Avatar - Wege des Schicksals von DoctorMcCoy ================================================================================ Kapitel 5: Aufgeflogen! ----------------------- Hey, so endlich ist das nächste Kapitel fertig. Durch die Prüfungsphase hat sich das alles ein bisschen verschoben. An dieser Stelle möchte ich einmal ganz herzlich meinen beiden Kommischreibern danken. Nochnoi und Kyuuo. Vielen Dank euch beiden. Und jetzt wünsche ich euch nur noch viel Spaß beim Lesen. LG Lady_Sharif Aufgeflogen Tao hielt sie immer fest an der Hand, fast so, als ob er sicher gehen wollte, dass er sie nicht verliere. Er rannte schnell, doch behielt dabei immer seine Umgebung im Auge. Bei jeder Ecke lugte er vorsichtig herum, um zu schauen, ob Wachen in der Nähe waren. Sie liefen nur dunkle, kleine Gassen entlang. Als sie einen Blick auf die Hauptstraße geworfen hatten, wusste sie, dass es zwecklos wäre. Überall liefen die Wachen umher und die normalen Leute wurden aufgefordert, sofort in ihre Häuser zurückzukehren. Bald würden nur noch Serina und Tao auf den Straßen herumrennen. Und natürlich die ganzen Wachen, die nur noch nach einem Mädchen suchten, was sich hier verbotenerweise aufhielt. Zwischen den Erdbändigern konnte Serina auch hier und da ein paar Wasserbändiger ausmachen. Leute, die sie kannte und die jetzt mit allen Mitteln nach ihr suchten. Vielleicht sogar Freunde. Menschen, die sie wegen ihrer Bändigerfähigkeiten immer gelobt und geachtet hatten. Serina konnte sogar Sorana erblicken, die Frau, die ihr das Heilen beigebracht hatte. Serina wurde traurig. Es gab nichts Schlimmeres, als Freunde, sie sich gegen einen stellen. Tao hatte sie von diesem Anblick weggezogen und jetzt irrten sie schon etwa zehn Minuten durch diese dunklen Gänge. Zumindest kam es Serina so vor. Sie musste sich eingestehen, dass sie ohne Tao wohl kaum so weit gekommen wäre. Vermutlich wäre sie sofort in einer Sackgasse gelandet und von Wachen umzingelt gewesen. Tao lief zwar Zick-Zack, doch an keiner Biegung zögerte er, sondern ging immer mit bestimmten Schritten weiter. Serina vertraute ihm nun völlig, sie hoffte nur, dass er seine Versprechen halten würde, sowohl das Eine, dass sie sicher aus der Stadt gelangte, als auch das Andere, dass ihm dabei nichts passierte. Es war schon schlimm genug, dass ihr Meister Tarik sich geopfert hatte. Es war nicht fair, dass ihre Freunde leiden mussten, nur weil sie der Avatar war. Plötzlich blieb Tao stehen. Serina wäre ihm hinten reingelaufen, wenn er sich nicht umgedreht und sie abgefangen hätte. Er legte seine Hand auf ihren Mund, als sie vor Überraschung aufschreien wollte. Seine andere Hand wanderte zu seinem Mund und sein Zeigefinger legte sich vor seine Lippen. Serina nickte, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte. Vorsichtig blickten sie um die Ecke. Schräg links vor ihnen lag das Tor. Es war sogar noch offen. Das wunderte Serina ein wenig. Wieso schlossen sie es nicht einfach und sperrten sie somit ein? Sie blickte Tao fragend an. Wie sie es erwartet hatte, musste sie ihre Frage nicht in Worte fassen, er verstand es auch so. Er bedeutete ihr ein paar Schritte zurückzugehen. Sie drückte sich so nah wie möglich an die Wand. „Sie lassen das Tor absichtlich offen“, meinte Tao leise. „Aber warum? Das ist doch riskant“, warf Serina ein. Sie verstand es immer noch nicht, obwohl es für sie eine überaus gute Chance darstellte. „Sieh dir das Aufgebot an Wachen an. Die wollen dich verspotten. Die wollen dir zeigen, dass du keine Chance hast. Das sind Erdbändiger, so sind sie nun einmal.