I need you von Crimson_Butterfly (Das Lächeln seiner Seele) ================================================================================ Kapitel 3: Questions without answers ------------------------------------ An diesem schönen Sommertag, wo mein Auto von einem LKW erfasst und von der Straße gedrängt worden war, hatte ich den Tod gesehen. Sterben erschien so einfach, so friedlich und Schmerzlos. Aber weiterleben zu müssen, ohne jegliche Erinnerungen daran wer ich wirklich war, darin bestand die Herausforderung, der ich mich jeden Tag stellen musste. Eine Qual, die ich mit mir trug, seit ich aus dem Koma erwacht war. Vor zwei Jahre hatte ich meine persönliche Hölle kennen gelernt. Nicht nur das ich von Grund auf alles neu lernen musste, damit ich meinen Alltag allein meistern konnte, ich war auch in die Rolle eines Menschen gedrängt worden, der ich nicht sein möchte und wollte. Ich war mir sicher, dass diese Emily MacRae eine völlig andere Person war und seinerzeit irgendetwas vertauscht wurde. Aber wie sollte ich das Beweisen? Ich fühlte mich seitdem unwohl und spürte deutlich, dass etwas fehlte. Etwas Wichtiges. Als hätte mir jemand ein Stück meiner selbst genommen. Als wäre die Wahrheit einfach begraben worden. Wie recht ich mit dieser Vermutung hatte, ahnte ich noch nicht ... Seit den frühen Morgenstunden beschäftigte ich mich schon damit die Unterlagen zusammen zu sammeln, die mir ausgehändigt wurden, als ich das Krankenhaus verlassen hatte. Ich hatte Mal Freunde gehabt und eine Familie. Aber ich wusste nicht, wer diese Menschen waren und selbst wenn sie mir auf der Straße begegneten würde ich sie nicht erkennen. Das war einer der Dinge, die mir die Kehle eng werden ließen und bei denen sich mein Herz zusammen zog. Ich schüttelte den Kopf und versuchte diese ernüchternden Gedanken zu verdrängen. Was brachte es schon, wenn ich in Selbstmitleid versank? Ich hatte mir geschworen herauszufinden wer ich gewesen war und dieses Ziel würde ich auch erreichen. Andererseits hatte ich etwas Angst. Vielleicht gefiel mir nicht, was ich aufdecken würde. Und wenn ich den Menschen nicht Mal leiden konnte, der meine wahre Identität darstellte? Ich schnitt eine Grimasse und seufzte auf. Ich sollte aufhören darüber nachzudenken und mich erst Mal auf das wesentliche Konzentrieren. Später konnte ich in Tränen ausbrechen, obwohl diese Überlegung niederschmetternd war. Ich schnappte mir den zusammengepackten Ordner, warf mir eine Jacke über und zog die Schuhe an, bevor ich das Haus verließ und den Schlüssel im Schloss drehte. Als das leise 'Klack' ertönte, dass bestätigte, dass niemand meine Wohnung so einfach betreten konnte ohne meine ausdrückliche Erlaubnis, blieb ich kurz zögernd stehen und biss mir unentschlossen auf die Unterlippe. Schon länger hatte ich darüber spekuliert wie ich reagieren würde, wenn mir meine Vergangenheit das Wasser in die Augen trieb, doch bisher hatte ich keine Antwort gefunden. Mit hängenden Schultern trat ich auf die offene Straße hinaus und setzte mich auf einen der Plastikstühle an der Bushaltestelle. Ich sah ungeduldig auf meine Armbanduhr und stampfte leicht verärgert mit dem Fuß auf. Meinen Termin würde ich definitiv verpassen. Ich hätte zu Hause nicht trödeln sollen. Genervt massierte ich mir die Schläfen und schob mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. In diesem Moment hielt der Stadtbus an der Haltestelle. Schnell stand ich von meinem Platz auf und stieg ein. Der Fahrer warf einen Blick in den Rückspiegel, guckte ungeduldig auf seinen Zeitplan und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. Neugierig sah ich aus dem Fenster und entdeckte zwei Gestalten, von denen mir eine ungebetener weise äußerst bekannt vorkam. Ich hörte, wie sie dem Fahrer zuriefen noch zu warten. Schließlich war er völlig außer Atem, als sich Alec in einen der Sitze vor mir fallen ließ. Ich stieß einen gemurmelten Fluch aus und versack so tief wie möglich in meine Sitzreihe. Wenn ich Glück hatte, bemerkte er mich nicht. Ein Stoßgebet schickte ich gen Himmel. Aber diese Hoffnung währte nicht länger als eine Minute eintretendes Schweigen. Gott musste mich scheinbar hassen. Meine Finger verkrampften sich in dem Stoff meines knielangen Mantels. Er beugte sich über die Rückenlehne und furchte die Stirn. Aber dann umspielte ein süffisantes Grinsen seine Mundwinkel. Seine unirdisch schöne Stimme erklang und ich schmeckte Blut in meinem Mund. Ich