue mich schon darauf, die nächsten Tage nicht mehr sitzen zu können.“ Kurogane festigte seine Umarmung etwas und folgte anschließend dem blauen Blick, der wieder auf den nächtlichen, herbstlichen Straßen lag. „Was ist da draußen? Noch mehr Gören?“ „Kuro-pii, es ist längst nach Mitternacht, da liegen die Krümel in ihren Betten und träumen von schrecklichen Monstern, die ihnen an Halloween auflauern und zu Tode erschrecken, statt ihnen Süßigkeiten zu schenken.“ „Hey, es ist der Sinn von Halloween, andere zu erschrecken!“ „Der Sinn liegt darin, den Kindern... ach vergiss es. Ich geb's auf für dieses Jahr, ich bin viel zu betrunken.“ Kurogane gab ein triumphierende „Ha!“ von sich und stützte sein Kinn auf eine der schmalen Schultern. „Also, was gibt’s da zu gucken?“ „Eigentlich... nichts.“ Fye lächelte versonnen, was seinen Freund die Augenbrauen hochziehen ließ. „Es ist nur...“, fuhr der Blonde bedächtig fort, „An Halloween werde ich immer etwas melancholisch. Es ist, als würde sich der Herbst mit seinen bunten Blättern langsam verabschieden und das Feld für den Winter räumen. Es dauert nicht mehr lange, bis der erste Schnee fallen wird. Man wird sich wieder in Schals und Mützen hüllen, die Kinder werden rote Pausbacken bekommen und sich die Nasen an festlich geschmückten Schaufenstern platt drücken. Bald werden wieder überall bunte Lichterketten hängen und in der ganzen Stadt wird es nach Tee, Mandeln und Lebkuchen durften. Der 31. Oktober... ist wie ein unscheinbarer Vorbote für die schönste Zeit des Jahres. Er ist kaum als solcher zu erkennen und doch weiß jedes Kind, dass es endlich bald wieder soweit ist.“ Kurogane musterte seinen momentan etwas wehmütigen Kommilitonen aufmerksam und schüttelte den Kopf. „Mir scheint, du hast ein bisschen viel Punsch getrunken. Wie oft hast du dieses Jahr neuen Alkohol nachgefüllt?“ Fye musste lachen und drehte sich in der schützenden Umarmung. „So etwas würde ich niemals tun! ...Du wusstest, dass ich immer noch einige Weinflaschen in Reserve habe, um aufzugießen?“ Er wurde mit einem spöttischen Natürlich-was-denkst-du-denn-Blick bedacht und kaum merklich etwas näher gezogen. Der Ausdruck in Fyes glasigen Augen wurde sanft, etwas sehnsüchtig. Langsam beugte er sich vor, doch kurz bevor er Kurogane küssen konnte, stoppte dieser seine Lippen mit zwei Fingern. „Wieso nicht?“, verlangte er verwirrt und ein wenig gekränkt zu wissen. Sein Gegenüber tippte viel sagend gegen die Vampirzähne. „Nicht mit diesen Dingern.“ Fye grinste erleichtert und beeilte sich, die falschen Zähne abzuziehen und achtlos fallen zu lassen. Er kam nicht dazu, einen erneuten Versuch zu starten, denn schon hatte Kurogane den letzten Abstand zwischen ihnen überwunden und ihre Lippen fest aufeinander gepresst. Dem Blonden schlug das Herz plötzlich bis zum Hals, während sich ein aufregendes Hitzegefühl in seinem Körper ausbreitete. Wie ausgehungert erwiderte er den stürmischen Kuss, konnte von Kurogane ebenso wenig lassen wie dieser von ihm. Halb schiebend, halb ziehend waren sie bald bei der Couch angelangt, doch als der Schwarzhaarige sich darauf niederlassen wollte, zog Fye ihn gleich runter auf den Teppich. Sie würden ja eh dort landen. Kurogane grinste gegen die bereits geschwollenen Lippen und drückte den Blondschopf langsam nach hinten... Ein leidvolles Stöhnen entwich Fye, als dieser am Morgen des 1. Novembers erwachte. Sein Körper war ein einziger Schmerz. Fye konnte beim besten Willen nicht sagen, was genau ihm wehtat. Eben einfach alles. Müde sah er sich um, versuchte zu rekonstruieren, was geschehen war. Sein Blick fiel auf den nackten, nur halb zugedeckten und noch schlafenden Kurogane neben sich, dann auf seinen Kalender, der noch Halloween anzeigte. „Oh je schon wieder!“, platzte die Erkenntnis aus ihm heraus. Es war doch jedes Jahr dasselbe! Erst das Spielchen mit den Kindern, dann gemeinsames Punschtrinken und anschließend fielen sie übereinander her, nur um dann ein ganzes Jahr kein Wort mehr darüber zu verlieren. Und dann ging alles wieder von vorne los. Fye lachte freundlos und fuhr sich in einer fahrigen Bewegung über das Gesicht. Wieder würde diese Nacht keine Erwähnung finden, aber über die erneute Wiederholung derselben musste er sich diesmal nicht den Kopf zerbrechen. Immerhin... war das ihr letztes Jahr an der Uni. Sobald sie fertig waren, war Kurogane sicher froh, sich nicht mehr mit ihm, Fye, abgeben zu müssen. In seinem Bauch zog sich etwas schmerzhaft zusammen. Fye verbarg sein Gesicht in der Hand und biss sich auf die Lippen. Er versuchte den Knoten in seinem Hals zu ignorieren ebenso wie das plötzliche Brennen in seinen Augen. Am liebsten hätte er geheult – das lag sicher am Kater. So sehr konnte ihn das doch gar nicht treffen. ...Oder doch? Wem machte er hier eigentlich was vor?! Seit Jahren schon... war er vernarrt in Kurogane, genau wie Shaolan in Sakura. Aus demselben Grund! Er liebte ihn... von ganzem Herzen. Niemals hätte Fye es für möglich gehalten, dass er einmal solch tiefe Zuneigung für jemanden empfinden konnte. Aber so war es und das würde sich auch nicht ändern. Vielleicht hätte er das Kurogane sagen sollen, aber er konnte es nicht. Das lag vielleicht auch daran, dass sie niemals über die Nacht vom Oktober zum November gesprochen hatten. Und außerdem... hatte er Angst, zurückgewiesen zu werden. Liebe machte verletzlich und angreifbar. Ablehnung hätte er nicht ertragen können. Fye biss sich fester auf die Lippen, die an manchen Stellen bereits aufgerissen waren. Er mahnte sich und seinen verräterisch zitternden Körper zur Ruhe. „Warum ziehst du so ein Gesicht, so schlecht war es doch auch nicht gewesen...“, hörte er auf einmal Kuroganes brummige Stimme, die ungewohnt sanft klang. Fye hielt vor Schreck den Atem an und wagte es nicht, die Hand von seinem Gesicht zu nehmen oder Kurogane gar anzusehen. Es verstrichen einige unerträgliche Minuten, in denen keiner etwas tat. Als Kurogane sich schließlich neben ihm regte, befürchtete Fye, dass er nun gehen würde. Doch statt zu gehen, zog Kurogane ihn an sich, in eine feste Umarmung. Doch was Fye noch viel mehr überraschte, war die Hand in seinen Haaren, die den blonden Schopf bestimmt, aber sanft in Kuroganes Halsbeuge drückte. Normalerweise verabscheute der Schwarzhaarige es, wenn Fye jedem nur seine fröhliche und vermeintlich Starke Seite zeigte und allen Kummer verbarg. Und nun bot er ihm sogar von sich aus eine Möglichkeit an, sich zu verstecken. Fye konnte sich nicht länger zusammenreißen und so kullerten doch ein paar Tränen über seine Wangen. „Du fürchtest dich vor unserer Zukunft, richtig?“ Kuroganes Worte waren mehr eine Feststellung als eine Frage. Fye schniefte leise und stotterte: „Nein, nicht vor... ich fürchte mich nicht, ich... Doch... ich habe... Kuro-pii, gibt es denn ein... uns?“ Die großen Hände glitten beruhigend über den schlanken Rücken und eine von ihnen vergrub sich im blonden Haaransatz. „Wenn du es willst, dann gibt es ein uns.“ „Ehrlich?“ Vor Überraschung vergaß Fye seine verweinten Augen und sah Kurogane an. „Du... willst im Ernst mit mir zusammen sein, also so richtig? Auch wenn wir mit der Uni fertig sind?“, hakte er nach hektisch nach, nur für den Fall, dass er die Worte falsch verstanden hatte. Kurogane erwiderte den geradezu bittenden, blauen Blick und erlaubte sich – ausnahmsweise – sein seltenes Lächeln. „Ja, so richtig. Ich hab genug von einem Jahr Gewissensbisse und Ratlosigkeit. Außerdem sehe ich es nicht ein, jedes Mal solange warten zu müssen, bis ich wieder über dich herfallen kann. Und irgendwer muss doch auch in Zukunft die dämlichen Gören trösten.“ Gegen seinen Willen musste Fye lachen und lehnte seine Stirn seines Freundes, während er die Arme um ihn legte. „Also was sagst du?“, fragte der Umarmte sichergehend nach. „Ich will auch weiterhin die Kinder trösten.“, gab Fye schmunzelnd zurück und verschloss Kuroganes Lippen mit seinen. ... „Aber verlass dich darauf, dass hier von nun an ein anderer Wind weht! Du wirst mir nicht weiter auf der Nase rumtanzen. Von jetzt an nimmst du mich gefälligst ernst! Und ich werde mich trotzdem bis an mein Lebensende an diesen Bälgern rächen, klar?!“ „Noch einen Schluck Punsch, Schatz? Der hilft gegen deine Kopfschmerzen.“ Owari Kapitel 2: 02.Woche - Weltuntergang und Anzeigetafeln ----------------------------------------------------- ~Schneeblume~ Von Anzeigetafeln und Weltuntergängen Dass jede Dimension, durch die ihre Reise führte, ihre Eigenheiten hatte, wussten Sakura und ihre Freunde nun schon seit Längerem. Aber die Welt, in der sie sich gerade befanden, war an Skurrilität und Verrücktheit nicht mehr zu übertreffen und schlug dem bodenlosen Fass den Boden aus. Zu dieser Erkenntnis gelangte nicht nur Kurogane, als er mit ansehen musste, wie die Prinzessin in Schlangenlinien durch die Gegend eierte, Shaolan beim Gehen döste und der Magier vollends jeglichen Bezug zur Realität verloren zu haben schien. Er selbst fühlte sich auch nicht wirklich gesund, weswegen seine eh leicht reizbaren Nerven blank lagen. Da half es auch nicht, dass Mokona anscheinend als einziges immun gegen den intensiven, nicht näher definierbaren Räucherstäbchengeruch war, der überall in der Luft lag. Sie hatten in dem Haus einer netten Dame genächtigt, wo es – zumindest Kuroganes Meinung nach – noch bestialischer gestunken hatte als anderswo. Und als wäre das nicht schon schlimm genug gewesen, war dort am Abend eine riesige Fete für sie geschmissen worden. Man feierte hier wohl gern und ausgiebig. Benebelt von Opium-, Lavendel- und anderen Düften versuchte die kleine Truppe also gerade, die Köpfe mit einem morgendlichen Spaziergang wieder frei zu bekommen. „Ich hatte einen sehr merkwürdigen Traum, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern.“, jammerte Fye, während er sich beim Gehen an Kurogane klammerte, der davon alles andere begeistert war. „Ein Altar kam darin vor... und Ringe... und ich hatte ein Kleid an.“ „Aber Fye-san, du bist doch ein Mann.“, miaute Sakura kläglich und heftete sich ihrerseits an den Magier. „Ich weiß. ...Oh stimmt, das ist seltsam.“ Den Worten des Blonden fehlte der Zusammenhang und Kurogane verdrehte genervt die Augen. „Seid doch mal ruhig. Es ist schon schlimm genug, dass es in dieser Welt überall stinkt und an jedem Gebäude dieser Stadt, das größer ist als fünf Meter, eine Anzeigetafel hängt, auf denen grelle Schriftzüge und leuchtende Bilder flimmern. Da brauche ich nicht noch euer schwachsinniges Gerede.“, wetterte der Ninja und schubste Mokona von seinem Kopf, weil es seinen Gleichgewichtssinn störte. Mokona brachte sich amüsiert juchzend bei Sakura in Sicherheit. „Ist doch kein Weltuntergang.“, salbte Shaolan und verdankte es einzig seinen Instinkten, dass er nicht gegen eine Laterne lief. Kurogane knurrte gereizt und schaute Fye böse an, als dieser nach seiner Hand griff, mit der er gerade das Manjuu vertrieben hatte. „Kuro-puu... warum trägst du einen Ring?“ „Was tue ich?!“ Der Schwarzhaarige wollte ihn gerade für völlig verrückt erklären als er mit Entsetzen feststellte, dass Fye Recht hatte. An seinem Finger glänzte tatsächlich ein einfacher, aber hübscher Silberring. Während er noch fassungslos auf seine Hand starrte, stieß Sakura kichernd den Magier an. „Fye-san, du hast auch einen.“ „Oha, tatsächlich! Schau nur Kuro-pii, ich hab' auch einen! Hey, das ist wie in meinem...“ Just in diesem Moment stieß Mokona einen hellauf begeisterten Schrei aus, sodass es den anderen in den Ohren klingelte. „Was zum...!? Verdammter Hase!“ „Seht doch mal!“ Aufgeregt deutete eben verfluchtes Wesen auf eine der vielen elektronischen Anzeigetafeln. Und was dort zu sehen war, machte Kurogane zum ersten Mal in seinem Leben sprachlos. In leuchtenden Lettern stand dort „Just married!“ und darüber war ein Bild von Fye und seinem Lieblingskrieger auf der gestrigen Party in traditioneller Hochzeitskleidung: Der Magier trug ein weißes Kleid – laut Sakura stand es ihm ganz ausgezeichnet – und Kurogane einen schwarzen Smoking. Selbst wenn man diese Kleidung nicht kannte oder den Schriftzug nicht verstand, ließ Fyes glücklich verträumter Blick und das leichte, regelrecht sanfte Lächeln Kuroganes auf dem Bild nur einen Schluss zu: Sie hatten geheiratet. Die Prinzessin jauchzte verzückt und umarmte Mokona feierlich, während sie das frisch vermählte Brautpaar, das sein Glück im wahrsten Sinne des Wortes noch gar nicht fassen konnte, mit erfreuten Glückwünschen bedachte. Shaolan stand selbstvergessen daneben und grinste so zufrieden wie eine Katze vor ihrem Milchtopf. „Das... das... das...“ Mit offenem Mund schüttelte der Ninja den Kopf. Fye, der noch an ihm hing, hatte den ersten Schreck überwunden und lachte leise. „Wow, wer hätte das gedacht, Kuro-sama. Du Schlingel du!“ „Lass den Unsinn, Magier. Das ist nicht witzig! Dieser Gestank hat uns die Sinne vernebelt. Die haben sie hier doch nicht mehr alle! Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.“ Gekränkt schürzte Fye die Lippen und Shaolan beschwor den aufgebrachten Kurogane erneut, diesmal mit Nachdruck: „Ist doch kein Weltuntergang.“ Doch der Japaner wollte sich nicht beruhigen. „Na und ob das ein Weltuntergang ist! Als ob ich so etwas klaren Verstandes zulassen würde!“ Ruckartig ließ der Blondschopf seinen Arm los und Kurogane musste nur den verletzten Ausdruck in den leicht verschleierten blauen Augen sehen, um zu wissen, dass er gerade das absolut Falsche gesagt hatte. „Ähm... Das war bestimmt nicht rechtens und wird wenn, dann nur in dieser Welt gelten.“, versuchte er vorsichtig, aus einem ihm unbekannten Grund, zu retten. Dass auch das nicht die richtigen Worte waren, machten ihm weitere Augenpaare klar, die ihn vorwurfsvoll anstarrten. „Wunderbar, dann nehmen wir die Ringe einfach ab und werfen sie weg! Sobald wir weiterreisen, ist die Sache vergessen!“ Wütend, aber tief traurig wischte sich der blonde Magier über die Augen und stampfte davon. Nur kam er nicht weit, denn etwas grob hielt Kurogane ihn an der Schulter fest und drehte ihn zu sich. „Tut mir Leid.“, brummte er leise, beinahe verlegen. „Es ist kein Weltuntergang. Meinetwegen können wir die Ringe behalten.“ Erstaunt sah Fye ihn an, errötete kaum merklich. Seine Enttäuschung war wie weggeblasen. „Okay...“, flüsterte er zurück und ließ sich für ein paar Sekunden von den leuchtend roten Augen in ihren Bann ziehen. „Moko-chan meint, wir können weiterreisen. Kommt ihr?“, rief Sakura in dem Moment hinter ihnen. Kurogane nickte ihr mit einem grimmigen „Wird ja auch Zeit, hier wird man noch irre.“ zu und reichte dem Magier dann auffordernd eine Hand. Nachdem Fye noch einen Moment versonnen das Bild der Anzeigetafel betrachtet hatte, ergriff er die dargebotene Hand, an deren Finger der Ring glänzte. „Kein Weltuntergang...“, wiederholte er zufrieden und schenkte ‚seinem’ Mann ein warmes Lächeln. Owari <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Klayr_de_Gall~ Davon wird die Welt schon nicht unter gehen „Ich will aber nicht!!“ Fays weinerliche, viel zu laute Stimme übertönte in ihrer Umgebung locker alles Andere, während er sein Gesicht verzweifelt am Arm seines Freundes vergrub und sich demonstrativ festklammerte. Er wollte nicht weg von Kurogane, und das hatte er diesem auch schon unzählige Male in den letzten Tagen gesagt, trotzdem waren sie jetzt hier auf dem Flughafen. Das war nicht fair. „Jetzt hör endlich auf mit diesem verdammten Gejammer, das ist doch lächerlich!“ Unsanft entzog der schwarzhaarige Mann ihm seinen Arm, was den Kleineren nur verstört aufblicken ließ. Ein erneutes leises „Ich will nicht weg...“ entkam den blassen Lippen, während in den tiefblauen Augen ein stummes Flehen stand. Kurogane ächzte. „Du hast dich freiwillig zu diesem Auslandssemester beworben. Also hör auf mit diesem Theater, du wolltest nach Amerika.“ „Ja aber... wir... ich... da waren wir noch nicht zusammen! Jetzt will ich viel lieber bei dir bleiben!“ Sie führten diese Diskussion nun schon zum wievielten Mal? Fay hatte es vergessen. „Wann hörst du endlich auf, dich wie ein Baby aufzuführen? Immerhin geht es hier um deine Zukunft.“ Entnervt drehte Kurogane sich weg, aber Fay trippelte gleich um ihn herum, um wieder in die blutroten Augen sehen zu können. „Mir ist UNSERE Zukunft aber wichtiger!“ Das schon wieder. „Sei nicht albern.“ Bisher hatte der Schwarzhaarige sich zu der Aussage ihrer ’gemeinsamen Zukunft’ betreffend immer strickt enthalten, aber im anbetracht der Umstände war es notwendig, doch etwas zu sagen. Das Falsche. Fays blaue Juwelenaugen schimmerten plötzlich verdächtig feucht, und er stieß dem Größeren fahrig vor die Brust. Enttäuschung und Verletztheit stand ihm in das feingeschnittene Gesicht geschrieben. „Es... bedeutet dir gar nichts, nicht wahr...?“ „Was?! Erzähl nicht so einen Scheiß!“ Kuroganes überlauter Ausbruch sorgte dafür, dass sich einige der anderen Fluggäste nach ihnen umwandten, und Fay zuckte erschrocken zusammen, wollte aber nicht klein beigeben. Um ihretwillen. Und um Kurogane zu beweisen, dass er es ernst meinte. „Wieso kannst du mir dann nicht wenigstens sagen, dass du willst, dass ich bleibe!“, brachte er zwischen zusammengepressten Zähnen heraus, den Tränen nahe. „Das würde dir das Gehen auch nicht einfacher machen.“ Dieser elende Sturkopf! Wieso konnte er es nicht einfach sagen? Ließ er Fay gern so leiden? „Ja. Aber es würde mir die Gewissheit geben, dass du mich liebst!“ „Tz. Du weißt ganz genau, dass es so ist.“ Der hochgewachsene Mann blickte ihm gereizt in die Augen, wütend darüber, dass sein Freund nur sein Recht einforderte. Fay führte sich aber auch wirklich auf, als würde seine Welt restlos untergehen. Dabei war es doch nur ein verdammtes halbes Jahr, das sie sich nicht sehen würden! Sie konnten telefonieren, chatten und alles. Ja, natürlich war das nicht dasselbe, wie wenn man einen geliebten Menschen einfach in den Arm nehmen konnte, wann immer man wollte, aber verdammt. Der Blondschopf würde es nur irgendwann bereuen, nicht geflogen zu sein, und Kurogane wollte ganz sicher nicht, dass er dann der Grund dafür gewesen war. Aber natürlich sah sein Gegenüber das ganz anderes. Zu der Trauer in seinen schönen Augen mischte sich nun auch noch Wut, und schwungvoll wand er sich von Kurogane ab. „Ich will dich nicht mehr sehen! Gut, dass ich wegfahre!“ Fay kullerten ein paar heiße Tränen über die Wangen, aber er gab dem Anderen nicht die Genugtuung, sich wieder umzuwenden, damit dieser es sehen konnte. Stattdessen ging er ohne ein ‚Tschüß’ die lange Eingangshalle hinunter. Es tat unglaublich weh, dass Kurogane ihn nicht zurückhielt. Er wollte nicht einmal einen Entschuldigung, sondern nur einen letzten Kuss, nur die Gewissheit, dass sie sich nicht im Streit für die nächsten sechs Monate trennten. Aber da kam nichts. Der Schwarzhaarige tat nichts dergleichen, und verletzte ihn damit mehr, als es sämtliche Worte bisher getan hatten. Also war es ihm wirklich egal... Die Tränen flossen immer heftiger, und Fay beschleunigte seinen Schritt, rannte fast schon. So aufgewühlt wie er war, würde er sich sicher nicht all zu schnell beruhigen, aber wenigstens blieb ihm so nicht die Gelegenheit, zurückzugehen. Er wollte sich nicht lächerlich machen, indem er entgegen seiner Worte handelte. Und auch wenn es jetzt schon wehtat, ohne Kurogane zu sein, diesmal wollte er nicht nachgeben! Auch wenn es schwer war. So verdammt schwer. Mit zu Fäusten geballten Händen lief der junge Blonde stur weiter. Als plötzlich ein lauter Gong erklang. Ein Signal, dass etwas Wichtiges an der großen Anzeige geändert worden war. Und weil er das wusste, blickte Fay auf. Und erstarrte. HEY TROTTEL ICH LIEBE DICH TROTZDEM VERMISS DICH JETZT SCHON KURO Seine Augen wurden immer größer als er diese Zeilen las. Fassungslos und mit wild klopfendem Herzen. Das konnte doch nicht sein... Aber es stand wirklich da. Riesengroß auf der Anzeigetafel, auf der gerade noch die nächsten Flüge angezeigt worden waren. Die Leute um ihn herum wirkten ebenfalls überrascht, tauschen fragende Blicke und tuschelten miteinander, die netten Damen, die in den Terminals die Tickets verkauften, runzelten die Stirn. Alle versuchten den ’Übeltäter’ auszumachen, oder den ’Trottel’, an den die Nachricht gerichtet war. Anscheinend war das hier wirklich nicht normal. Sein Handy klingelte in der Hosentasche, und der Blondschopf war kaum überrascht, dass er eine SMS erhalten hatte, mit dem selben Text. Wie hatte Kurogane das nur hinbekommen? Irritiert wand er sich um, um nach seinem Freund zu sehen. Kurogane stand auf der anderen Seite der Halle, inmitten ebenfalls erstaunter Passagiere, sein eigenes Handy in der Hand, und starrte mit offenem Mund auf die Anzeigetafel. Wie es aussah, war er mindestens ebenso überrascht wie Fay. Also war es nicht geplant gewesen... Technik. Im Grunde war es Fay egal, denn als sich ihre Blicke schließlich trafen, zählte nur noch der schwarzhaarige Mann, der nach einem Moment etwas hilflos lächelte. Eine seltene Geste, die gleich ein paar kleine Schmetterlinge in Fays Bauch aufflattern ließ. Langsam hob der schlanke Mann die Hand an seine Lippen und hauchte seiner großen Liebe einen Kuss zu. Das halbe Jahr würde er schon irgendwie überstehen. Mit dem Wissen, dass Zuhause jemand auf ihn wartete, der sich ihn zurückwünschte und liebevoll in Empfang nehmen würde. Kapitel 3: 03.Woche - Umziehen und brief ---------------------------------------- ~Schneeblume~ Klärende Worte An meinen Kuro-sama, du wunderst dich vielleicht, weil ich dir einen Brief schreibe. Nun, ich mich auch. Aber so wie bisher kann es zwischen uns nicht mehr weitergehen. Du hast dich verändert, Kuro-pii, ich erkenne dich nicht mehr wieder. Und ich kann dich nicht mehr verstehen, dein Tun, deine Mimik nicht mehr deuten. Oder habe ich das nie gekonnt? Habe ich es mir vielleicht immer nur eingebildet, zwischen den Zeilen gut versteckte Hinweise darauf zu finden, was du für mich empfindest? Ich liebe dich, Kuro-tan, und ich dachte, du mich auch. Aber du bist so verschlossen, dass ich nicht mehr weiß, was Realität und was Einbildung ist. Tomoyo-chan hat gesagt, dass ich derjenige bin, der dich am besten versteht, doch ich frage mich immer wieder, ob sie sich nicht irrt. Denn im Moment habe ich nicht die leiseste Ahnung, was in dir vorgeht. Ich meine... die Sache mit dem Umzug... Ich habe dir sooft vorgeschwärmt, wie toll es wäre, zusammenzuwohnen. Ich habe gedacht, gehofft, dass wir in unserer Beziehung soweit sind, dass ich bei dir einziehen könnte. Ja, ich wollte mit dir zusammenziehen. Vielleicht lachst du jetzt...? Aber ich meine das wirklich ernst. Ich konnte dich nicht direkt darauf ansprechen. Meine Wohnung ist zu klein für uns zwei, deswegen wollte ich bei dir... Aber ich konnte mich doch nicht einfach bei dir einladen. Also habe ich gehofft, dass du mir den Vorschlag unterbreitest... Doch nichts kam. Und dann der Abend, an dem Tomoyo-chan und Sakura-chan den Einzug in ihre Wohngemeinschaft gefeiert haben. Wie oft habe ich verzückt verkündet, wie toll ich das finde. Wirklich, subtilere Hinweise gibt es nicht. Wenn du mich nicht bei dir willst, sag es doch einfach. Stattdessen lässt du mich mich zum Affen machen. Du sprangst an dem Abend einfach genervt auf und ließest uns sitzen, ohne dass wir wissen konnten, was dir nun wieder die Petersilie verhagelt hatte. Ich frage nicht nur aus reiner Neugierde, die befriedigt werden will, Kuro-mune, ich verstehe dich einfach nicht mehr. Die Mädchen und Shaolan waren enttäuscht, weil du einfach gegangen bist. Von mir ganz zu schweigen. Sag... liebst du mich überhaupt noch? Oder bin ich gar nicht mehr dein Freund? Ich wage es kaum, diesen Gedanken in Worte zu fassen, denn es zerreißt mir das Herz. Aber ich muss es wissen. Seit Wochen gehst du auf Distanz, mir aus dem Weg. Du sprichst nicht mehr mit mir und gibst mir ein Rätsel nach dem anderen auf, für die es anscheinend keine Lösungen gibt. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll, außer traurig den Kopf hängen zu lassen, wie die Nelken auf meinem Fensterbrett. Du warst noch nie jemand, der große Rede geschwungen hat, doch ich bitte dich inständig: Rede mit mir. Dein, dich liebender, Fye ~ Mit betrübtem Blick stand Fye in der Küche seiner kleinen Einraumwohnung und kochte sich sein Abendessen. Anderthalb Wochen waren seit Sakuras und Tomoyos Umzug vergangen und zwei Tage seit er Kurogane den Brief hingelegt hatte. Sein Freund hatte sich nicht gemeldet. Nicht mit einem Anruf, nicht mit einer Antwort auf Fyes ehrliche Worte. Kurogane hatte nur kurz bei Tomoyo durchgerufen, um sich für sein plötzliches Verschwinden zu entschuldigen. Mehr nicht. Fye war mit seinen Nerven am Ende. Sollte das bedeuten, dass es aus zwischen ihnen war? War es seine Schuld und die seines Briefes? Der Blonde schniefte und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Als plötzlich der Vibrationsalarm seines Handys eine SMS ankündigte, hätte er vor Schreck beinahe die Eier samt Schale in seine Reispfanne befördert. Nervös strich er sich ein paar Strähnen hinter die Ohren und zog das Mobiltelefon aus seiner Gesäßtasche. Fye war nicht wirklich überrascht, dass die Nachricht von Kurogane kam. Was er jedoch von deren Inhalt halten sollte, wusste er nicht. Kurz und knapp flimmerte „Heute Abend an der alten Brücke, selbe Zeit wie immer.“ auf dem Display. Ratlos starrte der Blondschopf einige Minuten auf die nichts sagenden Worte. Erst ein leises Zischen und ein beißender Geruch machten ihn schließlich darauf aufmerksam, dass ihm der Reis verbrannt war. Fye fluchte innerlich, nahm die Pfanne vom Herd und schaltete ihn aus. Ihm war der Appetit vergangen. Ratlos drehte er sich einmal im Kreis, ehe er sich halbwegs entschlossen seine Jacke überwarf, die Wohnung verließ und sich auf sein Rad schwang. Die alte Brücke bestand eigentlich nur noch aus ein paar Brückenüberresten neben einem verlassenen Leuchtturm in der Nähe des Hafens. Als Fye dort ankam, war er ein wenig zu früh dran, doch er sah schon von weitem Kuroganes Pick-up auf dem Parkplatz stehen. Automatisch wurde er langsamer, bis er sich innerlich zur Ordnung rief. Der Blonde stieg mit viel zu weichen Knien ab und lehnte sein Fahrrad wie üblich an den Wagen seines Freundes. Dann schlenderte er betont ruhig den Pfad zum Leuchtturm hinauf. Kurogane lehnte an einem der alten Brückenpfeiler und hatte seinen Blick in den noch blauen Himmel gerichtet, als Fye zu ihm trat und verstimmt die Arme vor der Brust verschränkte. Eine Weile standen sie nur stumm nebeneinander und warteten darauf, dass die Sonne den Himmel leuchtend rot färbte. Fye warf seinem Freund immer wieder kurze Seitenblicke zu, als müsste er sich versichern, dass dieser noch da war. Denn obwohl er Kurogane neben sich wusste, hatte er das Gefühl, als stünden sie Kilometer weit von einander entfernt – und dieses Gefühl bestätigte und vergrößerte seine Angst, er könnte ihn verlieren. „Also... Du hast mich herbestellt.“, brach der Blondschopf schließlich die Stille und bemerkte, wie Kurogane sich ihm zuwandte und ihn ansah. Der Schwarzhaarige schwieg noch einen Moment, ehe er schließlich ruhig, aber eindringlich zu sprechen begann. „Es tut mir Leid. Du hattest recht mit dem, was du geschrieben hast. Ich bin dir aus dem Weg gegangen. Und ich habe die Hinweise auf den Umzug verstanden, aber nicht darauf reagiert. Gleichzeitig stimmt es aber auch, dass du derjenige bist, der mich am besten kennt. Denn es war alles nur ein Missverständnis. Ich wollte dich die ganze Zeit fragen, ob du bei mir einziehen möchtest, aber auf eine verquere Art und Weise habe ich befürchtet, du würdest nein sagen. Also hoffte ich, du würdest selbst den Vorschlag machen. Als du das nicht getan hast, war das wie eine Bestätigung meiner Befürchtung. Ich habe mich da immer mehr reingesteigert. Und als du bei Tomoyos und Sakuras Einweihungsfeier so geschwärmt hast, dachte ich, all deine Hinweise sollten darauf hindeuten, dass du mit bei ihnen einziehen willst. Und da ist bei mir irgendeine Sicherung durchgebrannt. Verzeih… Ich liebe dich, Fye. Und ich möchte dich bei mir, in meiner Wohnung, haben. Vorausgesetzt du willst immer noch…?“ Fye, dem beim Anfang der Rede angst und bange geworden war, konnte gar nicht fassen, was er hörte. Mit solch einem offenen Liebesgeständnis hatte er nicht gerechnet. Kaum waren die Worte bis in sein Bewusstsein vorgedrungen, warf er sich seinem Freund auch schon übermütig an den Hals. „Natürlich will ich!“, flüsterte er und schniefte gerührt. Einen einzelnen salzigen Tropfen konnte er nicht daran hindern, über seine Wange zu perlen. Kurogane schloss seine Arme fest um seinen Geliebten, seinen nicht immer unschuldigen Engel. „Entschuldige… du kennst mich doch. Und normalerweise quetscht du doch alle Antworten, die du hören willst, aus mir raus.“ „Ich hatte Angst, dich würde das… ernsthaft stören… ich würde dich nerven.“, gestand der Blonde leise und erntete ein energisches Kopfschütteln. „Ich will dich an meiner Seite, genau so wie du bist, mit all deinen Macken, Fye. Ebenso wie du dich nicht an meinen störst – nun ja meistens jedenfalls.“ Fye musste schmunzeln. „Das hier ist nur eine Ausnahme, es wird nie wieder vorkommen.“, versprach er. Und nach einem langen, tiefen Blick wandten sie sich in trauter Zweisamkeit dem Sonnenuntergang zu. Owari <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Klayr_de_Gall~ Unverhofft kommt oft „Sagt mal, was...!“ Kurogane stieß die ohnehin nur angelehnte Wohnungstür energisch auf, nur um im nächsten Moment schon zur Salzsäule zu erstarren. Der Flur des kleinen Zwei-Zimmer-Apartments war mannshoch mit Kisten zugestellt. Was ging hier vor? Und von den Zwillingen keine Spur... Falsch, korrigierte sich der Schwarzhaarige, als er von Richtung Wohnzimmer ein Kichern vernahm, gefolgt von ein paar Gesprächsfetzen. Die beiden waren da, bloß hinter den wackeligen Kistentürmen nicht zu sehen. Kurogane seufzte schwer und lehnte sich an die Wand. Irgendwas musste er verpasst haben. Aber um auf Nummer sicher zu gehen zog er noch mal den Brief aus seiner Hosentasche, den er vorgestern im Briefkasten gehabt hatte. Ohne Briefmarke übrigens, einer der beiden Blonden musste ihn persönlich abgegeben haben. Dem mit rosa Herzchen, gelben Sternen und Nelkenaufklebern verzierten Briefumschlag zum trotz – Gott, sah der widerlich aus! – hatte ihn der kurze Brief verwirrt. An unser Lieblingshündchen, Aufgrund gewisser geografischer Umstände sehen wir uns gezwungen unseren Haushaltsbestand in eine andere kartographische Lage umzusiedeln. Komm übermorgen zu uns in die Wohnung, wenn du deinen Drang uns zu sehen vorher noch einmal befriedigen willst -Y&F- Okay, zumindest das erste hatte sich jetzt schon mal geklärt. Die beiden sprachen offensichtlich davon, dass sie umziehen wollten. Warum und wieso war allerdings eine andere Frage, auf die es nun noch eine Antwort zu finden galt. Also schlängelte er sich durch die kleine Lücke zwischen den Umzugskartons und betrat das Wohnzimmer. „Oh, hallo Kuro-sama!“ Fay begrüßte ihn mit einer stürmischen Umarmung, während Yuui gerade, die Hände voll saisonbedingtem Dekorationszeug, durch den Raum schwankte und stolperte am Ende doch. Glücklicherweise fing der schwarzhaarige Mann ihn noch auf, sodass nur ein paar Ostereier aus Plastik auf den Boden kullerten. Der Blonde seufzte frustriert und ließ sich zur Beruhigung einen Kuss geben. „Du kommst gerade recht, uns wächst hier langsam alles über den Kopf!“, klagte er Kurogane ihr Leid, während sein Zwilling lachend eine Flasche Wasser irgendwoher kramte und einen Schluck nahm. „Na Yuui, ich hab dir doch gesagt, Kuro-wanko kommt geeilt, wenn er den Brief liest. Und keine Minute zu spät. Wenn er schon wieder deinen Schutzengel spielen muss.“ Yuui schmollte, verteidigte sich aber nicht, denn im Grunde stimmte es ja. „Könnte mir mal jemand erklären, was das hier soll?“ Langsam wurde es Kurogane echt zu bunt. Die beiden taten ja gerade so, als wäre es normal, dass er hierher kam nur um alles in Chaos vorzufinden. Fay und Yuui wohnten gut eine Stunde mit dem Auto von ihm weg. Und wenn man sich schon die Mühe machte, extra her zu kommen, konnte man doch einen etwas anderen Empfang erwarten, oder? „Was denn, Kuro? Das sieht man doch wohl. Wir bereiten uns auf den Umzug vor.“ „Und hatten nur ein klein wenig Hoffnung gehabt, dass du und vielleicht hilfst!“ Ein zustimmendes Nicken von Seiten Yuuis und die Zwillinge blickten ihn aus riesengroßen, blauen Augen an. „Biiiiiiiiiiiiiiiiiitte!?“ Abends um halb Neun war endlich jeder Karton und auch das allerletzte Brett in die neue Wohnung der Flourite-Zwillinge geräumt und da sie heute nichts mehr zusammenbauen konnten, hätte der Lärm doch sicherlich irgendwelche der anderen Mieter gestört, hatten sich Fay und Yuui kurzerhand für den Rets des Abends bei dem Schwarzhaarigen eingenistet. Dieser war zwar nicht ganz so begeistert gewesen, aber eine andere Lösung gab es leider nicht. „Wir sollten Duschen und uns umziehen.“ Kurogane seufzte leise. Er hatte ganz schön geschwitzt, beim Möbel in der prallen Sonne hin und her schleppen, und hätte gegen etwas Wasser und neue Klamotten nichts einzuwenden. Auch die beiden Blonden schienen recht angetan von der Idee und Fay grinste breit. „Ja, lasst uns duschen. Zusammen.“ „Zu dritt?“, wand Yuui stirnrunzelnd ein und sein Bruder kicherte. „Klar. Kuro-samas Dusche ist doch groß genug oder hast du das etwa vergessen, Nii-chan?“ „Oh.“ Der zweite Zwilling schien überzeugt. „Ja! Lasst uns duschen gehen.“ Und schon hatte Kurogane an jedem Arm einen von ihnen hängen und wurde in Richtung Badezimmer dirigiert. War er eigentlich der einzige, der sich manchmal über dieses seltsame Dreiecksding, was sie hier miteinander hatten, den Kopf machte? Na ja, solange die Zwillinge damit glücklich waren... er würde sich nicht beschweren. „Phua. Das war gut.“ Fay lehnte sich über die Sofalehne und somit auch von hinten über Kuroganes breite Schulter, und ein paar letzte Wassertropfen verirrten sich aus dem blonden Haar auf das schwarze Hemd. An der anderen Schulter lehnte Yuui und schlief ruhig. Fay hatte mal wieder am längsten in der Dusche gebraucht. Das war irgendwie immer so. Sie hatten sowieso ziemlich lang im Bad gebraucht. Zuerst hatten sich die beiden einen Spaß draus gemacht, Kurogane zu waschen, waren aber nicht weit gekommen, bevor sie anderweitig beschäftigt wurden. Schließlich hatten sie ihr Vorhaben aber doch zu Ende gebracht. Yuui hatte mit dem Schwarzhaarigen zusammen das Badezimmer verlassen, ziemlich müde vom heutigen Tag. Fay war noch geblieben um das warme Wasser zu genießen, doch nun schmuste er mit der Wange seines Freundes. „Was hast du mit Yuui gemacht, während ich nicht da war? Er ist ja total fertig.“ „Natürlich. Immerhin hatte er heute auch mehr getragen als du. Deine ständigen Anfeuerungsrufe waren keine besonders große Hilfe. Fay zog eine Schnute. „Wie gemein, dabei hab ich mir solche Mühe gegeben!“ Aber Kurogane hatte schon recht. Während sein Bruder beim Kisten und Bretter schleppen fleißig zur Hand gegangen war, hatte Fay seine Zeit lieber damit verbracht, Gläser in Zeitungspapier einzupacken und fürsorglich in eine Kiste zu stapeln. Das musste auch erledigt werden, aber es war doch eine einfache Arbeit. „Warum habt ihr mir nicht gesagt, dass ihr hier einzieht? Immerhin ist es dasselbe Haus in dem ich auch wohne.“ Kurogane riss den Blondschopf aus seinen Gedanken und dieser lächelte schwach. „Wir wollten einfach nicht mehr kilometerweit von dir entfernt sein. Und es sollte eine Überraschung werden. Freust du dich nicht, dass wir jetzt da sind?“ „Pff, da muss ich euch ja jeden Tag ertragen.“ Ein leises Kichern von Fay. Es war so typisch für den Schwarzhaarigen. „Wir laden dich zum Dank für deine Hilfe auch zum Essen ein“ „Hmm, ja... nicht nur zum Essen“, mischte sich Yuui schlaftrunken ein und kuschelte sich näher. Kurogane verdrehte die Augen. Das war doch wieder so typisch. Aber er hätte ganz sicher nichts dagegen. „Klingt gut.“ Die Zwillinge grinsten und gaben ein synchrones „Sobald das Bett aufgebaut ist“ von sich. „Jaja.“ Kapitel 4: 04.Woche - Weihnachtsspecial - Schneeblume ----------------------------------------------------- Hoffnung auf ein Weihnachtswunder Prolog Aus dem feierlich geschmückten Wohnzimmer erklang fröhliches Gelächter, das verstummte, als ich eintrat. Die Kinder erkannten mich und fielen juchzend über mich her. Es dauerte, bis ich jedes einzeln begrüßt hatte. Sie waren gewachsen, alle miteinander. Sie waren zu großen Kindern geworden, doch immer noch Kinder. Sie konnten es kaum erwarten, dass ich mich in den gemütlichen Ohrensessel setzte und ihnen eine Weihnachtsgeschichte erzählte. Kaum hatte ich entspannt die Beine hochgelegt, machten sie es sich um mich herum auf dem weichen Teppich bequem und sahen gespannt zu mir auf. Ich musste schmunzeln und strich mir bedächtig übers Kinn. „Nun... eine Geschichte also. Lasst mich überlegen. Eine Geschichte... Ich kenne da eine. Wollt ihr sie hören?“ Einige nickten. Andere wollten neugierig wissen, worum es in meiner Geschichte ginge. „Sie handelt von einem Weihnachtsfest. Von einander fremden Menschen, die es zusammen verbringen. Von Trauer und Einsamkeit. Von Liebe und Freundschaft. Und... von Schnee.“, fasste ich wage zusammen und lächelte leise in mich hinein. „Und von Geschenken?“, verlangte eins der vorwitzigen Kinder zu wissen. Meine Augenbrauen wanderten nach oben. „Bei Weihnachten geht es um viel mehr als nur um Geschenke, Liebes.“, belehrte ich es sanft. „Das allerwichtigste ist der Geist der Weihnacht.“ Sie staunten, ich ließ die Worte auf sie wirken. „Was ist das?“, fragte das Jüngste verunsichert. Ich strich ihm beruhigend über den Schopf. „Nichts, wovor man sich fürchten müsste. Der Geist der Weihnacht... ist gleichzusetzen mit Wärme und Geborgenheit, mit bunten Lichtern, mit Musik, mit Tannenzweigen und Christbaumkugeln, mit Lebkuchen, Plätzchen und Adventskalendern. Er ist unsere Zuneigung, unsere Wünsche und unsere Hoffnung auf ein kleines Weihnachtswunder. Auch der Weihnachtsmann und Geschenke gehören dazu, sie sind aber eben nur ein kleiner Teil davon.“ „Den Weihnachtsmann gibt es doch gar nicht.“ Ein paar der Kinder nickten zustimmen, den Jüngsten stiegen Tränen in die Augen. Ich schüttelte energisch den Kopf. „Na na! So ein Unsinn. Natürlich gibt es ihn. Solange es den Geist der Weihnacht gibt, existiert auch er – wenn auch nur in euren Herzen.“ Sie dachten darüber nach. Die Ältesten waren fast schon junge Erwachsene, doch ich sah mit Freuden, dass auch sie nicht zu alt dafür waren, um sie meine Worte ernsthaft durch den Kopf gehen zu lassen. Sie waren noch reinen Herzens und schließlich stimmten sie mir zu. Das, was ich sagte, schien ihnen logisch. Aber es war die Kleinste, die auf meinen Schoß kletterte und entschlossen verkündete, dass sie mir glaubte. Es überzeugte die übrigen. Ich lächelte zufrieden und sah in die großen, aufmerksamen Augen. „Nun kommen wir aber zu unserer Geschichte. Sie spielt in einem großen Ferienhaus in den Bergen, wo nur selten Schnee zu Weihnachten fällt, und beginnt am vierten Advent, drei Tage vor Heiligabend...“ Kapitel 1 „Verdammt, was hast du alles eingepackt?! Wackersteine?“ „Nicht doch, Kuro-sama!“ Kurogane, der auf der Ladefläche des Pick-ups stand, hatte gerade Fyes Reisetasche angehoben, um sie abzuladen, und schaute nun verärgert auf seinen Freund hinab. Der Blonde grinste, nahm sie ihm aus der Hand und wuchtete sie auf den moosigen Waldboden. Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen, holte seine eigene Tasche und sprang leichtfüßig vom Auto. Sie bedankten sich bei dem Fahrer, der sich vom Bahnhof hierher gebracht hatte, und gingen dann auf das alte Holzhaus zu. Es wirkte kleiner als es tatsächlich war und strahlte eine einladende Gemütlichkeit aus. Um das Haus herum standen hohe Tannen und über diesen ragten mächtige Felsen und ferne Bergkuppen. Es führte keine Straße hierhin, nur ein selten benutzter Waldweg. Der perfekte Ort für einen entspannten Urlaub in einer abgelegenen Idylle. Fye strahlte und ignorierte die finsteren Seitenblicke seines Gefährten. Als die Blicke an ihm abprallten, moserte Kurogane in seinen nicht vorhandenen Bart. „Was wollen wir hier, weitab jeglicher Zivilisation? Wieso habe ich mich überreden lassen, mitzukommen?! Der Handyempfang ist kaum erwähnenswert und im Umkreis von zehn Kilometern wohnt keine Menschenseele.“ „Als ob du gerne unter Menschen bist.“, kommentierte Fye unbeeindruckt, der sich das Gemecker schon die ganze Fahrt über angehört hatte. „Bin ich nicht.“, gab Kurogane knurrend zu, „Genau deswegen sehe ich es nicht ein, mir ein Ferienhaus mit einem Haufen fremder Menschen zu teilen.“ „Es ist nun einmal billiger als wenn wir eins für uns beide gebucht hätten.“ „Wie hätten gar nicht erst fahren sollen.“ Uneinsichtig schnaubte der Schwarzhaarige und klopfte grimmig an die große Doppeltür, die sie gerade erreicht hatten. Fye seufzte. „Ich wollte meinen Urlaub aber gern woanders verbringen, und du, soweit ich weiß, auch. Jetzt sind wir hier, also sei kein Spielverderber und genieß unsere freien Tage.“ Kurogane wollte widersprechen, doch in diesem Moment wurde die Tür von einer großen, schlanken Frau geöffnet. Sie hatte lange, schwarze Haare, die sie zu einem lockeren Zopf gebunden hatte, und machte einen netten – und, wie Kurogane fand, verschlagenen – Eindruck. „Entschuldigen Sie, wir...“, begann Fye, wurde jedoch freundlich, aber bestimmt unterbrochen. „Ah, wie schön. Ich habe euch schon erwartet. Willkommen! Mein Name ist Yuuko und ich bin die Eigentümerin dieses Ferienhauses. Bitte kommt doch rein. Ach und lasst doch die Förmlichkeiten, hier duzen wir uns alle.“ Der Blonde blinzelte verblüfft, ergriff dann aber lachend die dargebotene Hand und trat ein. „Danke schön! Ich bin Fye und das ist Kuro-p–“ „Kurogane!“, verbesserte der Schwarzhaarige, ehe Fye die Verstümmlung seines Namens zu Ende aussprechen konnte, und warf ihm einen tödlichen Blick aus den rot glühenden Augen zu. Erstaunt sah Yuuko zwischen den beiden hin und her, stimmte dann amüsiert in Fyes Kichern mit ein. Kurogane schwieg verärgert und schulterte beide Taschen, was die schwarzhaarige Frau dazu brachte, sich wieder auf ihre Aufgabe zu sinnieren. „Folgt mir, ich zeige euch das Zimmer.“ „Ist doch nett hier, findest du nicht?“, lächelte Fye und räumte die letzten Sachen aus seiner Tasche in ihren gemeinsamen Schrank. Dann setzte er sich auf sein Bett und sah zu, wie sein Freund missmutig ein paar Dinge in seiner Nachttischschublade verstaute. „Hm.“, brummte Kurogane nur und richtete sich auf. Schweigend sahen sie einander an. Fye, der ewig lächelte und sich von nichts und niemanden die Fröhlichkeit nehmen ließ. Und Kurogane, der selten zeigte, was er gerade dachte, außer wenn er sauer auf den Blonden war. Und das war er ständig, denn dieser nagte regelmäßig an seinen Nerven. Nichtsdestotrotz waren sie seit knapp zwei Jahren gute Freunde. Sie durchschauten einander öfter als es ihnen lieb war und doch verließen sie sich blind aufeinander. Fye schmunzelte. „Na komm, sehen wir uns hier ein bisschen um.“ „Meinetwegen.“ Sie traten in das große Wohnzimmer, das einfach, aber gemütlich eingerichtet war. Eine halbrunde Treppe führte in den zweiten Stock, wo sich die Zimmer befanden, zwei Türen führten zum Eingangsbereich und in die Küche. „Hier fehlt ein bisschen Weihnachtsdekoration.“, stellte der Blondschopf fest. „Und es wäre bestimmt schön, wenn man ein Feuer im Kamin machen würde.“ „Das kommt alles noch.“ Irritiert schauten Fye und Kurogane auf, denn die Worte hatte eine unbekannte Stimme ausgesprochen. „Was zum...!“ Kurogane starrte auf das Treppengeländer, wo ein seltsamer, weißer Hase saß. „Na so was, was bist denn du? Hast du gerade geredet oder träume ich?“, staunte Fye und trat mutig näher. Das Wesen machte einen kleinen Hüpfer und lachte hell. „Nein, du bist wach.“, kicherte es. „Das ist Mokona.“ Yuuko schritt in ihrem dunklen, langen Kleid die Treppe herunter und nahm das Tier auf den Arm. Verständnislos sah Fye sie an. „Aber was ist das?“ „Mokona ist Mokona.“, antworteten Mokona und seine Besitzerin wie aus einem Munde. Kurogane schnaubte. „So ein Unsinn!“ Yuuko schoss schneller vor, als er gucken konnte, und stichelte gehässig: „Bist du dir da sicher, Schwarzer?