“ Bisher war sein Tonfall sachlich und ernst, doch jetzt grinste er wieder. „Doch die wissen nicht, dass ich dir helfe. Da kann doch gar nichts mehr schief gehen.“ Er zog sein Schwert. Serina hatte ihn zwar bisher nur einmal kurz kämpfen gesehen, doch da hatte er großes Geschick bewiesen. Sie war davon überzeugt, dass er ein relativ guter Kämpfer war. Schnell war er zumindest. Serina gefiel es jedoch nicht, dass Tao immer dachte, dass er der Beste wäre. Sie nahm ihre Wasserflasche hervor und öffnete sie. Mit einer Handbewegung zog sie das Wasser daraus hervor. „Vergiss nicht, dass ich auch noch da bin. Schließlich bin ich der Avatar.“ Taos Grinsen wurde noch breiter. „Ich mag starke Mädchen, Süße.“ Er schaute noch einmal kurz um die Ecke und wandte sich dann wieder Serina zu. „Pass auf, wir gehen folgendermaßen vor. Wir konzentrieren uns nur auf das Tor. Das Wichtigste ist, aus dieser Stadt zu gelangen. Wir werden nur die Erdbändiger ausschalten, die uns auf dem Weg in die Quere kommen.“ Eben noch stark und zuversichtlich, war Serina plötzlich sehr unsicher. Ausschalten? Wollte Tao die Leute etwa töten? Ihre Hand fing an zu zittern. Sie könnte doch niemanden umbringen. Auch wenn all diese Leute gegen sie waren. Auch wenn all diese Leute, sie ohne zu Zögern in die nächste Welt befördern würden, sie konnte das nicht. Sie starrte auf ihre Hand, auf das Wasser, das diese umschloss. Sie hatte bisher nur auf Zielscheiben geschossen, selten hatte sie gegen Mitschüler gekämpft. Sie hatte das nie gewollt aus der Angst heraus, dass sie jemanden verletzen könnte. Tarik hatte das immer respektiert. Auch wenn er zum Schluss hin immer öfter die Frage gestellt hatte, ob sie nicht doch mal gegen einen Mitschüler kämpfen wolle. Vielleicht hatte er geahnt, dass sie es in gar nicht allzu langer Zeit häufiger tun musste. Aber Serina konnte nichts gegen ihre Natur machen. Sie war zwar talentiert, doch eine Kriegerin war sie deshalb noch lange nicht. „Hey, Serina, alles in Ordnung?“ Serina spürte Taos Hand auf ihrer Schulter. Erst jetzt merkte sie, dass sie auf den Boden saß. Sie schaute zu ihm auf. „Du bist plötzlich so blass geworden und deine Augen waren so weit aufgerissen“, gab er zur Erklärung. „Ich kann das nicht.“ Es war fast nur ein leiser Hauch. „Ich kann-“, doch ihre Stimme brach weg und Tränen bahnten sich ihren Weg frei. „Hey!“ Tao beugte sich zu ihr runter. „Was ist denn los?“ Man sah ihm deutlich an, dass ihm die Situation unbehaglich war. Er war sich unsicher, was er tun sollte. Immer wieder wanderte eine Hand nahe an Serinas Wange, doch berühren tat er sie nicht. Denn kurz davor zog er sie wieder zurück. Mit weinenden Mädchen hatte er noch nie gut umgehen können. Schließlich entschied er sich dafür, Serinas Hand zu ergreifen, um sie wieder zur Vernunft zu bringen. „Hey, Kleine. Warum weinst du denn?“ Durch die Berührung kam sie wieder etwas zu sich. Sie sah Tao an, immer noch mit tränennassen Augen. „Ich kann das nicht, Tao“, gab sie unter Schniefen von sich. „Was denn?“ „Ich meine … Du willst diese Menschen töten, oder?“ Sie hatte aufgehört zu weinen, doch Tao sah deutlich den Schmerz in ihren Augen. Jetzt verstand er endlich. Bis eben war er sich so hilflos vorgekommen, wusste nicht, was er tun sollte. Doch nun kannte er das Problem. Ein kleines Mädchen, das niemanden etwas zu Leide tun wollte. „Hör mal zu, mein Liebes. Du musst niemanden töten und ich werde das auch nicht tun, wenn es sich vermeiden lässt. Wir müssen sie nur aufhalten. Solange, bis wir eben fliehen können. Es wird ganz einfach, das verspreche ich dir. Wenn du erst einmal dabei bist, macht es richtig Spaß.