hatte mir die Unterlippe kaputt gebissen. "Hast du etwas verloren? Dann könnte ich dir beim suchen zur Hand gehen, Angel", meinte er scherzend und obwohl ich bei seinem neckenden Tonfall Zorn in mir aufsteigen fühlte, blieb meine erwartete Reaktion aus. Ich knirschte lediglich mit den Zähnen und spürte wie heiße Röte der Verlegenheit in meine Wangen stieg. Er hatte mich dabei erwischt, wie ich mich vor ihm verstecken wollte. Wie Peinlich. Ich räusperte mich Lautstark und betont gelangweilt, als ich mich wieder aufrecht hinsetzte. Die übrigen Passagiere sahen mich flüchtig an und schüttelten den Kopf, bevor sie sich wieder mit sich selbst beschäftigten. Ich hörte wie der Motor ansprang und der Bus setzte sich in Bewegung. Ich hatte beschlossen seine Anwesenheit zu ignorieren, zumindest soweit mir das möglich war. Aber seine Gegenwart konnte man wohl nicht einfach mit einem Schulterzucken abtun. Mein Blick wurde von seinem interessanten Äußeren nahezu magisch angezogen. Alles an ihm wirkte einladend auf mich. Sein Anblick. Seine Stimme. Selbst sein Geruch. Ich seufzte erneut auf und war völlig genervt. Seine Augen funkelten amüsiert, während er mich eingehend betrachtete. Unter seinem musternden Blick wurde ich unruhig. Nervös rutschte ich mit den Hinter auf dem Sitz vor und zurück. Nur um eine bequemere Sitzposition zu bekommen, redete ich mir ein. "Habe ich eine Plakette am Arsch?", zischte ich vernichtend und beobachtete ihn dabei, wie er die Arme auf die Lehnte legte und das Kinn auf seine übereinander gelegten Hände abstützte. Stille. Ich wartete einen kurzen Moment. "Hast du deine Zunge verschluckt?", fauchte ich. Wieder kein Wort. Ich runzelte die Stirn und blinzelte irritiert. "Hallo. Ich rede mit dir." Sein lächeln wurde breiter und wirkte beinahe unverschämt. Was hieß ihr den 'beinahe'? Der Kerl war eine einzige Beleidigung. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und guckte ihn finster an. "Spielen wir das Schweigen der Lämmer?" Er sagte noch immer nichts. "Und was kommt, nachdem du mich zu Tode gestarrt hast? Schlitzt du mich dann auf?" Alec war völlig verstummt und langsam beschlich mich der Eindruck, dass ich mich wie eine Geisteskranke Idiotin aufführte. Er wollte nicht mit mir reden. Schön, dann hielt er eben den Mund. Konnte mir nur Recht sein. Aber wieso ärgerte ich mich dann darüber? Ich schnaufte verächtlich, verschränkte die Arme vor der Brust und lauschte, als mich eine elektronische Stimme, die knisternd aus den Boxen drang, darüber informierte welche Haltestelle wir ansteuerten. Ich drückte auf das Stop-Symbol, welches sich in jeder Sitzreihe befand, und sprang auf, sobald der Bus hielt und die Türen öffnete. Den Rest würde ich laufen. So musste ich wenigstens seine nähe nicht ertragen, doch scheinbar hatte ich mich zu früh gefreut. Er stieg ebenfalls aus, spannte seinen Schirm auf und kam auf mich zu. Ich hob die Hände und betrachtete die Tropfen, die auf meine Haut fielen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass es angefangen hatte zu regnen. Bevor Alec mich erreichen konnte, begann ich vor ihm zu flüchten, indem ich wie eine Wahnsinnige durch die Fußgängerzone rannte. Sein schiefes grinsen bemerkte ich nicht. *** "Hören Sie Lady, ein Irrtum ist völlig ausgeschlossen", meinte Dr. Fernstein genervt und beachtete die Papiere nicht, welche ich ihm unter die Nase hielt. "Entweder Sie akzeptieren wer Sie sind oder Sie lassen es bleiben." Er zuckte die Schultern. "Was kümmern mich Ihre Komplexe?" Meine Finger juckten, als ich den Wunsch verspürte, ihm eine neue Visage zu verpassen. Ich zwang meine Wut nieder und begann ihm zu folgen. "Ich Bitte Sie doch nur darum, dass Sie sich meinen Fall noch einmal ansehen", meinte ich mühsam beherrscht. "Nicht, dass Sie tote wieder zum Leben erwecken." Er hatte wohl auf Taub und Stumm geschaltet, denn als er sich ein Klemmbrett mit seinem nächsten Patienten von einer Krankenschwester geben ließ, ignorierte er mich wissentlich, wie ich vermutete. Hartnäckig hängte mich an seine Fersen. Ich war zu stur, um mich einfach abwimmeln zu lassen oder die Flinte ins Korn zu werfen. Wie ein Schatten würde ich ihn begleiten, bis er meine Bitte erfüllt hatte oder Versprach mein anliegen zumindest einmal in Betracht zu ziehen. Ich knirschte mit den Zähnen, nachdem ich registrierte, dass dieser feige Möchtegern-Arzt vor mir zu fliehen versuchte. Wie sonst könnten seine spontanen Ausflüge quer