“ Er wich ein Stück zurück und hob verächtlich eine Augenbraue. „Was ist denn hier los? Nanu, Yuuko-san, sind noch mehr Gäste eingetroffen?“, unterbrach eine fröhliche Mädchenstimme das Gezanke. Yuuko vergaß Kurogane, fuhr heiter herum und strahlte ein jugendliches Mädchen mit hübschem braunen Haar und leuchtenden, grünen Augen an, das in der Küchentür erschienen war. „Sakura-chan! Ja, komm her, damit du sie kennen lernst. Das ist Sakura, sie ist mit ihren Freunden hier.“, stellte sie sie vor. „Und die jungen Herren hier sind Fye und Kurogane.“ Sakura deutete eine Verbeugung an und lächelte. „Freut mich sehr.“ Dann wandte sie sich der Eigentümerin zu. „Wir sind fast fertig mit den Essensvorbereitungen und Shaolan-kun ist gerade draußen Holz hacken.“ „Wunderbar!“, rief Yuuko verzückt und wandte sich an ihre neuen Gäste, „Ihr beide werdet ihm helfen, nicht wahr?!“ Es war keineswegs eine Bitte, wie Fye und Kurogane feststellen mussten. „Das ist doch nicht dein ernst!“, empörte sich der Schwarzhaarige als sie zur Haustür geschoben wurden. Yuuko warf elegant ihre langen Haare über die Schultern. „Und ob! Das hier ist kein Hotel, mein Lieber, hier hilft jeder mit!“ „Reizend...“ Knurrend stampfte Kurogane nach draußen und Fye folgte ihm mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. Er würde Kurogane die schweißtreibende Arbeit überlassen, immerhin war dieser derjenige mit den Muskeln. Fye selbst gab da lieber hilfreiche Kommentare ab, die seinen Freund zur Weißglut trieben... Als es Zeit zum Abendessen war, hatten sie genug Holz für die nächsten Tage geschlagen. Fye und Shaolan, einer von Sakuras Freunden, unterhielten sich angeregt, während sie sich aus ihren Wintersachen schälten. Kurogane hingegen schwieg hartnäckig, als er versuchte, sich mit einer Hand die Schuhe auszuziehen. Er hatte den Blonden davon abhalten müssen, sich aus Versehen die Finger abzuhacken – von wegen „Ich will es auch mal probieren, Kuro-pii! Was soll schon passieren?“, ha! – und hatte sich dabei fast den Arm ausgerenkt. Dieser Kerl war doch das wandelnde Chaos! Wenn er nicht auf ihn aufpassen würde...! „Da seid ihr ja. Beeilt euch, das Essen steht auf dem Tisch. Tomoyo-chan und ich haben uns große Mühe gegeben.“, verkündete Sakura ihnen und lief ins Wohnzimmer vor. Kurogane erstarrte. „Hast du gerade Tomoyo gesagt?“ Doch außer ihm war niemand mehr im Eingangsbereich. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als er den anderen nachging. Und tatsächlich... „Kurogane, welch Überraschung!“ Tomoyo lächelte ihm entgegen und umarmte ihn kurz – gegen seinen Willen. „Ihr kennt euch?“ Fye war mindestens genauso verwirrt wie Sakura, die ihre beste Freundin fragend ansah. „Leider. Aua!“, grummelte der Schwarzhaarige und war dafür von Tomoyo in die Seite geknufft worden. Das erstaunte Fye noch mehr, denn außer ihm traute sich das sonst keiner. Es stellte sich heraus, dass Tomoyo und Kurogane alte Bekannte und quasi zusammen aufgewachsen waren, da ihre Mütter dieselbe Oberschule besucht hatten. „Zufälle gibt’s...“, lachte Fye, während sie sich an den hübsch gedeckten Tisch setzten. „Von wegen Zufall. Was machst du hier, Tomoyo?“, verlangte Kurogane misstrauisch zu wissen. Das Mädchen sah ihn verwundert an. „Aber ich habe dir doch geschrieben, dass ich Weihnachten hier verbringe. Ich habe dir doch sogar einen Prospekt von Yuuko-sans Ferienhaus mit in den Umschlag gelegt. Ich dachte, du hättest es dir anders überlegt und hast ebenfalls hier gebucht?“ Kurogane runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Mein goldgelocktes Anhängsel wollte unbedingt hierher.“ „Aah, Kuro-tan! Das ist aber nicht nett.“, beschwerte Fye sich und erntete einen bohrenden Blick. Einen Moment konnte er diesem standhalten, dann gab er etwas kleinlaut zu: „Ich habe den Prospekt in deinem Flur auf dem Boden liegen sehen. Das Angebot gefiel mir, also habe für uns gebucht.“ Die anwesenden Damen mussten lachen und Fye grinste amüsiert, während Kurogane sein Gesicht in einer Hand vergrub. So ein Pech hatte auch nur er... „Aber sagt mal...“, wechselte der Blonde das Thema und deutete auf zwei unbenutzte Gedecke, „erwarten wir noch jemanden?“ Yuuko nickte und warf einen Blick auf die große Standuhr. „Sie müssten in einer Stunde ankommen. Lasst uns trotzdem schon mit dem Essen beginnen.“ Das ließen sich ihre Gäste nicht zweimal sagen. Sie machten sich hungrig über das gelungene Mahl her, sich dabei gut unterhaltend. Immer wieder amüsierten sie sich über den lustigen Zufall – wobei Kurogane diesen als einziger gar nicht lustig fand. Davon ließen sich die anderen allerdings nicht beeindrucken. Dabei ahnte Fye nicht, dass ihm ein ähnlicher Zufall das Lachen vergehen lassen sollte. Sie waren gerade fertig mit essen, als es an der Haustür klopfte. Fye nahm das nur am Rande wahr, denn er, Sakura, Tomoyo und Mokona standen in der Küche, um abzuwaschen. Sie hörten Yuukos verzückte Stimme, dann Shaolan und Kurogane, die sich zurückhaltender vorstellten. Fye hob irritiert den Kopf, weil er meinte, weitere vertraute Stimmen vernommen zu haben, schüttelte ihn dann jedoch und räumte einen Stapel sauberer Teller in einen Schrank. „Ui neue Gäste!“, trällerte Mokona erfreut und hoppelte aus der Küche. Tomoyo konnte gerade noch eine Tasse auffangen, die es fallen gelassen hatte, und reichte sie schmunzelnd an ihren blauäugigen Helfer weiter. „Kuro-sama und du, ihr kennt euch also sehr gut?“, erkundigte dieser sich neugierig und sah, wie auch Sakura ihre Freundin interessiert ansah. Tomoyo bejahte es sanftmütig. „Aber er scheint nicht sehr erfreut zu sein, dass du auch hier bist.“, hakte Sakura vorsichtig nach und nahm Fye damit förmlich die Worte aus dem Munde. Die Dunkelhaarige winkte unbekümmert ab. „Ach was. Er ist eben ein bisschen ruppig, wenn es um Gefühle geht. Außerdem muss er immer so einiges über sich ergehen lassen, wenn wir uns sehen.“ Sie lachte leise und warf Sakura einen vielsagenden Blick zu. Das braunhaarige Mädchen stellte sich Kurogane unwillkürlich in Tomoyos selbst genähter Kleidung vor und fand in ihm einen Leidensgenossen. Tomoyo kicherte, als hätte sie ihre Gedanken erraten, ehe sie an Fye gewandt fortfuhr. „Nichtsdestotrotz weiß ich, dass er immer an meiner Seite ist, wenn ich ihn brauche. Und wenn ihn meine Anwesenheit wirklich stören würde, dann hätte er das ernsthaft deutlich gemacht.“ Fye staunte über diese äußerst treffende Einschätzung und schmunzelte. „Stimmt. Ich hätte es nicht besser formulieren können.“ Sie tauschten ein wissendes Lächeln und wandten sich dann anderen Gesprächsthemen zu. Sie trafen erst einige Zeit später auf die Neuankömmlinge, die sich nach dem Essen zum Auspacken auf ihr Zimmer verzogen hatten. Die übrigen Anwesen hatten es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Während die Mädchen an einem alten Klavier saßen und leise Weihnachtslieder sangen, spielten Shaolan und Fye am Esstisch Schach und Kurogane versuchte, Mokona und Yuuko zu ignorieren, die ihm irgendwelche unsinnigen Geschichten erzählten. Yuuko hielt inne und sah zum Treppenansatz – und noch ehe oben jemand zu sehen war, sagte sie: „Ah, da seid ihr ja. Kommt nur und leistet uns Gesellschaft.“ Zwei junge Männer, offensichtlich Zwillinge, mit schwarzen Haaren und in Fyes Alter bedankten sich lächelnd und kamen die Treppe hinab. Kurogane schenkte ihnen nicht viel Aufmerksamkeit, sondern war froh, der der Eigentümerin entkommen zu sein. Shaolans besorgtes „Fye-san, ist alles in Ordnung?“ ließ ihn jedoch auf und zu seinem Freund sehen. Fyes ewig währendes Lächeln war auf seinen Lippen festgefroren und blankes Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben, seine klaren blauen Augen waren ungläubig aufgerissen. Kurogane hatte den Blonden noch nie so gesehen, noch nie hatte Fye in diesem Maße die Kontrolle über sich verloren. „Subaru... Kamui...“, entkam es den plötzlich zitternden Lippen leise – nichtsdestotrotz verstummten alle anderen und die Zwillinge schauten überrascht zu ihm. „Fye...? ...Fye!“ Subaru konnte es kaum fassen und als ihm klar wurde, dass der Blonde wirklich der war, für den er ihn hielt, hielt ihn nichts mehr. Er lief um den Tisch und wollte ihm um den Hals fallen. Doch da kam Leben in Fye, der aufsprang, einige seiner schwarzen Spielfiguren und seinen Stuhl umstieß und mit schnellen Schritten in die andere Richtung davon stob. Ehe ihn jemand aufhalten konnte, war er aus dem Wohnzimmer geflüchtet und hatte Sekunden später die Eingangstür hinter sich zugezogen. „Was... war denn das?“, japste Mokona entgeistert und begegnete erschrockenen und verwirrten Blicken. Einzig Yuukos Augen verrieten nichts dergleichen. Kurogane konnte sein Erstaunen auch recht gut verbergen, als er aufstand. Er folgte Fye, hielt dabei aber die Zwillinge mit einem warnenden Blick davon ab, es ihm gleich zutun. Fye war nicht weit gegangen. Fröstelnd hatte er die Arme um sich geschlungen und lehnte am kräftigen Stamm einer hohen Tanne in der Nähe des Hauses. Atemwölkchen bildeten sich vor seinem Mund und stiegen in die sternenklare Nacht hinauf. Schritte hinter ihm ließen ihn leicht zusammenzucken und die Augen schließen. Er zwang sich seine Maske mit aller Macht aufs Gesicht zurück. Er wusste, wer ihm gefolgt war. Dafür musste er nicht einmal das gemurmelte „Idiot.“ hören. Fye spürte, wie ihm seine Jacke um die Schultern gelegt wurde. Es half ihm, das entgleiste Lächeln an seinen angestammten Platz zu setzen. „Kuro-wanwan...“ Fröhlich wie eh und je drehte Fye sich zu ihm um. „Danke dir, es ist etwas frisch hier draußen.“ Kurogane verengte die Augen zu Schlitzen und erwiderte verächtlich: „Als ob das so verwunderlich ist – mitten im Winter.“ Er verachtete diese fadenscheinige Maske. Klar, Fye war eine Frohnatur, doch viel zu sehr nutzte er das aus, um seine Ängste und Probleme dahinter zu verstecken. Und diese Verlogenheit konnte Kurogane nicht ausstehen, weil es offensichtlich war, dass der Blonde mit ihnen nicht fertig wurde. Er selbst brachte seine Gedanken auch nicht nach außen, doch er kam mit ihnen auch gut klar. „Ach je, du hast Recht.“, wich Fye spielerisch aus und tat, als wäre ihm das glatt entfallen. Doch der Schwarzhaarige ließ sich nicht für dumm verkaufen. Direkt sah er ihm in die blauen Augen, die dem nicht standhalten konnten. „Was ist los, Fye?“ Der Angesprochene senkte den Blick, ohne sein Lächeln zu verlieren. „Nichts. ...Das geht dich nichts an.“, antwortete er kaum hörbar und sah flüchtig zu seinem Gegenüber auf, ängstlich, als würde ihn Kurogane wegen seiner Worte verlassen. Dieser wollte sich tatsächlich zunächst abfällig schnaubend abwenden und ins Haus zurückgehen. Doch etwas hielt ihn davon ab. So absurd es ihm auch schien, er wollte, dass Fye ihm endlich vertraute. Er wollte, dass dem blonden Dummkopf endlich klar wurde, dass er sich auf ihn verlassen konnte, egal was er anstellte. „Wenn dem so ist“, begann er langsam, „dann kann ich da wohl nichts machen. Dennoch... dieser Selbstschutz ist unnötig... bei mir. Merk dir das endlich.“ Es war keine Rüge, eher eine ernst gemeinte Erinnerung. Verwirrt sah Fye ihn an, bemühte, sein wackliges Lächeln aufrecht zu erhalten, und traute dem Frieden nicht ganz. Doch er war froh, dass Kurogane nicht weiter bohrte – er würde ihm auf Gedeih und Verderb nichts erzählen. Zumindest dachte er das zu diesem Zeitpunkt noch. „Muss ich ewig hier rumstehen oder kommst du mit rein?“, brummte Kurogane in vertrauter Manier, was Fye etwas Sicherheit zurück brachte. „Ich habe Erbarmen mit dir, lass uns wieder reingehen, Kuro-sama.“ Ein vorsichtiges, ehrliches Lächeln. Ein kleiner Schritt. Aber für den Moment war Kurogane zufrieden. Er bewegte einen Arm unauffällig ein Stück in Fyes Richtung und dieser hakte sich augenblicklich bei ihm unter. Zusammen gingen sie ins Haus. Die anderen hatten sich bereits in ihre Zimmer verzogen. Sie wollten bei diesem ungeplanten Wiedersehen nicht stören. Nur die Zwillinge saßen noch im Wohnzimmer vor dem Kamin und warteten. Als Kurogane und Fye eintraten, erhoben sie sich und sahen ihnen schweigend entgegen. Die Hand des Blonden verkrampfte sich kaum merklich in Kuroganes Ärmel. „Fye, ich... es tut uns Leid, dass...“ Doch Subaru brach ab, weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Er war immer noch erschrocken über die plötzliche Flucht. Kamui strich ihm beruhigend über den Kopf, bevor er Fye offen ansah, mit dem Vorhaben, das Geschehene einfach zu übergehen. „Hallo Fye, schön dich wieder zu sehen.“, sprach er ohne eine Spur der Unsicherheit und machte einen Schritt auf ihn zu. Fye schien zu demselben Entschluss gekommen zu sein; und er hatte sich wieder unter Kontrolle. Lächelnd tat er es Kamui nach und umarmte erst ihn, dann Subaru. „Ja, es ist lange her. Ich freue mich, dass ihr hier seid.“ Erleichtert drückte sich Subaru an seinen alten Freund und an seinen Bruder, sodass sie sich plötzlich in einer Gruppenumarmung wieder fanden – Kurogane, an dem Fye noch hing, mit eingeschlossen, was er gar nicht witzig fand. Er befreite sich und der Blondschopf nahm das als Gelegenheit, sie zu entschuldigen. „Lasst uns die Wiedersehensfeier auf morgen verschieben. Kuro-pu muss ins Bett, sonst wird er unausstehlich.“ Kurogane hob aufgrund dieser laschen Ausrede, die Fye auch nur bedingt mit einschloss, eine Augenbraue, sagte aber nichts dazu. Die Zwillinge erklärten sich einverstanden. Subaru war viel zu erleichtert, um zu widersprechen, und Kamui schien, ähnlich wie Kurogane, vorerst abwartendes Schweigen vorzuziehen. So wünschten sie einander eine gute Nacht und machten sich auf den Weg in ihre Zimmer. Nachdenklich starrte Kurogane an die Decke. Er lag bereits im Bett, hatte die Arme unter seinem Kopf verschränkt, während er darauf wartete, dass Fye endlich mit seinem Umherwuseln fertig wurde. Es war eine seltsame Konstellation an Leuten, die hier zusammengekommen waren. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Erst diese merkwürdige Frau mit diesem komischen Hasen, dann ausgerechnet Tomoyo mit ihren Freunden und nun auch noch Fyes augenscheinliche Freunde, die Unerwartetes ausgelöst hatten. Sein Blick glitt zu Fye, der sich mit seiner Zahnbürste im Mund über seine Tasche beugte und irgendetwas suchte. Was mochte ihn so verstört haben? Einmal mehr wurde ihm bewusst, dass sie beide kaum etwas über die Vergangenheit des anderen wussten. Komisch, dass sie sich dennoch so gut verstanden... Gedankenverloren strich er sich durchs schwarze Haar und bemerkte erst als das Licht ausging, dass der Blonde auch endlich in die Federn gekrochen war. „Gute Nacht, Kuro-sama.“ „Hmm... Nacht.“ „... Erzählst du mir eine Geschichte zum Einschlafen?“ „... Es war einmal ein Spinner, der sehr müde war, deswegen Augen und Mund schloss und einschlief, sodass sein Zimmergenosse seinen Frieden hatte. Also Ruhe jetzt!“ Fye kicherte in sein Kissen und tat ausnahmsweise wie ihm geheißen. Kapitel 2 Es gab ein unschönes Knirschen und eine weitere der zerbrechlichen Christbaumkugeln segnete das Zeitliche. „Au weh, Sakura-chan, das war schon die fünfte.“, jammerte Fye und legte mit den Mädchen eine Trauerminute ein. „Ihr seid aber auch ungeschickt!“, beschwerte sich Mokona und wirbelte seine Ohren umher. Fye und Sakura schienen sich mit dem Fallen lassen abzuwechseln. Wenigstens Tomoyo und Subaru, die ebenfalls beim Schmücken des Wohnzimmers halfen, hatten ein sicheres Händchen für die empfindlichen Schmuckstücke. „Zum Glück hat Yuuko-san Unmengen davon.“, murmelte Sakura schuldbewusst und sammelte die Scherben ein. Tomoyo schmunzelte in sich hinein, während sie eine weiße Girlande zu einigen roten hängte. Beinahe wäre sie von ihrer Leiter gefallen, als Fye den frisch gerodeten Tannenbaum samt Ständer mit einem „Ups, nichts für Ungut, Tomoyo-chan.“ an ihr vorbei in den Raum zog. Die Männer, also Kurogane, die Zwillinge und Shaolan, waren am Montagvormittag in den Wald gezogen und hatten eine Tanne mit beachtlicher Höhe und Breite gefällt. Die war inzwischen das einzig noch Ungeschmückte im Zimmer – allerdings nicht mehr lange. Fye, Subaru, Mokona und die beiden Mädchen waren seit knappen zwei Stunden mit weihnachtlicher Dekoration beschäftigt, während der Rest nach der Baumfällmission unter Yuukos Anweisungen zum Einkaufen gescheucht worden war. „Sieht schon gut aus, jetzt fehlt nur noch unser Bäumchen.“, kommentierte Fye zufrieden, als er und die anderen prüfend ihr Werk betrachteten. „Bäumchen ist gut. Wie sollen wir die Spitze schmücken, da kommt doch keiner von uns ran.“, bemerkte Subaru und Sakura pflichtete ihm bei. „Bei der Breite untenrum bringt uns die kleine Leiter auch nichts.“ Doch der Blonde blieb zuversichtlich. „Irgendwie kriegen wir das schon hin. Kommt jemand mit mir in die Küche, Tee kochen? Yuuko-san und die Jungs werden sich freuen, wenn sie sich aufwärmen können, sobald sie vom Einkaufen zurück sind. Und wir haben uns auch eine Stärkung verdient.“ Sakura erklärte sich gern bereit und so überließen sie den anderen das Bäumchen. Fye mochte das Mädchen und ihre Gesellschaft. Sie war ein kleiner Wildfang, der ab und an mal über das Ziel hinausschoss, hatte aber ein liebreizendes und unschuldiges Wesen. Auch Tomoyo hatte Fye schnell ins Herz geschlossen. Sie war ebenso liebenswürdig wie ihre Freundin, etwas ruhiger und auf eine niedliche Art und Weise listiger als ein Fuchs. Eine halbe Stunde später war der Esstisch mit dampfendem Tee, Lebkuchen und Apfelsinen gedeckt und die Tanne festlich geschmückt. Wie aufs Stichwort drangen von draußen Motorgeräusche herein und Yuuko dirigierte ihr bepacktes Gefolge ins Haus. Shaolan, Kurogane und Kamui, die alle drei ziemlich geschafft aussahen, ließen sich wenig später nur zu gern am Tisch nieder und waren dankbar für die kleine Stärkung. Das Tischgespräch war heiter und laut, auch wenn kaum alle zu Wort kamen. Kamui, eher ein stiller Typ, der das Geschehen um sich herum genaustens beobachtete – auf seinem Bruder lag ein besonders wachsamer, beschützender Blick – warf hin und wieder trockene Bemerkungen ein, mit denen er die Lacher immer auf seiner Seite hatte. Subaru hingegen beteiligte sich emsig am Gespräch, nachdem er seine anfängliche Schüchternheit abgelegt hatte. Er wich seinem älteren Zwilling kaum von der Seite und war sichtlich glücklich damit. Für beide ergab sich kaum eine Gelegenheit, sich ungestört mit Fye zu unterhalten und allem Anschein nach lag das auch in dessen Absicht. Kurogane verhielt sich ähnlich wie Kamui, mit dem Unterschied, dass er sich des Öfteren gegen die albernen Einfälle des Blondschopfs neben sich wehren musste. Oder gegen Yuuko, die in alle trinkbare Flüssigkeiten – ungeachtet anwesender Minderjähriger – Rum zur Verfeinerung des Geschmacks kippte und ihren Gefallen daran gefunden hatte, ihn zu piesacken. Nach dieser gemütlichen Teerunde, zauberte besagte Hauseigentümerin, woher auch immer, einen Plastiksack voller Mistelzweige hervor und es entwickelte sich unter den Anwesenden ein regelrechter Wettstreit, wer sie an den unmöglichsten Orten aufhängen konnte. (Sogar über Toilette und Dusche baumelten Zweige. Nachdem die über dem Gasherd in der Küche Feuer gefangen hatten, verzichteten sie dort auf das Grünzeug.) Unterdessen stand Fye etwas ratlos vor dem Weihnachtsbaum, auf dessen Spitze noch der goldene Stern fehlte. Kurogane trat neben ihm und folgte seinem Blick. Fye drehte sich zu ihm und hielt den Stern hoch. „Der muss da noch rauf, kommst du da ran, Kuro-chan?“ „Nicht, wenn du mich so nennst.“, murrte der Schwarzhaarige, der gleich erkannt hatte, dass selbst er zu klein dafür war. Aber Not machte ja bekanntlich erfinderisch. „Halt dich fest.“ Ehe Fye verstanden hatte, was Kurogane damit meinte, hatte dieser ihn behände an der Hüfte gepackt und mir nichts, dir nichts auf eine Schulter gehoben. Der Blauäugige quiekte erschrocken auf und stützte sich mit einer Hand auf der freien Schulter ab. „Beeil dich, du bist schwer!“ „Du bist doch verrückt, Kuro-tan. Und ich bin gar nicht schwer!“, beschwerte sich Fye errötend und steckte vorsichtig den Stern auf die Spitze. Er spürte die kräftigen Arme, die ihn sicher hielten, und wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. „Okay, ich hab's geschafft.“ Vorsichtig ließ der Schwarzhaarige ihn wieder runter, hielt ihn dabei einen Moment länger fest als nötig, woraufhin es Fye gleich noch ein paar Grad wärmer wurde. Hastig wandte er sich ab und hängte in einer Verzweiflungstat etwas Lametta um. Kuroganes Mundwinkel zuckten verdächtig, als er einen Schritt zurück trat, um augenscheinlich den Baum zu betrachten. Den Nachmittag und auch den Abend verbrachte die muntere Truppe damit, sich möglichst unbemerkt unter hunderten von Mistelzweigen hinwegzuducken. Doch sie hatten die Rechnung ohne Mokona gemacht, an das sie sich inzwischen gewöhnt und welches alle lieb gewonnen hatten – außer Kurogane, der weigerte sich, dem zuzustimmen. Der Zauberhase schaffte es irgendwie, immer dann in einer Ecke zu lauern, wenn zwei arme Opfer aus Versehen unter Mistelzweigen zusammentrafen. Dann sprang es mit einem fröhlichen Ruf hervor und jene, die es diesmal erwischt hatte, entkamen erst, nachdem sie einander ein Küsschen aufgedrückt hatten. Kurogane schaffte es anfangs, sich dem zu entwinden, doch dann erlag er einer Pechsträne. Erst erwischte es ihn mit Sakura, dann mit Subaru – Kamui warf ihm daraufhin den ganzen Abend tödliche Blicke zu – und schließlich, um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, auch noch mit Yuuko. Ihm stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als sie kurz vor Mitternacht beschlossen, die illustre Runde aufzulösen und ins Bett zu gehen. Leider hatte er nicht damit gerechnet, dass über ihm an einer Girlande ein paar Zweige hingen – und zu seinem Leidwesen stand Fye gerade neben ihm. Noch hatte es keiner gemerkt, vielleicht hatte er Glück und... „Hohoho, der Schwarze ist erneut dran.“, trällerte die angeheiterte Yuuko und sofort lagen alle Blicke auf ihnen. Kurogane hätte seinen Kopf am liebsten gegen die nächste Wand geschlagen. Doch noch viel schockierender war Fyes Reaktion: Entgegen seiner sonstigen Art lief er rot an, stammelte zusammenhangloses Worte und machte einen ungeschickten Schritt auf Kurogane zu. Dabei stolperte er über eine nicht vorhandene Teppichkante, taumelte gegen seinen Freund und drückte ihm hektisch einen feuchtfröhlichen Schmatzer auf die Lippen. Peinlich berührt flüchtete er die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer und ward nicht mehr gesehen. Etwas verwundert sahen die anderem ihm nach, folgte ihm aber alsbald. Fyes Ungeschicklichkeit war auf eine charmante Art niedlich gewesen und brachte im Nachhinein nicht nur Kurogane zum Schmunzeln. Dieser fand das Ganze, nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte, äußerst amüsant, auch wenn er das natürlich nicht offen zeigte. Als er ihr Zimmer betrat, hatte sich der Blonde wieder gefangen und sie sprachen nicht weiter über die Angelegenheit. Kapitel 3 Der 23. Dezember brachte mehre Überraschungen mit sich, und kaum eine war scheinbar von angenehmer Natur. Im Gegensatz zum Vortag konnten sie ausschlafen, Yuuko zeigte sich gnädig. Nur im Morgenmantel hatte sie es sich in der Stube am warmen Kamin bequem gemacht und genehmigte sich mit Mokona einen heißen Tee mit Rum. Nach und nach trudelten auch ihre Gäste ein – diese waren von der leichten Bekleidung eher weniger angetan – und man fand sich zu einem gemütlichen, doch ruhigen Frühstück zusammen. Anschließend ging jeder so seine Wege. Einige führten nach draußen an die frische Winterluft, einige im Haus umher. Mit der Zeit gewöhnten sie sich an die vielen Mistelzweige und die damit verbundene Verpflichtung und es herrschte eine entspannte Atmosphäre in den Räumen. Bald mischten sich Gelächter und Heiterkeit dazu, denn Fye, Sakura und Tomoyo hatten begonnen, Weihnachtsplätzchen zu packen. Es dauerte nicht lang bis sich einer nach dem anderen ihnen anschloss – jeder auf seine Weise – ; und da in der Küche nicht für alle Platz war, zogen sie ins Wohnzimmer an den Esstisch um. Stunden verstrichen und langsam aber sicher stapelten sich große, kleine, dunkle, helle, verbrannte und garnierte Plätzchen, wo man auch hinsah. Die Küche glich einem Schlachtfeld und Mehl und Teig landeten immer mehr auf oder in den Backenden als auf Arbeitsflächen oder Backblechen. Erst als Shaolan nicht mehr aufhören konnte, wegen des Mehlstaubs zu niesen, beschlossen sie, das Backabendteuer zu beenden und aufzuräumen. Letzteres wurde beinahe noch chaotischer als ihr Tun zuvor, doch am Ende blitzten und glänzten die Räume wieder. Die weiblichen Anwesenden und Mokona verschwanden im Bad, während sich die noch weißen Herren ein Schlückchen Grog gönnten. „Ich weiß echt nicht, wieso ich mich ständig von dir überreden lasse.“, brummte Kurogane gerade und wischte Fye etwas Mehl von den Wangen. Niemals hätte er zugegeben, dass er selbst auch seinen Spaß gehabt hatte. Der Blonde, der zufrieden an ein paar Teigresten rumlutschte, lächelte mit Unschuldsmine zu ihm auf und lehnte sich an seine Schulter. Kurogane ließ ihn und widmete sich seinem heißen Becher. „Wir sind nicht die einzigen, die weiß sind.“, unterbrach Kamui die entstandene Stille, denn er hatte am Fenster gestanden und hinaus gesehen. Subaru war der erste, der zu ihm ans Fenster eilte, und verkündete lauthals: „Es hat geschneit, juchhu!!“ Erstaunt erhoben sich die anderen und sahen ebenfalls nach draußen. „Tatsächlich.“, kommentierte Shaolan ungläubig. „Hier schneit es doch fast nie.“ „Ist doch egal, Hauptsache, es liegt Schnee!“ Subaru war kaum zu bremsen und stürmte an ihnen vorbei zur Haustür hinaus. Kamui folgte ihm etwas langsamer, während Sakuras Freund es vorzog, drinnen auf dieselbige zu warten und ihr die erfreuliche Nachricht zu überbringen. Kurogane blickte neben sich und stellte fest, dass Fye nicht mehr neben ihm stand. Es überraschte ihn nicht. Sicher tanzte der Blonde längst fröhlich durchs Schneegestöber, das passte zu ihm. Also schloss der Schwarzhaarige sich Kamui an. Tatsächlich war Fye draußen, doch er tanzte nicht. Und fröhlich war er auch nicht. Er starrte das weiße Weihnachtswunder mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination an und rührte sich nicht. Es war, als könnte er nicht begreifen, einem alten, geliebten Feind gegenüber zu stehen, den er für besiegt gehalten hatte. Stirnrunzelnd trat Kurogane neben ihn, sah beunruhigt, dass sein Freund schrecklich zitterte und so bleich im Gesicht war wie der Schnee. Fye schien das Geschehen um sich herum ausgeblendet haben, denn völlig apathisch musterte er die noch dünne weiße Schicht, als würde er etwas sehen, was niemand sonst sehen konnte. Doch bevor Kurogane ihn ansprechen konnte, tauchte Subaru plötzlich direkt vor Fye auf, wedelte mit einer Hand vor dessen Gesicht herum und erkundigte sich besorgt: „Fye, bist du in Ordnung, freust du dich nicht? Früher mochtest du Schnee doch s- AAAH!“ Er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Fye hatte, als sein alter Freund ihn so unerwartet angesprochen hatte, erschrocken die Augen aufgerissen und Subaru heftig von sich gestoßen, sodass dieser nach hinten auf seinen Allerwertesten gefallen war. „Spinnst du?!“, fauchte Kamui und war in Sekunden bei seinem Bruder, der den Blonden perplex anstarrte, und half ihm hoch. Doch Fye ignorierte die Zwillinge, wirkte wie ein in die Enge getriebenes Tier und wich entsetzt zurück. Kurogane erwischte ihn am Ärmel und wollte ihn festhalten, doch er riss sich los, machte auf dem Absatz kehrt und flüchtete in den Wald. Kurogane fluchte, zischte dem entrüsteten Kamui eine Einhalt gebietende Warnung zu und lief dem Blondschopf nach. Inzwischen waren auch die anderen nach draußen gekommen, fanden aber nur die Zwillinge vor, die nicht verstanden, was in ihrem alten Freund vorging. „Geht es ihm besser, Kurogane-san?“ Sakura schlich auf leisen Sohlen ins Zimmer und beugte sich besorgt über Fye, der in seinem Bett lag. Kurogane hatte sich einen Stuhl daneben gestellt und wachte seit Stunden über den Blonden. „Aah, er schläft langsam etwas ruhiger.“, gab der Schwarzhaarige kurz angebunden Auskunft. Beruhigt nahm das Mädchen auf der Bettkante Platz und strich dem Schlafenden ein paar Strähnen zur Seite. „Er war ja völlig aufgelöst, als du ihn zurückgebracht hast. Ich wünschte, ich könnte ihn irgendwie trösten.“ Sie seufzte betrübt, und es entging ihr, dass Kurogane sie aufmerksam musterte. „Warum?“, fragte er schließlich nach einer Weile. Sie sah auf und schien sich nicht sonderlich über diese Frage zu wundern. „Du meinst, weil wir uns kaum kennen.“, bemerkte sie ruhig, „Sicher, aber auch wenn ich kaum etwas über ihn weiß, mag ich ihn sehr gerne. Er ist ein lieber Mensch, der sich viele Gedanken um andere macht und sie auf seine heitere Art aufzuheitern versucht. Doch in seinen Augen ist ein tiefblauer Schein, der verbirgt, dass eigentlich er Aufmunterung braucht. Irgendwas macht ihm sehr zu schaffen, seit langer Zeit, und immer wenn er denkt, er sei unbeobachtet, legt sich ein trauriger, einsamer Ausdruck über seine hübschen Augen. Ich glaube, das, was ihn traurig macht, muss gerade erst wieder wach gerüttelt worden sein… und deswegen ist er vorhin zusammengebrochen. Ich würde ihn so gerne mal aus vollem Herzen lachen sehen.“ Kurogane maß das momentan ernste Mädchen mit einem beinahe anerkennenden Blick. „Dafür, dass du ihn nicht lange kennst, weißt du ziemlich viel. Du hast ein gutes Gefühl für die Empfindungen anderer.“ Sakura errötete geschmeichelt ob des wertvollen Lobes des Älteren. Ihr wurde klar, dass sie sich mit ihren Worten das Recht zu bleiben verdient hatte. Denn auch wenn das nur einem aufmerksamen Auge auffiel, so achtete Kurogane doch sehr genau auf seinen blonden Schützling. „Erstaunlich treffend…“, kam es in dem Moment vom Kopfende des Bettes her gemurmelt. Die Anwesenden horchten auf. Kurogane beugte sich nun ebenfalls halb über Fye, welcher müde blinzelte und dann an ihm vorbei an die Decke starrte. „Fühlst du dich besser?“, erkundigte sich Sakura mit einem lieben Lächeln, bekam aber nur einen leeren, blauen Blick als Antwort. Mit diesem streifte er anschließend flüchtig Kurogane und richtete ihn erneut an die Decke. Kurogane brummte ungnädig. „Gib ihr wenigstens eine Antwort.“ Als ob er es nicht selbst wissen wollte… „Schon besser, ja.“, gab Fye nach einer Pause widerwillig zurück. Er versuchte, unbeschwert zu wirken, doch es war ihm anzusehen, dass er sich am liebsten verkrochen und heimlich ausgeweint hätte. Sein Freund ballte die Hände zu Fäusten. Diese nichts sagenden Worte regten ihn auf. Genauso wie der Hilfe suchende Ausdruck in den schimmernden Augen, dessen Fye sich nicht mal bewusst war. Er wollte ihm ja helfen, aber wie denn, wenn er sich ihm nicht anvertraute. Nur dieses eine Mal… „Lügner.“, knurrte der Schwarzhaarige leise und musste zusehen, wie sich die blassen Lippen zu einem freudlosen Lächeln verzogen. Fye wusste, dass Kurogane es hasste, nichts Genaues über sein Innerstes zu wissen. Doch der Blondschopf verstand nicht, wie viel größer der Hass darauf war, nichts tun zu können. In einer schnellen Bewegung war Kurogane auf den Beinen. Er warf dem Liegenden einen wütenden Blick zu und wandte sich zum Gehen. Sakuras Hand erwischte seinen Arm gerade noch rechtzeitig und die kurze Berührung reichte aus, um ihn wieder zur Besinnung zu bringen. Nicht, dass seine Wut auf den dummen, dummen Blondschopf schwand, dennoch ließ er sich, nach einigen Sekunden des Verharrens, zurück auf den Stuhl sinken. „Fye-san?“, begann Sakura, noch immer auf dem Bett sitzend, und wartete, bis Fye sie ansah. „Ich weiß, wie schwer es ist, über etwas zu reden, was im Herzen wehtut. Ich wollte es auch nicht, als es mir sehr schlecht ging. Ich hielt es für Geschwätz, dass es hilft, sich auszusprechen. Zum Glück habe ich es doch getan, denn es hat mir wirklich geholfen.“ Fye wollte etwas sagen, doch sie ließ sich nicht unterbrechen. „Dadurch ist der Gesteinsbrocken auf meinem Herzen nicht kleiner oder leichter geworden. Doch ich habe jemanden gefunden, der mir hilft, ihn zu tragen.“ Für einen Moment sah sie selbst unglaublich traurig drein und der Blick des Blonden wurde auf der Stelle weicher. „Was ist passiert?“, rutschte es ihm leise heraus, obwohl er eigentlich nicht hatte fragen wollen. Doch Sakura nahm es ihm nicht übel, sondern lächelte schwach. „Ich… war bis vor wenigen Monaten mit einem Mann zusammen, den ich sehr geliebt habe. Er war mehrere Jahre älter als ich, weswegen wir mit unserer Beziehung selten auf Akzeptanz gestoßen sind. Für uns selbst war es auch nicht einfach und doch war ich sehr glücklich mit ihm. Und er war es auch. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als er sich ein eine junge Frau verliebte, die genauso alt war wie er. Fast zwei Jahre waren wir ein Paar, dann eröffnete er mir plötzlich, dass er nicht mehr bei mir bleiben könnte, weil der Altersunterschied doch zu groß sei. Eine Woche später war er mit ihr liiert. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Ich habe geglaubt, nie wieder lachen, niemals wieder jemandem vertrauen zu können. Ich hab mich völlig in mich zurückgezogen und wollte von niemandem mehr etwas wissen. Doch ich hatte nicht bedacht, was für aufrichtige Freunde ich habe. Tomoyo und Shaolan haben mich sehr schnell wieder aus meinem Schneckenhaus geholt. Sie waren hartnäckig und schließlich habe ich ihnen alles erzählt. Sicher mussten sie schlucken, denn ich hatte meine Beziehung aus Angst vor ihnen geheim gehalten, doch sie haben mir seit dem jede Minute beigestanden, waren immer da, wenn ich Trost brauchte. Ich bin ihnen sehr dankbar dafür und werde das niemals vergessen. Ich habe es gewagt, mich ihnen anzuvertrauen und bin nicht enttäuscht worden, habe außerdem mein Lachen und mein Vertrauen in liebe Menschen wieder gefunden.“ „Aber weh tut es trotzdem noch.“, stellte Fye flüsternd fest und nahm ihre schlanke Hand in seine. Das Mädchen nickte ernst und schenkte ihm ein sanftes Lächeln. „Es wird immer wehtun, aber solange meine Freunde bei mir sind, bin ich nicht einsam. Und auch bei dir wird das Gefühl der Einsamkeit schwächer werden, wenn du lernst, die, die dich lieben, nicht immer von dir zu stoßen, wenn sie dir helfen wollen. Vertraue darauf, dass sie dir helfen und an deiner Seite stehen, was auch passiert. Ich bin mir sicher, es gibt mindestens einen Menschen, der mir da sofort zustimmen würde.“ Obwohl sie niemand Bestimmtes benannt hatte, schaute Fye unwillkürlich zu Kurogane und dieser erwiderte den Blick mit einer Sicherheit versprechenden Ruhe. Die blassen Wangen verfärbten sich zartrosa und Fye beeilte sich, seine Aufmerksamkeit wieder auf Sakura zu richten. „Ein Mann, der dich für eine andere sitzen lässt, ist ein Idiot. Es tut mir Leid, Kleines. So etwas hast du nicht verdient!“, sprach er ehrlich, während er sie behutsam zu sich zog und umarmte. Sie erwiderte die tröstende Geste und blieb dann, der Gemütlichkeit wegen, halb auf ihm liegen. „Siehst du? Jetzt habe ich es dir erzählt und bin wieder nicht enttäuscht worden.“ Sie stupste ihre Nase aufmunternd gegen seine. Fye biss sich auf die Lippe. Er wollte nicht darüber reden. Viel zu groß war die Angst, zusammenzubrechen. Noch nie hatte er darüber gesprochen. Hatte es hingenommen und seinen Schmerz hinuntergeschluckt. Hatte nur dann geweint und geschrieen, wenn er allein war. Aber, auf der anderen Seite… Sakuras Worte klangen verlockend… Die Last nicht allein tragen zu müssen… Durfte er denn darauf hoffen? Hilflos suchte er den intensiven roten Blick. Kuroganes Lippen formten lautlos, dass er gern zuhören wollte. Fye schluckte. Seine Hand bewegte sich zaghaft über die Bettdecke und fand tatsächlich die des Schwarzhaarigen. Wortlos verhakten sie ihre Finger ineinander und er begann zu erzählen… „Ich… hatte bis vor einigen Jahren einen Bruder. Yui… Er hieß Yui und wir waren Zwillinge. Seit unserer Kindheit hatten wir immer nur uns selbst. Andere Kinder und später Jugendliche wollten nichts mit uns zutun haben, machten sich lustig über uns, weil wir ihnen unheimlich waren. Wir standen uns sehr nahe und waren uns wirklich sehr ähnlich, doch gab es auch Dinge, in denen wir uns voneinander unterschieden. Niemand machte sich die Mühe, diese Unterschiede zu suchen. Wir waren ziemlich einsam, und doch zufrieden, wenn wir einander hatten. Schließlich gab es dann doch zwei Jungen, mit denen wir uns anfreundeten. Sie waren ebenfalls Zwillinge und hatten ähnliche Ablehnung erfahren wie wir. Kamui und Subaru wurden zu unseren einzigen, aber besten Freunden und jahrelang waren wir vier unzertrennlich. Wir kannten einander in und auswendig und gingen nie im Streit auseinander. Yui und ich waren wirklich glücklich. Die anderen, die wir immer neidisch beobachtet hatten, interessierten uns nicht mehr. Und dann… dann… dann kam es zu diesem Unfall. Wir waren gerade fünfzehn geworden. Es war ein ziemlich kalter Winter. Yui und ich haben einen Spaziergang durch den Schnee gemacht. Ich… liebte den Schnee. Yui mochte ihn, aber ich liebte ihn. Ich wusste, wann es zu schneien begann, ich konnte ihn schon Stunden vorher riechen. Ich habe sein Glitzern geliebt und die kühlen Flocken. Für mich gab es nichts Schöneres auf dieser Welt, als mit meinem… Bruder durch den frisch gefallenen Schnee zu laufen. Doch an jenem Tag… Wir gingen nur ein kurzes Stück an einer Straße den Gehweg entlang. Und dann… dann war da plötzlich der Laster. Ist ins Rutschen gekommen, weil er keine Schneeketten an den Reifen hatte. Er kam von der Fahrbahn ab und raste genau auf Yui zu, der ein paar Meter vor gelaufen war. Er… er… er erwischte ihn frontal und… und…“ Fye versagte die Stimme. Geistesgegenwärtig presste er sich Kuroganes Handrücken auf den Mund und die Tränen, die er bis dato zurückzuhalten versucht hatte, flossen ihm heiß über die Wangen. Es dauerte, bis er weiter sprechen konnte. Sakura rutschte von ihm runter, damit Kurogane ihn stumm zu sich und in eine feste Umarmung ziehen konnte. Dort verkroch Fye sich, bis er wieder Luft bekam und brüchig fortfahren konnte. „Er war sofort... Ich hab es gespürt in dem Moment… Es hat sich angefühlt, als hätte mir jemand das Herz aus der Brust gerissen. Ich bin hingerannt und da lag er reglos im Schnee. Im weißen Schnee, der mich, im Blut getränkt, verhöhnte. Was dann passierte, wer den Krankenwagen rief und wie wir in die Notaufnahme gebracht wurden, weiß ich nicht mehr. Das einzige, woran ich mich noch erinnere, war, dass es in dieser Nacht sehr stark schneite… Ich habe es gehasst. Ich konnte den Schnee, der mir meinen Bruder genommen hatte, nicht mehr ertragen. Immer wenn ich versuchte, nur das glitzernde Weiß zu sehen, tauchten sofort die Bilder von ihm und dem dunklen Rot vor meinen Augen auf. Seit dem habe ich im Winter Gegenden mit starkem Schneefall vermieden. Ich bin umgezogen, in eine andere Stadt, um alles, was mit Yui zutun hatte, hinter mir zulassen. Vor allem Subaru und Kamui, deren Anblick ich ebenfalls nicht länger ertragen konnte. Wir waren eine Einheit gewesen, wir vier. Und es brachte mich fast um, sie komplett zu sehen, während mir das Herz blutete, weil die eine Hälfte fehlte. Und… obwohl es nun schon Jahre her ist, schmerzen sie sehr, diese Leere und dieses Gefühl, dass etwas fehlt, als wäre es erst gestern gewesen…“ Fye verstummte und schloss erschöpft die verweinten Augen. Es war anstrengend gewesen und doch hatte er, nachdem er einmal angefangen hatte, nicht mehr aufhören können. Kurogane hielt ihn fest, hatte ihn keine Sekunde losgelassen. Er sah den Blonden noch vor sich, wie er ihn vor Stunden gefunden hatte: Kniend und mit einem fassungslosen Blick auf den Schnee in den kalten Händen. Eine einzige Träne war von seinen Wimpern zu den gefrorenen Seinesgleichen getropft. Und endlich verstand er. Endlich verstand er den blonden, immer aufgedrehten Idioten, der solche Angst davor hatte, sich auf jemanden einzulassen, weil die Gefahr bestand, denjenigen genauso zu verlieren wie Yui. Doch er war nicht der einzige, der verstand. Rechts und linkts neben ihnen senkte sich die Matratze und Subaru schluchzte: „Oh Fye, es tut mir so Leid!“ Er und sein Bruder hatten die ganze Zeit schweigend auf Kuroganes Bett gesessen und alles mit angehört. Der Blonde erschrak, war aber viel zu durcheinander, um sich großartig aufzuregen. Außerdem beruhigte ihn Kuroganes beschützende Anwesenheit. „Wenn wir das gewusst hätten!“, fuhr der aufgelöste, kleinere Zwilling fort. „Wir hatten von Yui erfahren und wollten bei dir sein, doch du bist damals von heut auf morgen, ohne ein Wort, verschwunden. Wir waren gekränkt und traurig gewesen, weil wir euch beide auf einmal verloren hatten.“ Selbst die goldenen Augen des immer gefassten Kamuis schimmerten verdächtig, als er Fye eine Hand auf die bebende Schulter legte. „Verzeih mir, ich… hab nicht erkannt, was in dir vorgeht. Dabei hätte ich es mir denken können.“ Verwirrt schaute Fye seine alten Freunde abwechselnd an, wischte sich dabei schniefend mit einem Ärmel übers Gesicht. „Ich muss mich entschuldigen.“, nuschelte er. „Ich hätte nicht abhauen sollen, aber ich konnte einfach nicht mehr… Und als ihr am Sonntag plötzlich vor mir standet, kam alles wieder hoch und…“ „Ist doch okay, ist doch okay…!“, wisperte Subaru und fiel ihm um den Hals, sein Bruder tat es ihm nach. Lange saßen sie so da, selbst Kurogane, der Fye Halt gab, blieb wo er war. Sakura war irgendwann einfach neben ihnen eingeschlafen und niemand störte sich daran. Kapitel 4 Am Morgen des Heiligabends war das ganze Haus schon frühzeitig auf den Beinen. Es gab immerhin viel zutun und Yuuko wurde nicht müde, sie regelmäßig daran zu erinnern. Kurogane und Shaolan wurden erneut zum Holzhacken verdonnert, denn inzwischen lag so viel Schnee, dass er ihnen bis fast zu den Knien reichte, und so musste das Haus ordentlich beheizt werden. Kamui und Subaru mussten mit Mokona – das eher weniger eine nützliche Hilfe war – den Weg vor dem Haus frei schippen, während Fye und die Mädchen das Weihnachtsessen vorbereiteten. Die Stimmung war trotz allem losgelöst und entspannt. Fye konnte nicht sagen, woran es lag, aber er kam nun viel besser mit den Zwillingen klar. Sein Verlust schmerzte ihn noch immer, doch wie Sakura es gesagt hatte, war er nun nicht mehr allein mit seinem Kummer und so war der traute Anblick um einiges erträglicher. Zudem konnte er sich endlich wieder auf schöne Erinnerungen mit ihnen besinnen. Außerdem war da ja noch Kurogane, der, ob es ihm bewusst war oder nicht, eine ganz besondere Rolle in Fyes Leben spielte. Irgendwie schaffte er es, die Leere, die Yui in seinem Herzen hinterlassen hatte, langsam, nach und nach und Schritt für Schritt zu füllen… Gegen Mittag hatte Yuuko dann Erbarmen und entließ ihre Sklaven, nein Gäste, die in ihren Zimmern verschwanden und sich für einen gemütlichen Weihnachtsnachmittag umzogen. Wenig später fanden sie sich alle im Wohnzimmer zusammen und während sich Kamui und Tomoyo mit Klavierspielen abwechselten, unterhielten sie sich gut zu Kaffee und Kuchen, Plätzchen, Glühwein und Stollen. Geschenke gab es nicht und keiner vermisste sie. Stattdessen sangen sie gemeinsam Weihnachtslieder, jeder, so gut er eben konnte. Dass hier und da falsche Töne erklangen, war egal. Jeder genoss das friedliche, mal alberne Beisammensitzen. Irgendwann, als es draußen schon fast dunkel war, schlug Mokona vor, einen Winterspaziergang zu machen. Der Vorschlag wurde begeistert angenommen. Zumindest von den meisten. Fye wollte lieber im Haus bleiben, doch kaum hatten die anderen es verlassen, nötigte Kurogane ihn, doch mitzukommen. Schmollend stapfte der Blonde den anderen in einer Entfernung hinterher und versuchte seinen Freund mit Ignoranz zu strafen. Nur leider juckte das Kurogane überhaupt nicht, welcher ihm gemächlich nachschlenderte. Anfangs konnte Fye das glitzernde Weiß ganz gut ignorieren. Doch immer öfter ließ er sich davon ablenken. Da… eine unberührte Stelle… Der Ausdruck in Fyes Augen änderte sich, wurde kindlich neugierig, mit einem hübschen, aufgeregten Glänzen. Fye machte ein paar Schritte auf einer noch unberührten Schneefläche und blickte sich neugierig um. Da waren sie, die Abdrücke. Noch ein Schritt, noch ein Abdruck. Noch einer und noch einer. Tief sog er die klare, lang vermisste Schneeluft ein. Herrlich! Weitere Schritte und Spuren. Er bückte sich, um den kalten Puder an den Fingern zu spüren, warf ihn dann juchzend in den Wolken verhangenden Himmel. Als die Flocken zurückrieselten, versuchte er sie mit der Zunge zu fangen, doch der Großteil landete in seinen Haaren. Fye ließ sich fallen, bewegte Arme und Beine, und malte einen Engel in den Schnee, blieb dann liegen. Was tat er hier eigentlich…? Die Erinnerungen kamen jäh wieder auf. Rot…! Kurogane hatte seinen Freund beobachtet, sich ein kleines Lächeln erlaubt, und war ihm mit etwas Abstand gefolgt. Es gefiel ihm nicht, dass Fyes Stimmung plötzlich wieder umschwang, er einen Handrücken auf die Augen drückte und die Lippen so fest aufeinander presste, dass sie ganz weiß waren. „Hör auf damit.