“ Wieder dieses Lächeln. Serina hatte es langsam satt. Schnell riss sie ihre Hand los. „Spaß?“, fragte sie angewidert. „Ich will niemanden wehtun, Tao. Aber ich glaube, das kannst du nicht verstehen. Für dich ist das alles hier doch nur ein Spiel.“ „Nein, ist es nicht.“ Seine Stimme wurde lauter. „Ich weiß ganz genau, was hier auf dem Spiel steht. Nämlich dein Leben.“ Er sah sie kurz an. „Und deines auch“, fügte sie leise hinzu. Tao zeigte nicht, ob er es gehört hatte. „Ich weiß, dass wir ein paar Leute verletzten müssen, aber das ist es wert, Serina. Ich möchte nur, dass du heil aus dieser Stadt herauskommst.“ Er sah sie eindringlich an, schon fast flehend. Serina wusste, wie ihm zu mute war. Sie wollte auch aus dieser Stadt heraus, doch sie konnte nichts gegen dieses Gefühl ausrichten. Sie hatte Angst davor, jemandem wehzutun. Sie wollte es nicht. „Das sind Mensch da draußen.“ Serina zeigte in die besagte Richtung. „Ich kann sie nicht verletzten.“ „Jetzt hör mal zu, Kleine. Die würden dich ohne mit der Wimper zu zucken, verletzten, wenn nicht sogar töten. Die haben kein Mitleid, also haben sie auch keines verdient. Verstehst du es endlich?“ Tao wurde ungeduldig. Serina konnte es förmlich spüren. Sie benahm sich ja auch kindisch, das war ihr mehr als bewusst. Doch sie konnte nichts dagegen tun. „Vielleicht wäre es einfacher, wenn ich mich ergeben würde. Es ist nun mal mein Schicksal und früher oder später werden sie mich sowieso fangen. So würde zumindest keiner zu Schaden kommen.“ „Nein!“ Tao schlug mit seiner Faust gegen die harte Wand. Sein Atem ging schnell. Serina sah, dass er sich sehr beherrschen musste, um nicht sofort auszuflippen. „So etwas wie ein vorgegebenes Schicksal gibt es nicht. Man muss sein Schicksal selbst bestimmen. Und manchmal muss man sich auch wehren. Man kann nicht einfach Nichtstuend dasitzen und alles auf sein Schicksal abschieben. Man hat immer eine Wahl. Und deine Wahl ist jetzt, hier zu kämpfen und aus dieser Stadt zu gelangen. Wenn es nötig ist, werde ich dich aus dieser Stadt schleifen. Doch ich werde dich hier rauskriegen.“ Er sah sie nicht an, sondern starrte nur auf die Steine der Wand. Er atmete noch ein paar Mal tief ein, um sich zu beruhigen. Serina stand auf. Immer noch dieses Gefühl im Magen, dass es falsch war. Doch Tao riskierte so viel, dass es unfair wäre, ihn jetzt einfach im Stich zu lassen. „Ich werde es versuchen, Tao. Ich kann für nichts garantieren, aber ich werde es versuchen.“ Tao nickte, immer noch ein wenig abwesend. Er schloss für einen Moment die Augen, verdrängte die Bilder, die ihm vor die Augen gehuscht waren. Bilder, die er für immer hatte vergessen wollen. Doch diese Situation war so ähnlich gewesen. Tao hoffte nur, dass sie nicht auf dieselbe Weise enden würde. Das würde er unter allen Umständen verhindern. „Tao?“ Jetzt war es Serina, die ihn aus seinen Gedanken riss. Doch dieser hatte sich schneller wieder unter Kontrolle. „Okay, dann lass es endlich losgehen. Halte dich immer an mich. Und wenn du Hilfe brauchst, dann ruf nach mir. Ich kann dich bestimmt nicht die ganze Zeit im Auge behalten.