durch das Hospital erklärt werden? Auf dem Flur des zweiten Stockwerks blieb er schließlich, tief durchatmend, stehen. Hatte er endlich ein einsehen und gab auf? Doch ich hatte mich zu früh gefreut. Er wirbelte zu mir herum und fixierte mich gereizt. Ohne darüber nachzudenken trat ich einen Schritt zurück und zog die Augenbrauen hoch. Sein ärgerlicher Blick schien mich förmlich aufzuspießen. Er dachte sicherlich, ich würde mich zurückziehen und die Angelegenheit vergessen. Da kannte er mich aber schlecht. Ich hatte nichts Unmögliches verlangt. Ich wollte, dass er sicher ging, dass ich nicht das Opfer irgendeiner Verwechslung war. Was war daran Falsch? Heutzutage gab es Personal, das recht Schlampig war und deshalb konnte dergleichen schon vorkommen. Um das herauszufinden bräuchte er nur die Untersuchungsberichte durchzugehen, die in den Krankenhausarchiven aufbewahrt wurden. Aber dieser Typ hielt mich wahrscheinlich für eine durchgeknallte Spinnerin. "Sehen Sie nicht, dass ich mich auf meinen verdammten Job zu konzentrieren versuche?", wollte er übelgelaunt wissen und ich starrte ihn vernichtend an. Die Luft knisterte wie elektrisch aufgeladen und die Spannung war förmlich spürbar. Ich ballte die Fäuste. Meine Miene verfinsterte sich. Eine Gewitterwolke hing bedrohlich über meiner sowieso schon schlechten Laune. Stumm fauchten wir uns an. Wie erklärte Todfeinde oder tollwütige Hunde. "Wenn Sie sich meine Akten noch einmal ansehen verschwinde ich sofort", erwiderte ich bockig und hob herausfordernd das Kinn. Er stöhnte auf und verdrehte die Augen. "Versprochen?" Ich nickte und er gab widerwillig nach. "Als wenn ich nichts Besseres zu tun hätte", murmelte er säuerlich und entfernte sich Kopfschüttelnd. "Sie hören von mir." Ich traute diesem Sack nicht und deshalb schnitt ich eine Grimasse. Wenigstens trug ich einen kleinen Sieg davon. Aber besser fühlte ich mich dadurch nicht. Ich würde ihn in ruhe lassen. Zumindest vorläufig. Ich hörte ein lachen und wandte mich Panisch um. Ein kleines Mädchen rannte mit einer Stoffpuppe an mir vorbei. Ich furchte die Stirn und war einem hysterischen Anfall nahe. Bekam ich jetzt schon Halluzination? Verwunderlich wäre das nicht. Unter Verfolgungswahn litt ich ja bereits. Seit Alec in mein Leben getreten war hatte sich dieser Zustand auch nicht gebessert. Erschrocken zuckte ich zusammen und konnte einen spitzen Schrei nicht verhindern, als ich eine Hand auf meiner Schulter fühlte. Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich warf einen Blick hinter mich. Ich wäre fast über meine eigenen Füße gestolpert, als ich einen Satz zurücksprang. Meine Augen weiteten sich schockiert und im ersten Augenblick saß mir ein Kloß im Hals. Als hätte er auf meine Gedanken reagiert stand er auf dem Gang und sah mich an. Wieder mit einem lächeln, dass ich in die Kategorie 'unhöflich' einstufte. Wie konnte jemand dreckig und gleichzeitig so unwiderstehlich grinsen, dass ich in der ersten Sekunde vergas Luft zu holen? "Du willst mir doch nicht erzählen du bist Arzt?", krächzte ich ungläubig und besah mir den weißen Kittel genauer, den er anhatte. Kein Namensschild. Er schob die Hände in die Hosentaschen. "Irgendetwas, in dieser Hinsicht, werde ich schon sein", meinte er lakonisch und hob die Achseln. Was sollte das bedeuten? Ich ging nicht genauer darauf ein. Er würde mir meine Frage sowieso nicht beantworten. "Wenn du lieb fragst dann vielleicht, Angel", sagte er mit einem geheimnisvollen funkeln im Auge. Ich brauchte einen kurzen Moment um mich wieder zu fangen. Sicherlich hatte ich mich verhört. Niemand konnte in die Köpfe anderer Menschen sehen. "Verfolgt du mich etwa schon wieder?" "Warum sollte ich dir nachlaufen?", fragte er nüchtern und wirkte dabei ehrlich überrascht. Er wirkte in seiner Rolle äußerst überzeugend und beinahe hätte ich ihm dieses Schmierentheater sogar abgekauft. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Mit diesem Kerl stimmte etwas nicht. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Dieses ungute Gefühl hatte ich schon, seit ich ihm das erste Mal begegnet war. Ich warf Alec noch einen letzten, nachdenklichen Blick zu, bevor ich ihm zögernd den Rücken kehrte und ihn im weichen Licht der Abendsonne stehen ließ. Ich würde schon noch aufdecken, wer er war und was er für ein Spiel mit mir trieb. Darauf konnte er sich verlassen. Fortsetzung Folgt ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)