“, durchbrach der Schwarzhaarige die winterliche Stille. Er blieb zu den Füßen des Liegenden stehen und sah zu ihm hinab. Fye ließ den Arm sinken und erwiderte den durchdringenden Blick traurig. Er machte sich gar nicht erst die Mühe, seine Gefühle zu verbergen, Kurogane kannte sie doch eh in- und auswendig. „Du liebst das weiße Zeug immer noch, obwohl das mit deinem Bruder passiert ist. Lass es doch einfach zu.“, brummte Kurogane. Er war in solchen Dingen nicht gut, doch er gab sich Mühe, die richtigen Worte zu finden. Fyes Reaktion bestand aus einem beharrlichen Kopfschütteln. „Ich kann nicht… der Schnee war mein Freund… und dann hat er mich verhöhnt.“, gab er in kindlicher Manier, beinahe trotzig, aber mit unverkennbarer Trauer in der Stimme zurück. Schweigend betrachtete Kurogane den traurigen Blondschopf. Ihm war danach, ihn zu umarmen, doch erst musste das geklärt werden. Nur wie… mit der Stimmung, in der sich Fye gerade befand, dürfte das nicht einfach werden. Es war, als würde dort ein Kind liegen und kein Einundzwanzigjähriger. Und ganz intuitiv ging Kurogane genau darauf ein. Langsam ging er vor ihm in die Hocke. „Sieh es doch mal andersrum. Er war immer dein Freund, die ganze Zeit, und wird es immer sein. Du sagtest, in jener Nacht hat es besonders stark geschneit. Doch nicht, um dich zu verhöhnen, sondern um dich zu trösten und die blutroten Flecken zu verbergen. Du hast es selbst so bezeichnet, es war ein Unfall. Niemand konnte etwas dafür. Wenn es dir dann besser geht, gib dem LKW-Fahrer die Schuld, aber nicht etwas, das du liebst.“ Er machte eine Pause, um das Gesagte auf Fye wirken zu lassen, der sich aufgesetzt hatte. „Und unser Urlaub… Du wolltest hierher, weil es hier selten schneit. Und nun sieh dir diese Schneemassen an. Vielleicht ist das… dein kleines Weihnachtswunder.“ Kurogane musste sich zwingen, solche Worte in den Mund zu nehmen. Aber egal… ausnahmsweise. Weil es Fye war, zu dem er sie sagte. Auch wenn er es wahrscheinlich bereuen würde. Mit großen blauen Augen schaute Fye ihn an und dachte darüber nach. Sein kleines Weihnachtswunder? Der Schnee? Sein geliebter Schnee, durch den er so gern mit Yui gewandert war? Etwas, das er nun nicht mehr konnte… Nein, aber jetzt hatte er Kurogane, der inmitten der Flocken bei ihm war. Und schon das allein war Grund genug, es zu mögen. Fye blinzelte, ein unsicheres Lächeln zauberte sich auf seine Lippen. „Meinst du wirklich?“, hakte er nach. Als Antwort nickte der Schwarzhaarige und reichte ihm seine Hand. Er half dem Blondschopf auf die Beine, doch diese versagten Fye plötzlich den Dienst und er taumelte gegen Kurogane. Errötend sah er zu ihm auf, in die warmen, feuerroten Augen, in die er so gerne schaute – besonders wenn sie ihn so sanft anblickten wie in diesem Moment. Kuroganes Hand verselbstständigte sich und glitt streichelnd über Fyes Wange. Beinahe zärtlich strichen die Fingerspitzen die Konturen des fein geschnittenen Gesichtes nach und ein paar helle Strähnen beiseite. Ein warmes, kitzelndes Gefühl breitete sich in Fyes Bauch aus, als er sich auf die Zehenspitzen stellte und… Gerade wollte er die Augen schließen, als er seinen Blick plötzlich in den Himmel richtete. Kurogane blinzelte und tat es ihm nach. Eine schwere Wolkendecke machte es unmöglich, Sterne sehen zu können. Doch das machte nichts. „Es wird gleich wieder anfangen, zu schneien.“, flüsterte der Kleinere und tatsächlich, keine Minute später segelten viele, dicke Schneeflocken herab. Als hätten sie die Worte gehört. Fye lächelte, während er seinem Bruder gedachte, und lehnte sich an Kurogane. Dieser öffnete seinen Mantel und wickelte seinen Blondschopf mit darin ein. Gemeinsam sahen sie dem weißen Treiben zu, und obwohl es längst dunkel war, erhellte der glänzende Schnee die Umgebung. „Kuro-sama?“ „Hm?“ „Seit wann schwingst du eigentlich solche blumigen Reden?“ „…Guck in den Himmel und den Flocken beim Fliegen zu.“ „Da seid ihr ja endlich!“, lachend begrüßte Sakura sie, als sie durchgefroren, aber mit rosigen Wangen ins Wohnzimmer kamen. Es war Fye anzusehen, dass es ihm gut ging. Der traurige Schleier war aus seinen Augen verschwunden. Es war, als hätte ihm jemand einen riesengroßen Stein vom Herzen genommen. Während Fye sich von Sakura umarmen ließ, zwinkerte Tomoyo Kurogane vertrauensvoll zu. Er schenkte ihr dafür ein kleines Lächeln. „Hey, ihr steht unter einem Mistelzweig!“, verkündete Mokona plötzlich und Fye und Kurogane sahen nach oben. Tatsächlich… Ob es das Grünzeug gerade dahin gehangen hatte? Kurogane zuckte mit den Schultern und grinste auf einmal. „Na, dann werde ich dir mal zeigen, wie man das richtig macht.“ Ehe Fye sich darüber entrüsten konnte, hatte Kurogane sanft sein Gesicht umfasst und ihre Lippen liebevoll aufeinander gelegt. Die Jubelrufe der anderen bekamen sie kaum noch mit, während sie in ihrem Kuss versanken. Und Fye wusste nun sicher: Solange Kurogane bei ihm war, hatte er nichts mehr zu befürchten. Epilog „...Und so nahm alles doch noch ein glückliches Ende.“ Ich hatte zwischenzeitlich die Augen geschlossen und sah nun die Kinder an. Sie wirkten nachdenklich und gleichzeitig tief bewegt. Die Kleine auf meinem Schoß nuschelte: „Mir hat sie gefallen, deine Geschichte.“, und gähnte, rieb sich die kleinen, müden Augen. „Ich glaube“, sprach das Kind, das vorhin nach den Geschenken gefragt hatte, „...ich habe verstanden, was du mit dem Geist der Weihnacht gemeint hast. Es geht nicht um materielle Dinge, sondern um unsere Gefühle. Um das, was uns wichtig ist. Darum, dass wir zu Weihnachten mit den Menschen zusammen sind, die wir lieben, dass wir für sie da sind und einander helfen. Es geht darum, dass wir in der Weihnachtszeit das tun, was uns viel bedeutet. Und das kann für jeden etwas anderes sein. Was zählt, ist das Gefühl, der Geist der Weihnacht.“ Beeindruckt und ein bisschen stolz nickte ich. Ich hatte befürchtet, dass die Geschichte für sie noch zu schwer war, hatte ein paar Dinge abgeschwächt beziehungsweise ausgelassen, weil sie noch zu jung dafür waren. Doch auf ihre eigene Art und Weise hatten sie verstanden, was ich ihnen hatte sagen wollen. „Also schön, Kinder. Einige von euch sehen schon ziemlich müde aus. Macht euch fertig und geht ins Bett.“ Einige gähnten verstohlen, versuchten die Müdigkeit zu verbergen. Doch die Geschichte geisterte ihnen noch durch die Köpfe, sodass sie sich brav erhoben, mich nacheinander umarmten und dann die Kleinsten in ihre Mitte nahmen. Ich sah ihnen nach, als sie mit einem Gutenachtgruß das Zimmer verließen. Zufrieden streckte ich mich und erlaubte mir ein herzhaftes Gähnen. Ich vernahm das gedämpfte Geräusch nahender Schritte und ehe ich mich umdrehen konnte, legte mir jemand warm seine Hand auf die Schulter. „Na? Haben sie dich geschafft?“, fragtest du und lächeltest zu mir hinab. „Hm-m, aber sie waren ganz lieb.“ Du drücktest meine Schulter kurz. „Welche Geschichte hast du ihnen erzählt?“ Ich lachte leise und zog dich zu mir. Bevor ich dich küsste, antwortete ich flüsternd: „Unsere.“ Owari Kapitel 5: 04.Woche - Weihnachtsspecial - Klayr ----------------------------------------------- Fay war elf als er mit seiner Mutter in eine völlig fremde Stadt zog. Es regnete an diesem Tag in Strömen. Grauer, matschiger Schneeregen, der vom eisigen Wind gegen die Fensterscheibe des Wagens gepeitscht wurde, die immer wieder von innen beschlug, egal wie oft die blonde Frau mit der flachen Hand über die glatte Fläche wischte oder die Heizung zurück drehte. Ihr Sohn hatte sich auf dem Beifahrersitz zusammengerollt, das Gesicht lustlos zum Fenster hingewandt und in die weiche Jacke vergraben, die er im Arm hielt. Schon seit ein paar Stunden hatte er nicht mehr geweint, aber der traurige Ausdruck war nach wie vor nicht aus seinem Gesicht verschwunden und er weigerte sich vehement mit seiner Mutter auch nur ein Wort zu sprechen, egal wie oft diese versuchte ein Gespräch zu beginnen. Fay hatte nicht umziehen wollen. Auch wenn ihre Wohnung in der kleinen Stadt aus der sie kamen weder besonders groß noch überragend hübsch gewesen war, er hatte sie „Zuhause“ nennen können. Und die Notwendigkeit dieses zu verlassen, da seine Mutter in einer weiter entfernten Großstadt einen gutbezahlten Job angeboten bekommen hatte, sah er in seinem Alter einfach noch nicht ein. Abwertend betrachtete er die am Fenster vorbeiziehenden, hohen Häuserfronten. In einigen grauen, nassen Schaufenstern blinkten vereinzelt Weihnachtsdekorationen und ein paar Menschen hetzten mit gesenkten Köpfen durch den erbarmungslosen Regen. Nirgends Bäume, nirgends vertraute Umgebung. Der Junge mochte die Stadt schon jetzt nicht. Dass in fünf Tagen Weihnachten war, machte es nicht gerade besser… „Die Stadt ist doch scheiße…“, teilte er seiner Mutter in trotzigen Ton mit, worauf die junge Frau am Steuer schwer seufzte. „Bitte, Schatz, fang nicht mit solchen Ausdrücken an.“, wies sie ihn ruhig zurecht, worauf der blonde Wuschelkopf sein Gesicht nur wortlos wegdrehte. „Und ich bin mir sicher, wenn der Regen morgen aufgehört hat sieht gleich alles viel besser aus.“ „Aber…“, setzte Fay sofort zu einem Widerspruch an, viel zu aufgewühlt um der Situation auch nur irgendetwas Gutes abzugewinnen. „Hier gibt es nicht mal Bäume. Und Schnee liegt auch keiner! Wie soll man denn da Weihnachten feiern? Ich möchte zurück!“ Mit diesem Satz beendete er nun schon seit Stunden jegliche Argumentation, als könnte seine Mutter schon alleine dagegen nichts mehr einwenden. Für ihn war es die Begründung schlechthin. Das Argument, gegen das es seiner Meinung nach kein Kontra gab. Allerdings erwiderte seine Mutter bereits die ganze Zeit dasselbe darauf. „Ich weiß, Liebling. Aber du solltest unserem neuen Zuhause zumindest eine Chance geben.“ „Pah!“ Fay vergrub sein Gesicht wieder in der Jacke und ignorierte seine Umgebung für den Rest der Fahrt, die zum Glück nicht mehr allzu lange dauerte. Schließlich lenkte seine Mutter den keinen, silbernen Wagen auf einen Parkplatz neben einem großen Apartmentkomplex und stellte den Motor ab. „Ich denke wir nehmen erst mal nur das nötigste mit rein, die anderen Sachen können wir auch morgen noch hoch tragen.“ Als sie die Türe öffnete, stellte sie fest, dass ihr Kind keinerlei Anstalt machte ihr zu folgen, und erneut entfuhr der jungen Frau ein leiser Seufzer. „Fay, bitte. Sei nicht albern.“ Behutsam berührte sie ihn an der Schulter, doch der kleine Junge entwand sich ihrer Hand und rollte sich nur noch enger zusammen. „Lass mich.“ Freya Flourite schüttelte den Kopf. Normalerweise war er ja ein Engel, doch Fay konnte auch unglaublich stur sein wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Es würde wohl keinen Sinn haben ihn jetzt zu irgendetwas zu zwingen… „Meinetwegen. Dann übernachte eben im Auto, wenn es dich glücklich macht. Hier wird’s heute Nacht aber ziemlich kalt, das ist dir hoffentlich klar.“ „Mir egal“, kam es trotzig zurück. Die hübsche Blondine öffnete nun die Fahrertür und war noch einen letzten Blick auf ihren Sohn. „Unser Apartment hat die Nummer 378 und du bist jederzeit Willkommen. Aber bitte verriegle den Wagen wenn du aussteigen solltest.“ Ein Brummen zeigte ihr an, dass Fay die Worte zur Kenntnis genommen hatte, und sie stieg aus und schlug die Türe hinter sich zu. Nachdem sie noch ein paar Taschen aus dem Kofferraum genommen hatte, eilte sie auch schon durch den Regen zum Eingang des großen Gebäudes. Gut, dass ihre Wohnung voll möbliert war. So musste sie zumindest nicht bei diesem Wetter noch Einrichtungsgegenstände durch die Gegend schleppen. Als er sich sicher sein konnte, dass er alleine war, schniefte Fay leise, zwang sich aber nicht schon wieder zu weinen. Es war einfach unfair! Warum hatte er nicht daheim bleiben können? Natürlich war es für seine Mutter unmöglich hin und her zu pendeln, aber sie hätte doch auch ihren alten Job behalten können und… Ach, es war einfach unfair! Basta. Fröstelnd schlüpfte er in seine dicke, kuschelige Jacke und versuchte es sich bequem zu machen. Es wurde zwar langsam immer kälter im Wagen, da der Motor und somit auch die Heizung ausgestellt waren, doch in seinem kindlichen Trotz sah er nicht ein, warum er seiner Mutter nachlaufen sollte. Also machte er sich klein und versuchte zu schlafen. Es mussten wohl ein paar Stunden vergangen sein, als Fay geweckt wurde. Von draußen erklang Lärm und Gelächter und müde hob er den Kopf um aus dem Fenster zu blicken. Unweit von ihm, am Rande des Parkplatzes, saßen ein paar Jugendliche, vielleicht vierzehn bis sechzehn Jahre alt, mit Alkohol und Zigaretten, und lachten über ein zappelndes Bündel, das einer von ihnen gerade gut sichtbar hochhielt. Als Fay erkannte um was es sich handelte stockte ihm der Atem. Ein kleines Kätzchen. Mit schreckensgeweiteten Augen beobachtete er wie der Typ das verängstigte Tier einem der anderen zuwarf und dieser es lässig am Bein auffing. Der wehrlosen Katze tat dies natürlich weh, weswegen sie versuchte sich kratzend und beißend zu befreien. Ein aussichtsloser Kampf für den sie nur mit einem heftigen Schlag bestraft wurde. Unfähig dieser Tierquälerei noch weiter zuzusehen, sprang der Elfjährige aus dem schützenden Auto. Dass er viel zu unbedacht handelte war ihm zwar klar, dennoch war es Fay in dem Moment als er auf die Gruppe zu rannte völlig egal, dass die Jungen zu sechst und viel älter als er selbst waren. „Hört sofort auf damit!“ Verdutzt hielten die Jungen inne, schien doch niemand von ihnen mit einer Unterbrechung gerechnet zu haben. Als sie den – im wahrsten Sinne des Wortes – kleinen Störenfried entdeckten, brachen sie allerdings erneut in lautes Hohngelächter aus. „Oh, hier will wohl einer Held spielen.“ „Geh zurück zu deiner Mama, Kleiner!“ „Und was wenn wir nicht aufhören?“ Der Junge, der gerade im Besitz des zitternden Kätzchens war, hielt dieses am Schwanz hoch, wobei das kleine Tier so qualvoll maunzte, dass es Fay die Tränen in die Augen trieb. „Wieso macht ihr das? Die Katze hat euch gar nichts getan!“ Erneut höhnische Rufe und Gelächter und einer der Raufbolde gab Fay einen Schubs, sodass er in die Mitte der Gruppe stolperte. „Oh doch, das Mistvieh hat mich vorhin gekratzt!“ „Wer weiß, was DU vorher mit ihr gemacht hast!“ Obwohl Fay nun, da ihn die Jungen eingeschlossen hatten und ihn unheilverkündend angrinsten, doch Angst bekam, versuchte er diese so gut es ging zu verheimlichen und tapfer zu bleiben. Alleine um des armen Tieres willen, das kraftlos und erschöpft noch immer um seine Freiheit zu kämpfen versuchte. Erneut erntete es dafür einen Hieb mit der Faust und miaute vor Schmerz. Es tat dem Blonden in der Seele weh. Er versuchte den Moment zu nutzen und sprang nach vor, um die Katze von ihren Peinigern zu retten, kam aber nicht weit, da ihm jemand in die Seite trat und er mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem kalten, nassen Asphalt landete. „Ja, das kommt dem schon recht nahe, was ich mit dem Vieh gemacht habe.“ Der Jugendliche, der scheinbar der Anführer der Gruppe war, trat erneut zu, dem kleinen Jungen hart gegen die Schulter. „So, und jetzt weißt dus genau.“ Heiße Tränen flossen über Fays blasse Wangen. Der Schmerz war nebensächlich, vielmehr war er zutiefst erschüttert, dass er nichts ausrichten konnte. Wieso musste er nur so klein und schwach sein?! „Bitte! Lasst die arme Katze doch in Ruhe!“ „Oh, schaut ihn euch an. Jetzt heult er!“ „Widerlich!“ Den nächsten Tritt spürte Fay in seiner Verzweiflung und Wut kaum noch. Stattdessen kratzte er all seine Kräfte zusammen, um sich noch einmal aufzurappeln und dem Kerl das zitternde Bündel zu entreißen. Da dieser die Befreiungsaktion nicht kommen sah, war er dieses mal erfolgreich. Verzweifelt drückte er das Kätzchen an sich und rollte sich zu einer kleinen Kugel zusammen, versuchte seinen Kopf gegen die nächsten Tritte zu schützen, die ihn hart im Rücken trafen. Schmerz explodierte in seiner rechten Schulter als ein schwerer Stiefel ihn dort traf, und Fay schluchzte haltlos auf. Wenigstens hatte er die Katze gerettet. Und wenn sie von ihm abließen… wenn sie.. Irgendwann… Oh bitte, es tat so weh! Fay versuchte um Hilfe zu schreien, doch er war schon zu erschöpft und zu geschunden. Als ihm schließlich unsanft ein Fuß in die Seite gebohrt wurde um ihn auf den Rücken zu drehen, konnte er sich nur auf die andere Körperseite rollen, betend, dass es jetzt doch endlich vorbei war. Oder, dass ihm jemand half. Aber er war alleine. Alleine in einer großen, fremden Stadt. Hätte er sich doch nur nicht mit seiner Mutter gestritten, dann wäre er nun nicht hier… Aber wer hätte dann dem Kätzchen geholfen…? Im Nebel seiner Gedanken und seiner Schmerzen war es beinahe nebensächlich, dass jemand den Fuß auf seinen Kopf stellte und innerlich bereitete Fay sich schon auf höllische Schmerzen vor. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen sorgte eine ruppige Stimme dafür, dass augenblicklich von ihm abgelassen wurde. „Hey, ihr Wichser! Was soll das werden wenns fertig ist?!“ Die Stimme klang so kalt und wütend, dass der am Boden liegende Junge sich verängstigt noch weiter zusammenkrümmte. „Oh, wen haben wir denn da? Hallo Kurogane.“ Bildete er sich das ein, oder klang die zweite Stimme nun etwas nervös und gar nicht mehr so selbstsicher wie sie ihm gegenüber gewesen war? „Was gibt’s? Willst du ein bisschen mitspielen?“ Fay konnte durch sein eigenes Schluchzen nur undeutlich die darauffolgenden Gräusche identifizieren. Aber es war wohl ein dumpfer Schlag gewesen, das daraufhin ekelhafte Knacken eines Nasenbeins und ein Schmerzensschrei. Aber er wusste es nicht genau. Und er wollte es auch nicht wissen. „Wenn das eure Definition von Spaß ist, könnt ihr das gern haben. Wer will als nächstes?“ Niemand rief begeistert „Hier, ich!“ oder hob die Hand, stattdessen erklangen hektische, sich schnell entfernende Schritte. „Lasst euch noch einmal hier blicken und ich sorge dafür, dass ihr so schnell nicht wieder aufsteht!“, knurrte die eisige Stimme den Flüchtenden noch nach, bevor schließlich endgültig Ruhe einkehrte. Ängstlich verbarg Fay seinen schmerzenden Kopf zwischen den Armen, als sich ihm Schritte näherten und zuckte mit einem Wimmer vor der Hand zurück, die ihn sachte an der Schulter berührte. „Schon gut, schon gut. Ich tu dir ja nichts.“ Der plötzlich viel wärmere Klang in der tiefen Stimme irritierte den blonden Jungen so sehr, dass er nun doch einen vorsichtigen Blick zwischen seinen Haarsträhnen hervor wagte. Was das wirklich derselbe Mann, der eben noch mit so furchteinflößender Stimme herumgebrüllte hatte? Ja sicher… die Stimme schien durchaus die gleiche, doch nun schien sie angenehmer, wärmer… vertrauter. „Bist du okay, Kleiner?“ Fay versuchte zu nicken und sich aufzusetzen, scheiterte aber an beidem als schon bei der kleinsten Bewegung Schmerzen durch seinen Körper schossen, sodass er stattdessen nur einen gequälten Laut von sich gab. „Bleib ruhig. Und versuch dich zu entspannen.“, wurde er angewiesen. Unsicher beobachtete der Elfjährige, wie der neben ihm kniende Mann – oder war er auch nur ein Junge? Es war zu dunkel um das genau sagen zu können – erneut die Hand auf seine Schultern legte. Erstaunlich sanft für solch große Pranken. Behutsam wurde er auf den Rücken gedreht, spürte nur am Rande, wie das gerettete Kätzchen aus seinen Armen flüchtete. Er hatte keinen Dank erwartet. „Au…“ Neue Tränen füllten seine eisblauen Augen. „Das tut… weh…“ „Okay, entschuldige.“ Während Fay versuchte ruhig zu liegen und mit zusammen gebissenen Zähnen die Schmerzen, die von überall durch seinen schmalen Körper zu zucken schienen, zu ertragen, betrachtete er seinen Retter, dessen Gesicht nun im blassen Schein einer nahen Straßenlaterne zu erkennen war. Tatsächlich. Es war ein Jugendlicher, auch wenn die markanten Gesichtszüge und die stechenden, roten Augen es schwer machten, das genaue Alter zu schätzen. Fasziniert von diesen intensiven Augen schien der Schmerz etwas zu verblassen. Und der Junge, den einer seiner Angreifer zuvor „Kurogane“ genannt hatte, blieb ruhig an seiner Seite sitzen und erwiderte seinen Blick. Was dachte er wohl über das sich ihm bietende Bild? Eine kleine Heulsuse. voller Dreck und Schlamm, halb tot getreten, nur weil er eine Katze hatte retten wollen, die nun davon gelaufen war. Er musste wirklich erbärmlich aussehen. „Meinst du, du schafft es dich aufzusetzen?“ „Ich weiß nicht…“ „Ah.“ Der Schwarzhaarige rieb sich über den Nasenrücken und dachte angestrengt nach. Dann seufzte er und zog ein Handy aus der Tasche, doch Fay reagierte schnell und umschloss mit zitternden Fingern sein Handgelenk. „Nicht.. keinen Krankenwagen…“, protestierte er schwach. „Ich schaff das schon so. Okay?“ Sein Gegenüber schien nicht überzeugt, aber gab ihm wenigstens eine Chance. „Wie du meinst. Du solltest versuchen aufzustehen. Auf dem kalten Boden holst du dir sonst noch den Tod.“ Es dauerte eine Viertelstunde bis sie festgestellt hatten, dass kein Knochen gebrochen war. Fay hatte die Zähne zusammengebissen um nicht über seine Schmerzen zu klagen, die bei jeder Bewegung in seinem schlanken Körper explodierten, doch die Tränen flossen unaufhörlich. Kurogane half ihm, die meiste Zeit schweigend, behutsam erst in eine sitzende Position, dann auf die Beine und wischte ihm ab und an aufmunternd die Tränen aus dem Gesicht. Schließlich stand er. Auf zittrigen Beinen und die starken Arme des Älteren schützend und stützend um seinen bebenden Körper geschlungen aber er stand. „Wo wohnst du? Ich bring dich heim.“ Fay blinzelte ein paar Mal, bis ihm die Antwort wieder einfiel. Er wohnte ja nun hier, und nicht mehr in dem kleinen ländlichen Dorf, Stunden entfernt. Beinahe hätte er dem Schwarzhaarigen seine frühere Adresse genannt, bevor er sich anders entsann. „Ich… hier.“ „Aha?“ „I-Ich meine… dort.“ Erschöpft wies er auf das große Gebäude am anderen Ende des Parkplatzes, worauf sein selbsternannter Beschützer nickte und begann den kleinen Jungen langsam dorthin zu führen, immer wieder eine Pause einlegend, sobald Fay diese brauchte. „Schau mal.“ Einmal mehr lenkte ihn die ruhige, tiefe Stimme Kuroganes von seinen Schmerzen ab, als dieser seine Aufmerksamkeit auf den Weg lenkte, den sie gerade zurückgelegt hatten. Unsicher suchte Fay mit den Augen die Umgebung ab, hatte für einen Moment riesige Angst, dass seine Peiniger vielleicht wiederkamen, aber stattdessen entdeckte er das kleine Kätzchen, das ihnen humpelnd nachschlich. „Sieht aus als möchte dir jemand für die Rettung danken.“ Erneut füllten Fays Augen sich mit brennenden Tränen als sein Begleiter in die Hocke ging – wobei er vorher fürsorglich darauf achtete, dass der verletzte Junge sich an seiner Schulter festhalten konnte – und das sich scheu nähernde Tier mit geduldigen, ruhigen Worten zu sich lockte, bis er es auf den Arm heben konnte. „Meinst du, du kannst sie halten?“ Zwar war der Blonde sich nicht sicher, ob er seine Arme lang genug anheben konnte, dennoch nickte er, konnte schon wieder nicht aufhören zu weinen. Als das dreckige Kätzchen sich an seine Brust kuschelte und in der schützenden Wärme seiner Arme leise zu schnurren begann entrang sich Fays Kehle ein Schluchzen. Dann noch eins und noch eins, und schließlich weinte er hemmungslos. Der Schock über das eben erlebte war verblasst und nun übermannten ihn seine Gefühle. Als Kurogane ihn beschützend hochhob, tat es kaum weh, so vorsichtig war er, und sanft barg er seinen blonden Kopf in seiner Halsbeuge. Fay, völlig am Ende mit den Nerven, nahm die starke Schulter, die ihm zum Ausweinen angeboten wurde, nur zu gern an und weinte einfach in den schwarzen Stoff und das dreckige Katzenfell. „Apartmentnummer?“ Mittlerweile waren sie im Fahrstuhl angelangt. Fay blickte nur einen Sekundenbruchteil in den großen Spiegel, bevor er sich mit einem Aufschluchzen abwandte und das Gesicht in Kuroganes Shirt drückte. Er sah grauenvoll aus. Blut im Gesicht, Dreck überall, seine Augen rotgeweint… War das überhaupt noch er selbst? „Ich.. ich weiß nicht me…ehr.“ Es war beinahe unmöglich Fays Antwort zu verstehen, so sehr bebte seine Stimme, doch er bekam das Zittern trotz verzweifelten Versuchs seine Stimme ruhig und normal klingen zu lassen nicht in den GRiff. „Irgendwa..was mit 360 o-oder 370…“ Anscheinend hatte ihn Kurogane aber dennoch verstanden, denn der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Wäre Fay bei klarem Verstand gewesen, hätte er sich wohl darüber gewundert, dass der Schwarzhaarige Bescheid wusste, wo sich die Wohnung befand. Immerhin gab es hier etliche hohe Häuser, in denen sich sicherlich nicht gerade wenige Wohnungen befanden. Woher sollte sein Beschützer da gerade wissen, dass hier jemand neu eingezogen war? Aber eigentlich war es egal. Er wollte nur noch zu seiner Mutter und in den Arm genommen werden. Kurogane hatte ihn vorbildlich getröstet, aber… es war einfach nicht dasselbe. Verschwommen nahm er das Schrillen einer Türklingel wahr und nur Augenblicke später wurde die Türe geöffnet. Anscheinend hatte Freya ihn schon erwartet. Der blonden Frau blieb jeglicher Tadel, den sie sich für ihren Sohn bereitgelegt hatte, bei dem Anblick im Hals stecken, und augenblicklich wurde sie aschfahl. „Fay? Was…?!“ „Wäre es okay wenn ich reinkomme? Er sollte sich dringend hinlegen.“ Kuroganes sachliche Tonfall wandte den ersten hysterischen Anfall recht gut ab, auch wenn die schlanken Hände der liebenden Mutter heftig zitternden, als sie diese nach dem Kopf ihres Sohnes ausstreckte. „Was ist passiert?“, murmelte sie fassungslos und trat zur Seite. „Ich werde Ihnen alles erklären, versprochen. Aber zuerst sollte der Kleine aus den nassen Klamotten raus und ins Bett.“ Und genau dort verbrachte Fay die nächsten Tage. Im Bett. Den Tag direkt nach dem Vorfall konnte er sich weder bewegen noch hatte er groß Appetit, ihm tat einfach alles viel zu sehr weh. Seine Mutter saß die meiste Zeit über neben seinem Bett und versuchte ihn aufzumuntern, während in ihrem Gesicht überdeutlich die Selbstvorwürfe zu sehen waren. Sie gab sich die Schuld an dem was passiert war. Hätte sie ihren Sohn doch nur nicht alleine im Auto gelassen… Von ihr erfuhr Fay auch, dass der schwarzhaarige Junge, Kurogane, ihr Nachbar war und das Apartment direkt gegenüber bewohnte. Der zweite Tag verlief ähnlich ereignislos. Seine Mutter hatte ihm ein Hausmittel gegeben, und langsam klangen die Schmerzen zu einem dumpfen Pochen ab. Er wusste, dass Kurogane seiner Mutter dabei half, die Umzugskisten in die Wohnung zu tragen, wollte diesen aber nicht sehen. Er fühlte sich einfach zu elend und wollte es seinem schwarzhaarigen Schutzengel nicht noch einmal zumuten ihn in so einem erbärmlichen Zustand sehen zu müssen. Erst am dritten Tag, am 22. Dezember, brachte Fay den Mut auf, seine Mutter darum zu bitten ihren neuen Nachbarn her zu holen. In der Zeit in der sie sich in seiner Wohnung aufhielt bangte er, dass Kurogane ihn nun nicht mehr sehen wollte, und war umso erleichterter, als dieser dann sein noch karges Zimmer betrat. Die Katze, die er scheinbar die letzten Tage lang versorgt hatte, trug er auf dem Arm. Sie war frisch gebadet und ihr Fell glänzte strahlend weiß. „Na? Geht’s dir schon besser?“ Erschöpft nickte der junge Blondschopf und schaffte es sogar ein kleines Lächeln zu zeigen. Einladend klopfe er auf die Matratze und das Lächeln wurde intensiver als sein Gegenüber der Geste Folge leistete und darauf Platz nahm. „Ich wollte mich bei dir bedanken… Ich meine… immerhin…“ „Schon okay. Das hätte wohl jeder gemacht.“ „Aber ich hätte mich auch bei jedem andren bedanken wollen.“, widersprach Fay leise. Kurogane grinste und zuckte mit den Schultern. „Wie du willst. Dank angenommen.“ „Mama hat erzählt, dass du ganz alleine wohnst…“ Der Schwarzhaarige nickte, sagte aber nichts weiter dazu. Fay hatte von seiner Mutter gehört, dass er aufgrund der Schule in der Stadt lebte und seine Eltern außerhalb, wo diese einen Betrieb oder ähnliches führten. Doch wie es schien kam Kurogane auch ohne sie ganz gut zurecht. Bewundernswert, immerhin war er gerade mal sechzehn und damit nur fünf Jahre älter als Fay. Dieser konnte sich ein Leben ohne seine Mutter nicht vorstellen. Das musste doch traurig und einsam sein… „Willst du mit uns Weihnachten feiern?“ Sein Retter blinzelte überrascht. Den Moment nutzte Fay indem er noch hastig ein „Mama hats erlaubt“, hinten anhängte, um die bereits erwartete Frage gleiche vorne weg zu beantworten. Als Kurogane schließlich langsam nickte, hätte er diesen am liebsten umarmt, doch seines geschundenen Körpers Willen schenkte er diesem stattdessen nur ein kleines, dankbares Lächeln, das mehr sagte als tausend Worte. Das erste Weihnachtsfest in der neuen Wohnung wurde eines der angenehmsten und schönsten in Fays bisherigen Leben. Auch wenn er noch nicht wieder schmerzfrei aufstehen und gehen konnte, und somit die meiste Zeit auf dem Sofa verbrachte. Auch wenn sie aufgrund der Vorfälle der letzten Tage keinen schönen, großen Weihnachtsbaum hatten, sondern nur einen kleinen in einem Topf, der gerade einen halben Meter hoch war. Auch wenn seine Mutter den Braten anbrennen ließ. Und auch wenn es immer noch nicht geschneit hatte, sondern der Himmel nur grau und Regen verhangen war. Es war schön und spontan, und Fay war zum ersten Mal froh hier zu sein. Sie aßen zusammen Wurst aus dem Glas, da sonst nichts anders da war, und nachdem die Geschenke verteilt worden waren, saß der Blondschopf auf der Couch neben Kurogane. Gähnend beobachtete er den älteren, der ganz in das Buch vertieft war, das er von Freya bekommen hatte. Obwohl Fays Mutter ihn noch nicht lange kannte, hatte sie sich bei der Auswahl scheinbar große Mühe gegeben und genau seinen Geschmack getroffen. Zufrieden betrachtete er sein eigenes Geschenk, das Kurogane und seine Mutter ihm gemacht hatten. Das kleine süße Kätzchen – er hatte es Mokona getauft – hatte es sich unter ihrem Weihnachtsbaum gemütlich gemacht und schlief dort zusammengerollt. Er durfte es behalten… das war einfach toll. Müde lehnte er sich etwas an Kurogane an, was dieser nur mit einem Brummen kommentierte und Fay dann behutsam an der Schulter nahm um ihn sanft nach unten zu lotsen, bis der blonde Schopf in seinem Schoß ruhte. „Kuro…“, murmelte der Elfjährige schlaftrunken. „Schöne Weihnachten…“ Sanfte legte sich eine Hand über seine ohnehin schon halb geschlossenen Augen und obwohl er das Lächeln auf Kuroganes Lippen nun nicht mehr sehen konnte, schien es ihm, als klang es aus der tiefen Stimme heraus. „Dir auch schöne Weihnachten…“ „Hey, Kuro-rin. Lässt du mich dein blaues Auge mal anschaun? Mama hat mir eine Salbe gegen Prellungen dafür mitgegeben.“ Fay zog sich auf den Küchentresen, mittlerweile seinem Stammplatz in der kleinen Wohnung seines Nachbarn und blickte diesen auffordernd an. Der zwölf Jahre alte Junge war hier immer ein gern gesehener Gast, und Kurogane hatte ihm vor ein paar Monaten sogar einen Zweitschlüssel zu seinem Apartment machen lassen. Es war sicherlich angenehm für diesen ab und an mal Gesellschaft zu haben, wo er doch sonst immer ganz alleine in seiner Wohnung war. Der schwarzhaarige Junge blickte nur von seiner Zeitung auf, seine morgendliche Tasse Kaffee in der Hand, und gab einen undefinierbaren Laut von sich. Erst nachdem sein Gegenüber ihn einige Minuten lang mit bittendem Dackelblick stumm fixiert hatte, gab er schließlich nach. „Das geht auch von alleine wieder weg…“, grummelte er dennoch, als er zu Fay trat, der ihn behutsam zwischen seine knie lotste um sich das übel zugerichtete Gesicht näher ansehen zu können. Das war genau der Grund, warum er den Küchentresen so mochte. Wenn er hier saß, war er genauso groß wie Kurogane und musste nicht immerzu zu diesem aufsehen. Mit kindlicher Behutsamkeit tastete er die farbenfrohe Schwellung um Kuroganes linkes Auge ab, seine freie Hand dabei vorsichtig an die gesunde Wange gelegt, so als hätte er Angst dem Älteren weh zu tun. Wenn er so nahe bei ihm war, fiel Fay wieder auf, wie klein er selbst eigentlich noch war. Na klar, er war ja auch noch ein Kind. Ob er irgendwann auch mal so groß werden würde wie Kurogane? Vielleicht… Aber wollte er das überhaupt? Immerhin war Kurogane wirklich groß! „Tuts denn sehr weh?“ „Nicht wirklich. Bin dran gewöhnt.“ Vorsichtig streiften seine Fingerspitzen die geschundene Haut. Es war immer wieder erschreckend, wie schlimm solche Verletzungen aus der Nähe aussahen. Warum musste Kurogane auch immer in Schlägereien hineingeraten? Und ganz so schmerzfrei wie dieser behauptete, war es dann wohl doch nicht, denn der Schwarzhaarige zuckte leicht zusammen als Fays warme Finger seine aufgeplatzte Lippe berühten. „Entschuldige…“ Besser er passte etwas mehr auf und versorgte erst einmal die Wunde. Kurogane hielt geduldig still, während der kleine Junge sein geschwollenes Auge mit der kühlenden Salbe betupfte und diese mit leicht zitternden FInger verstrich, aus Angst, er könnte ihm wieder weh tun. Als Fay fertig war, blickte er besorgt in die blutroten Augen seines älteren Freundes. „Hat das wehgetan?“ „Nein.“ „Ganz sicher nicht?“ „Ganz sicher nicht.“ Fay atmete erleichtert aus. „Gut…“ Dann schwiegen sie beide einige Minuten, in denen der blonde Wuschelkopf die Salbentube zuschraubte und wieder in ihre Verpackung steckte. „Hast du schon gesehen, Kuro-sama? Es hat geschneit.“ „Ach wirklich?“ Kuroganes Stimme tropfte vor Sarkasmus, ein offensichtliches Zeichen dafür, dass er es natürlich schon bemerkt hatte. Die dünne, weiße Schicht, die draußen über allem wie Puderzucker lag, war unschwer zu übersehen, genauso wie die kleinen, weißen Flöckchen die vom Himmel rieselten. „Ich mag Schnee…“, murmelte Fay leise und nahm sich die Freiheit heraus seinen Kopf auf die Schulter seines Getgenübers zu betten und sich etwas an die vertraute Wärmequelle zu schmiegen. „Hm..“ „Zuhause hat es auch immer geschneit…“ „Ah…“ Auch wenn Kurogane nicht viel dazu sagte, wusste der Blondschopf doch, dass er ihm zuhörte und das war beruhigend. Manchmal fragte er sich, warum der fünf Jahre ältere Junge sich freiwillig mit ihm abgab, aber andererseits war er einfach nur unglaublich froh darüber. Denn Kurogane hatte mit seiner leicht aufbrausenden, manchmal unausstehlichen Art, die ihm trotzdem Sicherheit und Geborgenheit vermittelte, einen festen Platz in Fays Leben eingenommen und er konnte sich gar nicht mehr so recht vorstellen, was er ohne seinen schwarzhaarigen Freund machen würde. Wenn er jemanden zum Reden brauchte, war er da, und wenn er jemanden zum Streiten benötigte erst recht. Der perfekte Ersatz für den großen Bruder, den er nie gehabt hatte. „Gehen wir ein Stück im Schnee spazieren?“ Missmutig zog der Schwarzhaarige die Augenbrauen zusammen. „Ist doch kindisch.“ „Aber warum denn?“ Mit großen, blauen Kulleraugen blickte Fay seinen Freund an, der nur knurrte und den Kopf wegdrehte. Bei diesem Blick konnte er nicht lange nein sagen. „Och bitte! Kuro-sama. Bittebittebittebittebitte!“ „Ich möchte einen Glühwein!“ „Du spinnst ja wohl!“ Trotzig verschränkte Fay die Arme vor der Brust und schob schmollend die Unterlippe vor. Nicht nur, dass er Kurogane bei dem leichten Schneetreiben nach draußen bekommen hatte, um mit ihm durch den Park zu schlendern, nach viel Gebettel war der Schwarzhaarige sogar mit auf den kleinen Weihnachtsmarkt neben dem Park gekommen. Hier herrschte gerade genug Betrieb um Kurogane mürrisch schauen zu lassen, aber noch zu wenig, um ihn ernsthaft zu nerven. Aber damit hatte Fay sein Glück heute wohl auch überstrapaziert, denn nun war jede Nachgiebigkeit aus der dunklen Stimme verschwunden, die stattdessen unmissverständlich klar machte, dass er keinen Glühwein bekommen würde. „Warum nicht? Mir ist kalt, ich will was Warmes trinken!“ „Aber keinen Alkohol. Nimm von mir aus Tee.“ „Tee ist langweilig!“ Kuroganes Augenbrauen zuckten nach oben. Die Geste wies darauf hin, dass bei der nächsten Widerrede eine Standpauke folgen würde, und der Blondschopf zog schnell den Kopf zwischen die Schultern. „D-darf ich wenigstens einen Kinderpunsch haben…?“, murmelte er schüchtern, beinahe ängstlich. So lustig es gelegentlich auch war mit dem Älteren zu streiten, er mochte es nie, wenn Kurogane besonders laut wurde. Und heute schien er genervt genug um ihn anzuschreien. Aber statt der lauten Worte, die er erwartet hatte, entfernten sich nur Schritte von ihm und verwundert blickte Fay auf. Sein Begleiter war zu einem nahen Getränkestand gegangen und nannte gerade seine Bestellung, bevor er dann mit zwei Bechern in den Händen wieder zu ihm zurück kam. Scheu blickte der kleine Junge zu ihm auf. „Ich hoffe Himbeerpunsch ist okay?“ „Mhm… Dankeschön…“ „Kein Ding.“ Die nächsten beiden Stunden verliefen in friedlicher Eintracht. Fay stellte keine dreisten Forderungen mehr und Kurogane übte sich in Geduld und Beherrschung, sodass sie, nachdem der Zwölfjährige noch einen kleinen Schneehasen gebaut hatte um ihn seiner Mutter zu schenken, gemütlich wieder zu ihrem Wohnblock zurück schlenderten. Freya empfing sie beide mütterlich und lud Kurogane als Dank für das „Babysitten“ zum Abendbrot ein. Und zu Fays großer Freude überredete sie den Schwarzhaarigen auch dieses Jahr wieder das Weihnachtsfest mit ihnen zu verbringen. Dieses Jahr bekam Fay „nur“ eine Schachtel Süßigkeiten von seinem älteren Freund. Dennoch freute er sich riesig, denn es waren alles Dinge, die er ausgesprochen gerne aß. Eine Tatsache, die ihm zeigte, dass Kurogane wirklich immer ein aufmerksamer Zuhörer und Beobachter war, wenn er sich solche Kleinigkeiten zu merken vermochte. Er selbst schenkte dem Schwarzhaarigen einen kuscheligen, dunkelblauen Schal, der perfekt mit den roten Augen harmonierte. Obendrein hatte Kurogane die Ehre, diesen den ganzen Abend zu tragen, obwohl es im Wohnzimmer der Flourites ziemlich warm war. Aber immer wenn er Anstalt machte, ihn abzunehmen, wurden Fays Kulleraugen so lange immer größer, bis er es sein ließ. Da starb man doch lieber einen friedlichen Hitzetod. Nach dem Essen - dieses Jahr war der Braten nicht verkohlt – kümmerte sich Freya um den Abwasch, während die beiden ungleichen Jungen es sich im Wohnzimmer bequem gemacht hatten. Kurogane lag auf dem Boden und las, während Fay eine Weile mit Mokona spielte, bevor er zu dem Schwarzhaarigen krabbelte und sich zufrieden an seine Seite kuschelte, wo er auch akzeptiert wurde. „Hey, wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst nicht auf meiner Couch pennen?“ Der dreizehnjährige Blondschopf rollte sich verschlafen herum, nur um dann irritiert zu blinzeln als er die rubinroten Augen Kuroganes direkt vor sich hatte. Der Ältere kniete neben der Couch auf dem Boden, und sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Böse?“, murmelte Fay verschlafen und rieb sich die Augen. „Hält sich in Grenzen. Und jetzt steh auf.“ Gähnend kam der Junge der Aufforderung nach und rappelte sich hoch, reckte und streckte sich dabei ausgiebig. „Sport war heute so anstrengend, da dachte ich, ein kleines Mittagsschläfchen könnte nicht schaden.“ „Dein Bett steht keine hundert Meter von hier.“, war die ernüchternde Antwort aus der Küche, untermalt von Tütengeraschel. Kurogane war wohl einkaufen gewesen, immerhin war es nach fünf Uhr und er kam sonst eher vom Training heim. „Hast du alle Zutaten bekommen?“ Neugierig tänzelte der Blondschopf in die Küche und beobachtete den älteren Jungen beim Auspacken. Da er wusste, dass Kurogane nicht gut darauf zu sprechen war, wenn man ihm dazwischen pfuschte, versuchte er aber gar nicht er zu helfen. Stattdessen nahm er sich die Freiheit heraus den anderen zu beobachten, spürte dabei wie sooft in letzter Zeit eine leichte Röte in seine Wangen steigen. Wann war ihm zum ersten Mal aufgefallen, wie gut der Schwarzhaarige eigentlich aussah? Er hatte es zwar immer schon gewusst, aber nicht auf so eine Weise… Und kaum streifte der glutrote Blick ihn auch nur, bekam er eine Gänsehaut. Was war nur los mit ihm? „Soll ich dir dann beim Kochen helfen?“ Langsam wurmte es ihn, dass sein Freund keine Antwort mehr gab, und Fay schnappte sich mit einem missmutigen Laut einen der muskulösen Arme, versuchte zu ignorieren, dass sich sein Gesicht dabei gleich noch heißer anfühlte. „Kuro-sama! Ignorier mich nicht!“ „Lass mich in Ruhe, sonst schmeiß ich dich raus.“, kam es verärgert zurück. „Du siehst doch, dass ich zutun habe. Setzt dich an den Tisch oder tu sonst irgendetwas ähnlich Produktives. Falls ich deine Unterstützung brauche, wird ichs dir schon sagen.“ „Als ob du jemals freiwillig um Hilfe bitten würdest!“ Fay funkelte den Älteren trotzig an, und ruckelte an seinem Arm. „Also lass mich irgendetwas machen, wenn wir dieses Jahr schon bei dir feiern!“ Keine fünf Minuten später stand Fay im Hausflur und die Wohnungstür zu dem gemütlichen Zwei-Zimmer-Apartment war etwas lauter als unbedingt nötig vor seiner Nase ins Schloss gefallen. Die Bemerkung hatte er wohl etwas unglücklich gewählt. Immerhin konnte Kurogane gut kochen und das wusste er auch. Naja, nun war es wohl zu spät. Besser er wartete bis zu ihrer Weihnachtsfeier in ein paar Stunden… Und der Abend wurde ein voller Erfolg. Was nicht zuletzt dem Essen zugute zu halten war, denn es war wirklich mehr als lecker und Freya lobte es in einem Durch und aß gleich mehrere Portionen. Der Koch selbst wirkte noch etwas überstresst von den Vorbereitungen des Abends, doch mit viel Geduld und einer extra Portion Aufmerksamkeit schaffte Fay es ihn wieder ruhig zu bekommen. Kurogane hatte schon immer eine Schwäche dafür gehabt, wenn der blonde Junge sich so um ihn bemühte, und war meistens – wie auch heute – gewillt, dieses Verhalten zu belohnen indem er Fay in seiner Nähe bleiben ließ, wann immer diesem danach war. Als Fay vierzehn war, begann er plötzlich ohne ersichtlichen Grund Kurogane aus dem Weg zu gehen. Jedes Mal wenn er den Schwarzhaarigen sah, errötete er und brachte in seiner Gegenwart kein vernünftiges Wort heraus. Kurogane schien es nicht zu bemerken, oder er sagte einfach nichts dazu, was wohl wahrscheinlicher war. Und seine Mutter kicherte immer amüsiert, wenn sie dieses Verhalten beobachten konnte. Es war dem blonden Jungen unangenehm und es verwirrte ihn enorm, weswegen er für sich selbst entschied, von seinem fünf Jahre älteren Freund lieber etwas Abstand zu gewinnen. Und dieser akzeptierte das ohne weitere Fragen zu stellen. So war Kurogane nun mal, und wie es schien hatte er ohnehin genug mit sich und seinem Leben zu tun. Manchmal, wenn Fay genauer darüber nachdachte, dann war er enttäuscht, dass der Größere ihn nie auf die plötzliche Distanz ansprach, sondern sie einfach tolerierte, und seiner Wege ging. Er hatte sich selbst aus Kuroganes Leben hinausgeschaffen und diesen schien das nicht einmal zu stören. Ob es ihm überhaupt aufgefallen war, dass etwas, jemand, verschwunden war? Das Weihnachtsfest verbrachte er mit seiner Mutter und einer Freundin und gleichzeitig Arbeitskollegin von ihr, die ihre beiden Zwillingssöhne mitbrachte. Kamui und Subaru. Der eine verschwiegen, weil er etwas trotzig war, der andere stumm, da er zu schüchtern war etwas zu sagen. Sie waren ein Jahr jünger als der blonde Junge, aber dennoch kamen sie an diesem Abend ganz gut miteinander klar. Aber mit Kurogane zu feiern wäre sicherlich schöner gewesen… Fay war fünfzehn als die anstrengendste Zeit seines Lebens begann. In der Schule standen bald Prüfungen an, und die Lehrer schonten sie natürlich nicht. Und er hatte sich vor ein paar Monaten eingestanden, was seine Mutter schon ewig zu wissen schien: Er interessierte sich eher für das männliche Geschlecht, als für das weibliche. Eine Zeit lang hatte ihn der Gedanke noch verschreckt, bevor er dann beschlossen hatte sich selbst die Chance zu geben, den Dingen freien Lauf zu lassen. Vielleicht war es doch gar nicht so schlimm… Wo die Liebe am Ende hinfiel, war doch egal. Hauptsache, man hatte jemanden gefunden, dem man vertrauen konnte. Freya war genau derselben Meinung, weswegen sie ihren Sohn auch darin bestärkte, sich nicht selbst etwas vorzumachen und ihn immer mit einem mehr oder weniger guten Rat, oder zumindest einer verständnisvollen Umarmung zur Seite stand wenn ihr blonder Liebling das brauchte. Allerdings reichte allein das Wissen, dass man auf Männer stand nicht aus um irgendwelche Probleme zu lösen, und so hatte es bis in den November hinein gedauert, bis Fay endlich den Mut zusammengekratzt hatte um seinen momentanen Schwarm anzusprechen. Ashura, der eine Klassenstufe über ihm war. Und nun waren sie zusammen, recht frisch verliebt, auch wenn Fay sich nicht mehr so ganz erinnern konnte, wie es überhaupt am Ende passiert war. Wieso hatte er das vergessen? Von dem Abend, an dem Ashura ihn gefragt hatte, ob sie nicht zusammen sein wollten, erinnerte sich am genauesten an die Begegnung abends im Flur, als er in Kurogane hineingelaufen war. Eine halbe Ewigkeit war es her gewesen, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten und umso schockierender war es in dem Moment. Kurogane, mittlerweile zwanzig, über zwei Meter groß, braungebrannt und durchtrainiert… Fay schämte sich jetzt noch dafür, dass seine Gedanken in der darauffolgenden Nacht nicht seinem neuen und ersten Freund gegolten hatten sondern seinem Nachbarn. Seither hatte er den Schwarzhaarigen wieder aufs Sorgfältigste gemieden. Und bis Weihnachten begegnete er Kurogane zum Glück nicht mehr. „Das wird so nichts, Fay. Unsere Beziehung hat doch keinen Sinn mehr.