“ Serina nickte. Sagen konnte sie nichts, sonst hätte sie riskiert, dass sie sich wieder anders entschied, doch das wollte sie Tao nicht antun. Sie würde ihr bestes geben. Für Tao und für sich selbst auch. Es ging alles so schnell, dass Serina überhaupt keine Zeit hatte, darüber nachzudenken, was sie tat. Gerade musste sie von rechts einen fliegenden Stein ausweichen, während sie links den Erdbändiger mit Eis umschloss. Sie handelte vielmehr instinktiv, als groß darüber nachzudenken. An ihrer Seite kämpfte Tao mit dem gleichen Prinzip. Er bewegte sich mit geschmeidigen Bewegungen. Wie ein Blitz huschte er durch die feindlichen Linien. Serina erkannte, dass es gar nicht so schlimm war, wie sie befürchtet hatte. Sie bemühte sich zwar, immer nur Attacken zu verwenden, die keinen einen größeren Schaden zufügen konnten, doch sie merkte, dass es ihr jetzt nur noch darum ging, diese Stadt zu verlassen. Die Feindseligkeit, die ihr förmlich entgegen geworfen wurde, konnte sie nicht mehr ertragen. Diese Leute griffen sie an, nur weil sie das Pech hatte, der Avatar zu sein. Leider erwies sich ihr Ziel als schwerer als gedacht. Kaum waren sie aus ihrem Versteck getreten, waren sie sofort von Erdkugeln befeuert worden. Das hatte sie ablenken sollen. Zwar schlossen sie immer noch nicht das Tor, doch sie bauten eine menschliche Mauer davor auf. Es schien fast unmöglich, daran vorbeizukommen. Wie sollten sie eine derartige Überzahl an Leuten ausschalten. Tao hatte dieselben Zweifel, doch behielt er sie für sich. Er wollte Serina nicht noch zusätzlich stressen. Immer wieder schaute er zu der menschlichen Kette, die einfach nur dastand und den Kampf beobachtete. Es waren genügend andere Bändiger dort, um die beiden zu beschäftigen. Tao und Serina kamen kaum von der Stelle. Hatten sie einen Erdbändiger ausgeschaltet, trat sofort der Nächste an seine Stelle. Es war zum Verzweifeln. Es musste ein Wunder geschehen, damit sie hier rauskamen. Serina und Tao kämpften jetzt schon beinahe eine halbe Stunde. Beide hatten mehrere Schrammen und Schnitte auf ihrem Körper verteilt. Doch keiner der beiden war im Begriff aufzugeben. Sie gaben alles, auch wenn es aussichtslos schien. Und dann geschah das Wunder, als ob die Götter entschieden hätten, den einsamen zwei Kämpfern ihre Hilfe zu schicken. Wie aus heiterem Himmeln fing es plötzlich an zu regnen. Es war schon den ganzen Tag bewölkt gewesen, doch keiner hätte damit gerechnet, dass es genau in diesem Moment anfangen würde, zu regnen. Bisher hatte Serina nur mit dem wenigen Wasser kämpfen können, was sie in ihrer Flasche bei sich trug und hatte damit nicht mehr als zwei Leute gleichzeitig angreifen können. Doch bei diesen Wassermassen, die nun vom Himmel herunterfielen, sah das nun ganz anders aus. „Tao“, rief sie. Er stand einige Meter von ihr entfernt. „Komm hinter mich.“ Sie konzentrierte sich weiter auf ihre Gegner und hatte keine Zeit, zu schauen, ob Tao sie gehört hatte. Doch schon eine Minute später spürte sie ihn hinter sich. Sie drehte sich kurz um. Er sah erschöpft aus. Sein Atem ging schnell und er schwitzte sehr. Serina ging es etwas besser. Sie hatte sich durch das harte Training eine gute Kondition angeeignet. „Halte mir den Rücken frei“, sagte sie zu ihm. „Ich werde jetzt vor uns ein bisschen aufräumen.“ Tao fragte nicht nach, was sie vor hatte. Er vertraute ihr und tat sein bestes, jeden Gegner, der es auf sie abgesehen hatte, zu erledigen. Serina ließ das Wasser zurück in ihre Flasche gleiten. Dann streckte sie ihre Hände aus und die Tropfen, die vom Himmel fielen hielten plötzlich inne. Eine Wand aus Wasser baute sich vor ihr aus, die immer höher und dicker wurde, je mehr Wasser von oben hinzukam. Die Erdbändiger, die sie von hinten angreifen wollte, hielten vor Erstaunen inne. So konnte auch Tao einen Blick riskieren, um zu erfahren, was hinter sich vorging. Er starrte auf die riesige Wand aus Wasser. „Wow“ Länger nahm er sich nicht Zeit, denn so hatte er die Chance, die paar Erdbändiger, die immer noch im Staunen versunken waren, ohne große Mühe zu besiegen. Es war äußerst schwer, diese gewaltigen Wassermassen unter Kontrolle zu halten. Serina wusste, dass sie es nicht mehr lange aushalten würde. Wenn sie zu lange warten würde, würde das Wasser einfach auf den Boden fallen und sie und Tao dann genau so mit sich reißen, wie alle anderen. Deshalb entschied sie sich, kein weiteres Wasser mehr zu sammeln und es nun gezielt nach vorne zu stoßen. Es war erstaunlich. Es rauschte nach vorne wie eine riesige Flutwelle. Serina versuchte so gut es ging, die Schreie, die darauf folgten, zu ignorieren. „Komm, Tao“, rief sie ihm über den Lärm entgegen. Es war zwar noch alles überflutet, doch Serina wollte für sie beide eine Gasse frei machen. So würden sie entkommen und hätten kaum welche verletzt. Es war wirklich ein Glück gewesen, dass es angefangen hatte, zu regnen. Serina wollte sich gar nicht ausmalen, was sonst passiert wäre. Sie wären beide nie aus dieser Stadt entkommen. Es wäre sinnlos gewesen. Sie nahm Tao bei der Hand, sie wollte ihn nicht verlieren. Die andere Hand streckte sie aus und zwang das Wasser somit, für sie einen Weg frei zu machen. Sie schaute nur starr geradeaus, konzentrierte sich nur auf das Wasser. Sie wollte gar nicht die Menschen darin sehen, die versuchten unter der Wucht dieses Wassers wieder auf die Beine zu kommen. Sie spürte, wie Tao ihre Hand feste drückte, und es tat gut zu wissen, dass sie nicht alleine war. „Das hast du gut gemacht, Schmetterling“, flüsterte er ihr ins Ohr. Er ließ sich von ihr führen, achtete nicht darauf, wo er langging, sondern behielt die Umgebung im Auge, denn er wusste, dass Serina genau das nicht tat. So waren sie auf alles vorbereitet. Sie waren ein gutes Team, fand Tao. Er hatte noch nie viel von einem Partner gehalten, er arbeitete lieber alleine, doch die Zusammenarbeit mit Serina gefiel ihm sehr. Nun waren sie endlich am Tor angelangt. Die menschliche Mauer war nun verteilt und in einzelne Menschen zerbröckelt. Jeder versuchte sich selbst zu helfen. So konnten sie leicht hindurchgelangen. Die Freiheit war zum Greifen nahe, als plötzlich das Wasser verschwand. „Serina?“ Tao hielt inne und einen Blick in Serinas Gesicht verriet ihr, dass sie nichts damit zu tun hatte. Und dann wurde es neblig um sie herum. So neblig, dass sie die Hand vor Augen nicht sehen konnten. Tao griff noch fester nach ihrer Hand. „Komm, lass uns von hier verschwinden.“ Nun übernahm er das Kommando. Er spürte, dass mit Serina etwas nicht stimmte. Sie war erschrocken stehen geblieben und ihre Hand hatte angefangen zu zittern. Er zog sie mehr mit sich, als dass sie selber lief. „Wir sind fast in Sicherheit“, rief er ihr zu, als er von etwas Hartem an der Seite getroffen wurde. Instinktiv ließ er Serina los, damit sie nicht mit ihm zu Boden gerissen wurde. Er prallte auf den Boden und er spürte nur noch den Schmerz in seiner rechten Seite. Er schaute sich um, doch durch den Nebel konnte er nichts erkennen. Sein Feind blieb unerkannt. „Serina?