“ Fay starrte seinen Freund aus großen, blauen Augen an, nicht willens, seine Worte zu verstehen. Wieso sagte Ashura so etwas? Nach den zwei Jahren, in denen sie soviel zusammen durchgemacht hatten. Sie hatten sich gegen die Hänseleien und dummen Anmachen zur Wehr gesetzt, sich oft gestritten und genauso oft wieder versöhnt. In den letzten Monaten hatte es nicht das kleinste Anzeichen dafür gegeben, dass etwas an ihrer Beziehung nicht stimmte. Weder auf zwischenmenschlicher, noch auf körperlicher Ebene. Also… „Warum?“, brachte er nach mehreren Minuten des Starrens mit gepresster Stimme heraus. „Ashura… warum sagst du so etwas?“ „Weil ich es leid bin, von dir zu hören, dass du mich liebst. Es stimmt nicht. Es hat noch nie gestimmt!“ Mit einmal bildete sich ein Kloß in Fays Kehle und er musste seine schlucken, seine Augen brannten. „Das ist nicht wahr…“ Es war zutiefst verletzend so etwas von einem Menschen zu hören, dem man vertraute und mit dem man alles geteilt hatte. Freud und Leid. Ängste und Glück. Ashura war ihm wichtig, und neben seiner Mutter der wichtigste Teil seines Lebens. Es fühlte sich an als stachen tausend Nadeln in seine Brust, als dieser ihre Beziehung beenden wollte. „Dann gib mir den Schlüssel!“ „Nein!“ Erschrocken schloss der blonde Mann die Faust um den silbernen Wohnungsschlüssel, der er an einer feingliedrigen Kette um den Hals trug. Kuroganes Wohnungsschlüssel. Kein besonders stilvoller Schmuck, aber er hatte es nie fertig gebracht, ihn aus der Hand zu geben. Stattdessen hütete er ihn wie einen wertvollen Schatz, was er für Fay auch darstellte. Denn dass Kurogane sein Eigentum nie zurückgefordert hatte, hatte ihn immer wieder lächeln lassen und einen leichten Rotschimmer auf die Wangen getrieben. Zu wissen, dass er nach wie vor jederzeit willkommen war, hatte Fay immer glücklich gemacht. Aber jetzt, in diesem Augenblick, als er seine Hand mit dem „Schatz“ darin so fest an seine Brust drückte und Ashuras traurige Augen sah, wusste er, dass er ihre Beziehung mit dieser Reaktion endgültig beendet hatte. „Bitte…Ashura. Morgen ist doch Weihnachten… du kannst nicht einfach…“ „Doch, ich kann.“ Behutsam strich der schwarzhaarige Mann ihm über die blasse Wange. „Und ich werde, Fay. Es tut mir leid, aber es ist besser für uns beide. Verbringe Weihnachten lieber dort, wo du es dir wirklich wünscht.“ „Aber das ist deoch…“ Nicht weinen, mahnte Fay sich innerlich und biss sie auf die Unterlippe. Nur nicht weinen! Auch wenn die Tränen, die er mühsam zurückkämpfte so heiß brannten, dass es fast unerträglich wurde. Eine einzige Frage dröhnte immer wieder durch seinen Kopf. Warum?! Ashura hatte sie ihm beantwortet, aber er wollte die Wahrheit nach wie vor nicht akzeptieren. „Nein, das ist nicht bei mir. Und das weißt du genauso gut wie ich.“ Traurig blickte sein Freund – Pardon Exfreund – ihm ins Gesicht, bevor er sich noch einmal dazu hinreißen ließ, ihn behutsam zu küssen. Ashura liebte ihn immer noch, das so deutlich zu spüren, aber vielleicht war es tatsächlich besser ihn gehen zu lassen… Er würde ihn sonst mit den Lügen noch zerbrechen, die er ihnen beiden als die Wahrheit zu verkaufen versuchte… „Ich wünsche dir alles Glück der Welt.“ „Hier.“ Fay blinzelte einmal. Zweimal. Immer wieder. Unfähig sich zu rühren, oder zu rea <=======================================~=======================================> <====~====> ~Schneeblume~ Puderquaste „Argh, diese verdammte Hexe! Ich wette, das hat sie mit Absicht gemacht. Warum können wir nicht einfach in die nächste Dimension reisen?!“ „Weil Mokona gesagt hat, dass es hier höchstwahrscheinlich eine Feder gibt.“, erklärte Shaolan dem gereizten Kurogane zum x-ten Mal mit Engelsgeduld. „Von wegen! Dieser Möchtegernhase steckt doch garantiert mit ihr unter einer Decke.“ „Sag das lieber nicht so laut, Kurogane-san.“, meldete sich der dritte Leidtragende im Bunde, Watanuki, zu Wort und stierte frustriert auf seinen Einkaufszettel. „Wenn Yuuko mitkriegt, dass du schlecht über sie redest, wird sie fuchsteufelswild. Und glaub mir, sie hat ihre Ohren überall.“ Kurogane knurrte und zerdrückte fast die Einkaufstüten, die er trug. „Das ist mir egal. Soll sie doch toben, dämliche Ziege!“ „Haben wir jetzt alles?“, erkundigte sich Shaolan bei Watanuki, um Kuroganes Schimpftirade Einhalt zu gebieten. Der Angesprochene nickte langsam. „Jaah... Auch wenn ich nicht verstehe, warum sie uns am Neujahrstag einkaufen schickt, wo eh fast alle Geschäfte geschlossen sind.“ „Weil sie eine sadistische Freude verspürt, wann immer sie jemanden quälen kann.“, kam die Antwort des Kriegers wie aus der Pistole geschossen. Shaolan lächelte schwach. „Lass gut sein, Kurogane-san. Gehen wir zurück.“ Also machten sie sich auf den Rückweg. Shaolan und seine Gefährten befanden sich zurzeit im modernen Japan. Am Silvestermorgen waren sie hier angekommen und einigermaßen erstaunt gewesen, als sie sich plötzlich vor Yuukos Haus wiedergefunden hatten. Die Dimensionshexe hatte sie verzückt begrüßt und zu ihrer kleinen Silvesterfete eingeladen. Natürlich nicht ohne eine Gegenleistung zu verlangen, was soviel hieß, dass sie Kurogane, Shaolan und zu seinem Leidwesen auch Watanuki ununterbrochen durch die Gegend scheuchte. Im Gegensatz dazu waren die anderen mit Kochen ziemlich gut weggekommen. Nun war der Jahreswechsel, zu dem sehr viel Alkohol geflossen war, vorbei und Yuuko ließ ihre Sklaven weiterhin nach ihrer Pfeife tanzen... „Ist dieses Japan deiner Heimat eigentlich ähnlich, Kurogane-san?“, fragte der Beschützer der Prinzessin, um seinen Lehrer auf andere Gedanken zu bringen, während sie in Yuukos Garten einbogen. Kurogane sah sich nachdenklich um und schüttelte den Kopf. „Gar nicht. Hier ist nichts wie bei uns. Die Tempel haben eine gewisse Ähnlichkeit, aber sonst... Hier würde ich nicht leben wollen.“ Um seine Worte zu untermalen verzog er angewidert das Gesicht. „Schon allein, weil diese Hexe hier lebt...“ Shaolan seufzte und gab es auf. „Wir sind wieder da!“, riefen er und Watanuki gleichzeitig, während sie sich die Schuhe von den Füßen streiften. „Hier sind wir!“, kam die Antwort aus irgendeinem Zimmer in den Untiefen des Hauses. Die drei jungen Männer brauchten geschlagene fünf Minuten bis sie das Hier gefunden hatten. Missmutig riss Kurogane die Schiebetür auf, gab einen entsetzten Laut von sich und wich einige Schritte zurück. Erstaunt spähten Shaolan und Watanuki an ihm vorbei und liefen rot an, als sie sahen, was ihn so geschockt hatte. Yuuko, ihre zwei Dienerinnen, Sakura und Fye trugen allesamt nichts weiter als farbige Bademäntel und hatten es sich auf gemütlichen Liegen bequem gemacht. Die beiden Mokonas hatten sich in je eine Bademantelkordel gewickelt und tummelten sich irgendwo dazwischen. Sie grinsten den völlig entgeisterten Neuankömmlingen breit entgegen, was ziemlich grotesk aussah, da alle eine entweder weiße, grüne oder braune Masse auf Gesicht und Dekolleté hatten. „Ah willkommen zurück.“ Yuuko erhob sich feixend und schwebte auf sie zu. „Ich hoffe, ihr habt auch nichts vergessen.“ Sie beugte sich mit bohrendem Blick zu Kurogane vor, welcher noch einen Schritt zurückwich, denn ihr Ausschnitt war nach seinem Geschmack viel zu tief. „Ohohoho, Schwarzer, wie unanständig.“, lachte sie und tat so, als würde sie ihren Bademantel öffnen. „Du wirst dir doch wohl nicht gerade vorstellen, wie ich ohne aussehe, du Schlingel...“ Der arme Krieger lief puterrot an und fauchte böse: „Niemals! Eher würde ich dem verdammten Magier einen Heiratsantrag machen!“ „Oh, wie nett~!“ Fye lachte auf und stand ebenfalls auf. „Die Antwort lautet: Ja.“ Kurogane drehte sich entnervt zu ihm. „Sehr witzig. Was zum Teufel soll das hier eigentlich werden?“ Ihm entgleisten fast die Gesichtszüge, weil er erkennen musste, dass der Blonde Gurkenscheiben im Gesicht und auf dem Schlüsselbein hatte. „Wir haben uns gedacht, wir vollziehen in einer gemütlichen Mädelsrunde ein paar reinigende Neujahrsrituale.“, erklärte Fye grinsend. „Und was genau... macht IHR dann hier?!“, tobte der Ninja und deutete auf Fye und die Mokonas. Lachend flüchteten die drei und brachten sich hinter Sakura und den Mädchen in Sicherheit. „Lass sie doch, Gesichtsmasken sind gut für die Haut. Sollten die Herren der Schöpfung vielleicht auch mal probieren.“, kommentierte Yuuko amüsiert und hielt Shaolan eine Schale mit einer weißen Quarkmasse unter die Nase. Seine Gesichtsfarbe und die Watanukis wechselte zwischen knallrot und aschfahl, während sie versuchten, keine der anwesenden Damen anzusehen. „N-nein danke, Yuuko-san!“ Kurogane rieb sich die Schläfe. Er war hier in einem Irrenhaus, soviel stand fest. Die hatten doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Und das schlimme war, dass die Prinzessin da auch noch mitmachte und sichtlich ihren Spaß hatte. Außerdem ließen ihn seine Leidensgenossen gerade im Stich, denn Watanuki und Shaolan waren angesichts der halbnackten Dimensionshexe – Kami sei Dank stellte sich heraus, dass sie unter dem Bademantel noch Unterwäsche trug – K.O. gegangen. Es war einfach zu viel gewesen. Fehlte nur noch Schaum vor ihren Mündern. „Genug jetzt. Zieht euch endlich was Richtiges an!“, befahl Kurogane, doch niemand hörte auf ihn. Fye tänzelte auf ihn zu. „Kuro-pii, ich kenne da noch ein Neujahrsritual... Eins, um die Geister gnädig zu stimmen und viel Glück im neuen Jahr zu haben.“ „Tatsächlich?“, gab der Schwarzhaarige wenig interessiert zurück und wand seinen Blick eilig von Fyes Ausschnitt ab. Blöde Gurken! „Jaah!“ Der Magier stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Kurogane, ehe dieser sich versah, einen warmen Kuss auf die Wange. Perplex starrte Kurogane ihn an und erntete ein kokettes Zwinkern. „...Das soll Geister gnädig stimmen und Glück bringen?“, murrte er zweifelnd. „Na ich weiß ja nicht. Pass bloß auf, dass ich dir nicht den Bademantel klaue, du Spinner.“ Fyes Augen glänzten begeistert. „Das würdest du tun?? Soll mir das vielleicht sagen?“, grinste er anzüglich und ahmte Yuukos Bewegung nach, mit der er den Stoff etwas beiseite schob. Die anderen machten große Augen, außer der Hexe, die sich kaum noch ihr Lachen verkneifen konnte. Für einen Moment schien es, als wollte Kurogane wieder loszetern, doch dann überlegte er es sich anders. Genauso anzüglich grinste er zurück. „Vielleicht...“ Owari Kapitel 7: 06.Woche - Waldmeistersirup und Krone ------------------------------------------------ ~Klayr~ Was man mit Waltmeistersirup nicht alles machen kann „Kuro-sama~!“ Fay gab ein verärgertes Murren von sich, und zog die Augenbraun zusammen, verschränkte die Arme, als er zu seinem Reisegefährten hinuntersah, der gelassen, aber in nicht weniger trotziger Haltung auf dem Bett saß. Dieser sture...! „Wir haben die Münze geworfen, und die Krone lag oben, also hast du verloren! Du weist was das heißt, also sei nicht unfair!“ Wieso konnte der Schwarzhaarige nicht einfach nachgeben? Es würde ihm im nachhinein doch eh gefallen, und das wussten sie BEIDE! „Tche!“ Kam als abwertende Antwort, und Kurogane murmelte noch irgendetwas, das wie „Ist doch lächerlich“ klang. Der Magier verdrehte die Augen. Auch wenn sie nicht offiziell ein Paar waren – sie waren es ja nicht mal inoffiziell – konnten sie doch mal etwas Abwechslung haben. Für Sex war er Kurogane doch auch genug. Aber wenn er mal einen Wunsch äußerte, war da natürlich nichts zu machen. Aber er wollte seinen Willen. Wenigstens dieses eine mal! Und da diskutieren bei diesem Sturkopf einfach keinen Sinn machte, musste er wohl Argumente für sich sprechen lasen! Rittlings ließ er sich auf Kuroganes Schoß nieder, vergrub eine Hand im Haar des Ninjas, währender die andere auf der breiten Brust ablegte. „Bitte...“, murmelte er leise gegen die rauen Lippen, aber Kurogane drehte lediglich den Kopf weg. Immer das Gleiche. Sex ja, Küssen nein. Dabei war es doch so was Schönes! Fay seufzte innerlich und erlaubte es sich zumindest seinen Mundwinkel zu küssen, bevor seine Lippen über die gebräunte Wange wanderten, hinüber zum Ohr. „Bitte, Kurogane...“ Diesmal gab er seiner Stimme mit Absicht einen raueren Unterton und auch das er den Namen des Kriegers nicht abkürzte, war pure Berechnung. Der Blondschopf wusste das sein Gegenüber im Bett nicht darauf stand, auch wenn er sich davon meistens nicht stören ließ. Aber heute wollte er ja etwas haben. Und er spürte das es funktionierte, als ein leichtes Schaudern durch den muskulösen Körper des anderen Mannes ging. “Komm schon. Du darfst dir nachher auch was wünschen~“ Ganz unauffällig hatten sich seine Finger daran gemacht, Kuroganes Hemd aufzuknöpfen, und natürlich hatte dieser das bemerkt, aber sich nicht dagegen gewährt. Fay muste grinsen. Er hatte schon gewonnen, und das wussten sie, dennoch tat er dem Ego des Kriegers den gefallen, ihn noch ein wenig zu betteln. „Danach gehör ich auch ganz dir... Die Kinder sind ausgegangen, du kannst mit mir machen was du willst. Und wo du es willst~“ Ein Grinsen huschte über seine schmalen Lippen. Diese Aussichten gefielen ihm. Und er war sich sicher, sein schwarzhaariger Reisegefährte wurde davon Gebrauch machen. Als das Hemd offen und von den breiten Schultern gestreift war, lies sich Kurogane widerstandslos aufs Bett zurückdrücken. „Tu was du nicht lassen kannst.“ Ein erfreutes Miauen drang aus Fay Kehle, und vor lauter Begeisterung drückte er ihm einen Kuss auf die nasenspitze. „Du wirst es nicht bereuen!“ Bevor es sich der Schwarzhaarige anders überlegen konnte, beeilte er sich lieber, das kleine Flaschen vom Nachtisch zu greifen, und streifte sich der Fairness halber selbst noch sein Shirt ab. Dann nahm er auf den Hüften des Größeren platz. Angedeutet rekelte er sich etwas, kam nicht umhin zu bedauern, das sie noch Hosen an hatten, bevor er sich aber wieder seinem eigentlichen Objekt der Begierde zuwand. Dem kleinen Fläschchen. „Was war das noch mal?“ Kurogane klang nicht wirklich interessiert, aber seien Stimme war raus genug um darauf schließen zu können, das er eh nur sprach um sich von gewissen Bedürfnissen ablenken zu können. Und die leichte Beule, die Fay an seinem Hintern spürte, war bestätigte das auch noch. „Waldmeistersirup~“ Kichernd lies er seine langen Finger in die grüne, etwas zäh klebrige Flüssigkeit tauchen. Leckte die feinen, süßen Tropfen dann genüsslich ab. Kuroganes intensiver Blick hing an ihm, da konnte man doch eine Show abliefern! Zumal ihm gleich im einiges Wärmer wurde, wenn der Schwarzhaarige ihn so ansah. „Sirup, eh? Ist ja widerlich.“ „Mal sehen ob du nachher das selbe sagst.“ Fay ließ sich Zeit, streichelte über die straffe Brust vor sich, beschäftigte sich mit seinen eigenen Fingerspitzen, genoss es zu spüren, wie sehr allein das den Anderen schon aufheizte. Ab und an konnte er auch nicht wiederstehen, sein Becken angedeutet an Kuroganes Schritt zu reiben und verzückt beobachten, wie dieser auf das Gefühl hin, leicht die Lippen öffnete, oder ihm kurz der Atem stockte. Gott, was war dieser Mann heiß! Wenn der Magier sich nicht beeilte, stand ihm bald nach anderem der Sinn, als nach dem was er mit dem Sirup vorhatte. Aber sicherlich würde er den Krieger nie wieder dazu kriegen. Langsam neigte er das kleine Flächen etwas, beobachtete, wie der erste klebrige Tropfen auf die breite Brust perlte, wie Kurogane leicht zusammenzuckte, hatte er doch nicht damit gerechnet. Schokosirup hätte besser auf die gebräunte Haut gepasst, als diese grüne Substanz, aber sie mussten sich wohl damit zufrieden geben, was sie hatten. Weitere Tropfen folgten, und er malte ein Muster aus Sirup auf diesen schönen, muskulösen Körper, bevor er dieses mit den Fingerspitzen wieder verstrich. Dann stellte er die Flasche erst einmal beiseite und beugte sich zu seinem Reisegefährten hinunter. Die Lippen wurden ihm wieder verwähr, aber damit hatte Fay leben gelernt, stattdessen begann er mit leichten, aber intensiven Küssen und mit seiner neckenden Zungenspitze, die süße Flüssigkeit von der delikaten Haut zu lecken. Und oh~ das war besser, als er es sich vorgestellt hatte. Besonders als Kurogane ihm endlich nachgab, sich leicht unter den Berührungen wand, als die frechen Lippen seine Knospen erreicht hatten, und diese mit besonderem Interesse zu verwöhnen begannen. Aber nicht für lang, dann wanderte der Mund des Magiers auch schon weiter über die stramme Brust, erkundete die Bauchmuskeln und ging immer tiefer. Erst bei Kuroganes Nabel machte er Halt, und träufelte mehr von dem grünen Sirup auf dessen Bauch, sah zu wie dieser langsam in die kleine Auskuhlung lief. Allein das zusehen weckte so viel Lust auf mehr, Fay musste ein Stöhnen unterdrücken. Und er hielt es nicht aus, allein Kuroganes Oberkörper zu verwöhnen, er wollte mehr von dem Mann. Mit einer Hand strich er angedeutet über die schon recht ansehnliche Beule zwischen Kuroganes Schenkeln, und das leise aufkeuchen, das diesem entfuhr, war Bestätigung genug. Auch er wollte mehr. Während Fay die grünen Sirup aus seinem Bauchnabel nippte, nestelten seine Hände fahrig an Kuroganes Hose herum, brauchten blind einen Moment, um sie aufzubekommen. Schließlich konnte er sie dem Krieger aber samt Unterhose abstreifen, und eine schon stolz stehende Erregung freilegen. Ein feines Grinsen zierte die Lippen des Magiers, als er sich wieder aufsetzte, und in aller ruhe – was ihn nicht gerade wenig Selbstbeherrschung kostete – begann Tropfen für Tropen auf das heiße Glied perlen zu lassen, sich dezent erregt über die Lippen leckend. Lange konnte er aber nicht wiederstehen, und begann die grüne Flüssigkeit mit den Fingerspitzen zu verteilen. Gelegentlich entlockte er Kurogane ein Keuchen und bekam selbst eine Gänsehaut davon. Aber als er sich endlich hinunterbeugen wollte, um auch von seinen Lippen gebrauch zu machen, spürte er plötzlich starke Hände an seinen Schultern, die ihn nach oben zogen. „Das reicht!“ Kuroganes ohnehin schon tiefe Stimme, war rau und lustgetränkt und sannt einen heißkalten Schauer Fays rücken hinunter. „Willst du aufhören?“, murmelte er atemlos. Der Schwarzhaarige entwand ihm die Sirupflasche und mit mildem Interesse beobachtete der Kleiner, was Kurogane da tat. Er benetzte seien Finger damit, nur um seine Hand dann zwischen seine Beine... Fays Augen weiteten sich erschrocken. „N-nicht. Nicht mit den Sirup, das... Oh ja~“ Als Fay die beiden Finger in sich gleiten spürte, konnte er nicht anders als begeistert aufzuschnurren. Schon war die klebrige Substanz, die Kurogane einfach zum Gleitmittel umfunktioniert hatte, vergessen und er wollte einfach nur Mehr. Mehr von diesen Berührungen, mehr von diesem Gefühl, einfach Alles! „So haben-hmmm~ wir aber nicht ge-gewettet, Kurog-aAHH~hm!“ Ein dritter Finger unterbrach seien Worte effektiv, und Fay krallte sich in die Schultern des Ninjas, immer wieder lustvoll aufstöhnend, als dieser seine Finger in ihm bewegte. Sein ohnehin schon schnell gehender Atem stockte, als er spürte wie die rauen Fingerspitzen jenen ganz bestimmten Punkt in ihm berührten, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit über seine Lippen zu jagen, und Fay konnte nicht anders, als sich unkontrolliert aufzubäumen. Kurogane war viel zu gut im Bett, Gott der brachte ihn noch um den verstand! „Mehr...! Bitte-haa.“ Er konnte nicht anders als ihn mit leicht flehender Stimme darum anzubetteln, sein Stolz hatte sich spätestens jetzt verabschiedet. „Ich will dich in mir. Kurogane...“ Und der Schwarzhaarige lies sich nicht zweimal darum bitten. Kaum spürte Fay, wie die klebrigen Finger durch dieses heißpulsierende und oh so große Glied ersetzt wurden war es um seinen Verstand geschähen, und er konnte sich Kurogane einfach nur noch vollkommen hingeben. Stöhnend, keuchend, und zitternd wand er sich auf ihm, konnte nicht genug bekommen von den heißen Stößen, die ihn alles vergessen ließen. Und selbst das Kurogane seinen Willen mal wieder durchgesetzte hatte, störte den Magier nicht. Es war einfach zu gut, als das er sich beschwären wollte. Als es vorbei war, lagen sie klebrig und verschwitzt auf dem Bett. Das Gefühl von Kuroganes heißem Samen so tief in ihm, hallte noch immer nach, lies den Blondschopf von Zeit zu Zeit leicht erschaudern, und genießenden Laute von sich geben. In irgend einer Dimension hatten sie mal etwas benutzt, das sich ‚Kondom’ nannte, aber ohne war es eindeutig besser, außerdem hatten sie damals eh keine mitgenommen „Wir sollten duschen. Und warum liegt die Münze von vorhin hier im Bett, hattest du die nicht in der Küche gelassen?“ „Hmm... sollten wir...“ Fay schnurrte zufrieden und schläfrig, aber er musste grinsen als er Kuroganes letzte Worte hörte. „Eine gleichseitige Münze? Hab ich’s doch gewusst.“ Ups, er war durchschaut... <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Schneeblume~ Ein Märchen in Waldmeistergrün „Kuro-tan, was trinkst du da?“ Es dauerte einen Moment bis Kurogane überhaupt reagierte. Er saß vor seinem Laptop und schrieb an seiner Diplomarbeit. Er tat seit Tagen, sogar Wochen, nichts Anderes. Für Fye bedeutete das eine gehörige Portion Langeweile, denn er wollte natürlich nicht Schuld daran sein, wenn sein Freund eine schlechte Note bekam. Nichtsdestotrotz konnte er hin und wieder, wenn er etwas planlos durch ihre Wohnung spazierte, nicht an sich halten und machte nachdrücklich auf sich aufmerksam. So auch an diesem sonnigen Sonntag im Spätsommer. Fye musterte Kurogane, der ein lockeres T-Shirt und eine lange Stoffhose trug. Der Schwarzhaarige schaute angestrengt auf den Bildschirm, schlug ab und an etwas in einem Buch nach, tippte anschließend schnell und geschickt auf den Tasten herum. Trotzdem machte er einen entspannten Eindruck, der eindeutig sagte, dass er sich hier heimisch und wohl fühlte. Fye liebte diesen Anblick. Wenn er seinen Geliebten so sah, hoch konzentriert, mit seiner randlosen Brille – die ihm nebenbei gesagt ausgesprochen gut stand – auf der Nase, wurde ihm ganz warm ums Herz und er stellte einmal mehr fest, wie sehr er diesen Mann doch liebte. Eben jener wurde sich der Anwesenheit des Blonden bewusst und sah fragend auf. „Hm?“ „Was trinkst du da, Kuro-sama?“, wiederholte Fye und schnupperte neugierig an dem Glas, das neben dem Laptop stand und mit giftgrünem Inhalt gefüllt war. Kurogane hob eine Augenbraue. „Gegenfrage: Was hast du da auf dem Kopf?“ Fye reckte stolz die Brust. Er trug einzig ein übergroßes Shirt aus dem Schrank seines Partners, Wollsocken und auf dem Kopf... „Eine Krone!“ „Alles klar.“ Der Ältere senkte sein schwarzes Haupt ohne einen weiteren Kommentar wieder über seine Bücher. Er kannte die merkwürdigen Anwandlungen des Blondschopfes zu Genüge. Ihn schockte so schnell nichts mehr. Fye schürzte empört die Lippen. Dabei hatte er sich beim Basteln seiner Krone solche Mühe gegeben und extra goldglänzendes Papier verwendet! „Kuro-piiiii!“ Oha, dieser quengelnde, vorwurfsvolle Unterton gepaart mit dem lang gezogenen Namensanhängsel ließ bei Kurogane die Alarmglocken läuten. Wenn er seinen Freund jetzt nicht beachtete, riskierte er tagelange Ignoranz. Nicht, dass es ihn störte, wenn er zum Schreiben seine Ruhe hatte, aber ein eingeschnappter Fye war das Letzte, was er wollte. Das wieder gerade zu biegen, war nicht witzig, wirklich nicht. Und ihm fehlten sowohl Zeit als auch Nerv dafür. Also hob Kurogane gehorsam erneut den Kopf. „Entschuldige, was ist?“ Halbwegs besänftigt, aber noch ausreichend beleidigt, um nicht zu antworten, machte der Kleinere eine wage Handbewegung in Richtung des Glases. „Waldmeisterbrause.“, gab Kurogane brav Auskunft und verkniff sich ein Grinsen, als er Fyes verdutztes Gesicht sah. Der Blonde vergaß seinen verkannten kunstvollen Kopfschmuck zur Gänze und schaute zwischen dem Glas und seinem Freund hin und her. „Wir haben Waldmeisterbrause und du trinkst das freiwillig??“ „Genau genommen haben wir Sirup und ja, irgendwie schmeckt mir das Zeug. Darf ich jetzt weiter schreiben, bitte?“ Völlig von den Socken brachte Fye nur ein Nicken zustande. Während Kurogane mit dem Tippen fortfuhr, griff der Jüngere sich das Glas und nippte daran – und verzog das Gesicht. „Irks, das erklärt alles. Da ist ja fast nur Selter und so gut wie kein Sirup drin.“, beschwerte er sich, erntete aber nur ein abwesendes Schulterzucken. Fye beschloss, dass es besser war, Kurogane jetzt in Ruhe arbeiten zu lassen, und verzog sich in die Küche. Dort sah er sich wieder seiner Langeweile ausgesetzt. Um nicht dumm herumzusitzen, bereitete er das Abendessen vor, obgleich die Küchenuhr erst nachmittägliche viermal geschlagen hatte. Schließlich war auch das erledigt und Fye saß wieder gelangweilt am Küchentisch. Urlaub war ja schön und gut, aber wenn er sich die Zeit ohne Kurogane vertreiben musste... Er seufzte und ließ seinen Blick über die aufgeräumte Küche wandern. Da entdeckte er auf einmal eine weiße Plastikflasche mit grünem Etikett, die er hier noch nie gesehen hatte. Neugierig stand der Blonde auf, nahm sie in die Hand und öffnete den Verschluss. „Das muss der Sirup sein.“, stellte er fest und roch probeweise daran. „Fruchtig und sehr süß, hm... Wenn man ihn nicht so stark verdünnt, schmeckt er bestimmt gut.“ Gesagt, getan. Mit diebischer Freude mischte er solange Sirup mit Selter, dass am Ende mehr von ersterem als von letzterem im Glas war. Mit einem verzückten Mauzen ließ er sich wieder auf einen Stuhl plumpsen und löffelte die leuchtend grüne Brause. Dabei stellte er sich vor, dass er einen Zaubertrank vor sich hatte, den eine böse Hexe dem Prinzen untergejubelt hatte, um ihn zu vergiften. Doch obwohl der Prinz schnell merkte, dass er einen Fehler machte, konnte er einfach nicht von dem Trank lassen, denn er schmeckte einfach zu gut! Während Fye einen Heldentod starb, war Kurogane auf dem Weg in die Küche, weil es ihm merkwürdig vorkam, dass sein Freund seit längerem nichts mehr von sich gegeben hatte. Skeptisch beobachtete er Fye, wie dieser sich wand, halb auf dem Küchentisch liegend, und tapfer gegen die böse Hexe kämpfte. Er räusperte sich vernehmlich, was seinen Gegenüber aufschreckte. „Ah...haha, Kuro-sama...“ Verlegen kratzte Fye sich am Hinterkopf und richtete sich wieder auf. Der Schwarzhaarige verdrehte nur die Augen. „Ich will es gar nicht wissen...Was-?“ Der feuerrote Blick blieb an dem halbleeren Glas hängen, dessen Inhalt um einiges dunkler war als seine eigene Brause. Ihm kam ein Gedanke... ein schrecklicher! Fye bekam plötzlich ein merkwürdiges Gefühl – es schrie ihm förmlich zu, die Beine in die Hand zu nehmen – und folgte dem sehr dunklen Blick... „Fye...! Du-!!“ „Aaaaah!“ In diesem Moment wünschte sich der Blondschopf innig, die Hexe vor sich zu haben und keinen Feuer speienden Drachen. Selbst eine halbe Stunde später klingelten Fye noch die Ohren von Kuroganes Schimpftirade, die Phrasen wie „Hast du eine Ahnung, wie schwer es ist, genau diesen Sirup zu bekommen?!“ und „Weißt du überhaupt, wie teuer dieses Zeug ist?! Und leerst mit einem Mal die halbe Flasche!“ enthalten hatte. Tja, es gab Dinge, die sich auch sein schwarzhaariger Freund nur ungern wegnehmen ließ. Und da er eine Schwäche für Waldmeisterbrause hatte, gehörte diese zu Fyes Pech nun mal dazu. Erwähnter Pechvogel vom Dienst lag demonstrativ schniefend und schmollend im Nebenzimmer auf der Couch. So was! So behandelte man keinen Prinzen. Eine Schnute ziehend drehte er sein Krönchen in den Händen, ehe er sie sich wieder auf den Kopf setzte. Als Kurogane ihn aus der Küche geworfen hatte, war sie nämlich heruntergefallen und nun ganz zerknittert. Fye drehte sich betrübt auf die Seite. Das war doch alles gemein, die ganze Welt musste gegen ihn sein. Und nun war Kurogane auch noch sauer auf ihn. Unfair. Nur weil ihm langweilig gewesen und er so eine Naschkatze war. Mit einem letzten Schniefen schlief er ein. Etwa anderthalb Stunden später streckte Kurogane sich ausgiebig, nahm seine Brille ab und klappte den Laptop zu. Er hatte sich eine Schreibpause redlich verdient. Und wie konnte er sie besser nutzen als seinem eingeschnappten Kätzchen, das garantiert irgendwo saß und schmollte, ein bisschen Honig ums Maul zu schmieren. Kurogane grinste in sich hinein. Er war längst nicht mehr sauer auf Fye – auch wenn er bei seiner Brause keinen Spaß verstand – aber sein Geliebter tanzte ihm eh permanent auf der Nase herum, da durfte er doch wohl hin und wieder mal auf den Tisch hauen. Symbolisch natürlich nur. Außerdem war die Versöhnung nach solchen, im Prinzip nicht ernst zu nehmenden, Kabbeleien immer sehr... anregend. Neugierig spähte Kurogane zuerst in die Küche, dann nebenan in den Raum. Dort wurde er fündig. Fye hatte sich schlafend eingerollt und schnarchte leise. Der Schwarzhaarige nutzte den Augenblick, um seinen lebensfrohen Flummi, der sein Leben gehörig durcheinander gebracht hatte, liebevoll zu betrachten. Er setzte sich auf die Lehne und kraulte Fye sanft den Nacken. Der Jüngere schmatze genießend, drehte sich auf den Rücken und blinzelte verschlafen. Kurogane strich durch die blonden Strähnen und ließ ihm Zeit, wach zu werden. „Kuro-sama.“, nuschelte Fye gähnend und schmiegte sich vertrauensvoll an die große, warme Hand. „Bist du fertig?“ Kurogane schüttelte leicht den Kopf. „Schön wär's. Aber ich bin gut vorangekommen. Ich denke, ich werde früher fertig als geplant.“ „Zum Glück.“, erwiderte der Kleinere und blickte sehnsüchtig zu seinem Partner auf, bekam dafür ein handverlesenes Lächeln. Außerdem erhob Kurogane sich von der Lehne, nur um sich behutsam auf Fye zu legen, sich dabei mit den Unterarmen und Knien abstützend. Fye hatte die Arme einladend geöffnet und legte sie nun um den Hals seines Freundes. Verspielt stupste er seine an Kuroganes Nase und murmelte ein zärtliches „Hey...“. „Hey.“, gab der Obenliegende leise zurück und gab ihm einen langen Kuss auf die rosigen – leicht grünstichigen – Lippen. Als er sich wieder von ihnen löste, saßen die treuen blauen Augen schuldbewusst zu ihm auf. „Bist du nicht mehr böse mit mir?“ Spätestens bei diesem Blick nicht mehr, dachte der Schwarzhaarige bei sich und rieb seine Nasenspitze an Fyes Wange. „Nur, wenn du in Zukunft die Finger von meiner Brause lässt oder wenigstens nicht so viel Sirup nimmst.“ „Okay! Versprochen.“ „Hat's denn wenigstens geschmeckt, Prinzessin?“ Fye streckte ihm die Zunge raus – sie hatte ebenfalls einen leichten Grünstich – und verbesserte mit wackelndem Zeigefinger: „Von wegen Prinzessin! Ich bin ein Prinz! Und ich musste gegen eine böse Hexe kämpfen, die mich vergiften wollte. Fast hätte ich sie besiegt, doch dann bin ich plötzlich in einen tiefen Schlaf gefallen. Und nun warte ich darauf, dass ein stattlicher Prinz in schillernder Rüstung kommt und mich mit einem Kuss weckt und rettet!“ Demonstrativ wanderten Kuroganes Augenbrauen nach oben. „Wirfst du da nicht ein paar Märchen durcheinander?“ „Nein! Das ist mein eigenes Märchen. Aber darum geht es doch gar nicht! Wenn mich der Held nicht bald rettet, werde ich für immer schlafen!“, protestierte der blonde Prinz. „Na das wollen wir ja nicht.“, bemerkte sein Geliebter, dessen Hausklamotten mit viel Fantasie vielleicht als schillernde Rüstung durchgingen, „Da würde uns beiden so einiges entgehen...“ Damit verschloss er Fyes Lippen erneut mit seinen. Der folgende Kuss dauerte noch länger als der vorherige, war zudem um einiges intensiver. Die Stimmung war umgeschwungen. Es dauerte nicht lange bis sämtliche Kleidungsstücke, bis auf Fyes Krone und Wollsocken, auf dem Boden neben der Couch lagen. Während Kurogane seinen Blondschopf stürmisch und verlangend küsste, glitten seine Hände erkundend den schlanken Körper hinab. Seine Fingerspitzen liebkosten zärtlich die helle Haut, wie sie es so oft taten. Und wie so oft war Fye ein dankbarer Abnehmer dieser Zärtlichkeiten und genoss jede warme und doch aufreizende Berührung. Er selbst hatte seine Hände in dem unordentlichen schwarzen Haar vergraben und schmiegte sich mit lockenden Bewegungen der Länge nach an seinen Geliebten. Beide ließ das Tun des Anderen längst nicht mehr kalt. Im Gegenteil. Fye erschauderte, allein weil er es so liebte, Kurogane Haut an Haut zu spüren. Er spreizte die Beine einladend ein Stück, sodass der Ältere automatisch zwischen sie glitt. Der intime Körperkontakt ließ beide aufstöhnen. Sie lösten den Kuss und sahen sich an. Die blauen Augen waren lustverschleiert und Fyes Wangen bedeckt von einer verführerischen Röte. Kurogane musste lächeln und bekam dieselbe Geste zurück. Während er sich daran machte, seinen Prinzen auf Zeit für das Kommende vorzubereiten, knabberte er neckend an dessen rosigen Knospen. Fye keuchte auf und bog fordernd seinen Rücken durch. Zwar kam der Größere dem innigen Wunsch nach Mehr gerne nach, ließ sich dabei aber viel Zeit und nicht aus der Ruhe bringen. „Du rächst…haah… dich gerade für den Sirup-aaah! ...Kann das sein?!“, beschwerte Fye sich schließlich gequält und hielt es kaum noch aus. Wenn sein Freund so weitermachte, würde er ihn über die Klippe stoßen, obwohl er es noch gar nicht wollte. Kurogane grinste teuflisch. „Sei nicht albern, als ob ich solch niedere Motive hätte.“ Und wie er die hatte! Das wurde dem Kleineren nun auch klar. Fye wollte protestieren, brachte aber nur ein haltloses Stöhnen heraus. Doch irgendwann hatte auch ein rachsüchtiger Drache mal Mitleid – zudem ein kaum noch zu bändigendes Verlangen. Kurogane ließ von Fye ab, legte sich sanft dessen Beine auf die Schultern und drang behutsam in ihn ein. Erleichtert, wenn auch kurz das Gesicht verziehend, hob Fye seine Hüfte ein wenig an und schloss konzentriert die Augen. Kurogane achtete genau auf die Mimik des jungen Mannes unter ihm, konnte jedoch keine Anzeichen von Unwohlsein oder starken Schmerzen entdecken. Sie waren schon lange genug ein Paar und hatten nicht selten miteinander geschlafen, sodass sie wussten, wie sie es am angenehmsten gestalteten. So ganz schmerzfrei war es für Fye nie, doch die Erfahrung versprach ihm mehr als angemessene Entschädigung. Als der Schwarzhaarige ganz in ihm war, begannen sie sich mal mit einander, mal gegeneinander zu bewegen. Anfangs war ihr Tempo langsam, sodass sie die berauschenden Gefühle ihrer Vereinigung ausgiebig genießen konnten. Doch da inzwischen nicht nur Fyes Erregung unerträglich groß war, steigerten sie es alsbald. Blind fanden sich ihre Lippen erneut zu leidenschaftlichen, aber liebevollen Küssen, die immer wieder von Aufstöhnen und Keuchen unterbrochen wurden. Als Fye schließlich sich aufbäumend seinen Höhepunkt erreichte, riss er Kurogane mit sich, der mit einem leisen Aufschrei tief in ihm kam. Schwer atmend sank der Schwarzhaarige auf Fye nieder und strich ihm liebevoll ein paar wirre blonde Strähnen aus dem Gesicht. Zum Dank erhielt er ein gewispertes Liebesgeständnis, das ebenso leise erwidert wurde. Kurogane angelte nach einer Decke und zog sie über ihre verschwitzten Körper, und stutzte plötzlich, weil Fyes Lippen ein feixendes Grinsen zierte. „Was?“, verlangte er misstrauisch zu wissen. „Hehe, Kuro-pii! Wenn ich jedes Mal so bestraft werde, wenn ich zu grüne Brause trinke, dann nehme ich mein Versprechen wieder zurück!“ „Das wagst du nicht, du Prinzenverschnitt, sonst misch ich dir wirklich Gift darein!“ „Du musst deine Arbeit schreiben, du kannst mich nicht davon abhalten! Hahaha!“ Kurogane knurrte drohend, doch Fye dachte gar nicht daran, sich einschüchtern zu lassen. Stattdessen verkündete er albern: „Und die Moral von der Geschicht: Traue eine gewitzten, gut aussehenden Prinzen nicht! Er könnte Hintergedanken haben…“ Owari Kapitel 8: 07.Woche - Tanz -------------------------- ~Schneeblume~ Von Tapferkeit und Mitgefühl Eigentlich hatte Kurogane gedacht, mal einen entspannten Nachmittag mit seinem Betthäschen verbringen zu können. Doch wie hieß es so schön: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ein dämliches Sprichwort, wenn man ihn fragte. Der schwarzhaarige Dämon war einer der engsten Vertrauten Satans und demzufolge permanent schwer beschäftigt. Da blieben Schäferstündchen leider oftmals auf der Strecke. Das passte ihm natürlich gar nicht in den Kram, doch es gab nun mal immer etwas zutun in der Unterwelt. Dafür waren die – mehr oder weniger – friedlichen Stunden, die er mit seinem Geliebten verbringen konnte, umso befreiender. Ja, er, einer der begehrtesten Dämonen, denen jeder andere zu Füßen lag, hatte sich für eine monogame Beziehung entschieden. Empörend, wie nicht nur Wesen der Unterwelt fanden, denn ihm waren auch schon Scharen von Engeln verfallen gewesen. Doch für Kurogane spielte das alles keine Rolle mehr; es interessierte ihn herzlich wenig, was Paradies und Unterwelt dazu zu sagen hatten. Seit ihrer ersten Vereinigung war er dem blonden Dämon Fye treu geblieben und das war immerhin schon ein paar Jahrhunderte her. Kaum jemand verstand, warum ausgerechnet diese zwei einander gehörten, denn sie waren so verschieden wie Tag und Nacht auf Erden. Während alle Wesen der Furcht einflößenden Macht des Schwarzhaarigen nicht widerstehen konnten und sie gleichzeitig fürchteten, versprühte Fye eher einen kaum merklichen, indirekten Charme, dem man sich aber genauso wenig entziehen konnte. Trotzdem wurde dem Blonden, der um ein halbes Jahrtausend älter war als Kurogane, wo er auch auftauchte, Missbilligung entgegen gebracht. Er war anders. Er war aus Prinzip zu jedermann freundlich und hilfsbereit, ja schlimmer noch: Er empfand Mitleid. Und das auch noch gegenüber Wesen, die schwächer waren als er. Und von denen gab es reichlich, denn auch er gehörte zu den Mächtigsten. Niedere schwarze Wesen machten oftmals den Fehler, ihn zu unterschätzen und sich von seinem sorglosen Auftreten täuschen zu lassen. Aber es fehlte diesen gestaltlosen und tierischen Dämonen an Intelligenz, man konnte es ihnen nicht verübeln. Die mächtigen, reinrassigen Dämonen der obersten Klassen, in menschlicher Gestalt mit imposanten schwarzen Flügeln, wussten hingegen zumindest seine Macht zu respektieren. Außerdem war da noch Kurogane, der immer und ausnahmslos hinter seinem Geliebten stand – und ihn fürchtete jeder. Sogar Satan selbst hielt es für klüger, sich nicht allzu oft mit dem Schwarzhaarigen anzulegen. Kurogane war loyal und erledigte seine Aufträge makellos. Doch niemand wollte riskieren, es sich mit ihm zu verscherzen und ihn zum Feind zu haben. Der einzige, der es wagte, ihm auf Nase und Nerven rumzutanzen, war Fye selbst. Obwohl der Blonde ihm insgeheim ebenfalls nicht widerstehen konnte, so hatte er doch keine Angst vor ihm. Doch zurück zu jenem Nachmittag. Wenn sie mal ihre Ruhe von diversem schwarzen Getier und misstrauischen Blicken haben wollten, trafen sie sich auf der Bauminsel. Das war ein neutraler Ort zwischen der Unterwelt und dem Paradies. Er verdankte seinen Namen einem uralten, riesigen, mittig stehenden Baum, dessen Geäst über die ganze Insel reichte. Sie war vom Schwarzen Ozean umgeben, dessen Oberfläche allerdings einladen silbern schimmerte und der den Übergang zur Unterwelt darstellte. Der immer strahlend blauweiße Himmel über ihr dagegen war das Tor zum Paradies. Von den Durchschnittsengeln und –dämonen wagte sich niemand auf die Bauminsel. Es hieß, dort lebten Hüter, die jeden vertrieben oder töteten, der dort nicht geduldet wurde. In Wahrheit war die Insel voller tanzender Elfen, die mit ihrem Tanz und ihrem schönen Schein den Baum liebevoll pflegten. Sie waren nicht gefährlich, denn sie konnten nicht kämpfen. Sie tanzten. Ihr ganzes langes Leben lang. Wenn sie aufhörten zu tanzen, starben sie. Fye mochte die zarten, unschuldigen Wesen, die nicht größer waren als seine gespreizte Hand. Das war eine seiner Flausen, die Kurogane längst aufgeben hatte, ihm auszutreiben. Kurogane lag ruhig in saftig grünem Gras im Schatten des alten Baumes und wartete auf den blonden Dämon, der mal wieder zu spät zu kommen schien. Er beachtete die tanzenden und hüpfenden, gestaltlosen Lichter um sich herum nicht, genauso wenig wie die Elfen ihn, die Fremden nur selten ihre Gestalt zeigten. Der Schwarzhaarige öffnete die Augen, just in dem Moment, als der blonde Schopf durch die schimmernde Wasseroberfläche stieß und Fye ans Ufer watete. Nass war er nicht, denn das Wasser des Schwarzen Ozeans war nicht von irdischer Natur. Auch konnten Dämonen ganz normal in ihm atmen. „Kuro-sama!“, juchzte Fye und tänzelte auf ihn zu, ließ sich einfach auf ihn fallen und küsste ihn überschwänglich. Kurogane grinste und presste den etwas Kleineren an sich. Als sie sich nach längerer Zeit atemlos voneinander lösten, warf er ihm einen vorwurfsvollen Blick aus den roten Augen zu. „Du bist ziemlich spät dran. Du weißt doch, dass ich nicht viel Zeit habe.“ Fye blinzelte und richtete sich plötzlich auf, als wäre ihm was eingefallen. „Tut mir Leid, aber irgendwo an der Grenze treiben sich niedere Dämonen rum. Ich habe sie auf die Schnelle nicht gefunden. Könnten wir…?“ „Fye, muss das sein?!“ Kurogane war nicht sonderlich begeistert. Die wenige freie Zeit, die er hatte, wollte er nicht damit verbringen, unnütze Dämonen zu vertreiben. Der Blonde verzog das Gesicht. „Ja, muss es. Wenn die an der Grenze spielen, fehlt nicht mehr viel bis sie hier landen. Und du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn andere mich so sehen! Außerdem ist es ihnen nicht erlaubt.“ Ein weiterer Grund, warum andere Dämonen ihm misstrauten, waren Fyes Flügel. Im normalen Zustand waren sie, wie bei allen anderen, tiefschwarz. Doch auf dem neutralen Boden der Bauminsel konnten weder Engel noch Dämonen ihre Flügel benutzen, welche deshalb klein wurden. Und im kleinen Zustand waren seine Flügel weiß – was sich niemand erklären konnte. Aus diesem Grund verkleinerte Fye seine Flügel niemals, auch wenn es im Alltag oft nützlicher war. Hier jedoch war er gezwungen, dies zutun. „Na schön… Du kannst dich ja eh nicht entspannen, ehe wir sie nicht verjagt haben.“, gab Kurogane sich geschlagen, da er wusste, wie unwohl sich sein Geliebter mit den kleinen, weißen Flügeln fühlte, „Und ich würde unser Schäferstündchen gern genießen.“ Fye lachte und umarmte ihn erleichtert. „Du machst es nicht umsonst, versprochen.“ „Das will ich doch hoffen.“ Der Schwarzhaarige grinste diabolisch. Beide tauchten ins Wasser und waren Sekunden später von hier und da blubbernder Schwärze umgeben. Zusammen brauchten sie nicht lange, bis sie eine kleine Horde niederer Dämonen aufgetrieben hatten, die mit etwas Leuchtendem spielten. Kurogane verdrehte genervt die Augen. „Sie haben es schon wieder getan. Dämliches Pack.“ „Was denn?“ Ein besorgter Ausdruck legte sich auf Fyes Gesicht, denn er ahnte nichts Gutes. Der Schwarzhaarige schwieg. Er wollte es seinem Partner nicht sagen, da er wusste, wie dieser reagieren würde. Doch es blieb ihm nichts anderes übrig, denn sie hatten die Gruppe fast erreicht. „Eine Elfe gefangen. Sie haben Spaß daran, Fallen auszulegen und Elfen, die im Eifer ihres Tanzes in den Schwarzen Ozean fallen oder so dumm sind, aus Neugierde hinein zu springen, in Glaskugeln einzuschließen. Sie spielen dann damit, bis die Elfe verendet ist.“ „Wie bitte?!“, entsetzt starrte Fye ihn an. Kurogane zuckte mit den Schultern. „Sieh mich nicht so an. Es ist ihnen verboten worden, doch wir haben Wichtigeres zutun als ein paar verirrten Elfenwesen zu retten.“ Der Blonde schnaubte verächtlich und warf dem Größeren einen bösen Blick zu, während er sich beeilte, den Ort des Geschehens zu erreichen und der Elfe zu helfen. Er hasste die Arroganz der Dämonen, die sich für so viel Besseres als alle anderen Geschöpfe hielten. Kurogane seufzte innerlich und folgte ihm. Das war so klar gewesen! Warum musste Fye so einen Aufstand machen, es war doch nur eine Elfe. Doch er hütete sich, das auszusprechen, denn dann würde Fye wohl für die nächsten paar Jahrzehnte nicht mehr mit ihm reden. „Hört sofort auf damit, sonst setzt es was!“ Fye baute sich vor der Horde auf, die die Lichtkugel gerade noch hin und her geworfen hatten. Das schwarze Getier hielt ertappt inne und versteckte die Elfe hinter sich. Einige gaben herablassende Laute von sich, andere sanken verängstigt in sich zusammen. Nicht nur, dass Fyes blaue Augen sich vor Zorn golden verfärbt hatten, nein, nun erschien auch noch Kurogane neben seinem Partner und durchbohrte die armseligen Geschöpfe mit einem tödlich roten Blick. Bald war auch der letzte Dämon verstummt. Sie drängten sich voller Furcht, aber auch mit Trotz, zusammen. Da keiner von ihnen Anstalten machte, die Elfe herauszugeben, ging plötzlich ein eisiger Hagelschauer auf sie nieder. Die Dämonen schrieen auf, stoben auseinander und ließen ihr Spielzeug fallen. Während Fye die Glaskugel auffing, knurrte Kurogane leise und drohend: „Macht, dass ihr verschwindet!“ Die kreischenden und zeternden Kreaturen gehorchten sofort und flohen in alle Richtungen davon. „Du liebe Zeit, armes Ding!“, sprach der Blonde mitleidig und drückte die Kugel behutsam an sich. Das Licht wurde schwächer und so konnte er nun eine hübsche kleine Elfe mit nussbraunem Haar, seidigen Libellenflügeln und leuchtend grünen Augen erkennen, die verstört zu ihm aufsah. Sie flatterte tanzend und zitternd in ihrem kleinen Gefängnis umher und rief für die Dämonen unhörbar nach jemandem. „Ist ja gut, Kleines, ich bringe dich wieder zurück. Beruhige dich.“ Eindringlich redete er auf die Elfe ein, während er kehrt machte und zurück flog. Sie schaute ihm lange in die wieder blauen Augen und wurde tatsächlich ruhiger. „Fye, du weißt, dass das keinen Sinn hat.“, wand Kurogane ein, der wieder neben ihm war. „Wenn sie einmal in den Schwarzen Ozean gefallen und gefangen worden ist, wird sie sterben.“ „Nein!“ Verbissen blickte der Ältere in Richtung der Wasseroberfläche, der sie immer näher kamen. „Ich bitte dich, du…“ Kurogane verstummte. Die zwei blauen Kristalle schimmerten traurig und hilflos. Ihm wurde klar, dass Fye es wusste, aber zu verdrängen versuchte. Der Blonde schämte sich offensichtlich für seine Rasse und wollte das kleine Wesen unbedingt retten. Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf, beschleunigte aber sein Tempo. Als sie die Bauminsel erreichten, hatte die sonst hell perlmutfarbene Haut der Elfe begonnen, sich schwarz zu färben. Die Schwärze hatte sich bereits über beide Beine ausgebreitet, was die Kleine wieder hektischer tanzen ließ. Atemlos fiel Fye im Gras auf die Knie und legte die Glaskugel behutsam ab. In seiner Hand erschien ein scharfer Keil aus Eis, mit dem er sie mit einem sauberen Hieb in zwei Teile teilte. Die kleine Elfe taumelte aus ihrem Gefängnis und wurde von großen, warmen Händen aufgefangen. Kurogane hatte sich ihnen gegenüber niedergelassen und setzte die Elfe nun schweigend auf Fyes Händen ab. Das zerbrechliche Geschöpf brachte unter Anstrengung ein erleichtertes Lächeln zustande und tippelte über die hellen Handflächen. Fye spürte, wie seine Augen zu brennen begannen. Die Elfe schien jetzt, wo sie wieder zuhause war, ihren Mut zurück gewonnen zu haben. Tapfer, wie sie war, hatte sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden. „Bitte hör auf zu tanzen, Kleines. Wenn du dich so sehr bewegst, verbreitet sich die Schwärze noch schneller in deinem Körper.“, flehte Fye leise und hob sie hoch, damit sie auf seiner Augenhöhe war. Sie schüttelte traurig lächelnd den Kopf und streifte mit ihren Flügeln in einer sanften Berührung seine Wange. Kurogabe setzte sich hinter seinen Geliebten und umarmte ihn sanft, während er das Geschehen schweigend verfolgte. Schließlich schüttelte er kaum merklich den Kopf und sprach ebenso leise: „Sie kann nicht aufhören. Zu tanzen ist ihr Lebenserhaltungstrieb. Wenn Elfen nicht tanzen, sterben sie.“ Fyes Augen füllten sich mit Tränen. Er wusste es doch! Aber die kleine Elfe tanzte so tapfer und streichelte mit ihren zarten Händen über seine Wangen, als wollte sie ihn trösten. Dabei war er doch ein Dämon… Der Blonde wisperte ihr Entschuldigungen zu, doch sie schüttelte nur aufmunternd den Kopf. Inzwischen waren auch ihre Arme schwarz. Plötzlich erschien ein Licht neben ihnen, das zu einem jungen Elf mit braunen Haaren und Augen und schimmernden Schmetterlingsflügeln wurde. Er flog auf die Elfe zu, den Mund zu stummen Schreien aufgerissen und wollte sie von den Dämonen wegziehen. Doch sie hielt ihn sanft davon ab und schenkte ihm einen liebevollen Blick. In diesem lag jedoch soviel Schmerz, den sie einfach nicht verbergen konnte. Der Elf starrte sie verzweifelt an, weinte stille Tränen. Behutsam, als fürchtete er, ihr wehzutun, legte er seine Arme um sie und tanzte mit ihr zusammen auf Fyes Händen weiter. Fye biss sich fest auf die Lippen. Der letzte Tanz der sich liebenden Elfen berührte ihn zutiefst und er hätte alles getan, um sie zu retten. Doch er, der er zu den Mächtigsten gehörte, konnte nichts für sie tun. Das Schwarz hatte den fragilen Körper fast zur Gänze vergiftet. Nur ihre empfindlichen Flügel leuchteten noch und ließen bei jeder Bewegung hübsche kleine Kirschblüten aus Licht nieder rieseln. „Kuro-pii… das ist so traurig.“, flüsterte der ältere Dämon brüchig und spürte, wie er fester in die Umarmung gezogen wurde. Kurogane konnte den Schmerz, das Mitleid, das sein Geliebter empfand, nicht verstehen, doch es gefiel ihm nicht, dass dieser so traurig war. Er hätte ihn gern getröstet, doch er wusste nicht, was er sagen konnte, ohne es schlimmer zu machen. Wortlos sahen sie dem Paar zu, bis die Elfe plötzlich stauchelte und sich an dem Elf festhalten musste. Fye war hoch geschreckt und sah mit dem gleichen Entsetzen wie der Elf, dass sich die zarten Flügel viel zu schnell schwarz färbten. Das geschwächte Wesen sank in den Armen ihres Geliebten zusammen und atmete schwer. Der Elf drückte sie verzweifelt an sich, versuchte tapfer zu sein. Der Blonde merkte die kühlen Tränen nicht, die ihm über die Wangen liefen, als sie ihm ein dankbares Lächeln schenkte, sich mit unhörbaren Worten von ihm verabschiedete. Die Elfe wand sich anschließend ihrem Partner zu, sprach zu ihm und sah ihn dann wortlos an. Der liebevolle Blick wurde aus den nussbraunen Augen ebenso erwidert. Bis ihr Flügel schließlich völlig schwarz waren, jede Bewegung erstarb und die kleine Elfe für immer ihre Augen schloss. „Es tut mir Leid… kleine Sakura.“, weinte Fye leise und senkte den Kopf. Der Elf flatterte auf der Stelle, tippelte nur leicht mit den Füßen, während er die leblose Elfe festhielt und sein Gesicht in ihren Haaren vergraben hatte. Sie trauerten in stiller Eintracht zusammen, obwohl sie zwei völlig verschiedener Rassen angehörten. Kurogane konnte sein Erstaunen kaum verbergen. Er verstand es nicht. Er war immer stolz gewesen, zu einer solch intelligenten und weit entwickelten Art wie die der Dämonen zugehören, die sich von vielen unterentwickelten Kreaturen abhoben. Dämonen, die sich herablassen mussten, sich mit solchen abzugeben. Dass so ein Dämon zusammen mit einem Elf weinte, war ein skurriles und völlig absurdes Bild. Und doch… er spürte plötzlich ein Ziehen in seiner Brust... War das Mitleid? Verwirrt drückte er Fye an sich und kraulte ihm beruhigend durchs Haar. Wie lange sie da schlussendlich saßen, wussten sie nicht. Der Elf regte sich als erstes, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und straffte seine Haltung. Ernst, aber tapfer und entschlossen sah er die zwei Dämonen nacheinander an. Abwartend wurde der Blick erwidert. Beide erwarteten Abneigung oder dergleichen, doch der Elf verneigte sich plötzlich tief, erst vor Fye, dann vor Kurogane. Anschließend umflatterte er die Hände des Blonden, auf die ein kleines, schimmerndes Juwel herabsegelte. Er lächelte und nickte ihnen zu, ehe er sich mit seiner Geliebten in den Armen in Licht auflöste und verschwand. Fragend hielt Fye den perlmutfarbenen Stein hoch. „Was ist das, weißt du das, Kuro-yasha?“ Der Angesprochene nickte verblüfft. „Das ist eine Elfenträne… Sie sind sehr selten. Niemand in der Unterwelt, außer Satan, und kaum ein Engel besitzt solch eine. Das ist ein sehr wertvolles Geschenk.“ „Echt?“ Fye bekam große Augen. „Aber wieso… ich verstehe das nicht…! Ich habe doch gar nichts ausrichten können.“ „Na ja, ich denke mal…“, begann Kurogane langsam, „Er wollte sich bei dir bedanken, weil du seine Partnerin zurück zur Bauminsel, zurück zu ihm, gebracht hast. So ist sie in seinen Armen gestorben und nicht allein in der Unterwelt verendet. Er hat sich für dein… Mitleid bedankt.“ Ehrfürchtig strich der Blonde über die glatte Oberfläche des Juwels. „Aber das kann ich doch unmöglich annehmen.“ Kurogane zuckte mit den Schultern. Fye drehte sich in seinen Armen und kuschelte sich an die breite Brust. „Weißt du was?“, fragte er traurig, „Er wird aufhören zu tanzen.“ „Bist du sicher? Wie kommst du darauf?“ Der Schwarzhaarige küsste ihn tröstend. Ihr Schäferstündchen konnte er für heute vergessen, aber das war nicht schlimm. Liebevoll strich er mit den Lippen über die geröteten, feuchten Wangen. „Ich weiß nicht. Ich habe das im Gefühl.“ Sie schwiegen. Plötzlich richtete Kurogane sich auf und zog seinen Partner mit sich. „Komm mit, ich habe eine Idee. Elfen werden durch Blumen geboren. Du kannst die Träne neben dem alten Baum vergraben. Und vielleicht wird dann irgendwann…“ „…eine hübsche kleine Sakura daraus, ja.“ Der Ältere lächelte. „Lass uns das machen. Ich glaube ganz fest daran, dass die zwei wiedergeboren werden und dann glücklich zusammen leben können.“ Fye reckte sich und gab Kurogane einen warmen Kuss. „Danke, Kuro-sama.“ „Für dich tue ich alles. Selbst das.“ „Ich weiß…“ Owari <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Klayr_de_Gall~ letzte Chance Schweigend blickte Fay auf sein Sektglas. Er drehte es lustlos auf dem Tisch, schwenkte es etwas, nahm einen kleinen Schluck und stellte es zurück. Mit einem schweren Seufzen ließ er sich wieder gegen die Wand sinken. Er HATTE gewusst, dass es hart werden würde, aber so sehr... nicht einmal Alkohol vermochte ihn aufzumuntern. Und das alles nur wegen... „Fay-san? Was ist los, fühlst du dich nicht gut?“ Die ruhigen, besorgten Worte rissen ihn aus seinen Gedanken und für einen der wenigen, seltenen Augenblicke galt sein Interesse nicht mehr ihm. „Machst du dir etwa Sorgen, Tomoyo?“ Augenblicklich war das Grinsen auf seine Lippen zurückgekehrt, als er die junge, dunkelhaarige Frau ansah, die den Blick forschend erwiderte. In ihren violetten Augen las er deutlich den Zweifel an seinem Verhalten, aber seine langjährige Freundin war taktvoll genug, es nicht erneut anzusprechen. „Dein Glas ist noch fast voll.“, meinte sie stattdessen mit hochgezogenen Augenbrauen, und der Blondschopf kicherte. „Aber nicht doch! Das ist schon mein Zweites!“ Es war so einfach, zu lügen. So einfach, zu lächeln und zu tun, als wäre nichts. Lebenslange Übung. Aber heute tat es seltsam weh. Ein dumpfes Stechen in seiner Brust, das er bisher nur selten gespürt hatte. Nur der Blick eines einzigen Manschens war in der Lage gewesen, ihn so zu treffen, dass er ein schlechtes Gewissen bekam, dass er endlich aufhören wollte mit den verdammten Lügen! Einmal hatte er es geschafft. Und nun... „Ach so. Na, dann stößt du doch sicher mit mir an, oder?“ Tomoyo lächelte zuckersüß und der blonde Wuschelkopf nickte sofort. „Aber sicher! Auf unser herzallerliebstes Brautpaar, nehme ich an?“ Automatisch gingen ihre Blicke in dieselbe Richtung, zu dem glücklichen Pärchen, das turtelnd und knallrot auf der Tanzfläche tanzte. Sakura in einem traumhaft verzierten, weißen Brautkleid, und Syaoran in einem ebenso weißen Frack – beide Kleidungsstücke von Tomoyo designt und selbst genäht. Ihr beider Glück und ihre Verliebtheit schwebten wie eine Aura um die frisch Verheirateten, und jeder, der sie ansah, musste unweigerlich lächeln. Es war so offensichtlich, dass sich hier die richtigen Zwei gesucht und gefunden hatten, dass sie sich abgöttisch liebten. Lang genug hatte es ja gedauert. Fay hatte es von der Oberstufe an beobachtet, dieses schüchterne Spiel, das ihm zu jeder Zeit ein feines Lächeln zu entlocken vermocht hatte. Auch wenn es meist wehleidig und traurig gewesen war, so wie jetzt. „Auf ihr hoffentlich nie enden wollendes Glück.“, murmelte der schlanke Mann und hob sein Glas. „Und auf das Glück aller Menschen, die ihnen wichtig sind.“, ergänzte Tomoyo mit einem wissenden Funkeln in den dunklen Augen, bevor sie ihre Gläser behutsam gegeneinander klirren ließen. Der prickelnde Alkohol brannte in seiner Kehle, ebenso wie die Tränen, die er tapfer zurückkämpfte. Er würde hier nicht weinen. So lange hatte er es sich verboten und beinahe jedes Mal das Versprechen sich selbst gegenüber eingehalten. Er wollte stark sein, sich selbst gegenüber. Er wollte all diesen Menschen nicht zeigen, was für eine traurige, bemitleidenswerte Gestalt hinter seiner ewig lächelnden Maske steckte. Aber vor allem wollte er ihm nicht zeigen, dass es noch immer so unglaublich wehtat. „Komm doch mit zu den anderen an den Tisch. Es kann doch nicht sein, dass du als einziger unserer alten Runde hier so allein stehst.“ „Gleich, okay?“ Fay versuchte, so normal wie immer zu erscheinen, versuchte zu lächeln, auch wenn die Tatsache, dass er sich ‚ihrer alten Runde’ schon so lange nicht mehr zugehörig fühlte, wie tausend Nadeln in sein Herz stach. Die Dunkelhaarige nickte verstehend, und blickte kurz zu dem Tisch, an dem die Anderen saßen, ihre Uni-Clique. Besser gesagt, ihre ehemalige Uni-Clique, denn viele von ihnen waren mittlerweile eigene Wege gegangen, hatten die Universität gewechselt, das Studium abgebrochen oder ähnliches. Dennoch hatte es wie ein tägliches Treffen angemutet, sich auf der Hochzeit von Sakura und Syaoran nach Ewigkeiten mal wieder zu sehen. Fast. „Lass nicht zu lange auf dich warten.“ Tomoyo – verständnisvoller Engel, der sie war – ließ ihn endlich wieder mit sich allein, und gesellte sich zurück zu dem lebhaften Treiben. Mit viel Trara und Hallo wurde sie wieder zurückbegrüßt, und Amaterasu knuffte ihre kleine Schwester grinsend in den Oberarm, worauf ihre spielerische Geschwisterdiskussion begann, die Souma nur schlichten konnte, indem sie ihre Freundin mit Anderem ablenkte. Ashura – schon recht angetrunken, wie der Blondschopf belustig feststellte – spaßte gerade mit Cardina und Chii herum, und Yûto war nach wie vor am Essen. Der Kerl war rank und schlank, aber es war unglaublich, was er an einem Abend in sich hineinstopfen konnte. Watanuki war mit Himawari tanzen, stolperte aber mehr über seine eigenen Füße als alles andere, was wohl daran lag, dass Doumeki die beiden mit recht undeutbarem Blick beobachtete. Oruha war ebenfalls auf der Tanzfläche, aber statt zu tanzen, lachte sie zusammen mit Yuuko über irgendetwas, einen belanglosen Witz, vielleicht auch einen kleinen frechen Streich, den sich die Beiden gerade ausdachten. Die Zwillinge Kamui und Subaru waren mit ihren zugehörigen Anhängseln schon eine Weile lang von der Bildfläche verschwunden... Ja, sie waren schon ein bunt gemischter Haufen. Versonnen ließ Fay seine eisblauen Augen wandern, gelegentlich lächelnd, weil er sich an Dinge erinnerte, die er mit der jeweiligen Person verband. Schöne Sachen, lustige Dinge... auch stressige Momente. Wofür waren Freunde da, wenn nicht um mit ihnen durch dick und dünn zu gehen? Aber als seine Aufmerksamkeit wieder zu dem letzten Mitglied ihrer Truppe wanderte, verlor sich sein Lächeln wieder, und er betrachtete den hochgewachsenen, schwarzhaarigen Mann mit halb gesenkten Augenliedern. Kurogane. Wie oft hatte er ihn heute schon angesehen? Hatte seinen Blick nicht von ihm wenden können? Sein markantes Gesicht, der muskulöse Körper, seine Haltung, seine Kleidung, allein die Art, wie er die Krawatte ungebunden um den Hals zu hängen hatte... Es war einfach Kurogane. Wie lange war es her, dass er den schwarzhaarigen Mann das erste Mal so angesehen hatte? Wann war ihm zum ersten Mal aufgefallen, dass sein Herz zu rasen begann, wenn der Größere neben ihm stand, wenn sie sich flüchtig berührten? Wann hatte er nicht mehr aufhören können, in diese tiefroten Augen zu blicken, ohne zu ertrinken? Es war so lange her… aber Fay erinnerte sich an alles, an jedes Detail. Und es war noch so einfach gewesen, als Tomoyo den grummeligen, gut aussehenden Typen damals mit in ihre Gruppe gebracht hatte, wenige Tage nach Anbruch des zweiten Semesters. Fay blickte irritiert von seinem Mathebuch auf, in dem er eben noch gelesen hatte, als sich jemand ihrem Stammtisch in ihrem Stammcafe näherte. Tomoyo und... eine Kiste? Irritiert blinzelte der junge Mann, stellte dann aber fest, dass es nur eine Kiste war, die von jemandem getragen wurde. Das Objekt war zu groß, um das Gesicht dahinter zu sehen, aber die schlanken Beine in der schwarzen Jeans, die er ausmachen konnte, waren schon mal nicht schlecht. Aber auf den Schock, den er bekam, als der Fremdling die Kiste auf den Tisch wuchtete und er ihn ansehen konnte, hätte ihn nichts auf der Welt vorbereiten können. „Dreckverdammtes Mistdinger! Was hast du da drin?!“ Mit offenem Mund starrte er den hochgewaschenen Mann an, der gerade dabei war die kichernde Tomoyo zur Schnecke zu machen, unerfolgreich übrigens. Teufel, der sah aber verdammt gut aus, ganz genau sein Geschmack... Groß, muskulös, dunkler Typ... und diese Augen... wow. „Trag deinen Scheiß in Zukunft gefälligst alleine!!“ „Kurogane, nun sei doch nicht so, es ist nur Stoff da drin, nichts, woran du dir einen Bruch heben würdest.“ Der Schwarzhaarige verschränkte uneinsichtig die Arme vor der Brust, sein wütender Blick noch immer auf das gut drei Köpfe kleinere Mädchen vor sich gerichtet. „Scheiß drauf!“, fauchte er erbost und wand sich ab, aber Fay war schneller. Er erwischte den Miesepeter am Ärmel. Dieser blieb wie erstart stehen. Erst als dem Blonden bewusst wurde, dass alle am Tisch ihn fragend oder interessiert ansahen, atmete er den unbewusst angehaltenen Atem aus, und lachte etwas dünn. „Sorry. Ich meine... du hast doch Tomoyo-chan beim Tragen geholfen, oder? Ein Kaffee als Dankeschön wäre doch angebracht, oder nicht?“ Für einen Moment durchbohrten ihn die blutroten Augen, jagten ihm einen Schauer über den Rücken, bevor sich sein Gegenüber unsanft aus seinem Griff befreite und mit einem gemurmelten „Da scheiß ich drauf!“ das kleine Cafe verließ. „Ich wusste, dass er dir gefällt!“ Tomoyos darauf folgende Worte ließen ihn knall rot anlaufen. Verdammt! Die alte Erinnerung ließ ein trauriges Lächeln über Fays blasse Lippen huschen. Ja, das war ihre erste Begegnung gewesen. Kurogane hatte sich als Tomoyos Cousin herausgestellt, und mit einer bewundernswerten Beharrlichkeit des dunkelhaarigen Mädchens wurde der Sturkopf in die Gruppe integriert. Niemanden von ihnen störte das, außer vielleicht Kurogane selbst. Aber er lernte die seltsamen Angewohnheiten der Anderen mit der Zeit zu ignorieren. Und irgendwann, einfach so, konnte er plötzlich damit leben, hatte sich daran gewöhnt, Teil einer so verqueren Clique zu sein. Und egal, was er sagte, er war es gern, das wussten sie alle! Ob Kurogane sich noch an ihr erstes Treffen erinnerte? Sicher nicht. Er hatte sich nie viel aus so etwas gemacht. Aber für Fay war er von Anfang an etwas Besonderes gewesen. Ein Mensch, so anders als er selbst, dass er ihn einfach interessant finden musste. Er war glücklich gewesen, als der Schwarzhaarige endlich aufhörte, ihn einfach zu ignorieren. Kurogane zeigte auf seine eigene, versteckte Art und Weise Interesse an seiner Person, indem er zuhörte und sah. Blicke, die nicht immer angenehm waren, denn irgendwo im Innersten seiner Seele hatte der Blondschopf gewusste, dass sie ihn durchschauten. Es war zum einen schmerzhaft. Aber zum anderen tat gerade die Tatsache gut, dass der Andere seinen Blick nicht abwand. Auch nicht, als er bis auf den Grund seiner Seele hatte blicken können. An dem Tag als Yuui starb. Kurogane war da gewesen, im Krankenhaus, nachdem sein über alles geliebter Zwilling in der Intensivstation eingeliefert worden war, nachdem Fay unter Tränen und Schluchzen angerufen hatte. Die anderen kamen auch, aber nicht ganz so schnell. Er hatte nur den vertrauten Namen in den Hörer schluchzen müssen, wäre er zu mehr doch nicht im Stande gewesen. „Wo bist du, Idiot?“, brachte ihn die tiefe Stimme damals lang genug auf den Boden der Tatsachen zurück, um ihm zu sagen, dass er im Krankenhaus war, und nur 10 Minuten später hatte er sich an der starken Brust ausweinen können. Es war scheiß egal, dass Kurogane für das zu schnell Fahren ein Vierteljahr seinen Fuhrehrschein los wurde, es war egal, dass sein schwarzes Haar noch immer von der Dusche tropfte, weil er sich in der Eile nicht richtig abgetrocknet hatte, egal, dass er sein Hemd nicht zugeknöpft hatte. Er war da. Fay hatte ihm als einzigem erlaubt, seine bitteren Tränen zu sehen, als der ältere Arzt zu ihnen kam, mit einem bedauernden Blick, und ihm mitteilte, dass es ihnen leid tat, aber es für seinen Bruder keine Rettung mehr gegeben hatte, der Schaden, den das Auto verursacht hatte, wäre einfach zu groß gewesen. Er hatte ihm als einzigem erlaubt, ihn in das karge, sterile Zimmer zu begleiten, in dem Yuui lag, die dunklen Schürfwunden auf seiner Wange als skurriler Kontrast zu seiner extremen, im Tode noch blasseren Haut. Hatte Kurogane erlaubt, ihn nachhause zu bringen, apathisch und geschockt wie er war, weder im Stande zu lachen noch zu weinen. Und der Schwarzhaarige war geblieben, Tage und Nächte lang, in denen Fay seinen Kummer einfach nur aus sich herausschrie und weinte, sich in sich selbst verkroch. Kurogane kümmerte sich in der Zeit um ihn, sorgte dafür, dass er aß, und hielt ihn mit harten aber gerechten Worten in der Realität fest, oder saß einfach an seiner Seite, beruhigte ihn mit leichten Berührungen, je nach dem, was Fay gerade brauchte. Danach war zwischen ihnen nichts mehr so gewesen wie zu vor. Es machte Fay unruhig, jemanden an seiner Seite zu wissen, der so viel von ihm kannte, andererseits war er auch froh darüber, und lange Zeit schaffte er es, dem anderen Mann gegenüber diese Ehrlichkeit aufrecht zu erhalten. Umso unvergessener war der herzzereisende, vernichtende Blick, als er Kurogane gegenüber seine Maske wieder überstreifte... Ein paar Wochen hatte er die Blicke ausgehalten, bevor er den schmerzhaftesten Fehler seines Lebens gemacht hatte. „Hey Kuro-sama! Hast du mal eben Zeit?” Am andren Ende der Leitung ein Brummen und ein leises „Verdammt! Wie spät ist es?“, gefolgt von einem Rascheln, dann erst schien Kurogane dem Telefonhörer sein volles Interesse zu widmen. „Sag mal, bist du noch ganz dicht, mich fünf vor vier anzurufen?!“ Ein schwaches Lächeln legte sich auf Fays Lippen. Das war genau die Reaktion, die er erwartet hatte. Verschlafen, launisch. Kurogane halt. Wie er ihn kannte und... liebte. „Tut mir leid, dass ich so spät anrufe, aber hast du ein wenig Zeit für mich? Hier steht eine Sakeflasche auf dem Tisch, die schaut mich so hundewelpen-mäßig an und bettelt darum, geleert zu werden...“ Stille. Dann ein entnervtes Aufstöhnen. „Du weißt, dass ich im Zimmer nebenan bin, ja? Oder muss ich dich daran erinnern, dass wir vor über 2 Monaten in eine WG gezogen sind?“ Die letzten Worte erklangen schon nicht mehr nur aus dem Haustelephon, das der Blondschopf zwischen Kopf und Schulter geklemmt hatte, sondern auch von der Wohnzimmertür her hinter ihm, und Fay wand sich lächelnd um. „Hi.“, murmelte er leise in den Hörer, bevor er auflegte und neben sich auf die Couch klopfte. Kurogane setzte sich kommentarlos, während der schlanke, blonde Mann versuchte, nicht zu sehr auf die entblößte Brust zu schauen, oder sich all zu angezogen von dem halb verschlafen, halb trotzig blickenden Typen neben ihm zu fühlen. Kurogane sah zu solch einer gottlosen Zeit aber auch verboten gut aus! „Soll ich extra Gläser holen oder ist das so okay?“ „Ach, wir haben so was wie Gläser?“ Kurogane nahm nur die erwähnte Flasche vom Tisch und gönnte sich einen tiefen Zug, bevor er sich entspannt aufs Sofa zurücksinken ließ und sie ihm reichte. „Haben wir morgen Sonntag?“ „Jup!“ Der teure Sake war nichts im Vergleich zu dem Geschmack Kuroganes, der noch dezent an der Flaschenöffnung nachzuschmecken war. „Das heißt: Ausschlafen! Und es ist okay, wenn wir eine Runde saufen!“ „Ich wüsste nicht, wann dich das jemals davon angehalten hätte, dich auch mitten in der Woche abzuschießen.“ Da Kurogane Recht hatte, kicherte der Kleinere nur albern. Er war noch lange nicht betrunken. Für sein Vorhaben wollte er sich keinen Mut ansaufen müssen, so feige war er nicht. Nach dem nächsten großen Schluck gab er Kurogane die Flasche wieder in die Hände, aber dieser stellte sie ohne ein Wort der Erklärung auf ihren Wohnzimmertisch. „Also? Warum klingelst du mich mitten in der Nacht aus dem Bett? Was auch immer du bereden willst, rück raus mit der Sprache, ich hatte einen beschissen langen Tag und will schlafen.“ Natürlich, Kurogane war nicht dumm, dennoch hätte sich der Blondschopf fast auf die Lippe gebissen. War er etwa so durchschaubar? „Ist es denn nicht Grund genug, dass ich nicht allein einen trinken möchte?“, fragte er leise, aber die einzige Antwort war, dass der Schwarzhaarige aufstand, um wieder zu gehen. „Kurogane, warte.“ Die Worte waren heraus, bevor er sich eine Hand auf den Mund pressen konnte, und dass er es der Reaktion halber kurz darauf trotzdem tat, ließ ihn sich lächerlich vorkommen. „Ich meine... ich...“ Unbeholfen klopfte der Musikstudent wieder neben sich und sein Mitbewohner gab erneut nach. Als Fay das beruhigende Gewicht des anderen Körpers neben sich spüren konnte, atmete er tief durch. „Ich wollte eigentlich... na ja... benehme ich mich lächerlich?“ Kurogane nickte. Fay lachte. „Ich liebe dich, Kurogane. Ich kann nichts dagegen tun.“ Schweigen. Der schwarzhaarige Mann schwieg so lange, dass Fay schon glaubte, die Stille würde ihm die Nerven zerreisen. Aber als Kurogane schließlich reagierte, waren es dessen Worte, die das erledigten. „Guter Witz.“ Er hatte sich zurückgelehnt und griff lässig wieder nach der halbvollen Flasche, während der blonde Wuschelkopf ihn nur mit großen Augen ansehen konnte. „Witz?“, murmelte er fassungslos. „Wieso..? Wie kommst du darauf, dass ich einen Witz machen könnte? Es ist mein voller Ernst.“ „Red keinen Scheiß .Mit so etwas sollte jemand wie du, der nicht einmal zu seinen Emotionen und seiner Vergangenheit stehen kann, gar nicht erst ankommen. Du bist mir nichts schuldig für die Sache mit deinem Bruder, hör auf dir irgendetwas einzureden.“ Das saß. Und wenn Fay gewusst hätte, dass so wenige, so simple Worte, dermaßen wehtun konnten, hätte er sich vorher das Herz aus der Brust geschnitten. Er hatte das Gefühl, es zerbrach in diesem Augenblick in tausende kleine, gemein stechende Splitter, die seine Seele zerschnitten und zerkratzten. Wenn er gewusst hätte, dass Kurogane das Glasherz, was er so mühsam vor anderem Übel zu beschützen schien, so leichtfertig zerstören konnte... Irgendwie musste er diesen Scherz kompensieren, und Wut war das Erste, was Fay einfiel. „Du glaubst mir nicht??“ Fahrig sprang er auf, hatte seine Hände an seinem Hemdkragen, bevor er sich selbst davon abhalten konnte, und warf Kurogane das Kleidungsstück schon Sekunden darauf ins Gesicht. Seine Hose folgte, so wie seine Shorts. „Willst du, dass ich dir zeige, wie ernst ich das meine?? Was willst du? Soll ich mir einen Arm abscheiden? Mein kleiner Finger wird dir wohl kaum reichen, wenn es meine Worte schon nicht tun!? Oder wie wäre es mit meinem Körper?!“ Vollkommen nackt stand er vor Kurogane, vor Lauter Wut gar nicht zu Schamgefühl imstande, obwohl sein Verhalten sehr erniedrigend war. „Ich würde ihn dir ohne zu zögern geben! Mehr noch als das, meine Seele oben drauf, weil ich dir verdammt noch mal vertraue, du elender Mistkerl!!“ Er holte aus, um seinem Gegenüber eine Ohrfeige zu verpassen, aber dieser war schneller. Kurogane war Kampfsportler, seine Reflexe waren exzellent. Noch bevor Fay seine Hand ganz erhoben hatte, stand er und hielt diese am Handgelenk fest. Sein Griff war eisern und äußerst schmerzhaft, entlockte dem blonden Mann ein Aufkeuchen. „Lass mich los!“, forderte er aufgebracht und wand sich, zucke vor der Hand zurück, die sich auf seine Hüften legte, um ihn etwas besser bändigen zu können. Er hatte sich nach solchen Berührungen gesehnt... aber nicht auf diese Weise. „LASS LOS!!!“ Er versuchte, Kurogane zu treten, aber dieser schob ihn bestimmt etwas von sich, gegen die Couch, und drückte ihn darauf zurück. Es war unmöglich, sich gegen diesen Griff zu wehren, und er kam einfach nicht weg, also griff Fay auf das letzte zurück, was er noch hatte: Beschimpfungen. Sein Mitbewohner ließ ihn schreien, ließ ihn heulen und sich wehren, bis er einfach nicht mehr konnte und keuchend in die weichen Polster zurücksank, zitternd vor Erschöpfung und Schmerz. Fay erinnerte sich bis heute nicht genau an den Rest der Nacht. Er wusste dunkel, dass Kurogane ihn schließlich ins Bett gebracht hatte, aber ob der leichte Kuss Realität gewesen war… Sicher nicht. Als er am nächsten Morgen aufwachte, war Kurogane schon weg. Mitsamt all seinen Sachen. Die Worte in den darauffolgenden zwei Jahren, die Kurogane von sich aus mit ihm gesprochen hatte, konnte er an einer Hand abzählen. Es hatte nichts an Fays Gefühlen geändert, aber auch der Schmerz blieb. Ebenso wie die Gewissheit, dass er lieber geschwiegen hätte, dann hätte er Kurogane jetzt noch nicht verloren, müsste ihm nicht aus der Ferne solche sehnsüchtigen Blicke zuwerfen. Er wollte ja nicht mal, dass seine Liebe erwidert wurde, aber ihre enge Freundschaft hätte er gern zurück. „Fay? Tanzt du mit mir?“ Die schüchterne Frage riss ihn aus seinen nostalgischen Erinnerungen, und kurz musste der blonde Mann blinzeln, bevor er seine Orientierung wieder gefunden hatte. Ach ja. Er war auf einer Hochzeit... „Aber gern doch, Chii!“ Lächelnd folgte er dem blonden Mädchen auf die Tanzfläche. Schaffte es nicht, Kurogane anzusehen, als sie an ihm vorbei gingen. Für einen Moment war ihm, als würden die tiefroten Augen ihm folgen und ein exstatisches Prickeln rann seinen Rücken hinab, aber als Fay sich umwand, sah er wie immer nur den Hinterkopf des Schwarzhaarigen. Er war so ein armseliger Tropf. „Kannst du denn gut tanzen, Chii?“ „Deine Blicke gelten wie immer nur ihm...“ Kurogane zuckte so erschrocken zusammen, dass er beinahe sein Sektglas umgestoßen hätte, als warmer Atem zusammen mit diesen Worten sein Ohr streifte. Himmel, wieso hatte er sich auch dermaßen ablenken lassen?! „Oruha!“ Die schwarzhaarige Schönheit kicherte, und nahm auf ihrem Stuhl neben ihm Platz. „Könntest du bitte aufhören, dich an mich anzuschleichen? Sonst bekomm ich das nächste Mal noch einen Herzinfarkt!“ „Aber nicht doch.“ Sanft gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. Sie waren jetzt seit fast zwei Jahren zusammen. Es war zuerst nur eine Notlösung gewesen, dass er bei der jungen Frau einzog, und er hatte ihr nie erzählt, warum er aus der WG mit Fay weg war, und sie hatte nie gefragt. Und irgendwann war es nicht mehr nötig gewesen, wieder auszuziehen. Kurogane blickte seine Freundin noch einen kurzen Moment an, bevor sein Blick wieder zu einer anderen Person wanderte. Fay. Schon den ganzen Abend hatte er die Augen kaum von ihm abwenden können. Selbst nach zwei Jahren konnte er im Gesicht des blonden Mannes lesen wie in einem Buch, und die tiefe Trauer darin war erschreckend. Und sie tat ihm selbst weh. Jemanden, der ihm so wichtig war, wollte er nicht so verletzlich sehen. „Geh doch einfach mal zu ihm, und redet ein paar Worte.“, schlug Oruha leise vor. Die junge Sängerin wusste manchmal besser, was in Kurogane vorging, als dieser selbst. Genauso wie sie wusste, dass sie nie an erster Stelle stehen würde. Kurogane seufzte nur. „Und dann?“ „Was ‚Und dann’? Ihr wart mal unzertrennlich, und du bist der Einzige, dem Fay je vertraut hat. Wieso muss es ein ‚Und dann’ geben, bevor du dich endlich aufraffst und zu ihm gehst?“ „Du verstehst das nicht. So einfach, wie du das sagst, ist es leider nicht.“ Seine Freundin schnaubte entrüstet. Normalerweise war der Schwarzhaarige nicht der Typ, der so einfach aufgab, und das war auch der Grund, warum sie ihn jetzt so vorwurfsvoll ansah. Aber statt noch etwas zu dem Thema zu sagen, erhob sie sich, und zog auch ihn auf die Füße. „Komm, lass uns tanzen.“ Und statt auf Widerspruch zu warten, zog sie ihn mit auf die Tanzfläche. Nur wiederwillig folgte ihr der große Mann. Er konnte zwar tanzen – wessen Idee in ihrer Truppe war das noch mal gewesen, dass sie alle zusammen einen Tanzkurs belegten? – aber er hatte weder Lust noch Laune dazu. Normalerweise tolerierte seine Freundin das auch, aber heute war sie etwas erbarmungslos mit ihm, und alles was Kurogane tun konnte, war grummelnd eine Hand auf ihre Hüfte zu legen, während sie seine andere noch immer festhielt, und sich mit in den Tanz ziehen zu lassen. Auf der Tanzfläche war genügend Platz, um sich nicht mit anderen Pärchen ins Gehege zu kommen und er tat sein Bestes, die anderen einfach nicht zu beachten. Besonders nicht Fay und Chii. Gerade als er es geschafft hatte, sich halbwegs von der Musik berieseln zu lassen, und seine Aufmerksamkeit auf Oruha zu konzentrieren, lächelte diese. „Partnertausch.“ Als nächstes ging alles zu schnell, als dass er sich irgendwie hätte wären können. Fay seufzte innerlich, während er seine kleine Freundin geschickt und in großen, wiegenden Kreisen über die Tanzfläche führte. Selbst das vermochte ihn nicht abzulenken. Immer und immer wieder musste er zu Oruha und Kurogane schauen, die erst geturtelt hatten und jetzt auch noch tanzten. Die beiden gaben ein großartiges Paar ab. Und das zu wissen, tat nur um so mehr weh. Er hatte niemals eine Chance gehab, wieso sollte so ein gutaussehender Typ wie Kurogane, der allein mit einem Lächeln jede haben konnte, ihn wollen? Es war absurd, dass er sich jemals Hoffnungen gemacht hatte. Chii trat ihm aus Versehen auf den Fuß, und kicherte nervös. „Was ist denn los, Chii-chan? Normalerweise bist du doch eine ausgezeichnete Tänzerin.“ Sie blickte ein wenig ertappt. „Naja, ich... tut mir leid.“ Hinter ihnen hörte er eine vertraute Frauenstimme etwas raunen. ‚Partnertausch’, wie ein Stichwort, und plötzlich war Chii verschwunden, indem sie zur Seite weg huschte und ihn noch mit sich herumzog. Plötzlich stand er jemand anderem gegenüber, dessen rote Augen ebenso verwirrt blickten, wie er es gerade tat. Ihre beiden Tanzpartnerinnen hatten sich bei den Händen genommen und waren schon aus ihrer Reichweite entfleucht, drehten sich etwas weiter unten auf der Tanzfläche zum Takt der Musik. „Diese dummen Weiber!“, fauchte Kurogane aufgebracht, im Begriff zu den Beiden zu stürmen, um ihnen gründlich die Leviten zu lesen. „Das war doch alles gepla...“ Er erstarte mitten in der Bewegung, mitten im Satz, als Fays kühle Finger sich um seine Hand schlossen. „Kurogane... bitte...“ Fay klang atemlos, sein Herz raste so schnell, dass es wehtat. „Bitte... nur diese eine Lied...“ Er hatte erwartet, dass der Schwarzhaarige ihn nur anknurren und abhauen würde, aber es war fast noch schlimmer, dass Kurogane seinem leisen Flehen nachgab und ihn behutsam an sich zog, beide Arme lose um seine Taille gelegt. Eher als wären sie ein Pärchen, das zu einem Schmusesong tanzte, nicht zu einem Wiener Walzer. In dem Moment wurde Fay einfach alles zu viel. Mit einem leisen Schniefen ließ er sich gegen den warmen, schutzbietenden Körper sinken, vergrub sein Gesicht in der Halsbeuge des anderen. Und es wurde ihm erlaubt, genauso wie früher, während Kurogane begann, ihn im Takt der Musik mitzuziehen, immerhin war das hier ein Tanz, und keine Kuschelstunde. Die anderen mochten jetzt sonst was von ihnen denken, aber das war Fay egal. Er hatte sogar bald schon vergessen, dass es ‚Andere’ gab. Alles was zählte war Kurogane. Seine Nähe, seine Wärme, die starken Arme, die ihn hielten. Aus einem Lied wurden zwei, drei, vier... Und sie waren beide nicht gewillt, die Tanzfläche zu verlassen, bedeutete das doch die Rückkehr zur Normalität. „Ich hab eine Anfrage bekommen, ob ich nicht in einem Orchester mitspielen möchte.“, begann Fay leise und löste sich etwas von Kurogane, um in die tiefroten Augen blicken zu können. Und es tat so gut, dass dieser den Blick erwiderte, dennoch brauchte es Überwindung, die folgenden Worte auszusprechen. „In Spanien.“ „Ah.“ Hatte er es sich gerade eingebildet oder hatte Kurogane noch mehr sagen wollen? Das sich der Griff der starken Arme um seine Taille für einen Augenblick festigte, konnte doch auch Wunschdenken sein. „Ja. Ein sehr berühmtes Orchester in Madrid möchte mich als Pianisten engagieren.“ In seiner Stimme klang weder Freude noch Trauer mit, und auch in seinen Augen war kein konkretes Gefühl zu lesen, machte es die Mixtur doch unleserlich, was in ihm vorging. „Wirst du gehen?“ Kuroganes Stirn lehnte nun vertraut an seiner, ihre Gesichter waren sich so nah, dass der schlanke Mann ganz weiche Knie bekam. Sein Gegenüber verstand es aber auch nach wie vor großartig, ihn den Rest der Welt völlig vergessen zu lassen. „Küss mich. Und sag mir, dass du nicht willst, dass ich gehe...“, wollte Fay sagen, aber er brachte es nicht über die Lippen, stattdessen machte sich dort ein kleines Lächeln breit. Falsch und durch und durch gelogen. In Kuroganes Augen flackerte für einen kaum wahrnehmbaren Moment Schmerz auf über das erneut weggeworfene Vertrauen. Und Fay wusste, dass er die letzte Chance verspielt hatte, den Schwarzhaarigen doch noch von seiner Liebe zu überzeugen. „Wahrscheinlich. Was hält mich hier?“ „Halt mich fest! Halt mich fest und lass nicht zu, dass ich so etwas Dummes tue! Ich will bei dir sein!?“ Kurogane ließ seien Arme sinken. Sie hatten schon vor Minuten aufgehört zu tanzen, jetzt standen sie nah beieinander, ohne sich mehr zu berühren, auch wenn es schien, dass der größere Mann für einen Moment die Hand heben und etwas sagen wollte. Aber er tat es nicht. Nach ewigen Minuten des Schweigens zuckte er nur die Schultern. „Gratuliere. Ich wünsch dir viel Glück.“ Und ging. Zwei Tage später saß Fay in einem Flieger nach Madrid. Einen Rückflug hatte er nicht gebucht. Kapitel 9: 08.Woche - schwierig und Blatt ----------------------------------------- ~Schneeblume~ Schwierig Schwierig. Mokona legte das Köpfchen schief, ließ die langen Ohren schwingen. Es sah Kurogane und Fye dabei zu, wie sie Kuchen aßen. Zumindest Fye tat das, der Schwarzhaarige sträubte sich gegen das „süße Zeug“, obwohl der Blonde sich hartnäckig zeigte. „Kuro-pii! Probier doch wenigstens Mal. Zum Beispiel eins von diesen grünen Marzipanblättern. Das schmeckt dir bestimmt! “ Fye pflückte ein Blatt von der essbaren Rose auf seinem Stück. „So ein Blödsinn, nur weil das ein grünes Blatt ist, ist das nicht weniger süß!“ Kurogane verdrehte genervt die Augen. So verquer denken konnte auch nur der Magier. „Wohl!“ Trotzig verschränkte dieser die Arme vor der Brust. „Nie nimmst du mich ernst!“ „…Und das wundert dich?“ Fye schniefte und warf ihm einen demonstrativ traurigen Blick aus den Tiefblauen zu. Und das wollten Erwachsene sein? Sogar Shaolan und Sakura benahmen sich nicht so kindisch. Sie trauten sich wenigstens, sich aus fadenscheinigen Gründen an den Händen zu halten – und einander liebevolle Blicke zuzuwerfen, wenn sie glaubten, dass es keiner sah. Kurogane gab knurrend auf, griff nach Fyes Handgelenk und zog es zu sich. Mit den Lippen stahl er sich das Blatt aus den langen Fingern und maß den Magier mit einem intensiven, feuerroten Blick, während er es aß. Ein zartes Rosa legte sich auf die Wangen des Blonden, der für einen Moment abwesend und fasziniert auf die schmalen Lippen starrte. Mit einem versteckten Lächeln widmete er sich dann wieder seinem Kuchen und lehnte sich kaum merklich an Kurogane. Dieser tat, als hätte er nichts bemerkt, und eine friedliche Stille breitete sich aus. Mokona kicherte in sich hinein. Hoffentlich schafften es diese Sturköpfe irgendwann doch noch, sich einzugestehen, dass sie einander mochten. Liebten. Was auch immer. Aber selbst dann blieb es wahrscheinlich… …Schwierig. <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Klayr_de_Gall~ Das Blatt Es war nicht einfach. Ihn zu hassen war schwierig. Das machte es aber nicht leichter, ihn zu lieben, eher im Gegenteil. Fay war wie ein unbeschriebenes Blatt. Leer und weiß. Ein Blatt hatte keine Gefühle, es existierte einfach. Aber dieses spezielle ‚Blatt’ machte sich Vorwürfe. Es bemitleidete die Bäume, aus denen es gemacht worden war und trauerte um die Menschen, die sich bei seiner Herstellung in den Finger geschnitten hatten. Als das leichte Blatt, das er war, spielte der Wind oft mit ihm und nutzte seine Schwäche, um anderen damit Schaden zu zufügen. Dennoch gab es sich immer selbst die Schuld für das Unheil, das anderen durch ihn zugefügt worden war. Weil er schwach war. Es ließ sich nicht binden, aus Angst, den anderen Blättern in dem Buch schlecht zu Gesicht zu stehen und ihnen Unglück zu bringen. Und für die, die ihm nur das Beste wollten, war es unmöglich auf diesem Blatt zu schreiben. Zwar war seine Rückseite schon ganz schwarz, von all den bösen Dingen, die ihm widerfahren waren, von all den harten, kalten Worten, die man ihm gesagt hatte, aber die Vorderseite, reserviert für Worte der Heilung und Freundschaft, war noch blank. Blank und weiß. Leer. Und wann immer jemand versuchte in guter Absicht etwas drauf niederzuschreiben, hinterließ er tiefe Kratzer in dem empfindlichen weißen Papier. In seiner Seele. Wenn man das durchschaut hatte, konnte man ihn nicht hassen, aus Angst, das dünne Blatt damit zu zerreißen. Stattdessen weckte es den Wunsch, ihn zu beschützen. Doch genau das war es, was er fürchtete. Menschen, die ihm nahe standen, verletzt zu sehen. Ich wusste, dass Fay es mir niemals verzeihen würde, als ich mit meinem eigenem Blut drei Worte auf das weiße Blatt seiner Seele schrieb. Ich liebe dich. Kapitel 10: 09.Woche - Valentinsspecial --------------------------------------- ~Klayr_de_Gall~ My Valentin „Lest euch bitte Seite 159-164 durch, und macht euch gegebenenfalls Notizen darüber. Und ich möchte, dass jemand einen Vortrag über dieses Thema hält. Freiwillige? Gut, Syaoran, dann viel Glück nächste Sunde. Ich wünsch euch eine angenehme Frühstückspause, bis übermorgen.“ Fay ließ sich mit einem schweren Seufzen in seinen Stuhl zurücksinken, als die Schulglocke zur Pause läutete, und ihre Geschichtslehrerin gleich darauf den Raum verließ. So langweilig! Geschichtliche Daten, Intrigen, irgendwelches Blabla.. Er stöhnte genervt. Valentinstag sollte ein Feiertag sein! Die Aussichten, dass sie am Donnerstag schon wieder Geschichte hatten, machte es auch nicht gerade besser. Als ihn eine Papierkugel an der Schulter traf, schrak er auf. „Erde an Fay!