“, rief er in das Weiß des Nebels, doch die Antwort blieb aus. Dabei müsste sie eigentlich nur zwei Schritte neben ihn stehen und ihn deutlich hören. Mit der linken Hand seine rechte Seite haltend, stand er unter Schmerzen wieder auf. Er tastete durch den dichten Nebel, doch er konnte Serina nicht finden. Anscheinend hatte er durch den Sturz die Orientierung verloren. Doch das hielt ihn nicht davon ab, weiter nach ihr zu suchen. Zumindest würde er sie nicht einfach hier zurücklassen. Serina spürte nur noch wie Tao sie plötzlich losließ. Dann war sie alleine. Sie fürchtete sich und blieb stehen. Seit der Nebel aufgetaucht war zitterte sie vor Angst. Es könnte nur ein Zufall sein, doch das war sehr unwahrscheinlich. Es gab nur einen Wasserbändiger in ihrem Stamm, der es liebte seine Gegner zu verwirren, in dem er sie wie Blinde durch den Nebel irren ließ. Schon als kleines Kind hatte sie Angst vor ihm gehabt. Schon immer war er gemein zu ihr gewesen. Bei seinen Gegnern zeigte er kein Mitleid und selbst bei Schülern war er skrupellos. Er meinte dann immer, dass es die Kinder auf das spätere Leben vorbereiten würde. Bei den meisten Kindern hatte es jedoch nur Angst und Schrecken vor Nebel verursacht. Und vor dem Mann, der ihn besser beherrschte, als jeder andere Wasserbändiger: Rahir. Serina fühlte sich an ihren schlimmsten Trainingstag zurückversetzt. Der Nebel hatte sie umschlossen. Jedes Mal, wenn sie versucht hatte, den Nebel wieder in gewöhnliches Wasser zu verwandeln, war Rahir schneller gewesen. Er ließ keinen anderen Bändiger an sein Wasser heran. Sie hatte versucht, ihn anzugreifen, doch durch die Blindheit hatte sie keine einziges Mal getroffen. Dafür traf Rahir seine Gegner mit Präzision und Genauigkeit. Serina hatte den Kampf verloren, was keine Wunder gewesen war. Jeder Schüler hatte bisher gegen Rahir, den Oberkommandanten der Truppen des nördlichen Wasserstammes, verloren. Und jetzt blühte Serina das gleiche Ende wie bei ihrem Trainingskampf. Sie wüsste nicht, wie sie ihn besiegen sollte. Wenn man blind war, konnte man nicht kämpfen. Besonders da sie fürchterliche Angst vor Nebel hatte, seit dem ersten Kampf mit Rahir. Wochenlang hatte sie Albträume gehabt, wie sie alleine durch den dichten Nebel irrte. Von Weitem hatte sie Paku immer wieder rufen hören, doch sie hatte ihn nie gefunden. Sie war ganz alleine gewesen. Und jetzt war sie auch ganz alleine. Sie versuchte nicht einmal, den Nebel zu lichten. Es war ihr klar, dass das nichts nützen würde. Rahir würde es nicht zulassen. Sie stand nur da und wartete auf den Angriff. Denn dieser würde kommen. Schnell und brutal. Er würde sie besiegen. Vielleicht noch davor ein bisschen Spielen, wie er es nur zu gern tat. Wie um diese Tatsache zu bestätigen, ertönte plötzlich seine Stimme: „Na, Serina, hast du etwa schon Angst?“ So fing es immer an, mit diesem Satz. Sie hätte ihm am liebsten entgegengebrüllt, dass dies nicht der Fall war, doch ihre Lippen gehorchten ihr nicht mehr. Denn sie hatte fürchterliche Angst. Sie hörte seine Schritte, seinen Atem, doch es schien aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen. Unmöglich konnte sie seine Position bestimmen. Vielleicht war er aber auch einfach nicht alleine. Serina blieb, wo sie war, rührte sich keinen Zentimeter. Was hätte es auch für einen Sinn, wegzulaufen, wenn man nicht wusste, wohin der Weg einen führte? So wartete sie still auf den Angriff. Doch dieser kam nicht. Sie hörte nur immer noch die Schritte, die mit jedem Mal näher zu kommen schienen. Und ein Flüstern, dass sie erschaudern ließ. „Serina“, kam es immer wieder wie ein Windhauch an ihrem Ohr vorbei. Sie spürte eine Kälte ihren Nacken hochwandern. „Serina!