“, rief Syaoran von der Tür aus. „Kommst du? Die anderen warten.“ „Ähm... ich hatte überlegt ob ich heute nicht lieber...“ Der braunhaarige Junge verdrehte bei dem unsicheren Protest die Augen. Es war nichts neues, dass sein Klassenkamerad von Zeit zu Zeit passen wollte, wenn es darum ging zum Frühstück zu ihren Freunden in der Parallelklasse zu gehen. Und er wusste auch, was am besten half, ihn doch zum mitgehen zu überreden. „Hast du das gehört, Chii?“, wandte er sich an das blonde Mädchen, das schon auf dem Gang stand. „Fay will sich mal wieder drücken.“ „Was? Warum das denn?“ Sofort lief die liebenswerte Blondine mit besorgtem Blick zu Fay und begann augenblicklich ihn auszufragen, ob auch alles okay sei. Der Blondschopf seufzte schwer. Chii konnte er sowieso nichts abschlagen, und als sie ihn schließlich bat mitzukommen, stand er schließlich grummelnd auf, und warf dem grinsenden Syaoran einen bitterbösen Blick zu. Dann machten sie sich zu dritt auf den Weg in ihre Parallelklasse, die heute nur einen Gang weiter Unterricht gehabt hatte. „Syaoran! Fay! Gut dass ihr kommt!“ Kaum hatten sie den Raum betreten, wurden sie lautstark begrüßt. „Ich brauch unbedingt eure Hilfe!“, rief Sakura verzweifelt. Nachdem sie noch Chii zur Begrüßung umarmt hatte, führte sie die drei zu ihrem Platz. „Ich hab die Mathehausaufgaben noch nicht ganz fertig, aber die eine Aufgabe lässt mich verzweifeln! „Warum fragst du nicht Kurogane, er ist doch unser Mathegenie.“ Syaoran blickte sich suchend im Raum um, war überrascht, als er den Schwarzhaarigen in der hintersten Ecke des Zimmers entdeckte, wo er auf seinem eigenen Platz saß und schlecht gelaunt aus dem Fenster starrte. Auch Fay war das Fehlen ihres schwarzhaarigen Freundes schon aufgefallen. Syaorans Zwilling, Shaolan, saß wie gewohnt neben Sakuras Sitzplatz und las in einem Buch – unwahrscheinlich, dass er die Mathehausaufgaben schon hatte, aber er interessierte sich auch nicht sonderlich für so etwas. „Würdest du ihn freiwillig fragen, so wie der dreinschaut?“ Theatralisch zog sich Sakura den Zeigefinger über den Hals und zuckte dann die Schultern. Ihr schwarz rosa gestreifter Schalstürzte daraufhin beinahe ab, doch Fay griff schnell genug zu, um ihn davor zu bewaren. „Na, Gothic-Prinzessin, heute etwas nachlässig?“ „Nope!“, grinste das Mädchen, und wackelte extra etwas mit den Hüften, um die vielen Glöckchen an ihrem Gürtel zum Klingen zu bringen. „Du weißt doch was heut für ein Tag ist. Und um Verehrer abzuschrecken, die es nicht ernst meinen, hab ich heute mal etwas dicker aufgetragen.“ „Vor allem mit der Schminke.“, kommentierte Shaolan, ohne von seinem Buch aufzusehen, und das braunhaarige Mädchen blitze ihn aus ihren schwarzumrandeten Augen an. Fay grinste. Jeder von ihnen entsprach heute nicht ganz den Schulregeln. Chii trug einen Haarreifen, an dem ein Paar seltsame Ohren befestigt waren. Da es bei ihr aber Standart war, wirkte sie noch am normalsten. Die Zwillinge waren in ihrem heißgeliebten Karolook erscheinen, und Sakura trug einen weit ausfallenden Rüschenrock und den hervorstechenden Wollschal. Fay hatte versucht sich etwas zu zügeln, und abgesehen von insgesamt 7 Ohrringen und schwarzen Armstulpen auf anderes Zubehör verzichtet. Und auch Kurogane konnte man mit einem Blick ihrer Gruppe zuordnen, auch wenn er sich auf Abstand hielt. Das Hemd mehr offen als zu, ein Nietenhalsband statt einer Krawatte, und ebenfalls einige Ohrpiercings, ließen ihn nicht unbedingt wie einen braven Schüler aussehen. Ja, sie waren schon ein etwas... spezieller Haufen. Der Blonde lächelte zu sich selbst, während er seine Freunde musterte. Auch wenn es auf der Tagesordnung stand, dass Mitschüler sie hinter ihren Rücken als Freaks, oder Punks bezeichneten, waren sie glücklich so. Und zu offenen Angriffen kam es sowieso selten, denn niemand legte sich freiwillig mit Kurogane an und das es sich rächte, wenn man ein anderes Mitglied der Gruppe allein abgriff, hatte sich schon herumgesprochen. Sie mochten nicht dem Normalbild entsprechen, aber das fanden sie gut so. ’Leute wie wir’, war ihre eigene Bezeichnung für sich. „Hast du eine Ahnung, warum Kurogane heute so schlecht drauf ist?“, wandte sich Sakura schließlich wieder an ihn. „Du hättest ihn vorhin erleben sollen, als eins der Mädchen sich doch ernsthaft getraut hat ihm etwas zu Valentinstag schenken zu wollen...“ Sie schauderte leicht. So eine Abfuhr hatte echt niemand verdient. „Weiß nicht. Seit wir uns auf den Weg zur Schule gemacht haben, ist er mies drauf.“ „Vielleicht schmollt er, weil du ihm nichts zu Valentin geschenkt hast?“ Chii und Sakura blickten neugierig zwischen ihnen hin und her. Die Frage diente einzig und allein dem Zweck, etwas über das Geschenk herauszufinden, denn dass Fay seinem Freund nichts geschenkt haben sollte, war unvorstellbar. „Natürlich hab ich ihm was geschenkt!“, verteidigte sich Fay und spielte damit das Spiel mit. „Was denn?“ Während die Zwillinge sich mit irgendetwas beschäftigten, interessierte sie die beziehungs-orientierten Themen doch nicht sonderlich, waren die Mädchen Feuer und Flamme. „Einen Kuss.“ „Den bekommt er von dir doch jeden Morgen.“ Fay grinste. Kurogane bekam an manchen Tagen mehr als nur einen Kuss, sie waren schließlich nicht aus purer Geldnot vor einem halben Jahr zusammen gezogen. „Benutzt eure Fantasie, Mädels.“ „Oh.“ Während Chii knallrot anlief, begann Sakura begeistert zu kichern. Göttlich! Wenn sie sich das nur vorstellte – halt, lieber nicht, sie wollte nicht den Rest des Tages mit Nasenbluten im Krankenzimmer liegen. „Und wie kann er da schlechte Laune haben?!“ Nachdenklich zuckte der Blondschopf die Schultern, und ließ vor seinem inneren Augen den Morgen noch einem Revue passieren. „Kuro-sama, wir sollten wirklich langsam aufstehen. Wir kommen sonst zu spät.“ Von dem jungen Mann neben ihm kam erst nur ein Grummeln, dann verspätet aber doch eine Antwort. „Vorher sollten wir duschen.“ Fays Protest wandelte sich schnell in ein zustimmendes Schnurren, als er Kuroganes Hände an Stellen spürte, an denen sie ganz sicher nichts unschuldiges vor hatten und überzeugten ihn sehr schnell von der Notwendigkeit des gemeinsamen Duschens. „Aber kalt und kurz.“, murmelte er mit rauer Stimme und versuchte auf die Beine zu kommen, ohne seinen Freund gleich wieder anzufallen. Kurogane hatte aber auch einfach zu viel Überzeugungskraft! Aus dem Vorsatz ’kalt und kurz’ wurde ein sehr heiß und lang – oder wenn man es genau nehmen wollte, zweimal kurz und sehr intensiv – bis Fay es endlich schaffte das Bad zu verlassen und feststellen musste, dass sie für die erste Stunde schon viel zu spät dran waren. Seufzend setzte er Kaffee auf. Da sie es ohnehin nicht mehr rechtzeitig schaffen würden, konnten sie auch noch in Ruhe frühstücken. Kurogane kam wenig später ebenfalls in die Küche – verdammt konnte der sein Hemd nicht ordentlich zu machen, sonst ging das doch gleich wieder los! – und sie konnten zusammen essen. Fay nahm sich die Zeit auf eine Scheibe Toast mit Ketchup ein Herz zu malen, was er seinem Freund dann mit einem süßen Kuss und einem geflüsterten, „Happy Valentin.“ überreichte. Und natürlich nahm Kurogane es an, auch wenn er nichts dazu sagte. Wie jedes Jahr... Als sie schließlich aufbrachen und der Schwarzhaarige ihr gemeinsames Apartment abschloss, fasste sich Fay ein Herz, und fragte zum ersten Mal in ihrer vier jährigen Beziehung: „Bekomm ich auch etwas zum Valentinstag?“ Kurogane zog die Augenbraun zusammen, und starrte stur aus dem Fenster. Er hatte nicht einmal aufgesehen, als die anderen zum Frühstück hereingekommen waren. Er war zwar nicht sauer auf einen von ihnen – nein, auch nicht Fay – aber im Moment wollte er lieber für sich sein. Der Schwarzhaarige war wütend auf sich selbst. Er war nun schon eine halbe Ewigkeit mit seinem Freund zusammen und hatte es immer verpasst ihm am 14. Februar etwas zu schenken, weil er sich das Datum nicht merken konnte. Und ebenso hatte er vergessen etwas zum White Day zurückzuschenken. Aber das schlimmste daran war, dass Fay nichts gesagt hatte! Er hatte niemals nachgefragt, ihn nie gedrängt... was war er doch für ein Vollidiot das zu vergessen! Dabei würde er seinem Freund sogar etwas schenken wollen... Aber was tat er? Vergaß es. Und nicht einmal ein ‚ich liebe dich’ kam an solchen Tagen über seine Lippen. Fay sprach die drei Worte manchmal aus, Kurogane nie. Er war ein Mensch, der seinen Gefühlen mit Taten Ausdruck verlieh. Aber manchmal sollte er besser nachdenken. „Kurogane!“ Der schwarzhaarige Junge war so in Gedanken versunken gewesen, dass er nicht einmal gemerkt hatte, dass Tomoyo sich ihm näherte. Nun funkelte er seine Cousine giftig an. „Was willst du?“ „Was wohl.“, erwiderte sie nur lachend, und stellte ihm ein kleines Päckchen Schokolade hin, wie jedes Jahr. Tomoyo hatte die Angewohnheit, allen die sie mochte oder mit denen sie verwandt war, etwas zu schenken, wohl weil sie keinen Freund hatte. „Du weißt genau dass ich keine will.“ „Jaja, wir diskutieren jedes Mal miteinander und du nimmst sie dann doch, als können wir uns das doch sparen. Oder?“ Ihr gewinnendes Lächeln ließ Kurogane gereizt knurren. Aber da sie recht hatte, widersprach er nicht. „Dann kannst du ja jetzt wieder gehen.“, murrte er nur genervt, während er das Geschenk in seine Schultasche warf. „Du scheinst schlecht drauf zu sein, ist etwas passiert? „Nein, ich denke nur nach.“ Kurogane verschränkte die Arme und sah weg. Für ihn war das Gespräch beendet, aber Tomoyo ignorierte das. „Worüber denn? Etwa, was du deinem Liebling zum Valentinstag schenken sollst?“ Es war typisch für das dunkelhaarige Mädchen, dass sie alles durchschaute, dennoch unternahm Kurogane den Versuch, zu protestieren. „Warum sollte ich?“ „Er würde sich sicher darüber freuen.“ „Er?“ Zwar war es ein offenes Geheimnis an ihrer Schule, dass er und Fay ein Paar waren, dennoch reagierte der Schwarzhaarige jedes Mal aufs neue gereizt darauf, wenn es jemand ansprach. „Ich weiß nicht von wem du redest, Tomoyo.“ Hätte Fay diese patzige Antwort mitbekommen, wäre er sicherlich verletzte gewesen, aber zum Glück war er außer Hörweite. Es war ja nicht so, dass er ihre Beziehung leugnete, oder sich ihrer schämte. Tomoyo nervte ihn nur gerade gewaltig! War es nicht offensichtlich, dass er seine Ruhe wollte? Aber seine Cousine ließ nicht locker. „Soll ich dir auf die Sprünge helfen? Blond, groß und schlank, mit hübschen blauen Augen. Und momentan kaut er sehr niedlich auf seiner Unterlippe herum während er herschaut.“ Und Kurogane fiel auf den Trick herein und sah zu seinem Freund hinüber. Tomoyo hatte nicht einmal geflunkert. Fay saß da, mit nachdenklich gerunzelter Stirn und nagte lieber an sich selbst herum, als sein Bento zu essen. Und ja, er sah verboten süß dabei aus. „Ich sehe, du weißt ja doch wen ich meine.“ „Tz!“ Mürrig blickte Kurogane sie an. „Na und? Es gibt nur eine Person im Raum auf die deine Beschreibung zutrifft. Das sagt also gar nichts.“ „Kurogane.“ Kopfschüttelnd ließ Tomoyo auch auf dem Platz vor ihm nieder. „Du weißt genauso gut wie ich, dass es kein Geheimnis mehr ist, dass ihr zusammen seit,. Und mir ist es auch egal, ich freu mich für euch beide. Wenn Fay bei dir ist, sieht er am glücklichsten aus.“ Da ihr Gegenüber weder widersprach noch explodierte, fuhr sie lächelnd fort. „Deswegen frag ich mich auch, warum du hier sitzt und nicht bei ihm. Ohne dich sieht er immer so allein aus.“ Einen Moment lang versank der schwarzhaarige Junge in Schweigen. Natürlich hatte Tomoyo recht, und Kurogane ging es nicht anders. Er fühlte sich in Gegenwart seines Freundes ebenfalls am wohlsten... „Hör auf mit den Psycho-Spillchen, Tomoyo.“ „Darum geht es nicht. Du solltest einfach mal deinen inneren Schweinehund überwinden. Wenn du ihm schon nichts schenkst, lass ihn wenigstens nicht allein.“ „Pha!“ Diese Hexe schaffte es doch tatsächlich, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden! „Bist du ein Mann oder eine Maus? Nicht einmal zu deinen Gefühlen stehen kannst du.“ „Tomoyo...“ Der warnende Unterton in Kuroganes Stimme war alarmierend, doch Tomoyo war nicht bereit nachzugeben. Noch nicht. Fay zu liebe, der ein guter Freund für sie war und ihr immer beistand, hatte sie sich geschworen, Kurogane aus seinem Schneckenhaus zu locken. Und es fehlte nur noch ein wenig... „Du solltest es dir eingestehen solange du noch kannst. Sonst verlierst du ihn am Ende noch. „Jetzt hör mal!“ „Ich hab recht, Kurogane, und das weißt du.“ Noch ein bisschen, ein kleines bisschen! „Du kannst es dir noch so oft denken, wenn du es niemals aussprichst, kann er es nie wissen.“ Kurogane knurrte. „Sei kein Angsthase, es sind nur drei-„ Kurogane erhob sich so aufgebracht, dass sein Stuhl mit einem lauten Scheppern hinten über kippte, und die meisten Gespräche im Raum verwundert erstarb. So war seine laute Antwort auch für jeden sehr deutlich hör bar. „Ja, verdammt, ich liebe Fay D Flourite! Bist du jetzt zufrieden?!“ Tomoyo kicherte. „Aber natürlich.“ Fay klappte der Mund auf. Ich liebe Fay...? Hatte Kurogane gerade wirklich...? Hatte er gesagt er würde ihn lieben? Vor allen Schülern die noch im Klassenzimmer waren? Alle starrten ihn an, alle hatten es gehört. Dabei legte der Schwarzhaarige sonst immer Wert darauf, dass sie in der Schule normal miteinander umgingen. Auch wenn er Fay nicht jeden Kontakt verbat, ihn sogar gelegentlich küsste, wenn sie irgendwo in der Schule allein waren, so war dieses Geständnis ein Schock. Der Blondschopf spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. Kurogane hatte es wirklich gesagt! Er hatte es sich so lange gewünscht, dass Kurogane ihm endlich wörtlich seine Liebe gestand, sich so oft ausgemalt, was er tun würde, wenn es so weit war, aber jetzt konnte er sich nicht rühren. Er saß nur da, glühte wie eine Tomate, und starrte den Schwarzhaarige an, als ob er ihn heute zum ersten Mal sah. „Kannst du das denn auch beweisen?“ Sakura, die sowieso nicht auf den Mund gefallen war und wusste, wie sehr ihr blonder Freund unter Kuroganes ewigem Schweigen litt, klinkte sich kurzerhand in das Streitgespräch ein. Alle anderen Schüler schwiegen angespannt. Mit dem temperamentvollen Schwarzhaarigen war nie zu spaßen und niemand wollte, dass sich dieser tödliche Blick, der gerade auf Sakura ruhte, ihm zuwandte. Das braunhaarige Mädchen blieb aber gelassen. „Na was denn? Kannst du’s oder nicht?“ „Ich muss hier gar nichts beweisen.“ Fay lächelte traurig. Es wäre ja zu schön gewesen. Natürlich freute er sich über das Geständnis, aber es war nun mal Kurogane... Da er den Blick auf seine Hände gerichtet hatte, bemerkte er weder den vorwurfsvollen Ausdruck auf Sakuras Gesicht, noch dass Tomoyo seinem Freund einen Ellenbogen in die Seite rammte. Erst als die tiefe, vertraute Stimme die anhaltende Stille durchbrach, blickte er wieder auf. „Fay.“ Er hatte nicht mal gehört, dass Kurogane zu ihm gekommen war – der sportliche Mann konnte leiser gehen als jede Katze – und zuckte nun erschrocken zurück. „J-ja..?“ Unsicher befeuchtete er seine Lippen mit der Zunge. Einen langen Augenblick lang ruhte der rubinrote Blick noch nachdenklich auf ihm, bevor sich der Schwarzhaarige herunterbeugte. Und ihn sanft küsste. Fay war zu perplex, um die Geste zu erwidern, konnte seinen Geliebten nur anstarren. „Was?“ Leicht verunsichert runzelte Kurogane die Stirn. Es war Neuland für ihn, vor so vielen Leuten seine liebenswerte Seite zu zeigen. „Ich glaub ich träume... Kneif mich mal.“ Statt ihn zu kneifen küsste Kurogane ihn erneut. Diesmal länger. Und während Fay langsam die Augen schloss und seine Arme um den muskulösen Nacken schlang, konnte er hören wie Sakura neben ihnen begeistert zu klatschen begann, ignorierte es aber. Stattdessen versank er in dem Kuss, und ließ sich von der Wärme einlullen, die die sanfte Berührung ihrer Lippen in ihm auslöste. Was für ein schönes Valentinstagsgeschenk. <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Schneeblume~ Valentine’s Kiss Es schneite als ich endlich das Schulgebäude verließ. Eigentlich wollte ich längst auf dem Hof sein, doch als Leiter des Komitees für unseren Abschlussjahrgang war ich momentan ein sehr gefragter Mann. Ein Lehrer und zwei Schüler hatten mich gerade nacheinander angesprochen und so war die Mittagspause fast vorbei. Ausgerechnet heute, wo ich doch… „Fye! Du bist spät dran!“, rief eine mir gut bekannte Stimme und ich blieb abrupt stehen. Doch durch mein hohes Lauftempo hatte ich viel zu viel Schwung drauf, so dass ich Ashura glatt in die Arme purzelte. Er lächelte, hielt mich solange, bis ich mich wieder gefangen hatte, und ließ mich dann los. „Warum genau hängst du gerade an meinem Freund?“ Yasha war –natürlich – neben ihm aufgetaucht, legte Besitz ergreifend einen Arm um Ashuras Taille und funkelte mich an. Ich grinste demonstrativ anzüglich und streckte ihm die Zunge entgegen. „Ich bin eben manchmal etwas stürmisch. Übrigens kann euch jeder sehen.“, gab ich zurück. Zerknirscht zog Yasha seinen Arm zurück, fühlte sich aber getröstet als sein Freund ihm ein süßes, aufmunterndes Lächeln zu warf. Ihre Eltern waren stark konservativ, weshalb die Zwei ihre Beziehung nur in unserem Freundeskreis offen auslebten. „Hört auf zu streiten, ihr Kindsköpfe.“, ermahnte uns Ashura milde und schmunzelte. „Ach Fye, hattest du nicht etwas vor? Du solltest dich beeilen, es klingelt gleich. Die anderen sind noch hinten.“ „Sogar dein Angebeteter, obwohl der sonst immer als erster geht.“, ergänzte Yasha stichelnd und grinste breit. Ich errötete leicht und versuchte mein Herz zu ignorieren, das einen Hüpfer gemacht hatte. Er hatte also gewartet…!? „Danke! Bis später!“, rief ich und eilte weiter. Ich hörte noch, wie Ashura mir nachrief: „Ach, und danke für die-“ „Immer wieder gern!“, unterbrach ich ihn gehetzt über die Schulter und joggte über den eingeschneiten Hof. Schnee am Valentinstag. Irgendwie hatte das etwas Magisches. Es klingelte und die Schüler kehrten schwatzend ins Schulgebäude zurück. Mist, verdammter! Ich sprintete die letzten Meter zu unserem Pausenstammplatz, einer Holzbank unter einer hohen Kastanie in der hintersten Ecke unseres Schulhofs, und stützte mich ganz aus der Puste auf meinen Knien ab. Er war wirklich noch da! Ich strahlte. Kurogane saß als einziger auf der wahrscheinlich kalten Bank – doch ihm machte Kälte nichts aus, er war durch nichts klein zu kriegen – mit vor der Brust verschränkten Armen und sah so aus, als hätte er sich in den letzten zwanzig Minuten nicht bewegt. Schnee lag auf seinen Schultern und auf seinem Schopf, bildete einen schönen Kontrast zu den schwarzen Haaren und dem dunkelblauen Kurzmantel. Er sah einfach toll aus, obwohl er mich grimmig anschaute. Vor ihm stand der Rest unserer Freunde in einem Halbkreis: Mein Bruder Yui, der amüsiert grinste, Sakura und Shaolan. „Du bist spät.“, brummte der Schwarzhaarige und ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf. „Tut mir Leid, Kuro-rin! Danke fürs Warten.“ „Pfft.“ Scheinbar teilnahmslos und genervt drehte er den Kopf zur Seite. Er wollte es runterspielen, doch ob er wollte oder nicht, er hatte mir damit eine Freude gemacht. Vor der ersten Stunde hatte ich ihn gefragt, ob wir uns heute in der Mittagspause sehen konnten, woraufhin er mir brummend geantwortet hatte, dass wir uns doch jeden Tag in der Mittagspause sahen. „Schon, aber… heute ist es wichtig, Kuro-pii.“ Ungewohnt kleinlaut hatte ich zu Boden gesehen und auf eine Reaktion gewartet. Kurogane hatte mich einige Augenblicke zappeln lassen, dann jedoch plötzlich eine seiner großen Hände in meinem Schopf vergraben, mir die Haare verwuschelt. Erstaunt hatte ich den Kopf gehoben und gesehen, wie er mir einen viel sagenden Blick zuwarf und… „Wir sehen uns nachher.“ Seine tiefe Stimme hatte einen wohligen Schauer über meinen Rücken geschickt, und selbst jetzt wurden mir Herz und Wangen ganz warm, wenn ich daran zurück dachte. „Hier.“ Kurogane sah irritiert zwischen mir und der kleinen Schachtel hin und her, die ich ihm unter die Nase hielt. „Alles Liebe zum Valentinstag.“, ergänzte ich und lächelte ihn an. Die plötzliche Erkenntnis war förmlich von seinem Gesicht abzulesen und er starrte mich an, als wäre ich verrückt geworden. Sollte ihm tatsächlich entgangen sein, dass heute der 14. Februar war? Bei dem Getuschel und nervösen Gekicher in den Gängen? Trotz der rosaroten Geschenke, die die Mädchen teils schüchtern, teils selbstbewusst verteilten? Obwohl Yasha und Ashura permanent verliebte Blicke austauschten, was sie sonst weniger offensichtlich taten? Und Sakura und Shaolan ununterbrochen Händchen hielten? Kurogane war ja wirklich ein sehr intelligenter Mensch, aber manchmal, wenn es um Gefühlsdinge ging, stand er gehörig auf der Leitung. So wie jetzt, als sein Blick wieder zu meinem Valentinstagsgeschenk glitt. Anscheinend wusste er nicht, was er davon halten sollte, ob ich es ernst meinte oder ihn auf den Arm nahm. Dabei lag mir nichts ferner. Ich hatte lange in der Küche gestanden, um das selbst geformte Marzipanherz mit Zartbitterschokolade zu überziehen. Und dreimal so lange hatte es gedauert, den kleinen Hund und das Kätzchen mit Zuckerguss oben drauf zu schreiben. Wie oft hatte ich mich verzeichnet und noch einmal von vorne anfangen müssen… Hoffentlich verstand er die Symbolik… Offen und ehrlich zu gestehen, was ich für ihn fühlte, lag mir einfach nicht, also versuchte ich hiermit, es ihm auf anderem Wege zu zeigen. Ob er das Herz annahm? Mein Herz? Er verharrte schweigend und dann, als ich mich schon enttäuscht abwenden wollte, hob er die Hand und nahm die Schachtel entgegen. Mein Herzschlag setzte für Sekunden aus, nur um mir anschließend davon zu rennen. „Danke.“ Kurogane schaute mit kurz in die Augen, ehe er sich abwandte, um mein Geschenk behutsam in seinem Rucksack zu verstauen. Ich lächelte rotwangig und senkte meinen Blick auf den Schnee. Neben mir hörte ich meinen Zwillingsbruder kichern. Da fiel mir etwas ein. „Ach Yui, deine Schokolade. Fröhlichen Valentinstag, Brüderchen.“ Weil ich es heute Morgen nicht mehr geschafft hatte, überreichte ich ihm nun seine Valentinstagsschokolade. Er sandte mir einen Luftkuss zum Dank und schaute schmunzelnd auf das kleine Päckchen herab. „Übrigens ist sie dir wieder sehr gut gelungen, danke noch einmal, Fye-san.“, freute sich Sakura und Shaolan nickte bekräftigend. „Dankeschön!“, flötete ich, während Kurogane neben mir fast von der Bank fiel. Fragend warf ich ihm einen Blick zu und ignorierte die Belustigung der anderen. Mit säuerlicher Miene setzte er sich gerade hin und verschränkte die Arme wieder vor der Brust. Es war ihm anzusehen, dass er sich veralbert fühlte. Anscheinend hatten es unsere Freunde nicht für nötig gehalten, den Schwarzhaarigen, der erst seit einem knappen Jahr bei uns war, über unsere Valentinstagstradition aufzuklären. Ich warf ihnen halb vorwurfsvolle, halb amüsierte Blicke zu. Ich nahm mir vor, Kurogane später zu erklären, dass Yui und ich uns jedes Jahr abwechselten und unsere Freunde beschenkten. Dafür bekamen wir von ihnen eine Kleinigkeit zum Weißen Tag. „Leute, wir müssen uns beeilen! Es klingelt gleich.“, mahnte Shaolan nun zur Eile. Sakura winkte. „Wir sehen uns nachher.“ Und so machte sich das Pärchen auf den Weg. Yui sah mich an und ich nickte kaum merklich. Er schenkte mir ein ermutigendes, liebevolles Lächeln und trabte den beiden hinterher. Wir beide mochten Kurogane sehr, doch mein lieber Bruder hatte ihn für sich längst aufgegeben, weil er wusste, wie stark meine Zuneigung war. Eigentlich wäre Yui dieses Jahr mit der Schokolade dran gewesen, doch damit ich meine Kurogane geben konnte, hatte er mit mir getauscht. Ich war ihm nicht nur dafür sehr dankbar. Mit einem genervten Blick wollte sich der Schwarzhaarige erheben, um ebenfalls ins Schulhaus zurückzukehren. „Warte Kuro-sama.“, bat ich und sah, wie er inne hielt, mich beinahe frustriert anschaute. „Was ist denn jetzt noch, wir kommen zu spät zum Unterricht.“ „Also…“, setzte ich an. Mein Herz schlug aufgeregt in meiner Brust, während ich nervös mit meinen Fingern spielte. „Ich habe noch etwas für dich. Zum Valentinstag, meine ich. …Nur für dich.“, fügte ich hinzu, als er eine Augenbraue hob. Abwartend lag der rote Blick auf mir, etwas skeptisch, aber durchaus offen. Zögerlich machte ich einen Schritt auf ihn zu, sodass ich direkt vor ihm stand. Reiß dich zusammen, ermahnte ich mich innerlich. So schwer konnte das doch nicht sein. Entschlossen, durch meine eigenen Worte motiviert, beugte ich zu ihm hinab, näherte mich seinem Gesicht. Doch das Glück war mir augenscheinlich nicht wohl gesonnen. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass Kurogane wegen meiner schnellen Bewegung zuckte, oder an meinem tollpatschigen Schwanken. Jedenfalls lagen meine Lippen schlussendlich nicht, wie ich es geplant hatte, auf seinen Lippen oder auf der hohen Stirn – da war ich mit mir selbst noch uneins – sondern auf Kuroganes glücklicherweise rechtzeitig geschlossenem Augenlid. Sekundenlang verharrten wir. Dann zog ich meinen Kopf ein Stück zurück und prustete hinter vorgehaltener Hand. Es war peinlich, wirklich peinlich, aber gleichzeitig ziemlich lustig. Mein Gegenüber blinzelte und ganz langsam zog er die Mundwinkel hoch, und begann tatsächlich, leise zu lachen. Wir sahen uns an, mit funkelnden Augen. Ich kicherte amüsiert, er grinste. Kurogane hob seine Hand und legte sie warm auf meine Wange, strich dann hinab über den Hals, bis hin zu meinem Hinterkopf. Dank der sanften Berührung stellten sich sämtliche kleinen Härchen meines Körpers auf und ich seufzte lautlos. Kurogane zog mich zu sich, und als es um uns herum zu schneien begann, verschmolzen unsere Lippen zu einem zärtlichen Kuss. Die Schulglocken hörten wir nicht mehr und schlussendlich kamen wir beide eine Viertelstunde zu spät zum Unterricht… Owari <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Asaku~ My Valentin Ein leises Rascheln war zu vernehmen, als Fay sich sein weißes Hemd über den Kopf zog und rasch zuknüpfte. „Wir sollten wirklich aufpassen, wie intensiv wir unsere Nächte verbringen, wenn du am nächsten Tag eine Präsentation halten musst, hm, Liebling?“, summte der Blondschopf vergnügt und stahl seinem schwarzhaarigen Liebhaber, der in diesem Moment lediglich mit einem Handtuch bekleidet und noch immer von dem Duschwasser tropfend, aus dem Bad kam, einen sanften Kuss. „Du bist doch derjenige, der darauf bestanden hat, dass wir beide eine Kanne Kaffee kippen und die Nacht sinnvoller als mit Schlafen verbringen.“, war alles, was Kurogane darauf grinsend erwiderte, bevor er kurzerhand Fay an der Taille nahm und der Länge nach an sich zog, um ihn dazu verführen zu können, dessen Lippen erneut gegen die seinen zu schmiegen, „Guten Morgen.“ „Guten Morgen.“, gab der Kleinere brav zurück und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Kurogane einen zärtlichen Kuss auf die Nase hauchen zu können, „Und danke dafür, dass du mich nass gemacht hast~“ Ein Lachen verließ die blassen Lippen des Blondschopfs und auch Kurogane kam nicht drum herum, erneut kurz zu grinsen. Dann löste Fay sich aber auch schon wieder von dem Größeren und wedelte ein bisschen mit den Armen, so als wollte er sein Hemd wieder trocknen. „Du siehst albern aus.“, bemerkte Kurogane dazu nur schmunzelnd, während er sein Handtuch nun von seiner Hüfte nahm und sich damit abtrocknete, bevor er begann, sich die Kleidung anzuziehen, die Fay ihm zuvor freundlicherweise aufs Bett gelegt hatte. „Und ich werde dir jetzt nicht sagen, dass du heiß aussiehst.“, kam es von Fay zurück und er musste sich zurückhalten, um nicht noch ein mehr als nur verzücktes Schnurren an seine Aussage zu hängen. „Ich weiß, dass mir der Anzug steht, das brauchst du mir nicht ständig zu bestätigen. Immerhin hast du ihn ausgesucht.“ Erneut lachte Fay nur, bevor er aber zurück zu dem anderen trat und sich zufrieden an dessen nackte und angenehm warme Brust schmiegte, während der Schwarzhaarige noch damit beschäftigt war, seine ebenso schwarze und zu dem Rest seines Anzugs passende Hose zu schließen. „Meinst du, du könntest heute etwas früher Schluss machen?“, wollte Fay nach einer Weile, in der er nur zufrieden mit Kurogane geschmust hatte – was es diesem dezent erschwert hatte, sich anzuziehen – wissen und sah den anderen aus großen blauen Augen an, „Für mich? Bitte~?“ Fay wusste, dass Kurogane diesem Blick und solch lieb ausgesprochenen Worten selten widerstehen konnte und so lag auch dieses Mal der Triumph auf Fays Seite, als Kurogane diesen nur einige Sekunden lang mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte, bevor er auch schon geschlagen seufzte und dann nickte. „Fein. Ich wird sehen, dass ich zeitig Schluss mache.“ „Das heißt wann genau~?“ „Sieben Uhr.“ Fay schüttelte seinen Kopf vehement auf diese Aussage. „Sieben Uhr ist viel zu spät! Wie wär’s mit Fünf?“ Einen Moment lang herrschte Schweigen, während Kurogane nur seine Augenbraue in die Höhe zog, nur um schließlich murrend seinerseits den Kopf zu schütteln. „Du weißt, dass ich das nicht kann. Ich bin der Chef der Firma und es gibt Dinge, um die ich mich zu kümmern habe.“, erhob der Schwarzhaarige schließlich wieder seine Stimme, „Und sieh bitte zu, dass du innerhalb einer Stunde ebenfalls aus der Wohnung rauskommst. Die Haushälterin-“ „Die Haushälterin braucht nicht wissen, dass du auch mal mit Männern in die Kiste springst, ich weiß~“, vollendete Fay den Satz des Schwarzhaarigen mit einem Lächeln. Kurogane nickte darauf nur knapp und damit war für ihn erstmal alles gesagt, sodass er sich von Fay noch einen Kuss stahl, der allerdings weitaus weniger liebevoll war als die letzten, und dann auch schon seine Aktentasche vom Boden aufsammelte, um kurz darauf die Wohnung verlassen zu können. Fay sah ihm einige Augenblicke nach, bevor er sich endlich die Krawatte umband, die er die letzten Minuten über in der Hand gehalten hatte, und seine Sachen und andere Dinge, die in der Wohnung auf das hindeuteten, was die beiden Männer dort in der letzten Nacht so alles getrieben hatten, aufzusammeln begann, um sie mit mildem Interesse in seine Tasche stopfen und dann ebenfalls die Wohnung verlassen zu können. Ein leises Seufzen rang sich aus Fays Kehle, als er seine Stirn gegen das kühle Glas der Fensterscheibe kippen ließ und recht lustlos verfolgte, wie die Bahn, in die er gerade gestiegen war, sich langsam in Bewegung setzte, wie die Menschen, Straßen, Autos und Gebäude an ihm vorbeirauschten. Die Affäre mit Kurogane und ihm ging bereits seit anderthalb Jahren so. Sie trafen sich abends Zuhause bei dem Mann, der ja glücklicherweise größtenteils mit seiner Arbeit verheiratet war und demnach keine Zeit für eine Freundin hatte. Es wurde ein bisschen über dies und das geplaudert, Fay massierte den vielbeschäftigten Geschäftsmann, sie alberten etwas herum und schließlich hatten sie den wohl heißesten und absolut grandiosesten Sex, den Fay wohl jemals in seinem ganzen Leben gehabt hatte und auch haben würde. „Das war es wert“, sagte Fay sich jedes Mal, wenn Kurogane die Wohnungstür hinter sich ins Schlossen fallen ließ, um zur Arbeit zu gehen, natürlich niemals vergessend, Fay vorher zu sagen, er solle gehen, bevor die Putzfrau des Schwarzhaarigen ihn sah. Der Sex war es definitiv wert, dass Kurogane eigentlich ein homophober Mensch war, der Wert darauf legte, dass jeder in der Öffentlichkeit wusste, was er von gleichgeschlechtlichen Beziehungen hielt. Alles andere war es nicht. Es war etwa eine halbe Stunde später, dass Fay an seinem Arbeitsplatz ankam, einer Anwaltskanzlei um genau zu sein, in der er als Sekretär für einen ehemaligen Bekannten seines Vaters arbeitete. Die Arbeit machte nicht unbedingt Spaß, noch waren die ganzen Bemerkungen, die sein Chef gerne schon mal fallen ließ und die recht deutlich darauf hinwiesen, dass der Mann anscheinend in seinem Job nicht ausgelastet genug war, in irgendeiner Weise witzig. „Guten Morgen, Fay-san“, begrüßte ihn Sakura freundlich, die in der Kanzlei unter anderem als Anwaltsgehilfin tätig war und mit der Fay sich bereits an seinem ersten Arbeitstag vor einigen Jahren hier angefreundet hatte, war sie doch wirklich ein mehr als nur liebes und süßes Mädchen und der Blondschopf freute sich immer, wenn er seine Mittagspausen mit ihr verbringen konnte. „Morgen, Sakura-chan~“, gab Fay also nur summend zurück und schenkte der Brünetten ein Lächeln, bevor er sich an seinem Schreibtisch, der gegenüber von ihrem lag, niederließ. „Hast du schlecht geschlafen, Fay-san?“ wollte sie mit einem fragenden Ausdruck wissen, nachdem sie ihn einige Sekunden lang gemustert hatte, und legte ihren Kopf ein Stück zur Seite, „Du hast Augenringe.“ Auf die Worte blinzelte Fay etwas perplex, bevor er lachend abwinkte. „Nein, nein, keine Sorge, ich hab gut geschlafen~ Oder vielmehr gedöst.“ Einen Moment schwieg Sakura. „Warst du wieder bei Kurogane-san?“, fragte sie dann aber leise, dabei an den Schreibtisch des Blondschopfs herantretend, so als wäre es ein Geheimnis, das sie beide sich unter höchster Geheimhaltung miteinander teilten. Es herrschte erneut Schweigen und Fay wandte kurz seinen Kopf, um zu überprüfen, ob sich irgendjemand in der Nähe befand, bevor er leicht nickte. Sakura entwich darauf sogleich auch nur ein wahrscheinlich viel zu lauter Freudenschrei und sie fiel Fay quer über den Schreibtisch um den Hals, um diesen erstmal ausgiebig umarmen zu können. „Warum hast du das nicht gleich gesagt, Fay-san? Oder besser noch, du hättest mich anrufen können! Dann hätte ich deine Frühschicht übernommen und ihr beide wäret noch im Bett geblieben und-“ Fay stoppte ihren Redeschwall, indem er ihr schwach lächelnd den Zeigefinger auf die Lippen legte. „Du weißt doch, was er davon hält, mich an anderen Tageszeiten außer nachts um sich zu haben. Außerdem muss er arbeiten.“, klärte er Sakura wie schon des Öfteren über seine Beziehung zu Kurogane auf und auch dieses Mal konnte sie nur leise seufzen. „Ich weiß..“, murmelte sie leise und nickte vorsichtig, während sie sich langsam von dem Mann löste, „Aber vielleicht ändert er seine Meinung ja. Irgendwann.“ „Irgendwann.“, wiederholte Fay nur abwesend. „Habt ihr für heute eigentlich etwas geplant? Immerhin ist Valentinstag.“, meldete die Brünette sich aber schließlich wieder zu Wort und musterte Fay neugierig. Dieser brauchte nicht lange überlegen, bevor er den Kopf schüttelte. „Ich wollte mit Kuro-tan heute Morgen darüber sprechen, aber er weiß nicht mal, dass heute Valentinstag ist. Wahrscheinlich werden seine Geschäftspartner ihn erst wieder damit aufziehen.“ Sakura konnte sich ein kurzes, trauriges Lachen nicht verkneifen. „Also genauso wie letztes Jahr.“ Der Blondschopf nickte nur und das Mädchen konnte nun doch nicht anders, als gänzlich um den Schreibtisch herumzulaufen und Fay sanft in den Arm zu nehmen. „Aber sieh mal, Fay-san.“, begann sie schließlich leise, „Ihr kennt euch schon so lange, dass es mir schwer fällt zu glauben, dass du ihm nichts bedeutet. Er kann es bestimmt nur nicht ausdrücken.“ „Vielleicht.“, war alles, was Fay darauf zu erwidern wusste, auch wenn ihm Sakuras Worte irgendwo doch Mut machten. Ein bisschen zumindest. „Oi.“ Fay sah überrascht auf, als er die vertraute Stimme Kuroganes vernahm, und war mehr als nur perplex, als er den Mann dann doch tatsächlich im Türrahmen zu Sakuras und seinem Büro stehen sah. „Was machst du hier?“, fragte der Blondschopf irritiert und warf einen Blick auf die Uhr, nur um festzustellen, dass es ein paar Minuten nach fünf Uhr war, „Sollte deine Präsentation nicht noch laufen?“ „Ich hab sie vorverlegt.“, antwortete der Schwarzhaarige knapp und grüßte Sakura mit einem leichten Nicken, bevor er sich wieder an Fay wandte, „Also? Können wir los?“ Nun vollends verwirrt schüttelte der Blonde kurz den Kopf, wie um sich zu vergewissern, dass er sich das alles nicht nur einbildete. „Wohin denn?“ Kurogane knurrte verstimmt. „Du hast gesagt, ich soll um Fünf hier sein, also wirst du ja wohl auch etwas geplant haben, oder?“ Es herrschte einen Augenblick Stille, in der die beiden Männer sich nur ansahen, während Sakura sich mucksmäuschenstill von ihrem Stuhl erhob und leise aus dem Raum stahl, um die beiden nicht zu stören. „Du hast nichts geplant, oder?“, setzte Kurogane schließlich wieder an und lehnte sich leicht gegen den Türrahmen, worauf Fay nur leicht den Kopf schütteln konnte. „Ich dachte, es würde länger dauern, bis du merkst, dass Valentinstag ist, und da hätte es sich eh nicht mehr gelohnt.“ Einen Moment schwieg Fay, bevor er seine eisblauen Augen auf Kurogane richtete. „Außerdem willst du dich mit mir ja eh nicht in der Öffentlichkeit sehen lassen.“ Eigentlich hätte Fay nicht gedacht, dass Kurogane jemals überrascht aussehen könnte, aber anscheinend war der Mann es gerade wirklich, denn er sah verdammt nochmal danach aus. „Stimmt.. das etwa nicht?“ Ein nicht ganz eindeutiges Geräusch war von Kurogane zu hören, bevor er angedeutet den Kopf schüttelte. „So hab ich es bisher noch nicht betrachtet.“, gab der Schwarzhaarige dann aber ehrlich zu und Fay konnte auf diese Worte nur leicht verwundert die Augenbrauen in die Höhe ziehen. „Wie hast du es dann betrachtet? Oder vielmehr, was hast du dir dabei gedacht?“ Erneutes Schweigen, bevor Kurogane sich räusperte. „Ich dachte es wäre angenehmer, wenn wir nur unter uns sind. Also, ohne fremde Leute.“ „Und deine Haushälterin?“ „Hast du sie jemals gesehen?“ Fay überlegte kurz. „Nein, ich glaub nicht.“ „Sie ist weit über siebzig und würde wahrscheinlich einen Herzinfarkt kriegen, wenn sie sieht, dass ein Mann die Nacht bei mir verbracht hat.“ Der Blondschopf wandte seinen Blick für einen Moment von Kurogane ab, zu irritiert davon, worauf ihr Gespräch sich gerade hinarbeitete. „Das heißt... ich war dir nie peinlich, du bist kein Schwulenhasser und du wolltest nie mit mir ausgehen, weil dich die Leute stören?“, fasste Fay dann aber das zusammen, was Kurogane ihm da ja anscheinend gerade gestanden hatte. „Ja, so ist es.“, gab besagter Mann zurück und nickte, worauf Fay sich leicht auf die Unterlippe biss. „Und du hast anderthalb Jahre gebraucht, um mir das zu sagen?“ „…scheint so.“ Fay war sprachlos. Es fiel einem aber auch schwer zu glauben, dass so gut wie alle Probleme, die sich in den letzten Jahren einfach so aufgetan hatten und anscheinend unlösbar waren, lediglich aus einem Missverständnis bestanden hatte, das sich aufgetan hatte, weil sie nicht miteinander über ihre Probleme sprachen. Das war.. Verdammt, sie waren Idioten. Alle beide. „Du“, setzte Fay schließlich wieder an, während er sich von seinem Stuhl erhob, um zu Kurogane gehen zu können, „zahlst.“ „Was?“, erwiderte der Schwarzhaarige nur irritiert, auch wenn er beinahe schon selbstverständlich die Hand an Fays Taille legte, als dieser in Reichweite war, um den Mann an sich ziehen zu können. „Na, das Restaurant, in das wir jetzt fahren~ Dort machen wir uns einen schönen Abend. Und wenn wir satt sind und genug von den ‚anderen Leuten‘ belästigt wurden, dann fahren wir zu mir und machen uns eine noch schönere Nacht.“, schnurrte der Blondschopf vergnügt und schenkte Kurogane ein breites Lächeln, das dieser mit einem Grinsen erwiderte. „Hört sich gut an.“ Fay kicherte amüsiert. „Vor allem, weil ich keine Haushälterin hab und du so la~nge bleiben kannst, wie du willst…~“ Kapitel 11: 10.Woche - Brudermord und Nass ------------------------------------------ ~Klayr_de_Gall~ Der Zweck heiligt die Mittel „Oh mein Gott! Ich hab ihn umgebracht!!“ Kurogane staunte nicht schlecht, als ihm im Hausflur plötzlich ein völlig aufgelöster Blondschopf entgegengerannt kam, ihm fast in die Arme lief. Auch wenn er erst seit ein paar Tagen in dem Apartmentkomplex wohnte, hatte er schon mitbekommen, dass seine neuen Nachbarn, ein blondes Zwillingspaar, ziemlich verrückt waren, aber so was... erwartete man nun nicht unbedingt. Fay, oder auch Yuui – nach so wenigen Tagen war es noch nicht so leicht die Beiden auseinander zu halten, zumal in solch einem hysterischen Zustand - starrte ihn mit riesigen Augen an, durch Schock noch heller als sonst, bevor er sich dem Schwarzhaarigen mit einem lauten Schniefen an die Brust warf. „Kurogane! Was soll ich den jetzt... ich hab meinen Bruder... ich hab ihn... oh Gott...!“ „Jetzt beruhig dich erst mal, ja?“ Grummelnd stellte Kurogane seine Einkaufstüten auf dem Boden ab. Zumindest schien es kein dummer Scherz der Zwillinge zu sein, dafür war sein Gegenüber viel zu aufgelöst und panisch, aber es war dennoch besser, wenn er in dieser Situation einen kühlen Kopf bewahrte. „Was genau ist passiert?“ „I-ich bin gegen ihn gestoßen, Yuuis stand auf einem Stuhl und-„ Ah, er hatte also Fay vor sich, den aufgeweckteren der Beiden „Und... er ist gestürzt u-und mit dem Kopf... die Anrichte... oh mein Gott!“ Während der schlanken Mann, der sich hilfesuchend an ihn klammerte, weiterhin zusammenhangslos zu schildern versuchte was passiert war, setzte Kurogane sich die Wortfetzen selbst sinnvoll zusammen. Yuui hatte auf einem Stuhl gestanden, Fay war gegen ihn gestoßen, hatte seinen Bruder zu Fall gebracht, wobei er mit dem Kopf auf die Anrichte geknallt war. Au. „Du solltest du Polizei rufen! Ich bin ein...Mörder.“ „Jetzt mach mal halblang!“, führ der Schwarzhaarige Fay ein wenig unfreundlicher an. Sie kannten sich noch nicht sehr lang, seit Kuroganes Umzug um genau zu sein. Und seitdem hatten die Zwillinge ihr bestes gegeben, um ihn zu belagern. Hatten ihn zum Essen eingeladen oder sich bei ihm zum Essen eingeladen – und er hatte immer abgelehnt. Denn Kurogane hatte lieber seine Ruhe, nur wollten die beiden jungen Männer darauf keine Rücksicht nehmen. „A-aber...“ „Bist du dir denn Wirklich sicher, das er tot ist?“ Fay nickte so heftig, das seine Haare hin und her flogen, während der größere Mann über seinen Kopf hinweg in die Wohnung blickte, deren Tür sperrangelweit offen stand. Und in deren Flur nun eine ihm gut bekannte Person auftauchte. „Ja! Er hat sich nicht mehr bewegt und da war Blut und...“ Blut? In der tat. Yuui, der sich ein wenig schwerfällig am Türrahmen festhielt, wirkte blass und hatte an Lippe und Stirn blutige Platzwunden, schein aber ansonsten ziemlich lebendig. Über sein Hemd waren ein paar unschöne braune nasse Flecken verspritzt, vermutlich Kaffee, und als Kuroganes Blick so lange auf ihm ruhte, lächelte er schief. „Fay, du hättest einfach nicht so schnell-„ „Idiot, wie wär’s wenn du-„ Aber ihre synchron begonnenen Sätze wurden von einem panischen Kreichen übertönt. Fay, nun der Ohnmacht nahe, starrte seinen Zwilling an, als sähe er einen Geist, und wurde immer blasser. Während er den Mund auf und zu klappte ohne das ein Ton herauskam, klingelte den beiden anderen Männern von dem panischen Schrei noch die Ohren. Als eine ältere Dame weiter unten im Flur ihre Wohnungstür öffnete um neugierig auf en Gang zu spähen, entschied sich Kurogane trotz ansetzender Kopfschmerzen, den Blondschopf vor sich in dessen Wohnung zu bugsieren und ihm samt seinen Tüten zu folgen. Sie sollten lieber klären was passiert war, sonst fanden die Zwei doch sowieso keine Ruhe. „Tchh! Au!!“ „Jetzt halt verdammt noch mal still!“ „Aber du tust mir weh!“ „Ja, verdammt, Desinfektionsmittel brennt nun mal!“ Entnervt zog Kurogane die langgliedrige Hand von der geplatzten Lippe weg und durchbohrte Yuui mit einem warnenden Blick. „Halt endlich still, du bist nicht aus Zucker!“ „Weißt du’s?“, kam sofort die schnippische Antwort. Die Schmerzen schienen den sonst eher ruhigen Zwilling ein wenig aggressiv zu machen, aber zumindest hielt er jetzt still während er und Kurogane gereizte Blicke tauschten. So schien er abgelenkt genug, um die weitere Behandlung über sich ergehen zu lassen. „Also, was ist nun passiert?“ Kurogane packte den Erste-Hilfe-Kalten schließlich wieder zusammen und setzte sich zu Yuui auf die Couch, an deren anderen Ende Fay seit einer Viertelstunde regungs- und reaktionslos im Salzsäulen-Modus ausharrte. „Mein Bruder hat’s dir doch gesagt, oder?“ Yuui lächelte trocken. „Er hat mich ausersehen vom Stuhl gefegt, als ich oben auf den Küchenschränken nach etwas gesucht habe. Ich bin umgekippt und hab mir den Kopf am Küchentresen gestoßen. Und zu allem überfloss hab ich meinen Kaffee über mich geschüttet.