“ Ein weiteres Flüstern aus einer völlig anderen Richtung, wie es schien. Und dann: „Serina, wo bist du?“ Eine klare, helle, laute Stimme. Eine Stimme, die Serinas Herz höher schlagen ließ. Sie wollte antworten, doch sie war noch immer wie erstarrt. „Serina“, ertönte es erneut. Tao war hier. Tao war hier, um ihr zu helfen. „Nein!“ Rahir flüsterte nicht mehr. Wütend vor Zorn schrie er. „Dein Freund wird dir nicht helfen. Du wirst hier und jetzt sterben.“ Dann sah Serina, wie für einen kurzen Augenblick, es war vermutlich nicht mal eine ganze Sekunde, der Nebel verschwand. Es war so kurz, dass Serina erst dachte, dass sie es sich eingebildet hätte. Doch sie hatte ganz deutlich seine Augen gesehen, die vor Wut, aber auch vor Vorfreude, glänzten. Dann ging alles ganz schnell. Sie spürte, wie jemand an ihr vorbeilief und sich vor sie stellte. Dann hörte sie das Geräusch von zerspringenden Eis. Doch noch ein anderes Geräusch folgte. Ein schmerzlicher Schrei. Sie fasste nach vorne und bekam Taos Schulter zu fassen. „Tao?“, flüsterte sie. „Es ist alles in Ordnung. Hier nimm das. Es wird dich aus dem Nebel führen.“ Tao nahm ihre Hand und drückte ihr ein Seil in die Innenfläche. „Und was ist mit dir?“ Serina spürte, wie sich ihr ein Kloß im Hals bildete. „Ich bin direkt hinter dir“, versicherte ihr Tao. Serina hörte sofort, dass es eine Lüge war. Und trotzdem lief sie los. Das Seil fest in der Hand, hangelte sie sich an ihm aus dem Nebel heraus. Und sie tat es schon wieder. Wie sie vor zwei Tagen ihren Meister im Stich ließ, so ließ sie jetzt auch Tao zurück. Doch sie hatte zuviel Angst, um noch einmal umzukehren. Kaum war sie aus dem Nebel heraus, lief sie los. Irgendwo hin, Hauptsache weg von dieser fürchterlichen Stadt. „Halt, Avatar, du bist fest genommen.“ Mit einen blick nach hinten sah sie, dass zwei Wachen ihr folgten. Doch sie drehte sich nicht um, um zu kämpfen. Dafür hatte sie keine Kraft mehr. Stattdessen legte sie noch an Geschwindigkeit zu. Im Weglaufen war sie schon immer ein Meister gewesen. Sie hörte, dass die beiden zurückfielen, doch sie gaben nicht auf. Steine sausten ganz knapp an ihrem Ohr vorbei. Es war ein Wunder, dass keiner sein Ziel traf. Ganz kurz drehte sie sich um und sah, dass ein riesiger Felsbrocken nun genau auf sie zukam. Es ging so schnell, dass sie nicht mehr reagieren konnte. Sie schloss die Augen, doch der erwartete Schmerz blieb aus. Als sie ihre Augen wieder öffnete, war vor ihr eine riesige Mauer. Und dann fiel Serina, als ob plötzlich der Boden unter ihren Füßen verschwunden wäre. Aber nur ein paar Meter, bis sie wieder fest und sicher stand. Doch dieser Boden bewegte sich. Er fuhr eindeutig nach unten. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Aufzug endlich stehen blieb. Serina musste in einer riesigen Höhle sein, vermutete sie. Es war so stockfinster, dass sie nichts erkennen konnte. Dann machte jemand unmittelbar vor ihr ein Feuer an. Es war eine Frau, nicht besonders groß, mit langen zotteligen schwarzen Haaren und ihre Augen waren milchig weiß. „Ich habe gehört, dass du nach mir suchst. Dann sag mal: Was ist das denn für ein Buch, das du schreiben willst?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)