“ Wehleidig deutete er auf sein versautes Hemd, auf dem die teils blutigen, teils braunen Flecken langsam trockneten. „Wieso hast du einen Kaffeetasse in der – ach, vergiss es.“ Kurogane ließ die frage lieber. Bei den beiden war doch sowieso nichts sinnvoll oder gar nachvollziehbar. „Danke jedenfalls fürs verarzten.“, lenkte Yuui das Gespräch schließlich wieder auf normale Themen, und schenkte dem Schwarzhaarigen ein kleines Lächeln. Zwar war seine Unterlippe aufgeplatzt und angeschwollen, und seine rechte Schläfe zierte eine nicht besonders hübsche, dafür um so professionellere Kompresse, aber der Schaden hielt sich doch noch in Grenzen. „Dafür hast du dir ein Abendessen redlich verdient, meinst du nicht?“ Seufzend zuckte Kurogane die Schultern. Erneut ablehnen hatte doch eh keinen Zweck. Yuui deutete diese Geste gleich als Zustimmung, und grinste erfreut, was durch seine dicke Lippe aber eher amüsant als verwegen aussah. „Heute Abend, hier bei uns? Komm doch gleich wieder rüber, sobald du deine Einkäufe weggebracht hast.“ Mit einem weiteren Schulterzucken erhob sich der Schwarzhaarige, sich vollends bewusst, dass er sich auf einen langen, stressigen, lauten Abend eingelassen hatte, und verließ das Wohnzimmer, um sich im Flur die Schuh anzuziehen. Kurz bevor er die Tür hinter sich ins Schloss zog, hörte er die Zwillinge noch ein Gespräch beginnen. „Yuui, versprich mir das wir nie wieder so etwas machen, um Kurogane rum zu kriegen!“ „Was willst du, hat doch funktioniert~! Übrigens Fay: Du schreist wie ein Mädchen.“ Mit einem leisen Klicken fiel die Wohnungstür ins Schloss. <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Asaku~ Märchenstunde „Es war einmal vor langer, langer Zeit…“ „Fay-san, ich glaube wirklich nicht, dass du mir ein Märchen vorlesen musst. Ich kann auch so einschlafen!“ Ein Lachen war von dem Blondschopf zu hören, bevor er Syaoran, der bereits seit einigen Minuten lediglich in Shorts vor dem älteren Mann stand, dessen übergroßes Nachthemd über den Kopf zog. Der Junge gab ein unwilliges Grummeln von sich, worauf Fay nur erneut auflachen konnte. „Na komm, ab ins Bett mit dir. Und ein Märchen gibt es, ob du willst oder nicht, das ist in diesem Land so Tradition, damit keine bösen Geister kommen.“ „Das hast du dir doch aus den Fingern gezogen.“, brummte Syaoran verstimmt zurück, kletterte dann aber brav in sein weiches Bett unter die Bettdecke, während Fay sich zu ihm auf die Bettkante sinken ließ. „Ja, sicher.“, war alles, was der Blonde darauf erwiderte, bevor er es sich selbst auf der Bettkante gemütlich machte. „Also, wo war ich? Ah, es war einmal vor langer Zeit…“ „Fay-san!“ „Syaoran-kun, sei ein lieber Junge und halt den Mund, Fay-mommy kann sich nicht konzentrieren.“ Der Braunhaarige gab ein frustriertes Geräusch von sich, obgleich gleichzeitig einsehend, dass er Fay nicht widersprechen konnte, und schwieg deshalb fortan. „Also, es war einmal vor langer Zeit eine wunderschöne Prinzessin, die in einem ebenso schönen Land lebte.“ Fay überlegte kurz. „Nein, warte, es war ein wunderschöner Prinz.“ „Wieso ein Prinz?“, wollte Syaoran irritiert wissen. „Weil ich es sage. Also, dieser Prinz hatte golden schimmerndes Haar und lebhafte, eisblaue Augen, die so schön waren, dass jeder Mann, egal wie grummelig er auch war, ihnen verfiel.“ „…Fay-san, redest du von Kurogane-san und dir?“ „Aber nein. Jedenfalls war dieser Prinz so lieblich und man sagte ihm nach, dass er auch ganz unglaublich mit dem Mund und den Fingern-“ „Fay-san!“ „Zier dich nicht so, Syaoran-kun. Jedenfalls war dieser Prinz von allen geliebt und so kam es, dass sich ein böser Zauberer in ihn verliebte. Und, wie das mit der Liebe so steht, wollte der böse Zauberer den schönen Prinzen auch heiraten. Der Prinz wollte aber nicht und so sah der Zauberer sich gezwungen, ihm anzudrohen, dass er dessen Dorf in Brand stecken würde, willigte dieser nicht in die Heirat ein.“ „Sag, Fay-san, woher kennst du dieses Märchen?“ „Hab ich mir ausgedacht!“, gab der Blondschopf auf die Frage des Jungen strahlend zurück, welcher darauf nur ein gepresstes „Ah…“ murmeln konnte. „Der Prinz hat daraufhin in die Heirat eingewilligt und machte sich mit dem Auto auf den Weg in dessen Königreich. Aber unterwegs hatte er eine Reifenpanne und weil er so hübsch war, konnte er sich natürlich nicht die Finger schmutzig machen.“ Syaoran rutschte langsam etwas tiefer unter die Bettdecke, sich dabei unauffällig das Kissen übers Gesicht ziehend. „Glücklicherweise kam just in diesem Moment ein streunender Hund des Weges. Der war ganz schwarz und strubblig und sah den Prinzen missmutig an. Dann bellte er los: ‚Du schöner Prinz! Küss mich auf meine kalte, nasse Schnauze und ich verwandle mich in einen stattlichen Mann mit einem ebenso stattlichen-‘“ „Hat der Hund das wirklich gesagt, Fay-san?“, wollte Syaoran wissen und lugte nun doch unter seiner Decke hervor. „Na ja~“ Der Blondschopf zuckte kurz mit den Schultern. „Nicht ganz, aber so hört es sich schöner an~“ Syaoran schwieg für einen Moment, bevor ihm allerdings bewusst wurde, dass diese kleine Unterbrechung die perfekte Gelegenheit war, um Fay gänzlich vom Weitererzählen des Märchens abzuhalten. „Was genau hat der Hund denn gesagt?“, fragte er also und musterte Fay neugierig, welcher darauf nur kichern konnte. „Der Hund sagte-“ „Wieso zur Hölle seid ihr noch nicht im Bett?“ Überrascht wandten Syaoran und Fay sich um, als plötzlich Kuroganes Stimme hinter ihnen erklang. Der Schwarzhaarige stand mit verschränkten Armen im Türrahmen und musterte die beiden Übeltäter, die es doch tatsächlich wagten, nicht zu schlafen, böse. Statt einer vernünftigen Antwort glitt Fay nur vom Bett und tänzelte zu Kurogane, um diesen triezend in die Wange zu pieken. „Schäm dich, Kuro-chan~“, summte der Blondschopf, „Du hast mich mitten in meiner Märchenstunde unterbrochen~!“ Kurogane zog darauf nur eine Augenbraue in die Höhe. „Märchenstunde? Ich wünschte, du könntest deinen Mund auch nur ein einziges Mal für etwas Besseres als solchen Mist gebrauchen.“ „Ah! Genau das hat der Hund gesagt! Hast du das gehört, Syaoran-kun??“ Der Ninja grollte auf diese Worte nur tief und bevor Syaoran die Möglichkeit hatte, irgendwie zu antworten, warf er sich Fay kurzerhand einfach über die Schulter. „Und du.“, wandte Kurogane sich dann an den Jungen, „Du schläfst jetzt. Wenn ich auch nur ein Geräusch höre, gibt’s Ärger.“ Syaoran schluckte tief und war für einen Moment gewillt, einfach zu nicken und die beiden Männer von dannen ziehen zu lassen. Dann fiel ihm allerdings ein, dass Kurogane Fay wahrscheinlich für den Ungehorsam, nicht schlafen zu gehen, obgleich der Schwarzhaarige es ihnen bereits vor über einer Stunde gesagt hatte, bestrafen würde – was wiederum hieß, dass Syaoran den Rest der Nacht keinen Schlaf fand. „Wie endet das Märchen?“, warf der Junge also kurzerhand verzweifelt in den Raum, in der Hoffnung, das Bevorstehende so lange hinauszögern zu können, bis er tief und fest schlief. Fay strahlte auf die Frage nur. „Es stellt sich raus, dass der Hund der Bruder des bösen Zauberers ist und von diesem verwandelt wurde, weil der böse Zauberer neidisch auf dessen großes-“ Kurogane hielt Fay die Hand vor den Mund, bevor er den Satz beenden konnte, den Blondschopf dabei böse anblickend. Fay entfuhr ein Seufzen, bevor er aber ergeben nickte. „Der schöne Prinz und der Hund ziehen gemeinsam los, töten den Zauberer, der Fluch wird von dem Hund genommen und er wird wieder zu einem stattlichen Mann. Und wenn die beiden nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und haben den wohl geilsten Sex, den es gibt~“ Kurogane knurrte erbost auf und schleppte den kichernden Fay fluchend aus dem Raum, während Syaoran nur mit hochroten Ohren unter die Bettdecke sank und innständig hoffte, dass dies das letzte Mal gewesen war, dass er so etwas von Fay mitbekam. Er wurde eine halbe Stunde später leider eines Besseren belehrt. <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Schneeblume~ Ein fast vollendeter Mord Oder Das lächerliche Trauerspiel Angelehnt an Ein Brudermord von Franz Kafka Personen Kurogane, der Mörder und fester Freund Fyes Yui, das Opfer Fye, der untätige Beobachter und Zwillingsbruder des Opfers Yuuko, die Ehefrau Yuis Fei Wan Reed, der Schutzmann Mokona, das Zauberwesen, was hier nichts zu suchen hat Ein jeder Mord, der sich wie folgt zutragen sollte. Sechs Uhr abends; eisige, mondklare Nacht mit wolkenbedecktem Himmel; dort, wo sich die Gassen kreuzen Kurogane in einem blauen Herrenrock und aufgeknöpften Hemd, sein treues Schwert Souhi in der Hand, zu sich selbst murmelnd Wir haben Hochsommer, aber egal. Lauter Ich frage mich, warum ich mich dazu habe überreden lassen. Warum sollte ich Yui töten? Ach, ich vergaß. Weil er es so will und mich seit Wochen hinhält. Verdammt, ich will endlich wieder Sex, ich bin auch nur ein Mann, Fye! Legt sich auf die Lauer und schwingt das im Mondlicht aufblitzende Schwert, erschaudert wegen des vertrauten Surrens Souhi, alter Freund! Säbelt genüsslich einen Baum nieder, und schaut fasziniert auf die glänzende Klinge Fye in einem rosafarbenen Schlafrock, einer hochgeschobenen Schlafmaske und weißen Pantoffeln; am Fenster eines nahen Hauses, im zweiten Stockwerk; Kurogane gespannt beobachtend Ergründe die Menschennatur! Du wirst mir nicht mehr in die Quere kommen, Bruder, und die Blicke meines Freundes auf dich lenken. Kurogane ist mein und ich bin sein. Unglücklicher, dass du mir bis aufs Haar gleichst. Yuuko in einem weißen Korsett und langen Damenstrümpfen, darüber ein Pelz; fünf Häuser weiter, Fye gegenüber; nach ihrem Mann Ausschau haltend Wann macht er sich endlich auf den Heimweg? Es sollte ihm dort etwas zustoßen, dann würde das Vermögen mir gehören. Yui mit Melone auf dem Kopf, in einem schwarzen Mantel mit Stehkragen, auf einen Schirm stützend; verlässt sein Bureau, wodurch die Türglocke erklingt; macht sich seufzend und deprimiert auf den Heimweg Das Glockenzeichen hallt laut, ohrenbetäubend und scheppernd über den gesamten Platz. Kurogane sich entsetzt die Ohren zuhaltend Aua, Herrgott! Taumelt benommen mit klingenden Ohren Fye sich ungeduldig vorbeugend Gleich! Gleich ist’s geschehen. Darf nichts versäumen! Oh Kuro-rin, diese Nacht gehört uns, wenn du nur erfolgreich bist. Es wird wunderschön. Erschaudert wohlig in heller Vorfreude Das letzte Mal ist schon zulange her, aber das Warten hat sich gelohnt. Yuuko das Fenster schließend Ich habe es gehört, er kommt. Kurogane niederkniend, das Gesicht und die Hände gegen die Steine drückend; glühend, wo alles friert; murmelnd Wir haben immer noch Sommer und es ist geschmolzen. Warum zum Teufel muss ich in Pfützen sitzen und mich an nasse Steine lehnen? Mokona ungesehen zu ihm schleichend Steht so im Originalmanuskript. Wir konnten uns aber keine andere Kulisse leisten. Stielt sich wieder davon Kurogane in sich hinein grummelnd Na toll, wer ist nur auf die glorreiche Idee gekommen, dass wir hier mitmachen sollten? Der Magier natürlich… Aber der muss ja auch nicht klitschnass auf dem Boden hocken – und das seit Stunden, weil die anderen diese Szene einfach nicht hinkriegen. Yui erneut seufzend Was soll ich nur tun? Stehen bleibend und in den Himmel schauend Ich sehe meine Zukunft so klar vor mir wie diese Nacht. Den Hut hebend und sich durch die Haare fahrend; weiter gehend Was soll’s nur werden? Kurogane schreiend und plötzlich auf Yui zustürmend Yui! Das Schwert schwingend und die Spitze an des Blonden Kehle haltend Dein Weib wartet vergebens! Yuuko mit dunklen Blick hinter der Tür auf ihr Zeichen wartend Weib nennt der mich? Na warte… Du wirst meine Rache spüren. Und es wird schmerzhaft werden. Yui entsetzt, dann zu Tobe betrübt Oh nein, ich armer Tropf. Erst verliere ich mein ganzes Geld beim Glücksspiel, dann verzweifle ich, unwissend, wie ich’s meiner Yuuko beichten soll und außerdem fehlt mir mein geliebter Bruder. Da kommst du und willst mich töten. Vielleicht wär’s besser so. Nur zu, bringe es bitte schnell hinter dich. Schließt die Augen Kurogane Yui anstarrend … Das ist ja grauenvoll… Das Katana sinken lassend Du tust mir regelrecht leid… Ich werde dich nicht töten! Schleudert Souhi gegen die nächste Hauswand Getan?! Nein. Dein Blut soll nicht vergossen werden, soll nicht versickern im Straßengrund. Erleichtert Seligkeit, Beflügelung! Kein Mord begangen. Leise zu sich selbst Das wird Fye nicht freuen, lässt er mich nun noch länger warten? …Wer hat sich diesen Schwachsinn eigentlich ausgedacht? Fye atemlos aus dem Hause rennend und vor ihnen stehen bleibend Kuro-sama! Ich habe alles bemerkt, nichts übersehen. Was ist in dich gefahren? Das hat Konsequenzen. Sie sehen einander an. Beide unbefriedigt, während Yui verwirrt von einem zum anderen schaut Yuuko mit offenem Pelze zu ihnen eilend Mein Liebster, warum?! Du hast mich verlassen - Oh… Hält erstaunt inne; beinahe enttäuscht…Es ist dir nichts geschehen. Welch… Freude. Fei Wan Reed als Schutzmann in viel zu enger Uniform; plötzlich in der Menge auftauchend Yui, aufgrund ihrer hohen Schulden und Unfähigkeit zu zahlen sind Sie hiermit festgenommen. Yui schwer seufzend Walten Sie Ihres Amtes. Wirft seiner Frau einen entschuldigenden Blick zu Yuuko lässt im Schock den Pelz zu Boden rutschen Pleite…?? Ich kann es nicht glauben… und die Schulden meines Mannes fallen auf mich zurück. Schwankt davon, um sich ihren früheren Job als Dimensionshexe zurück zu holen Fei Wan Reed zu sich selbst Von wegen „führende Rolle in einem grandiosen Bühnenwerk“! Ich hätte bei CLAMP bleiben sollen, die wussten meine Fähigkeiten wenigstens zu schätzen. Führt Yui ab Kurogane und Fye stehen allein und verlassen da; lange schweigend Fye neben sich stehend Ich habe einen Fehler gemacht. Wie konnte ich mich nur so von meiner Eifersucht leiten lassen? Oh mein Bruder, vergib mir, ich habe dich im Stich gelassen. Kurogane grummelnd Du bist ein Idiot. Fye durch die Haare wuschelnd Du hast überhaupt keinen Grund, eifersüchtig zu sein. Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ich nur dich liebe? Glaube mir doch mal. Er küsst ihn verlangend und überzeugend Fye atemlos und gerührt Kuro-pii... entschuldige! Aber was passiert nun mit Yui? Kurogane streichelt ihm sanft die Wange und küsst ihn erneut Wir helfen ihm da raus, versprochen. Aber vorher… Zieht seinen Geliebten in die nächste dunkle Ecke …bist mir noch was schuldig. ~Owari~ Kapitel 12: 11.Woche - Weil Ostern ist -------------------------------------- Weil Ostern ist Es war eine sternenklare Nacht und der Vollmond erhellte das tief schlafende Viertel. Für sein Vorhaben wären ein paar Wolken von Vorteil gewesen, aber andererseits fand Fye es so viel schöner. Die Kirchturmuhr in der Ferne schlug zweimal. Es war soweit. Der schlanke, junge Mann mit hellblondem Haar glitt geräuschlos vom Dach eines Wohnhauses auf das des nebenstehenden Museums. Seine feingliedrige Statur wurde von kühlem, schwarzem Stoff eng umschmeichelt, der ein eindrucksvolles Muskelspiel betonte. Wäre man Fye an einem normalen Tag in Alltagskleidung über den Weg gelaufen, hätte man nicht ahnen können, wie viel Kraft und Geschicklichkeit das unbedarfte und harmlose Lächeln verbarg. „Na dann wollen wir mal.“, murmelte der Blondschopf grinsend und tänzelte anmutig über das flache Dach, genau darauf bedacht, nur auf ganz bestimmte Stellen zu treten. Anderenfalls hätte er den Alarm ausgelöst und dafür war es doch noch ein bisschen zu früh. Phantomdieb schlug wieder zu – Erneut verschwanden wertvolle Kronjuwelen auf unerklärliche Weise und die Polizei tappt weiterhin im Dunkeln. Fye konnte sich noch sehr gut an die Schlagzeilen vom letzten Mal erinnern und lachte sich leise ins Fäustchen. Solche wollte er morgen auch wieder in den Zeitungen lesen. Das war genau nach seinem Geschmack und bebauchpinselte ihn ungemein. Allerdings durfte er über den erhofften Erfolg nicht die Vorsicht vergessen. Denn es gab jemanden, ein sehr gut aussehender Jemand, der ihm auch heute Steine in den Weg zwischen ihm und seiner Beute legen würde, daran gab es gewiss keine Zweifel. Doch Fye war sich sicher, dass am Ende alles zu seiner Zufriedenheit ausgehen würde. Mit einem Seil ließ er sich hinab zu einem angeklappten Oberlicht und öffnete das Fenster mit geschickten Handgriffen gänzlich. Wie eine Katze landete er auf dem gefliesten Fußboden und stellte fest, dass er sich in einem Toilettenvorraum befand. Die Damentoilette für Besucherinnen. Ausgerechnet! Das war ja mal wieder typisch. Fye zog abschätzig die Nase kraus und schloss das Fenster. In geduckter Haltung trat er hinaus in den Flur und spähte wachsam umher. Es war dunkel, doch der Mond, der durch die Fenster schien, bot genug Helligkeit. Fye schlich an der Herrentoilette und den Garderoben vorbei und eine Etage tiefer. Als er an einem ordentlich aufgeräumten Snackstand vorbeikam, hielt er inne. Das war aber auch eine verlockende Versuchung. Er versuchte sich daran zu erinnern, ob die verschlossenen Schränke gesichert waren oder nicht. Zu seinem Leidwesen musste er sich ersteres eingestehen. Aber immerhin stand eine Glasschale mit Schokoladenbonbons auf dem Tresen. Ein kleiner Trost. Zufrieden leckte er sich über die Lippen und nahm sich eine Hand voll, lief dann weiter. Ohne viel Federlesen und Aufsehen zu erregen brach er die unscheinbare Tür zu einer Abstellkammer auf und stahl sich hinein. Er hangelte sich an einem Regal in die Höhe und zückte erneut sein Werkzeug. Diesmal musste das Gitter zu den Lüftungsschächten dran glauben und wurde mit einem leisen Klirren zu Boden gelassen. Fye zog sich hoch und schlängelte sich geschmeidig und sicher durch das Schachtlabyrinth. Lautlos duckte sich der Blonde unter einer Kamera hinweg und trat in den Mondschein. Der schwarze Stoff glänzte matt, während die helle Haut seines Gesichtes und die strubbeligen Haare im fahlen Licht beinahe leuchteten. Fye befand sich in einem der eigentlich hervorragend gesicherten Ausstellungsräume und schaute auf die Vitrinen vor sich. Sie machten den trügerischen Eindruck, als könnte man ihren Inhalt ganz einfach entwenden, würden sich jedoch bei einem unbedachten Versuch in eine Falle wandeln, aus der es kein Entrinnen gab. Für Fye aber waren sie nichts weiter als eine Herausforderung, ein so anmutiges Bild wie nur möglich abzugeben. Denn mit dem Wissen, das er besaß, war die richtige Technik ein Kinderspiel. Er zückte eine wallnussgroße Rauchbombe und ließ sie ein paar Meter weit schlittern. Es war ein leises Puffen zu hören, dann strömte der Rauch kaum hörbar aus der Büchse. Augenblicklich hoben sich die leuchtend roten Lichtstrahlen in einem eng geknüpften Netz von der dunklen Umgebung ab. Sollte er auch nur eine dieser Lichtschranken unterbrechen, würden im Museum und in der ganzen Stadt die Sirenen heulen. Fye grinste. „Mir wurde nicht zu viel versprochen.“, stellte er flüstern fest. Dieses Hindernis zu überwinden war keine Lappalie, allerdings auch nicht weiter problematisch für jemanden, der eine solche Erfahrung und Professionalität vorzuweisen hatte wie er. Obgleich er nur solange Zeit hatte, wie sich der Rauch in der Luft und die Strahlen somit sichtbar hielt, saß jede Bewegung, jedes Beugen oder Recken, als er sich seinem Ziel näherte. Schließlich hatte er die Vitrinen erreicht und richtete sich wieder auf. Triumphierend warf er einen Blick zurück, ehe er sich wieder auf seinen Auftrag konzentrierte. Unter dem dicken Glas, auf dunkelblauem Samt lagen sie, die Juwelen, die er zu stehlen gedachte. Gerade als Fye sein Werkzeug hervorholen wollte, erstarrte er und riss die Augen auf. Der Glanz der vermeintlichen Edelsteine, die vom Mond angestrahlt wurden, war dumpf und kein Vergleich zur Schönheit echter Juwelen. Fye schnaubte und lächelte säuerlich. „Glaubst du im Ernst, ich falle auf ein paar Imitate herein?“, fragte er in die Dunkelheit hinein. Aus einem Lautsprecher über ihm ertönte ein angenehmes, leises Lachen. „Nein. Aber hast du geglaubt, dass ich es dir so einfach machen würde?“, gab eine tiefe Stimme zurück. Er. War ja klar. Fye verdrehte die Augen, grinste aber, als er erwiderte: „Zugegeben bis jetzt war es nicht sonderlich anspruchsvoll. Trotzdem wüsste ich gern, wo die echte Juwelen sind.“ „Na dann viel Spaß beim Suchen.“ Ein spöttisches Grinsen klang in Kuroganes Stimme mit, sodass Fye schmollend das Gesicht verzog. „Komm schon, sag es mir. Dann können wir beide Feierabend machen. Damit hast du auch etwas davon.“ „Das ist doch nicht dein Ernst.“ Diesmal war es an Kurogane zu schnauben. „Du warst auch schon einmal einfallsreicher.“, beschwerte sich der Blondschopf eingeschnappt, „Was soll dieses Versteckspiel? Das ist doch langweilig.“ Fye konnte es sich nur zu gut vorstellen, wie sein Widersacher gerade die Augenbraue hob. „Solltest du tatsächlich vergessen haben, welcher Tag heute ist? Ich fasse es nicht, dass ausgerechnet ich dir das sagen muss.“ Kurogane klang tatsächlich etwas ungläubig. Doch noch immer schwang unverkennbar Spott in seinem Ton mit. „Auch wenn ich von diesem Kram nicht viel halte: Frohe Ostern. Mal sehen, ob du die echten Juwelen findest, bevor die Polizei hier ist.“ Mit großen Augen starrte Fye den Lautsprecher an. Der Schwarzhaarige hatte sich ja schon einiges geleistet und unglaublichen Ideenreichtum bewiesen, aber eine Ostereiersuche – mit wertvollen Edelsteinen! – war doch der Gipfel der Albernheit. Irgendwie kam sich der blonde Dieb gerade ziemlich vereiert vor. „Also schön, du willst spielen? Das kannst du haben. Ich werde sie schon finden! …Bekomme ich wenigstens einen Hinweis?“, erkundigte er sich mit einem gezwungenen Lächeln. Kurogane schien zu überlegen, ehe er scheinbar desinteressiert zur Antwort gab: „Ich will mal nicht so sein. Du kannst die Suche auf das Haus begrenzen. Also auf die fünfzehn Ausstellungsräume, die Büros, Toiletten, Flure und Abstellkammern. Und irgendwelche Räumlichkeiten, die ich jetzt vergessen habe. Viel Glück.“ Noch einen Moment klang das amüsierte Lachen nach, dann war es wieder still. Fye zog eine Grimasse und nuschelte etwas Unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart. Dieser Mann sollte gefälligst weniger Kaffee trinken, vielleicht half das gegen hin und wieder auftretende, seltsame Anwandlungen. Als Fye wieder aus der Kammer trat war in ihm ein flammendes Feuer des Ehrgeizes entfacht. Er würde die Steinchen finden, darauf konnte sich Kurogane verlassen. Das Problem war nur, dass er keine Ahnung hatte, wo er mit seiner Suche anfangen sollte. Es gab hier tausende Möglichkeiten ein paar Juwelen zu verstecken. Und er hatte nicht viel Zeit. Auf dem Rückweg durch die Lüftungsschächte hatte er einen schnellen Blick in einige der anderen Ausstellungsräume geworfen, jedoch nichts Auffälliges entdeckt. Allerdings musste das nichts heißen. Immerhin hatte er nur die Spitze des Eies einsehen können. Während er angestrengt nachdachte, streifte er geduckt durch die Flure, suchte nach einem Hinweis. Nach einigen Minuten sinnlosen Umherstreifens blieb er plötzlich stehen und schlug sich mit der Handfläche gegen die Stirn. Was tat er hier eigentlich? Er rannte planlos umher wie ein Huhn, während die große Zeigeruhr an der Wand verhöhnend tickte. „So nicht, Fye.“, sprach er zu sich selbst. „Jetzt wärst du doch beinahe darauf reingefallen. Benutz deinen Kopf!“ Sich selbst anspornend analysierte er die Wesenszüge seines Gegenspielers. Kurogane hatte die echten Juwelen gegen Imitate ausgetauscht und gut versteckt. Allerdings kannte er Fyes gute Spürnase, wenn es um Edelsteine ging. Damit wäre er schön dämlich, wenn er sie irgendwo im Museum verbarg. Früher oder später würde der blonde Dieb sie finden, was Kurogane zwar an den Bildschirmen der Überwachungskameras verfolgen, dann den Raub aber nicht rechtzeitig verhindern konnte. Demzufolge blieben genau zwei Möglichkeiten: Entweder befanden sich die Steine gar nicht in diesem Gebäude und Kurogane hatte ihn angelogen oder aber… Nachdenklich betrachtete der schwarzhaarige Wachmann die Monitore vor sich. Eben war der Blondschopf von der Bildfläche verschwunden und nicht wieder aufgetaucht. Ob ihm eine Idee gekommen war? Blieb nur offen, ob es auch die richtige war. Auf jeden Fall würde es noch interessant werden. Das Telefon klingelte und Kurogane hob die Augenbraue. Ausgerechnet jetzt. „Hn?“, brummte er, als er den Hörer abnahm, mit dem festen Vorsatz, den unerwünschten Störenfried abzuwimmeln. „Sieh mal einer an, Kuro-sama.“, erklang die samtig weiche Stimme aus dem Hörer und Kurogane verdrehte die Augen, „Da hast du dir ja etwas einfallen lassen. Nichtsdestotrotz war es schlussendlich eigentlich ganz einfach.“ „Ach ja? Du bluffst doch nur.“, entschied der Schwarzhaarige skeptisch und bekam ein amüsiertes Lachen zur Antwort. „Nein, tue ich nicht. Ich habe die Juwelen gefunden.“ Kurogane schnaubte und griff sich automatisch an die Brust, fühlte die Edelsteine unter seiner Uniform. „Hast du nicht.“, triumphierte er mit grimmiger Zufriedenheit in den Hörer. Hinter ihm quietschte leise die Tür und er fuhr herum. „Oh doch… habe ich.“ Mit einem gefährlichen Lächeln und geschmeidigen, raubtierartigen Bewegungen kam Fye auf ihn zu und zog sich das eben benutzte Headset vom Kopf. Sein Anblick ließ die Temperatur in dem kleinen Büro augenblicklich ansteigen und Kuroganes Augen folgten jeder kleinsten Regung. Fye grinste selbstzufrieden. Er kannte die Schwäche seines Gegenübers. Die Schwäche für ihn. Dicht vor Kurogane blieb er stehen und schenkte ihm ein verführerisches Lächeln. „Lange nicht mehr gesehen, Kuro-tan. Hast du mich vermisst?“ „Lenk nicht ab.“, knurrte Kurogane und kämpfte gegen das Verlangen an, den Blonden an sich zu reißen. „Du bist ziemlich mutig, dich hierher zu trauen. Ich könnte dich jetzt ganz leicht…“ „Fangen?“ Fye schmunzelte und strich ihm mit den Fingern über die Brust. „Ich bitte dich. Wir wissen doch beide…“, wisperte er und drängte Kurogane ruckartig gegen die nächste Wand, „dass du das niemals könntest.“ Damit verschloss er die schmalen Lippen mit seinen und küsste den Schwarzhaarigen stürmisch und verlangend. Kurogane vergrub seine Finger in dem hellen, weichen Haar und vertiefte den Kuss von sich aus. Denn viel zu lange hatte er darauf schon verzichten müssen. Doch zu seinem Leidwesen währte der Genuss nicht lange. Gerade hatte sich Fye noch atemlos an ihn geschmiegt, da entzog er sich ihm auch schon wieder. „Danke schön!“, säuselte der blonde Dieb und wedelte mit dem kleinen Säckchen aus Samt, das er gerade aus der blauen, nun offenen Wachschutzuniform stibitzt hatte. Fye betrachtete für einen Augenblick anzüglich schnurrend die entblößte Brust, und nachdem er dem Schwarzhaarigen zugerufen hatte: „Also dann, war nett mit dir zu plaudern. Man sieht sich.“, ergriff er die Flucht. Kurogane knurrte und war ihm sofort auf den Fersen. „Du hast mich reingelegt!“, rief er ihm nach. „Ich habe nach deinen Spielregeln gespielt.“, kam es belustigt zurück. Der Schwarzhaarige holte auf, doch genau in dem Moment, als er dachte, Fye erreicht zu haben, zerplatzte zwischen ihnen eine Mehlbombe auf dem Boden. „Was zum…?!“ Blind durch den aufgewirbelten Staub und mit Mehl in den Augen musste er die Verfolgung abbrechen. Denn als er endlich wieder sehen konnte, war Fye längst über alle Berge. Einzig sein schwacher Duft, den Kurogane noch in der Nase hatte, erinnerte daran, dass der Phantomdieb wieder zugeschlagen hatte… „Was für ein Tag…“, aufseufzend sank Fye in seinen Sessel in einer kleinen Pension am anderen Ende der Stadt. Er war noch eine Weile ziellos umher und über die Dächer gestreift. Zum einen, weil er sich nach dem Treffen mit Kurogane erst einmal abkühlen musste, zum anderen um eventuelle Verfolger abzuhängen. Nun war er geschafft und zufrieden, und hatte sich seinen Feierabend redlich verdient. Ohne aufzustehen schälte er sich umständlich aus dem engen, schwarzen Stoff und streifte sich ein viel zu großes T-Shirt und Shorts über. Gemütlich legte er die Füße hoch und schaltete den Fernseher an. Doch seine Aufmerksamkeit galt seiner Beute. Vorsichtig kippte er sie sich auf den Schoß und kontrollierte jedes Juwel und verglich es mit der Auftragsliste. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er heftig zusammenzuckte, als die Zimmertür aufgestoßen wurde und Kurogane lässig im Türrahmen lehnte. „Meine Güte! Musst du mich so erschrecken?!“ Fye griff sich theatralisch ans Herz und legte die Edelsteine sicherheitshalber auf den Couchtisch vor sich. „Ja.“, grummelte der Schwarzhaarige, der sich vom Rahmen abstieß, die Tür schloss und in den Raum trat. „Als Revanche für die Mehlbombe.“ Finster wurde Fye aus rubinroten Augen angefunkelt, doch dieser blinzelte nur unschuldig. „Ups? Dabei sind Mehlbomben so simpel wie wirkungsvoll.“ Kurogane verdrehte die Augen und schüttelte demonstrativ seinen Kopf, sodass das Mehl aus seinen Haaren auf das Parkett rieselte. „Ganz toll.“, schnaubte er sarkastisch. „Ach komm, sei nicht böse, Kuro-rin.“, mauzte der Blonde und erhob sich, um auf ihn zuzugehen. „Immerhin hast du mich mit deiner Ostereiersuche auch ganz schön aus dem Konzept gebracht.“ Er umarmte Kurogane und stahl sich einen süßen Kuss. Etwas besänftigt erwiderte dieser die Gesten und brummte leise. „Was sollte das eigentlich?“, wollte Fye wissen und bettete sein Kinn auf der breiten Schulter. „Du stehst doch sonst nicht auf solchen „Unsinn“ wie Ostern oder Valentinstag.“ „Ich dachte mir, ein bisschen mehr Herausforderung für Körper und Geist würde dir nicht schaden.“ Kurogane grinste listig. „Nicht dass du einrostest. Du musst in Form bleiben.“ „Hey, soll das heißen, dass ich faul bin?“ Fye hob die Augenbrauen und sah seinen Geliebten von der Seite an, doch der ließ sich nicht beirren und fuhr fort: „Das soll heißen, dass du zu viel Süßkram in dich reinstopfst und dich zu leicht ablenken lässt.“ „Gar nicht wahr, Kuro-pon!“ „Doch wahr. Oder wie erklärst du dir sonst den ungeplanten Halt bei dem Snackstand?“ Fye machte große Augen. „Woher weißt du das, ich war doch außer Reichweite der Kameras.“ „Ich hatte eine unter der Glasschale installiert.“ „…“ „Wie oft habe ich dir gesagt, dass das eine Falle sein könnte?!“, schalt Kurogane den Blonden sanft. Schmollend schob dieser die Unterlippe vor, beschloss aber, sich später dafür zu rächen, und wechselte das Thema. „Wie dem auch sei. Damit ist dieser Auftrag auch erledigt. Es sind alle Juwelen da, die wir holen sollten. Yuuko wird zufrieden sein.“ Kurogane brummte zustimmend. Dabei war vor allem er zufrieden, dass er nicht mehr auf die Gesellschaft des Blonden verzichten musste. Denn wenn sich einer von ihnen irgendwo als Wachmann einschlich, um Informationen über das nächste Ziel zu sammeln, bedeutete das, dass sie sich einige Wochen kaum zu Gesicht bekamen. Immerhin durfte die Verkleidung nicht auffliegen. Das war zwar lästig, aber notwenig. Kurogane fuhr mit seiner Nase genießend durch die weichen Haare und senkte dann den Kopf, um dezent an dem schlanken Hals seines Partners zu knabbern. Fye seufzte lächelnd und schmiegte sich in die feste Umarmung. Auch er hatte Kurogane vermisst, und das nicht wenig. Umso mehr berauschte ihn das Verlangen, das dieser an den Tag legte. Vermutlich würden sie in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden und darauf freute er sich. Dennoch mussten sie vorher noch die wichtigsten Dinge klären, nicht dass sie wegen Unaufmerksamkeit aufflogen. „Hast du die Aufnahmen der Überwachungskameras mitgenommen?“ Kurogane gab einen Laut von sich, der wohl sagen sollte, dass er das natürlich getan hatte. „Als ob ich zulassen würde, dass dich jemand anderes außer mir in diesem Aufzug sieht.“, kommentierte er rau gegen die warme Haut und hauchte einen Kuss darauf. Fye lachte leise. „Ich liebe es, wenn du so besitzergreifend bist.“ Mit einem lasziven Blick zog er ihn zur Couch, um sich dort mit ihm niederzulassen. Er zog Kurogane über sich und küsste ihn hungrig, ehe er wieder, etwas atemlos, das Wort ergriff. „Übrigens was hast du eigentlich den Wachen und Hunden verabreicht? Die wären ja nicht einmal von einem Erdbeben wach geworden.“ Der Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern und erwiderte trocken: „Eine extra große Dosis Schlafmittel. Weil Ostern ist.“ „Ah… Jedenfalls ist für unsere Abreise nachher alles soweit fertig. Unser Zug fährt am frühen Nachmittag. Bis dahin sollten sie eigentlich noch nicht bemerkt haben, dass sie Imitate in den Vitrinen zu liegen haben.“ „Gut.“, war alles, was Kurogane dazu zu sagen hatte. Er wollte sich endlich wichtigeren Bedürfnissen als dem Austausch von Informationen widmen. Neckend knabberte an der blassen Haut, während seine Hände unter dem Shirt verschwanden und er seinen Unterleib zwischen Fyes Beine drängte. „Haaah! Gnn, warte doch mal!“, keuchte der blonde Dieb und sein Geliebter knurrte frustriert. „Nur eins noch.“, wurde ihm versprochen. Fye angelte nach einem kleinen Samtbeutel und ließ dessen Inhalt auf seine Hand rutschen. Zwei exakt gleich große und gleich geschliffene, eiförmige Juwelen kamen ans Licht: Ein Diamant und ein Saphir. „Kannst du mir erklären, was die „Falschen Zwillinge“ hier machen? Die standen doch gar nicht auf unserer Liste.“ Kurogane schwieg kurz und betrachtete Fye, der verwirrt, aber fasziniert die schönen Edelsteine begutachtete. Dann beugte er sich plötzlich hinab und gab dem Blonden einen sanften Kuss auf die weichen Lippen. „Frohe Ostern.“, sprach er leise, obgleich es ihm viel zu kitschig war. Aber was sollte er machen, Fye stand auf solche Dinge. Dieser starrte erst ihn, dann die Steine mit offenem Mund an. „S…soll das heißen, du hast sie für… mich mitgenommen?“ „Hn. Ich dachte mir, du hättest sie vielleicht gern in unserer kleinen Sammlung. Du hast einmal gesagt, dass sie dir gefallen.“ „Das tun sie. Sie sind wunderschön.“ Atemlos bewunderte Fye ihre neuen Schätze im matten Licht. Man konnte meinen, dass sie leuchteten. „Oh Kuro-sama, ich liebe dich!“ Der Schwarzhaarige lächelte, als er stürmisch umarmt wurde. „Ich weiß…“ „Aber warte nur ab.“, keuchte Fye, als er sich einige Minuten später nackt unter seinem Partner wand, „Beim nächsten Mal bin ich wieder dran, mich als braven Bürger zu verkleiden. Und dann wirst du dich umgucken!“ Kurogane ließ kurzzeitig von der hellen Brust ab und schaute grimmig auf. „Von wegen. Wir lassen die Rollenverteilung so.“ „Was?!“, entrüstet sah Fye hinab. „Denkst du, ich kann das nicht mehr?“ Doch sein Gegenüber grinste und widmete sich wieder den rosigen Knospen. „Im Gegenteil.“, antwortete er heiser und rau, sodass es Fye heiß den Rücken hinunter lief. „Ich habe vollstes Vertrauen in deine Fähigkeiten. Aber der schwarze Anzug steht dir einfach viel besser als die Uniformen.“ „Oh…“ Da konnte selbst Fye nichts mehr sagen, und so war die Luft bald erfüllt von leisem Seufzen und Stöhnen, als sie sich nach der viel zu langen Trennung wieder einander hingaben. Owari Kapitel 13: 12.Woche - Zeit anhalten und Blumen ----------------------------------------------- ~Schneeblume~ Stundenglas Alle Menschen – und ganz besonders jene, die über Leichen gehen, um an das zu gelangen, was sie begehren – machen früher oder später die Erfahrung, dass es Mächte gibt, die man besser nicht zu beeinflussen oder gar zu kontrollieren versucht. Dabei spielt es keine Rolle, ob absichtlich oder ungewollt. Denn die Folgen und ihre Reichweite sind in jeden Fall nicht vorhersehbar. Auch wir wurden um diese Erkenntnis reicher – und wir waren nicht einmal wir selbst. Erwartungsvoll schauten wir nach vorn. Inzwischen waren wir den Strom der Dimensionen um uns herum gewöhnt, sodass unsere Aufmerksamkeit auf der unbekannten Welt vor uns lag. Die Reise dauerte wie immer nur wenige Sekunden und doch war diesmal etwas anders als sonst. Genau in dem Moment, als sich das gleißende Licht vor uns auftat, wurden wir von einem heftigen Sturm erfasst. Ich hörte Sakura neben mir erschrocken aufschreien und sah, wie Kurogane reflexartig nach meinem Mantel griff, damit wir nicht auseinander gerissen wurden. Unsere Prinzessin klammerte sich an meine Hand und ebenso wie sie schnappte ich nach viel zu knapper Luft. Doch ehe wir uns über das Geschehen klar werden konnten, war der Wind so schnell verschwunden wie er gekommen war. Allerdings war es viel unheimlicher, dass plötzlich kein Lüftchen mehr wehte. Ich hatte keine Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen, denn mit Entsetzen musste ich feststellen, dass wir in die Höhe gewirbelt worden waren und nun einige Meter auf den waldig grünen Boden hinab purzelten. „Uff! – AUA! – Ächz... – Prinzessin?!“ Eine Reihe von Schmerzlauten ertönte, während sich Shaolan mit verzerrtem Gesicht über seine Freundin beugte. Ehe diese jedoch reagieren konnte, ließ ein an dieser Stelle absolut untypisches, leidvolles Wimmern uns alle aufsehen. „Au weh, entschuldige Moko-chan!“, rief Sakura, völlig zerzaust, aber unverletzt, rutschte zur Seite und hob das zerknautschte Zauberwesen behutsam hoch. „Oh das tut mir leid!“ Besorgt strich sie über das weiße Fell und Mokona regte sich schwerfällig. Ich rappelte mich hoch und schaute dem Mädchen über die Schulter. „Wie konnte das passieren, du landest doch sonst immer auf uns?“, fragte ich verblüfft. „Vielleicht lag das an diesem seltsamen Wind.“, vermutete Shaolan, während er sich unauffällig seine Kehrseite rieb. „Kuro-tan, was denkst-…“ Ich hatte mich zu Kurogane herum gedreht, der seltsam schweigsam war, doch die Frage blieb mir im Hals stecken. Unser Ninja hatte in diesem Augenblick mehr von einem Wolfshund denn je. Ein Hund mit gesträubtem Nackenpelz, gefletschten Zähnen, weil er nur wusste, dass ihn etwas bedrohte, aber nicht, was. Genau diesen Eindruck machte Kurogane auch gerade, und hätten bei mir nicht auch plötzlich sämtliche Alarmglocken geläutet, hätte ich ihn mit Sicherheit damit aufgezogen. „Hier stimmt was nicht!“, knurrte er leise, jede Faser seines Körpers angespannt. Augenblicklich drängten wir uns alle zusammen und schauten uns alarmiert um. Auf den ersten Blick bot sich uns ein vollkommen unbedrohliches, gar idyllisches Bild. Wir standen auf einer kleinen, Moos bewachsenen Lichtung inmitten eines leuchtend grünen Waldes. Schimmernde Sonnenstrahlen erhellten die Umgebung und verliehen ihr ein einladendes Glänzen. Doch Kurogane hatte Recht. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. „Tot. Hier ist alles tot! Es gibt nichts Lebendiges um uns herum.“ Der Brustkorb des Schwarzhaarigen hob und senkte sich schnell und unregelmäßig, als sein blutroter Blick hektisch umher glitt. Auch wir anderen waren unruhig, in Verteidigungsstellung. Eine unbekannte Bedrohung umgab uns, die wir weder sehen noch fassen konnten. Konzentriert schloss ich die Augen und suchte instinktiv nach Leben in dieser Dimension. Ich fand nichts! Wie konnte das sein? Da beschlich mich plötzlich ein seltsames Gefühl, das mich stutzen ließ. „Wartet mal…“, murmelte ich, „Tot trifft es nicht. Es ist eher so… als hätte diese Welt… den Atem angehalten.“ „Was hat das zu bedeuten??“ Ich schaute zu Shaolan und schüttelte den Kopf, als ich auf seine gekeuchte Frage antwortete: „Ich habe keine Ahnung.“ Wir verharrten noch einige Minuten, als jedoch nichts geschah, entspannten wir uns etwas. Sakura wagte sich als erste aus unserem Kreis – ihr Beschützer folgte ihr auf dem Fuße – und kniete vor einer Pflanze mit großen, dicken Blättern. Sie berührte sie vorsichtig und wandte sich wieder uns zu. „Es fühlt sich echt an.“, informierte sie uns. Wir tauschten einen ratlosen Blick. Shaolan beugte sich zu Mokona, das noch immer ziemlich geschafft auf Sakuras Arm lag. „Mokona, spürst du eine Feder?“ Der Zauberhase reagierte fast sofort: Es riss die Augen auf, straffte die langen Ohren und gab ein klägliches „Mekyo.“ von sich. „Hier gibt es mit Sicherheit eine Feder. Aber… Mokona kann nicht sagen, wo genau. Die Aura ist überall um uns herum. Mokona tut es leid!“ „Nicht doch!“, beruhigte die Prinzessin das erschöpfte Wesen, das unruhig atmend die Augen schloss. „Ruh dich aus, Moko-chan. Liebe Güte, bin ich so doll auf dich gefallen?“ Zu ihrer Überraschung trat Kurogane neben sie und schüttelte angedeutet den Kopf. „Das liegt nicht an dir. Ich spüre das auch. Die Atmosphäre ist drückend und es ist, als wäre nicht genug Luft zum Atmen vorhanden.“ Ich runzelte die Stirn. „Komisch, ich merke nichts. Aber Shaolan-kun sieht auch etwas blass aus.“ Sakura musterte ihren Begleiter besorgt und kam zum selben Schluss. Sie hingegen wirkte so munter wie ich. „Was machen wir jetzt?“, erkundigte sie sich ahnungslos. „Was schon! Wenn das Manjuu nicht weiß, wo die Feder ist, müssen wir eben einfach aufs Geratewohl losgehen.“, brummte Kurogane tonlos, dann drehte er sich um und stampfte voran. Wir folgten ihm durch diesen schönen, aber unheimlichen Wald. Ich wusste nicht, wie lange wir liefen. Der Sonnenstand änderte sich nicht, doch es mussten Stunden gewesen sein. Wir kamen immer langsamer vorwärts, denn nicht nur Shaolan ging es mit jedem Schritt schlechter, sondern auch unserem starrköpfigen Krieger. Beide versuchten, es sich nicht anmerken zu lassen, doch ging allein schon ihr Atem laut und rasselnd. Sie schwitzten, obwohl hier angenehme Temperaturen herrschten, und jede Bewegung fiel ihnen sichtlich schwer. Mokona ging es auch nicht viel besser, aber wenigstens wurde es getragen. Unsere Prinzessin und ich verspürten nur die Müdigkeit, die einen erfasste, wenn man lange Zeit wanderte. Kurogane wehrte all meine Versuche, ihn zu stützen rigoros ab. Verbissen kämpfte er sich voran und ignorierte mich. Sturkopf! Ich seufzte lautlos. Nach gefühlten weiteren Stunden – meine innere Uhr sagte mir, dass es längst Abend sein musste – entschieden wir uns, eine Weile zu rasten. Im Schatten ließen wir uns auf dem weichen Gras nieder. Kurogane lehnte an einem dicken Baumstamm und rang nach Luft, während er die Arme abweisend vor der Brust verschränkte und finster vor sich hin starrte. Shaolan versuchte derweil, mit zittrigen Händen ein Feuer zu machen, doch es gelang ihm nicht, denn es war den Flammen nicht möglich sich empor zu züngeln. Schließlich gab er es auf und sank zurück ins Gras. Sakura kraulte Mokona derweil sanft durch das Fell. „Moko-chan, kannst du Yuuko-san rufen? Vielleicht weiß sie, was für eine Welt das ist.“, bat sie und suchte absichernd meinen Blick. Ich nickte ihr zustimmend zu. Das war eine gute Idee. Denn so konnte das nicht weitergehen. Mokona blinzelte müde und sein roter Stein leuchtete auf. Doch nur kurz, dann wurde das Leuchten zu einem matten Glimmen. „Es geht nicht.“, jammerte der Zauberhase. „Mokona kann sie nicht erreichen. Da ist so etwas wie eine Mauer, Mokona kommt nicht durch.“ Bestürzt hob die Prinzessin den Kopf. Doch bevor sie etwas sagen konnte, presste Kurogane zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Dann müssen wir es auf eigene Faust herausfinden.“ „Aber vorher ruhen wir uns aus.“, nahm ich ihm bestimmt den Wind aus den Segeln. Es kam überhaupt nicht in Frage, dass er in seinem Zustand weiter marschierte. Niemand widersprach mir und eine drückende Ruhe legte sich über uns. „Ich habe eine Theorie.“, unterbrach ich sie schließlich leise und die anderen horchten fragend auf. „Die Äste der Bäume, die Blätter sind in ihrer Bewegung erstarrt. Als wäre eben noch ein Windstoß an ihnen vorbei gerauscht und dann plötzlich verschwunden. Und als hätten die Pflanzen vergessen, wieder zurück zu schnellen… Ich glaube, dass die Zeit stehen geblieben ist.“ Sakura schüttelte den Kopf, als sie versuchte, sich das vorzustellen. „Wie ist so was möglich?“ Ich fuhr mir seufzend durch die Haare und lehnte mich neben Kurogane an den Baum. „Ich weiß es nicht. Wenn wir davon ausgehen, dass die Zeit angehalten wurde… Ich denke, es ist eine mächtige Magie notwendig, um das zu schaffen. Vielleicht hängt das mit einer deiner Federn zusammen, Sakura-chan.“ Statt einer Antwort keuchte das Mädchen auf einmal erschrocken auf und rief voller Entsetzen Shaolans Namen. Mit einem „Was ist passiert?“ fuhr ich hoch und im gleichen Moment erkannte ich, was sie so erschreckt hatte. Über ihren Beschützer hatte sich ein grauer Schatten gelegt. Bevor einer von uns reagieren konnte, krümmte sich Kurogane neben mir plötzlich zusammen und sank an dem Baum hinab auf den Waldboden. Auch seine Hautfarbe hatte sich verdunkelt und irgendetwas sagte mir, dass diese Schatten noch schwärzer werden würden… „Ist das heiß hier.“, grummelte der Ninja und erntete ein „Uuh, Kuro-rin hat Hitzewallungen!“. Er warf mir einen bösen Blick zu und drehte den Kopf weg, als ich meine Hand an seine Stirn legte. Ich konnte es trotzdem fühlen. „Kuro-sama, deine Haut ist eiskalt.“, stellte ich beunruhigt fest. Merkwürdig. Shaolan, der gerade döste, hatte Fieber, weswegen Sakura gerade Wasser von einem kleinen Bach holte, an dem wir vorhin vorbeigekommen waren. Kurogane hob die Brauen und widersprach: „Kann gar nicht sein, mir ist warm!“ Ich seufzte und schüttelte den Kopf. „Glaub mir doch einfach.“ Behutsam berührte ich seinen Arm. „Du bist völlig unterkühlt.“ Er wollte sich hochrappeln, doch seine Glieder gaben einfach nach und er rutschte unbeabsichtigt mit dem Kopf in meinen Schoß. Ich nutzte die Gelegenheit und verschränkte meine Arme vor seiner Brust, um ihn am Aufstehen zu hindern. „Was soll das? Lass mich los!“, zischte er protestierend. „Nein.“ Ich meinte es wirklich ernst. „Bitte bleib liegen und ruh dich etwas aus.“ Wütend versuchte Kurogane, mir zu entkommen: „Das wird auch dadurch nicht besser. Sollen wir vielleicht warten, bis die Feder zu uns kommt??“ Ich biss mir auf die Lippen. Ich ahnte sehr wohl, wie er sich fühlte. Er hatte keine Möglichkeit, zu kämpfen, sich zu wehren, weil er das, was ihn schwächte, nicht sehen, nicht greifen konnte. Eigentlich war er ein Beschützertyp. Auch wenn es nicht immer den Anschein machte, so behielt er uns doch wachsam im Auge. Und auf einmal war er der Schutzlose, völlig wehrlos gegenüber einer unsichtbaren Macht. Ich wusste, wie es an seinem Stolz nagte. Ich wusste, dass es ihm zu schaffen machte. Vor allem weil er nichts tun konnte, sollten wir angegriffen werden oder Ähnliches. Ich wusste es doch… Dennoch wollte ich, dass er sich nur einmal, ein einziges Mal, von mir beschützen ließ. Auch wenn er mich immer durchschaute und mir ständig den Spiegel vorhielt, er war mir sehr wichtig geworden und ich wollte nicht, dass ihm etwas zustieß. Dazu hatte ich meinen großen, bösen, schimpfenden Kurogane einfach viel zu gern. „Bitte…!“, flehte ich leise und eindringlich. Er hielt inne, schien mit sich zu hadern. Und schließlich seufzte er resignierend und sank mit dem Kopf auf meine Oberschenkel zurück. Ich lächelte sanft und lockerte meine Umklammerung. Eine Weile schwiegen wir. Ich war mir nicht sicher, ob ich es mir einbildete, aber es schien mir, als ob er sich etwas entspannte und ein wenig leichter atmen konnte. Sakura kehrte zurück, schenkte uns ein aufmunterndes Lächeln und setzte sich neben Shaolan, legte ihm ein nasses Tuch auf die glänzende Stirn. „Fye-san, ich glaube, es stimmt, was du gesagt hast.“, flüsterte das Mädchen, um ihren Beschützer und Mokona, das ebenfalls in den Schlaf geflüchtet war, nicht zu wecken. „Als ich eben Wasser aus dem Bach geschöpft habe, blieb darin eine Kuhle zurück. Und das Wasser trocknet nicht auf der Haut. Die Zeit scheint hier wirklich still zu stehen, und mit ihr alles Leben.“ „Ja.“, murmelte ich und strich Kurogane gedankenverloren durchs Haar. Seine Haut war noch immer ungewöhnlich kühl, aber im Vergleich zu eben hatte ich den Eindruck, dass sie schon etwas wärmer war. Und da schien tatsächlich etwas dran zu sein, denn nach ein paar Minuten brummte Kurogane kaum hörbar: „Merkwürdig… Irgendwie schirmt mich deine Nähe von der Umgebung ab. Wenn du mich berührst, fühle ich mich besser.“ Ich glaubte zu erröten. Gleichzeitig war ich wirklich froh, das zu hören – ihm helfen zu können. „Stört es dich?“, fragte ich leise und als er mir antwortete, schien er sich selbst darüber zu wundern. „Nein.“ Ich konnte nichts dagegen tun. Das liebevolle Lächeln schlich sich einfach so auf meine Lippen und blieb dort. Ich legte eine Hand auf Kuroganes, während die andere auf seiner Brust ruhte, und bettete mein Kinn auf den schwarzen Schopf. Es war angenehm… Er, seine Nähe, war angenehm. Und wenn mich nicht alles täuschte, empfand er ähnlich. Nachdem wir uns einige Zeit ausgeruht hatten, beschlossen wir, unsere Suche fortzusetzen. Ich hielt Kuroganes Hand fest in meiner, als wir weitergingen. Er sagte nicht dazu und entzog sich mir auch nicht. Der Körperkontakt schien zu helfen. Auch bei Shaolan, der Sakuras Hand genommen hatte, und Mokona, das auf meiner Schulter saß. Die Schatten verdichteten sich nicht länger und das Luftholen fiel den dreien leichter. Während unserer Wanderung veränderte sich der Wald ein wenig und war ganz plötzlich zu Ende. „Seht doch!“, rief die Prinzessin erstaunt. Vor uns erstreckten sich weite Felder, von einem kleinen Weg getrennt, der sich zwischen ihnen entlang schlängelte. Doch das war es nicht, was Sakura in Aufregung versetzt hatte. Tausende und abertausende weiße Blumen erstreckten sich über die Felder. Als die Zeit noch vorangeschritten war, musste ein Windstoß durch sie gefahren sein, und er hatte die vielen Blütenblätter in die Luft gewirbelt. Dort schwebten sie nun im gleißenden Sonnenlicht und malten ein traumhaftes Bild. Es war skurril, aber von solcher Schönheit, dass ich ehrfürchtig den Atem anhielt. Aufgeregt und lachend und mit hübsch glänzenden Augen tanzte Sakura durch den Blumenregen und zog ihren Freund einfach mit sich. Ich musste schmunzeln, doch ich war selbst ganz hin und weg von diesem Anblick. „Wunderschön, nicht wahr?“, seufzte ich lächelnd. Mokona gab einen zustimmenden Laut von sich und kuschelte sich an mein Ohr. „Kindisch.“, grummelte mein schwarzes Hündchen. Mit erhobener Augenbraue schaute ich zu ihm auf, nur um festzustellen, dass auch er den Blick nicht abwenden konnte. Ich knuffte ihm lachend in die Seite. „Spinn nicht, Kuro-sama! Sonst mache ich es Sakura-chan nach!“ „Das wagst du nicht!“, drohend schaute er mich an. Doch er hätte wissen müssen, dass mich seine Drohung nicht abhielt, sondern anstachelte. „Und wie!“ Damit zog ich ihn mit mir, den Feldweg entlang und den anderen beiden nach. Lachend bewarf ich ihn mit schwebenden Blütenblättern – obwohl diese sich nicht wirklich werfen ließen – und ignorierte seine Flüche und Verwünschungen. Allerdings verstummten diese ziemlich schnell und er folgte mir beinahe ohne Widerwillen. Ich bemerkte nicht sofort, dass er mich nicht mehr aus den Augen ließ, dass er mich genaustens beobachtete. Viel mehr genoss ich diesen unbeschwerten Augenblick. Ich hatte das Rätsel um diese Welt und die Sorge um meine Freunde nicht vergessen, geschweige denn all die anderen Probleme. Doch nur einen Atemzug lang wollte ich mich sorglos fallen lassen in diesen seltsamen, aber schönen Frieden. In die vertraute, angenehme Gegenwart der Menschen, die für mich schon fast zu einer kleinen Familie zusammengewachsen waren. Mit einem unbeschwerten Lächeln auf den Lippen wirbelte ich zu ihm herum und bedachte ihn mit einem lieben Blick. Erst da wurde mir bewusst, dass er mich schon die ganze Zeit durchdringend angesehen hatte. Nicht bohrend wie sonst, wenn er Dinge von mir wissen wollte, die ich nicht preis zu geben gedachte. Nein, viel sanfter. Ich blieb stehen und legte den Kopf schief. „Was ist?“, wollte ich neugierig wissen, „Habe ich was im Gesicht?“ Er antwortete nicht sofort. Stattdessen erwiderte er leicht den Druck meiner Hand, ehe er losließ, nur um unsere Finger ineinander zu verschränken. Mit einem sanften Ruck zog er mich ein Stück zu sich. Langsam hob er die andere Hand, streckte sie nach meinem Schopf aus und sammelte ein paar Blütenblätter von meinen Haaren. Es war nur eine unscheinbare Geste, und doch klopfte mir mein Herz plötzlich bis zum Hals und ich spürte, wie meine Wangen – nicht unangenehm – brannten. Sein feuerroter Blick hielt meinen gefangen, ohne dass ich mich dagegen wehren konnte. Ich wollte es ja nicht einmal. „Du hast Blumen im Haar. Und das sieht albern aus.“, brummte er leise und in einem Tonfall, der die Überzeugung seiner Wertung zunichte machte. Als wäre ihm das selbst bewusst geworden, wanderten seine Mundwinkel ein Stückchen nach oben, und unwillkürlich erwiderte ich das seichte Lächeln. Federleicht glitten seine Fingerspitzen über meine Wangen, als er sich zu mir beugte. Unbewusst näherte ich mich seinem Gesicht, fühlte seinen warmen Atem auf meinen Lippen und… „MEKYO!“ Aufgeregt sprang Mokona, das ich zugegebenermaßen völlig vergessen hatte, auf meinen Kopf und Kurogane und ich zuckten zusammen. Unweit von uns blieben die Kinder stehen und wandten sich uns neugierig zu. „Mokona spürt die Energie der Feder stärker, sie konzentriert sich besonders auf einen Punkt! Mokona weiß, in welche Richtung wir müssen!“ Hibbelig deutete es nach vorn. „Dann lasst uns gehen.“ Hoch motiviert schritt Shaolan mit seiner Prinzessin voran und folgte dem Feldweg. Mokona juchzte auf meinem Kopf, Kurogane verdrehte die Augen. Ich lachte, wenn auch ein bisschen bedauernd. Wir tauschten einen Blick, er und ich. Und ich sah, wie seine Mundwinkel verdächtig zuckten. Ich grinste verschmitzt und drückte seine Hand. Er erwiderte die Geste, dann schlossen wir uns den Kindern an. Wir hatten Glück. Jetzt, wo Mokona die konzentrierte Spur der Feder einmal geortet hatte, brauchten wir nicht lange suchen. Nach etwa einer knappen Stunde konnten wir plötzlich etwas Lebendiges in unserer Nähe spüren. Es war mir ein Rätsel, wie mir das zuvor entgehen konnte, doch darüber zerbrach ich mir nicht den Kopf. Denn mit dem, was wir vorfanden, hatte keiner von uns gerechnet. Auf dem Gipfel eines Hügels schwebte Sakuras Feder, gefangen von der starren Luft um sie herum. Und darunter saßen zwei Kinder in bunten Gewändern im Gras, nicht älter als fünf Jahre, und zankten sich verzweifelt. Doch das Unglaubliche daran war ihre verblüffende Ähnlichkeit zu Kurogane und mir. Der eine Junge hatte strubbeliges, blondes Haar, das des anderen war kurz und schwarz. Widerstrebend hielt sich der Schwarzhaarige mit trotzigen, roten Augen an der Hand des Blondschopfes fest. Es war eindeutig, dass er es aus demselben Grund tat, warum auch unsere Freunde Sakura und mich berührten. Um nicht in der angehaltenen Zeit zu erstarren. „Oh mein Gott, das sind ja…!“ Sakura schlug eine Hand vor den Mund. Wir wussten, was sie sagen wollte und sie hatte Recht. Das waren unverkennbar unsere Ebenbilder dieser Dimension. Die kleinen Kinder zuckten ertappt zusammen und fuhren herum. Mit großen Augen starrten sie uns an. Sie konnten es sich nicht erklären, dass sich jemand außer ihnen noch bewegen konnte. Verschreckt, aber nicht ängstlich, rappelten sie sich hoch. „Wer seid ihr?!“, verlangte der kleine Kurogane – ich fand ihn unglaublich niedlich – unwirsch zu wissen. „Äh… wir sind Reisende und…“, begann Shaolan etwas unsicher, wurde jedoch von unserem Ninja unterbrochen, der auf die Kleinen zuging und seinem frechen Ich eine Kopfnuss verpasste. „Andere Frage: Seid ihr dafür verantwortlich, dass die Zeit hier still steht?“ „Aua!“, protestierte der Krümel und funkelte zu ihm hinauf. Ich schaute zu meinem Ebenbild, dem plötzlich Tränen in die Augen gestiegen waren und der schnell einen Schritt zurückwich. Die beiden Schwarzhaarigen unterbrachen ihren Ich-guck-dich-in-Grund-und-Boden-Kampf sofort und der Mini-Kurogane stellte sich schützend vor seinen Freund. „Es war nicht seine Schuld! Wir wollten das nicht! Wir wussten doch nicht, dass das passiert, ganz ehrlich!“, verteidigte der Schwarzhaarige ihn nun selbst panisch. Kurogane wollte nachhaken, doch ich hielt ihn zurück. Stattdessen ging die Prinzessin vor den Kindern in die Knie und lächelte beruhigend. „Ganz ruhig, wir wollen euch nicht bestrafen. Wir versuchen, euch zu helfen. Könnt ihr uns erzählen, was genau geschehen ist?“, bat sie lieb und unbedrohlich. Unsere verunsicherten Ebenbilder tauschten einen hilflosen Blick und beruhigten sich ein wenig. Der kleine Kurogane fasste Mut und näherte sich Sakura vertrauensvoll, mein anderes Ich mit sich ziehend. „Wir haben hier gespielt.“, berichtete er und sein Fye nickte zustimmend, „Und da fiel auf einmal die Feder da vom Himmel. Wir wussten nicht, was das ist, aber Fye fühlte Magie, also konnte sie nicht gefährlich sein. Er kann nämlich zaubern, versteht ihr?“ Er reckte aus Stolz auf seinen blonden Freund die Brust, und ich musste mir ein verzücktes Schmunzeln verkneifen. Sakura hakte lächelnd nach: „Und dann?“ Das Gesicht des Schwarzhaarigen verdüsterte sich, als er fortfuhr: „Plötzlich war da ein durchsichtiger Mann am Himmel-“ „Ein hässlicher, alter Opa!“, ergänzte mein Ebenbild schüchtern hinter seinem Rücken hervor. „Genau. Und der hat gesagt, dass wir so schön spielen und ob wir uns nicht wünschen würden, die Zeit anhalten zu können, um nicht aufhören zu müssen. Er meinte, das wäre ganz einfach. Fye müsste nur seine Magie mit der Kraft der Feder verbinden. Und dann war der plötzlich wieder verschwunden. Wir haben es ausprobiert, weil wir dachten, länger spielen zu können und dass unsere Mütter uns dann nicht schimpfen. Es hat auch funktioniert, aber dann…“ Nun traute sich der kleine Blondschopf hervor, um selbst weiter zu erzählen. „Dann war Kuro-chan auf einmal auch erstarrt und das war ganz schrecklich! Ich hab versucht, die Zeit weiter fließen zu lassen, aber es ging nicht. Immer habe ich einen Schlag gekriegt, wenn ich die Feder anfassen wollte. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, und Kuro-chan hat sich nur bewegt, wenn ich ihn berührt habe. Also haben wir darauf gewartet, dass der Mann noch einmal am Himmel erscheint und uns hilft, aber er kam nicht. Na und dann wart ihr plötzlich da.“ Bittend schaute er mich an. „Könnt ihr uns nicht helfen, bitte? Meine Mama und Kuro-chans Mama und all die anderen und die Pflanzen sollen alle wieder leben! Bitte!“ Ich beugte mich zu ihm hinab und strich meiner kleineren Ausgabe über den Schopf. „Natürlich helfen wir euch.“, versicherte ich ihm, was meinen Kurogane grummeln ließ: „Und wie?“ „Ich habe eine Idee“, teilte ich ihm mit, „aber ich weiß nicht, ob es funktioniert. Sakura-chan, ich brauche deine Hilfe. Und deine auch, kleiner Fye. Meinst du, du schaffst das?“ Er nickte eifrig und wies seinen Freund an, sich an seinem Arm festzuhalten, damit er die Hände frei hatte. Er, Sakura und ich positionierten uns mit unseren Freunden im Schlepptau um die Feder herum und streckten die Hände nach ihr aus. Ich vermutete, dass die Feder sich vor meinem Ebenbild hatte schützen wollen und ihn deshalb bei seinem Versuch, alles rückgängig zu machen, abgestoßen hatte. Und ich hoffte, dass sie Sakura als ihre rechtmäßige Besitzerin anerkannte. Dass Fyes Magie und meine zusammen stark genug waren, um die Zeit in ihre Schranken zu verweisen und ihr einen Schubs zu geben. Ich betete lautlos, dass alles gut ging, denn ich wollte mir nicht ausmalen, was passieren konnte, wenn nicht. Doch meine Sorgen waren unbegründet. Erst geschah nichts, dann ging ein heftiger Ruck durch die ganze Dimension, der uns beinahe von den Füßen gerissen hätte. Und da… wehte plötzlich der Wind über unsere Köpfe hinweg. Es war, als atmete die Welt tief ein. Und die Zeit nahm wieder ihren Lauf. Die beiden Krümel schrieen begeistert auf und fielen sich vor Erleichterung weinend in die Arme. Die Feder segelte selenruhig zu Sakura und verschwand, während Shaolan und Kurogane endlich wieder normal aussahen. Auch wir waren erleichtert und grinsten einander zu. Da sprang Mokona in unsere Mitte und Yuukos Projektion erschien vor uns. Finster musterte sie uns, doch ihr gemurmeltes „Gott sei Dank!“ war nicht zu überhören. „Was habt ihr schon wieder angestellt? Das ging ja durch alle Dimensionen. Wisst ihr, was hier für ein Chaos geherrscht hat?! Also raus damit!“ Wir berichteten ihr, was geschehen war und was uns die Kinder erzählt hatten. Yuuko lauschte aufmerksam und als wir geendet hatten, sah sie uns nacheinander an. „Die Zeit ist eines der mächtigsten Elemente, die es gibt.“, belehrte sie uns streng. „Es ist unmöglich sie zu kontrollieren. Schon es zu versuchen kann in einer tödlichen Katastrophe enden und ist deshalb strengstens verboten! Lasst euch das eine Lehre sein.“, mahnte sie die Kinder, die reuevoll und kleinlaut die Köpfe einzogen. „Und vor allem, lasst euch niemals wieder etwas von irgendwelchen suspekten Fremden aufschwatzen. Ist das klar?!“ Die zwei nickten schnell und wurden mit einem lobenden Lächeln bedacht. Yuuko wandte sich wieder an uns. „Man hat die Auswirkungen in allen Dimensionen gespürt. Überall war die Zeit mehr oder weniger verzerrt. Deshalb konntet ihr auch keinen Kontakt zu mir herstellen. Da ihr nicht aus dieser Welt stammt, wart ihr nur indirekt betroffen. Trotzdem habt ihr es deutlich zu spüren bekommen. Und weil die Zeit in jeder Dimension, aus der ihr ursprünglich stammt, unterschiedlich schnell fließt, habt ihr die Folgen auch unterschiedlich empfunden. Fye und die Prinzessin hatten Glück, weil ihre Kräfte in den Zauber verwickelt waren. Somit waren sie geschützt. Und als sie euch berührt haben, befandet auch ihr euch innerhalb dieses Schutzes. Ihr habt klug gehandelt, aber vergesst niemals, dass ihr vor allem unverschämtes Glück hattet. Die Zeit befindet sich in einem äußerst empfindlichen Gleichgewicht und lässt sich nicht gern beeinflussen. …Und das musste nun auch der gute Fei Wan Reed lernen.“ Sie lachte schadenfroh, beachtete unsere fragenden Gesichter nicht weiter und verschwand, nachdem sie uns ein letztes Mal ermahnt hatte. Immerhin hätte sie unseretwegen nun viel zutun, weil großen Schaden zu begrenzen. „Alte Hexe.“ Kurogane verdrehte demonstrativ die Augen und brachte uns damit zum Lachen. Insgeheim fragte ich mich, ob er mich darauf ansprechen würde, dass ich meine Magie angewandt hatte. Ich hoffte, er würde es nicht tun. Auch wenn ich einige Ausreden parat hatte. Seine jüngere Ausgabe zupfte an meiner Hose. „Danke, dass ihr uns geholfen habt.“ „Ja, vielen Dank.“ Auch der kleine Magier strahlte zu uns hinauf. Ich beneidete ihn um sein unschuldiges Lachen. „Gern geschehen. Jetzt solltet ihr aber schnell heimgehen, bevor sich eure Eltern noch Sorgen machen.“, erwiderte ich. Die zwei nickten energisch und verabschiedeten sich von uns. Ihr helles Kinderlachen hallte noch lange über die Felder als sie Hand in Hand nach hause liefen. „Ich schlage vor, dass wir auch weiter reisen.“ Shaolan trat erwartungsvoll neben Sakura, welche im zulächelte. Sein Vorschlag wurde einstimmig angenommen und Mokona sprang quietschfidel wie immer in die Luft. Ich warf noch einen letzten Blick über diese friedliche Welt. Blütenblätter tanzten umher als hätten sie nie etwas anderes getan. Beinahe – aber nur beinahe – hätte ich mir gewünscht, die Zeit anhalten zu können, um diesen Frieden noch etwas länger zu genießen. Doch es gab wichtigeres, und außerdem hatte ich aus dem Fehler meines kleinen Ebenbildes gelernt. Nicht nur, dass ich die Zeit nicht kontrollieren konnte. Sondern auch… Ich schaute hinab auf meine Finger, die noch immer mit Kuroganes verflochten waren. Mein Blick glitt hinauf und begegnete seinem. Sondern auch, dass ich alles bei mir hatte, um meinen Frieden zu finden. Owari <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Klayr_de_Gall~ Was es bedeutet Eine rote Kamelie für ’Es tut mir leid’. Weiße Hortensien für den Tod. Lavendel als Zeichen des Misstrauens. Lilien... weiße Lilien... Und diese. Für was stand diese Blume? Nachdenklich betrachtete Fay das kleine Gewächs, beinah mickrig zwischen all den prächtigen, großen Büschen, die ihre voller Pracht zeigten. Es versteckte sich zwischen den grünen Blättern eines Hortensienbusches, und reckte scheu seine Blüten zur Sonne hin. Interessiert ging der blonde Vampir in die Hocke. Dieses hübsche kleine Pflänzlein hatte er zuvor noch nicht in dem großen Garten, der zum japanischen Schloss Hirasagi gehörte, entdeckt. Wuchs es nur hier? Vielleicht war es einfach nur... Unkraut? Ein Parasit, nutzlos, einfach nur da, allem ihn Umgebenden eine Last... „Das ist ’Vergiss-mein-nicht, Fay!“ Überrascht wand sich der Angesprochene zu dem Neuankömmling um und fing Mokona geschickt mit den Händen auf. „Du kennst diese Blume, Mokona-chan?“ „M-hm!“ Bekräftigend nickte das kleine Zauberwesen, und seine Ohren schlackerten lustig hin und her. „Es wächst bei Yuuko im Garten! Sie hat es extra im Blumenladen gekauft und eingepflanzt, weil es so hübsch ist.“ Fay schmunzelte. Yuuko-san hatte doch nicht wirklich Gartenarbeit gemacht oder? Irgendwie schwer vorstellbar. Die Dimensionshexe, mächtig und auch ein bisschen bequem, mit Schürze und dreckigen Gummihandschuhen beim Einpflanzen im Beet hinter dem Haus: eine köstliche Vorstellung! „Und Mokona hat natürlich geholfen!“, brüstete sich Mokona stolz und brachte den schlanken Mann ein weiteres Mal zum Lächeln. „’Vergiss-mein-Nicht’ ist ein schöner Name...“ Er hatte so viel Bedeutung. Das hatte Fay bei einer so kleinen Blume, mit ihrem unscheinbaren Hellblau und Gelb, gar nicht erwartet. Aber der äußere Anschein täuschte ja sehr oft über den inneren Wert hinweg. „Es gibt übrigens Abendessen! Deswegen hat Tomoyo gesagt, Mokona soll dich holen.“ „Oh, okay.“ Ein wenig aus seinen schwermütigen Gedanken gerissen, erhob sich der Magier, und setzte sich seinen kleinen Reisebegleiter auf die Schulter. Seit sie in Nihon angekommen waren, hatte er an Kuroganes Bett gewacht, aber heute Morgen hatte ihn die sanftmütige, japanische Prinzessin davon überzeugt, dass auch er sich etwas ausruhen sollte. Weil Kurogane sicher nicht wollte, dass der Blondschopf sich wegen ihm überanstrengte. Das war ihr stärkstes Argument gewesen. Zwar fiel es Fay schwer, diesem nachzukommen, aber er wusste sehr genau, dass das Mädchen Recht hatte. Kurogane, der sich für ihn aufgeopfert hatte, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wie es dem Blondschopf danach ging, würde es nicht gutheißen, wenn Fay aus Müdigkeit zusammenbrach, nur weil er nicht von seiner Seite hatte weichen wollen. Dieser egoistische Idiot! Hatte er überhaupt einen Gedanken daran verschwendet, wie es Fay ging, wenn er so etwas für ihn tat, sich in Lebensgefahr brachte, nur um seinen Reisegefährten zu retten? Entweder hasste Kurogane ihn so sehr, das er ihn einfach nur immer weiter leiden sehen wollte, mit jedem neuen Tag, den der Magier auf Kosten anderer leben musste und sich mit diesem Wissen quälte, oder... nein, rief Fay sich gedanklich zur Ordnung. Es gab kein ’oder’. Nur weil Kurogane es verabscheute, dass er sterben wollte, obwohl seine Zeit noch nicht gekommen war, erhielt er ihn weiterhin am Leben. Erst mit dem Opfer in Acyd Tokyo – sein Blut – und in Celes mit seinem Arm. Kurogane hatte in Kauf genommen, zu sterben, nur um ihn zu retten... was kam als nächstes? Opferte er in der nächsten gefährlichen Situation sein Leben für den Blondschopf? Allein der Gedanke beunruhigte Fay. Besser, er ließ es gar nicht erst so weit kommen. Auch wenn es hieß, dass er in Zukunft seine Magie einsetzen musste, er wollte nicht mehr schwach und auf Andere angewiesen sein. Außerdem... sein König konnte ihn nun nicht mehr verflogen. „Wie geht es Kurogane?“, erkundigte er sich leise bei dem Manjuu, während sie den Palast betraten und von den Wächtern kaum beachtet wurden. „Er schläft noch immer.“ Mokona seufzte niedergeschlagen. „Aber sein Fieber ist etwas zurückgegangen und die Ärzte sagen, es geht ihm schon etwas besser.“ „Das ist gut.“ Kurogane sollte endlich wieder zu sich kommen. Der Magier brannte darauf, ihm zeigen, wie wütend er auf ihn war. Sich seinetwegen fast umzubringen... Für IHN! Dabei war er so wertlos! Ein Mörder. Ein Monster... und trotzdem... warum? Fay verstand es nicht. Er verstand nicht, warum der Krieger so weit gegangen war und er wollte endlich eine Antwort. Weil die Antworten, die sein Kopf sich selbst zusammenspann, ihm keine Genugtuung verschafften. Vielleicht waren sie wahr, aber nur Kurogane selbst konnte ihm Gewissheit geben. Auch wenn sich Fay vor der Antwort fürchtete. Er war sich sicher, dass Kurogane ihn hasste, aber das aus dessen Mund zu hören würde sehr wehtun, egal wie gut er sich darauf vorbereitete. Und wenn der Krieger doch einen anderen Grund gehabt haben sollte... Unbehaglich strich sich der blonde Vampir über sein schmales, blasses Gesicht. Man konnte ihn doch nur hassen. Jetzt, wo Kurogane seine Vergangenheit kannte, war es absurd auch nur ein kleines bisschen darauf zu hoffen – halt, Hoffnung? Fay schüttelte heftige den Kopf und Mokona blickte ihn erschrocken an. „Alles okay, Fay?“ „Ja, entschuldige. Es ist nur... nicht. Schon okay.“ „Okay.“ Nicht gänzlich überzeugt verzichtete das Manyuu darauf, ein weiteres mal nachzufragen sondern sprang von Fays Schultern hinunter und zu Tomoyo, die neben ihrer Schwester und Souma am Esstisch saß, um sich sein Lob abzuholen, dass es den Magier so schnell und zuverlässig gefunden und hergebracht hatte. Dieser setzte sich nach einer kurzen Begrüßung zu Syaoran und kurz darauf begannen alle zu essen. Aus dem Augenwinkel musterte Fay seinen jüngeren Begleiter. Er wirkte genauso abgespannt wie er selbst sich fühlte. Sicherlich war der Junge nur wenn es wirklich nötig war, von Sakuras Seite gewichen, die vom Zauber des Schlosses und der japanischen Prinzessin beschützt, sicher und friedlich in einem Kirschbaum schlief. Der Zustand ihrer braunhaarigen Prinzessin bereitete Fay ebenfalls Sorgen, aber Tomoyo hatte ihm versichert, dass es ihr gut ging und keinerlei Gefahr für ihr Leben bestand. Ihre Seele träumte nur. Eine Sache weniger, die ihm schlaflose Nächte bescherte. Die Sorgen, die er sich um Kurogane machte, reichten schon aus. „Heut Nacht wird Souma bei Kurogane wachen.“, erklärte Tomoyo gerade, und riss den Magier, der nur mit einem Ohr zugehört hatte, somit aus seinen Gedanken. „Nein!“, protestierte er ohne nachzudenken. Alle am Tisch wanden sich ihm zu, aber Fay verdrängte die plötzlich aufkommende Nervosität und fuhr fort. „Ich möchte heut Nacht bei ihm bleiben.“ Fest blickte er Tomoyo in die dunklen Augen. „Bitte, Prinzessin. Ich habe mich den ganzen Tag lang ausgeruht und geschont, so wie Ihr es wollten, deshalb möchte ich wenigstens heut Nacht für ihn da sein. Das bin ich Kurogane schuldig.“ Während die junge Prinzessin besorgt die Stirn runzelte, schmunzelte Amaterasu-ou nur wohlwollend. „Ich bin mir sicher, Kurogane freut sich selbst im Schlaf über deine Anwesenheit.“ Verlegen senkte Fay den Kopf, als die Herrscherin Japans ihr Wort an ihn richtete. Auch um den leichten Rotschimmer zu vertreiben, der sich bei ihren Worten auf seine Wangen legte. Er hatte sich schon in den langen Nächten davor vorgestellt, dass der Krieger seine Nähe spüren konnte und es gut hieß, das Fay an seiner Seite wachte. Aber es aus ihrem Mund zu hören, ließ ihn sich für diesen Gedanken ein wenig schämen. „Vielleicht tut er das wirklich.“, bekräftigte nun auch Tomoyo die Worte ihrer Schwester. „Vielleicht...“, murmelte Fay nur undeutlich, und leerte seine Schüssel Reis, ohne die beiden Frauen anzusehen. Dank der Zeit in Yama, in dem Kriegslager, hatte er gelernt, mit Stäbchen zu essen und beherrschte es mittlerweile ausgezeichnet. Er hatte ja auch einen guten Lehrer gehabt. „Entschuldigt mich nun. Tomoyo-hime, Amatarasu-ou.“ Um nicht noch mehr an schöne, vergangene Zeiten denken zu müssen, entschloss sich der Blondschopf schließlich, ihre kleine Runde jetzt schon zu verlassen, und erhob sich. „Gute Nacht Souma-san, Syaoran-kun, Mokona.“ „Mokona kommt mit!“ Ohne dass Fay etwas dagegen tun konnte, sprang das weiße Hasenwesen in seine Arme und machte es sich dort bequem, und der Magier gab sich geschlagen. Mit hängendem Kopf machte er sich auf den Weg in das Gemach des Kranken, was er kurz darauf auch betrat. Kurogane lag unbewegt auf seinem Futon. Wäre der große Verband nicht gewesen, der weiß zwischen seinem Yukata hervorschimmerte, so wie seine unnormale Blässe, hätte man denken können, dass er nur friedlich schlief. Leise nahm Fay neben seinem Kopfkissen platz, und betrachtet die entspannten, markant geschnittenen Gesichtszüge. Wie so oft, seit sie in Nihon angekommen waren, hoffte er, darin endlich eine Regung zu entdecken. Wenn Kurogane nur endlich aufwachen würde... Der Magier seufzte lautlos und fühlte behutsam nach, ob er schwarzhaarige Mann noch Fieber hatte. Wenigstens das schien nicht mehr der Fall zu sein. Die nächtlichen Stunden, die er an Kuroganes Lager verbrachte, waren gefüllt mit Schweigen und schwermütigen Gedanken, die Mokonas Ablenkungsversuche meistens nicht lang vertreiben konnte. Fay machte sich Vorwürfe. Nur wegen ihm lag der Schwertkämpfer jetzt hier, schutzlos und schwach, und rang noch immer um sein Leben. Er hatte Kurogane gebeten, dass sie Ceres ohne ihn verlassen sollten, damit er ein mal, ein einziges Mal etwas Gutes für seine Begleiter tun konnte. Um sie heil und sicher in der nächsten Dimension zu wissen. Stattdessen... „Du dummer, dummer Sturkopf...“ Sanft strich Fay dem bewusstlosen Mann über die Wange. „Hast du auch nur eine Sekunde an mich gedacht? Wie weh es mir tun wird, dich meinetwegen hier liegen zu sehen? Sag es mir, Kurogane...“ Aber wie immer bekam er auf seine nächtlichen Fragen, mit gebrochener Stimme gestellt, keine Antwort. Mokona blickte traurig zu dem Magier auf, und kuschelte sich trostspendend in seinen Schoß. „Kuro-sama wird bestimmt aufwachen...“, piepste es unsicher, und der blonde Magier nickte langsam. „Wir sollten nicht an ihm Zweifeln, Mokona. Er ist doch stark...“ „Ja. Für uns.“ Fay verzog die Lippen zu einem Hauch von einem Lächeln. Ja, vielleicht stimmte es, was das Manjuu da sagte. Kurogane war ein starker Mensch. Aber nur, weil er jemanden hatte, den er beschützen wollte. Früher war das Tomoyo gewesen. Und heute...? Die Kinder. Syaoran und Sakura, über die er zu jeder Zeit gewacht hatte. Auch wenn der grummelige Ninja seine Besorgnis gut zu verbergen wusste, so hatte er die beiden doch vor allem Unheil zu beschützen versucht. Mokona. Nicht nur, weil es für ihre Weiterreise wichtig war, sondern weil das weiße Knäuel ein unersetzbarer Freund und fester Bestandteil ihrer Gruppe geworden war, welches sich genauso bemühte, sein Bestes zu geben, wie die anderen auch. Und ihn? Fay selbst? Weil er im Weg herumstand und log? Weil er sich beständig hinter einer Maske versteckte, die er in den letzen Welten seit Acid Tokyo nur abgesetzt hatte, um den Krieger zu schneiden und ihm zu zeigen, wie sehr er ihm sein eigenmächtiges Handeln, gegen seinen ausdrücklichen Wunsch, vorwarf? Nein, dafür lohnte es sich ganz sicher nicht, einen Menschen zu beschützen. Ob er jemals eine Antwort darauf bekommen würde? „Mokona? Erinnerst du dich an das ’Vergiss-mein-nicht’ im Garten?“ Das Manyuu nickte schnell. „Würdest du es für mich pflücken? Wir können es Kurogane ans Bett stellen. Vielleicht... es ist sicherlich keine schlechte Idee.“ „Nein, es ist eine gute Idee!“, Mokona sprang sofort los, ohne sich darüber den Kopf zu zerbrechen, dass es mitten in der Nacht war, und schweigend blickte der Magier ihm nach. Er war wirklich der Meinung, dass ein wenig Blumen hier im Zimmer nicht schaden konnten. Sie würden die bedrückende Atmosphäre etwas auflockern, und vielleicht half der Geruch dem Bewusstlosen, ins Leben zurück zu finden. Aber es hatte auch einen anderen Grund, dass Fay das Zauberwesen weggeschickt hatte. Er wollte ein paar Minuten mit dem schwarzhaarigen Mann allein. Behutsam strich er über Kuroganes gesunde Schulter, bevor er ein wenig neben dem Futon nach unten rutschte, um sich hinlegen und seinen Kopf auf ihr betten zu können. Nur für ein paar Minuten seinen Herzschlag hören, damit der Magier die Gewissheit hatte, dass der andere Mann wirklich noch lebte. Der ruhige und doch kräftige Rhythmus war angenehm und half Fay sich zu entspannen. Kurogane war am Leben. Und es ging ihm nicht schlecht. „Du bist gemein... Wach endlich auf...“ Eine Träne perlte aus Fays Augenwinkel, als er seine Lider schloss, und versickerte in dem weichen Stoff des Yukatas, den der Krieger trug. „Kuro-sama...“ __ Als Mokona schließlich wiederkam, war der Blondschopf an der Seite seines Reisegefährten eingeschlafen. Leise stellte es die wenigen Stängel in eine kleine Vase, bevor es das Zimmer wieder verließ, um bei Sakura zu schlafen. __ Traurig betrachtet Fay die grazile Pflanze, die ihre kleinen Köpfchen hängen ließ. Es war nun schon drei Tage her, das Mokona sie hier bei Kurogane ins Zimmer gestellt hatte. Drei Tage, in denen Kurogane sich nicht gerührt und kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte. Zwar war er nicht tot, aber nach wie vor auch nicht richtig am Leben. Hätte er sie doch nur nicht gepflückt und in eine Vase gestellt, das war ihr Todesurteil gewesen. Hätte er sie im Garten stehen lassen, hätte er sie Kurogane zeigen können, sobald dieser Aufgewacht war. Wenn er denn aufwachte... Irgendwann. Ein Schniefen entrang sich dem blonden Mann. Tapfer zwang er sich, die Tränen zurückzuhalten. Er hatte in letzter Zeit so viel geweint, war so sentimental gewesen, dass ihn selbst das Verwelken des ’Vergiss-mein-nicht’ traurig machte. „Fay-san, ist alles in Ordnung?“ Tomoyo-hime, die mit ihm am Bett des verletzten Schwertkämpfers gewacht hatte, blickte ihn besorgt an, aber Fay schüttelte mit einem entschuldigenden Lächeln den Kopf. „Es ist nichts, verzeiht...“ Doch dem klugen Mädchen war nicht entgangen, worauf sein kummervoller Blick in den letzten Minuten geruht hatte und griff nach der kleinen, gläsernen Vase, in der die Blumen die letzten Tage verbracht hatten und langsam gewelkt waren. Der Magier lächelte dünn. „Ich wollte sie Kurogane zeigen, Weil... ich weiß nicht… es erschein mir wichtig. Richtig.“ Niedergeschlagen strich er sich das Haar aus der Stirn. „Aber nun sind sie fast verblühte, ohne dass er... dass ich... entschuldigt.“ Seine sonst so gefasste Stimme brach zum ersten Mal seit Tagen in Tomoyos Gegenwart, und Fay starrte hilflos auf seine Knie, während die ersten Tränen seine Wangen hinabrannen und auf den Stoff seines Yukatas tropften. Er weinte nicht nur um die Pflanze, die ein frühzeitiges Ende fand, sondern auch und vor allem um Kurogane, dessen Zustand schon seit einigen Tagen konstant blieb. Nicht mehr in Lebensgefahr, aber auch nicht am leben... Und das nur wegen ihm! Was hatte er dem Ninja nur angetan? „Fay-san...“ Beruhigend legte ihm die junge Prinzessin eine Hand auf die Schulter, und der Blondschopf zwang sich, sich zusammenzureißen, und strich sich mit dem Ärmel über die vom weinen geröteten Augen. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht so tief sinken...“ „Nein, es ist in Ordnung. Es braucht Stärke, um seine Trauer zu zeigen.“ Dankbar nickte er dem dunkelhaarigen Mädchen zu. Ihre Worte gaben ihm etwas Sicherheit, genug, um den Tränen endlich Einhalt zu gebieten. Tomoyo nickte ihm zu und lächelte. „Schau.“ Während sie die Glasvase mit der einen Hand festhielt, strichen die Fingerspitzen ihrer anderen über die hängenden Blüten, wobei sie einige Worte murmelte. Eine nach der anderen leuchteten die blassblauen Blumen auf, bis die ganze Pflanze in einen sanften Schein getaucht war und sich langsam wieder zu ihrer gesunden Größe aufrichtete. Fay musste mehrmals blinzeln, bis er seiner trügerischen Wahrnehmung wirklich glaubte. „Was...? Aber warum?“ „Ich habe ihre Zeit eingefroren. Einen Tag nach Kuroganes erwachen wird sie verblühen. Sorgt bis dahin gut für sie.“ Mit diesen Worten und indem sie dem Magier die Blume in die Hand gab, erhob sich die japanische Prinzessin und verließ nach einem letzten, sanften Blick das kleine Zimmer, ließ Fay allein mit dem geschwächten Krieger und dem Glanz der verzauberten Pflanze. Allein mit seinen Gedanken. In dieser Nacht fand Fay keinen Schlaf, dennoch spendete ihm das ’Vergiss-mein-nicht’ Trost und Kraft. __ „Damit hab ich es dir zurückgezahlt, Kuro-sama.“ __ Am Nachmittag des Tages, an dem Kurogane zu sich gekommen war, hatte Fay endlich etwas Zeit, die er mit dem Ninja allein verbringen konnte. Der Schwarzhaarige war entgegen der Empfehlung der Ärzte, im Schloss herumspaziert und musste sich nun ausruhen. Denn auch wenn Kurogane das nie zugeben würde, dieser kleine Ausflug hatte ihn sehr viel Kraft gekostet. „Nach so einer langen Bewusstlosigkeit und einem hohen Blutverlust, sollte man es halt doch nicht übertrieben.“, wies der Magier den anderen Mann zum wiederholten Male zurecht, während er neben dem Futon des Ninjas kniete und ihm einen Apfel schälte. „Auch nicht, wenn man Kuro-sama heißt.“ „Tz. So heiße ich aber nicht.“ Kuroganes Stimme klang nach der langen Zeit des Schlafens ein wenig kratzig, aber der genervte Unterton war unverkennbar der selbe, und Fay lächelte leicht. „Wie du meinst. Hier. Sei brav und iss, das ist gesund.“ Mit einem Grummeln nahm der Krieger das Apfelstück entgegen, war aber vernünftig und aß es schweigend. Der Blondschopf begnügte sich damit, ihm gelegentlich ein neues Stück zu reichen, derweil selbst an einem knabbernd, während er die prüfenden Blicke seines Gegenübers gekonnt ignorierte. Bald würde die Sprache auf das Thema Blut und Hunger kommen, aber noch schwieg Kurogane. Fay hätte von ihm auch kein Blut akzeptiert bevor es ihm nicht besser ging. „Wieso steht das Ding eigentlich hier?“ Als der Schwertkämpfer mit einer wegwerfenden Geste auf das sanft glimmende ’Vergiss-mein-nicht’ wies, wurde Fay aus seinen Überlegungen gerissen, und blinzelte überrascht. „Hä?“, erwiderte er nicht besonders stilvoll. Kurogane rollte mit den Augen. „Tomoyo meinte, ich soll dich danach fragen, du könntest es mir besser erklären als sie. Also?“ Verlegen blickt der junge Vampir auf seine Hände, die er in seinem Schoß gefaltet hatte. Dass Kurogane die Pflanze nicht entging, war ihm klar gewesen, aber das er so direkt danach fragte... normalerweise nahm der Ninja solche Dinge doch einfach hin, ohne den Grund erfahren zu wollen. „Naja... ich hab sie gefunden... ich wollte, dass du sie siehst...“ Verunsichert schaute er unter seinem Pony hervor zu Kurogane, dessen Blick auf die kleine Blume gerichtet war. „Weißt du, was sie bedeutet?“, wollte er schließlich wissen, indem er sich Fay wieder zuwand. „Mokona sagte, es ist ein ’Vergiss-mein-nicht’... also...“ „Ja. Und es gibt keinen Grund, sie hier herzustellen.“ Verwirrt blickte Fay seinen Gegenüber an, der sich mit etwas Mühe aufgesetzt hatte. Er wusste nichts mit den Worten anzufangen. So ruhig, wie Kurogane sie ausgesprochen hatte, klang es nicht danach, als würde er die Pflanze nicht mögen, aber aus welchem Grund würde er so etwas sonst sagen? „Wie meinst du das?“, rang sich Fay schließlich zu der Frage durch, unsicher, ob er die Antwort überhaupt hören wollte. „Ich hatte nicht vor, dich zu vergessen.“ Wieso musste Kurogane so etwas sagen? Es warf nur noch mehr Fragen auf. Konnte der Ninja nicht endlich einmal Klartext reden? Ihn nicht vergessen... weil er es nicht wollte? Oder weil er es nicht konnte, weil Fay ein so schlechter Mensch war, dass man ihn nie wieder aus seinem Gedächtnis löschen konnte, egal, wie sehr man es auch versuchte? Aber statt ein weiteres Mal nachzufragen, beließ es Fay dabei. Er würde sich niemals trauen, diese Fragen zu stellen, zu groß war die Angst, dass Kurogane ihm seine selbstverhassten Gedanken bestätigte. „Es tut mir leid.“ Mit diesen Worten erhob sich der blonde Magier und griff nach der Blumenvase. „Ich werd sie wegwerfen. Morgen früh ist sie sowieso verblüht.“ Aber noch bevor er den Satz ganz beendet hatte, schlossen sich Kuroganes Finger um sein Handgelenk, und hielten ihn zurück, machten die Flucht unmöglich. „Lass sie stehen.“ Schweigend stellte Fay das ’Vergiss-mein-nicht’ zurück, bevor er das Zimmer verließ. Am nächsten Morgen war es verblüht. __ Die darauf folgenden Tage sprachen er und Kurogane nicht viel miteinander. Der Ninja war damit beschäftigt, wieder gesund zu werden und sich mit Leuten aus seiner Heimat, die er schon vor der Reise gekannt hatte, zu unterhalten. Fay wollte da nicht stören. Er gehörte einfach nicht hier her, und würde nur im Weg herumstehen.. Während Syaoran bei seiner Prinzessin war, und Mokona durchs Schloss tollte, blieb der Magier die meiste Zeit allein in seinem Zimmer oder lief ziellos durch die Festung, ging jedem aus dem Weg. Manchmal, wenn er in Kuroganes Nähe war, hatte er das Gefühl, der Krieger wollte mit ihm sprechen und ihn am Gehen hindern, aber er floh schneller, bevor es dazu kam. Fay hatte Angst. Er wollte Kurogane vertrauen und bei ihm sein, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser das auch wollte, deswegen lief er vor dem schwarzhaarigen Mann davon. Aber schließlich bekam Kurogane ihn doch zu fassen. „Was soll das, Idiot. Warum rennst du vor mir weg?“ In die Enge getrieben in seinem eigenen Zimmer wich Fay gegen die Wand zurück, und versuchte es mit einem Lächeln, was ihm aber alles andere als gelang. „Hey, Kuro-sama...“ „Beantworte meine Frage!” „Du hast dir das bestimmt eingebildet. Wieso sollte ich vor dir weglaufen?“ Kurogane knirschte genervt mit den Zähnen, und der Magier sah ihn schon explodieren, aber stattdessen atmete er einmal tief durch, und blickte dem Blondschopf dann direkt in die Augen. „Erinnerst du dich an die Blume?“ „Das ’Vergiss-mein-nicht?“ Der Ninja nickte. „Als ich aufgewacht bin, war es das erste, was ich bemerkt habe. Und ich wusste sofort, dass es von dir war.“ Fay schluckte. „Und dann hast du es nicht sofort weggeworfen?“ „Trottel. Warum sollte ich?“ Kurogane lächelte schwach, was die Worte viel weniger wie eine Beleidigung klingen ließ und Fay verwirrte. „Aber...“ Die Worte wurden ihm abrupt unterbrochen, als Kurogane sich vorbeugte und ihre Lippen für einen kleinen, sanften Kuss aneinander schmiegte. Augenblicklich schoss dem Blondschopf das Blut ins Gesicht, aber er wich nicht zurück. Es tat viel zu gut, die rauen Lippen an seinen zu spüren. Er hatte es sich so oft gewünscht. Und sich jedes Mal für seine eigene Torheit gescholten. Aber Kurogane küsste ihn wirklich. Als sich der Krieger schließlich wieder löste, war Fay ganz wackelig auf den Beinen, und hielt sich unsicher an seinem Gegenüber fest. „Wieso sollte ich ein Geschenk von dir wegwerfen?“ Allein der sanfte Klang, der in Kuroganes Stimme mitschwang, ließ ihn ganz weiche Knie bekommen. Als der Schwertkämpfer ihn erneut küsste, legte Fay ihm die Arme um den Hals und ließ sich widerstandslos zu seinem Futon dirigieren. Es war unglaublich, wie sanft Kurogane war. Seine Küsse auf Fays heißer Haut, die er kribbelnd spüren konnte, seine sanften Finger überall auf dem schlanken Körper. Die Liebkosungen, die erst zärtlich und dann leidenschaftlich waren... Niemand störte sie Und als Fay schließlich im Schein des Mondes in Kuroganes Umarmung einschief, war er zum ersten mal seit Ewigkeiten wieder wirklich glücklich. __ ’Komm mit, ich zeig dir etwas Schönes.’ Als Kurogane das mit einem Lächeln auf den Lippen zu ihm gesagt und seine Hand genommen hatte, war Fay auf vieles gefasst gewesen. Aber das was er jetzt sah, überstieg seine kühnsten Erwartungen. Soweit das Auge reichte, erstreckte sich eine Wiese, übersäht mit kleinen blauen Blüten, die frei und unbekümmert ihre Köpfchen gen Himmel reckten und sich nicht an der Welt störten, die hektisch und laut an ihnen vorüberzog. Fay stockte der Atem. Automatisch festigte er seinen Griff um Kuroganes Finger, völlig gefesselt von diesem wunderschönen Anblick. Atemlos ließ er seinen Blick schweifen. „Das ist phantastisch, Kuro-sama!“ Der Ninja neben ihm lächelte sanft. Er wirkte ein wenig aus der Puste, immerhin waren sie ziemlich weit gelaufen, was in seiner Verfassung nicht gerade das Beste war, aber er hielt sich wacker auf den Beinen. Nur um Fay das hier zu zeigen, nahm er einen weiteren Tag Bettruhe in Kauf... als dem Magier das bewusst wurde, füllten sich seine Augen mit Tränen. „Danke, dass du mich hergebracht hast...“ „Weißt du, eine einzelne Blume vermag nicht viel zu bewegen, aber wenn es viele sind, dann hinterlassen sie einen Eindruck, und können vielleicht etwas in der Welt bewegen, wenn auch nur in einem einzigen, kurzen Augenblick.“ Kurogane ließ den Blick schweifen, sodass der Blondschopf es ihm nachtat, ergriffen von den ruhigen Worten. Es klang so schön, was der Krieger ihm da sagte „Und wir sind immerhin zu zweit...“ Zu zweit. Es fiel Fay schwer, auf die Verletzung zu achten, als er dem Mann neben sich, von seinen plötzlichen Gefühlen übermannt, um den Hals fiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)