I need you von Crimson_Butterfly (Das Lächeln seiner Seele) ================================================================================ Prolog: Never alone ------------------- An einen warmen Sommertag bin ich gestorben. Seit ich mein Gedächtnis verloren hatte begann ich die Menschen zu meiden. Ich wusste nicht warum, nur, dass mich ihre Gesellschaft beunruhigte. Dieses Verhalten änderte sich, als dieser gutaussehende Fremde in mein Leben trat. Seine unergründlichen Augen schienen bis auf den Grund meiner Seele sehen zu können, sein warmes lächeln ließ mein Herz vor Freude höher schlagen und sein sanftes Wesen brachte mich zum zittern. Es gab nichts an ihm oder seinen Verhalten, das mir keine Rätsel aufgegeben hätte, aber zumindest war ich mir über eine Sache völlig im Klaren … ich würde ihn bis ans Ende der Welt begleiten. Obwohl ich ihn noch nie gesehen und keine Information über ihn hatte, fühlte ich mich in seiner nähe geborgen und beschützt und wollte seine Anwesenheit keinen Augenblick missen. Selbst in den Momenten, wenn ich vor Verzweiflung aufschreien konnte, war er an meiner Seite … Das ist meine Geschichte Kapitel 1: First encounter? --------------------------- Ungeduldig trommelten meine Finger auf der Tischplatte, während die Dame am Tresen das Register in ihrem Computer durchging. Wie lange musste ich noch warten, bis ich die gewünschte Auskunft bekam? Konnte es wirklich so schwer sein, ein Buch zu finden? Ich blickte mich in der Bibliothek um und rollte mit den Augen. So groß war die Stadtbücherei doch gar nicht. Ich drehte mich um und lehnte mich Stirnrunzelnd gegen die Theke, wobei ich meine Schuhspitzen intensiv betrachtete. Ich schnitt eine Grimasse und schüttelte den Kopf. Rot stand mir nun wirklich nicht. Wo war ich gewesen? Ach ja … Wieso hatte ich dieses vermaldeteite Buch eigentlich nicht einfach gekauft? Wut pochte in meinen Schläfen, bevor ich nachdenklich meinen Kaugummi kaute und dabei genervt aufseufzte. Ich wollte hier raus und nach Hause gehen. Die Anwesenheit einer Vielzahl von Menschen löste starkes Unwohlsein in mir aus und ich musste gegen den Impuls ankämpfen den Rückzug anzutreten. Mein Therapeut meinte, ich sollte mich meiner Angst stellen. Bisher vertrat ich aber nicht die Ansicht, dass mir das etwas gebracht hätte, außer der penetranten Übelkeit, die sich hartnäckig in meinen Magen eingenistet hatte. Erneut atmete ich tief durch. Wieso hatte ich mir auch einen Sonntag ausgesucht, um meine Hausarbeiten zu erledigen? Genau in diesem Augenblick fiel das Objekt meiner Begierde in mein Sichtfeld. Beinahe hätte ich vor Freude aufgejauchzt. Doch ein Breitschultriger Fremder, der das Buch in der Hand hielt, war im Begriff, mir zu stehlen was ich brauchte, um dieses verflixte Gebäude endlich verlassen zu können. Sofort war mein Kampfgeist erwacht. Das ließ ich definitiv nicht zu. Trotzdem … meine Beine waren wie gelähmt und ich konnte keinen Muskel bewegen. Meine Furcht hinderte mich daran, auch nur einen Schritt zu tun. Als hätte er meine Gedanken gehört sah er in meine Richtung. Ich spürte, wie mir das Blut heiß in die Wangen schoss. Verlegen senkte ich die Lider. Auch über die Entfernung und Köpfe der Anderen hinweg hatte ich seinen unergründlichen Blick bemerkt, dem ich auszuweichen versuchte. Warum starrte er mich an? Oder bildete ich mir das nur ein? Natürlich. Meine Fantasie spielte mir sicher nur einen Streich. Vorsichtig sah ich unter den Schleier meiner Haare hervor auf und stieß, im nächsten Moment, schmerzhaft gegen den Tresen, als ich vor ihm zurückweichen wollte. Wieso stand er plötzlich vor mir? Eine Steile Falte bildete sich zwischen meinen Augenbrauen. Ich hatte ihn gar nicht näher kommen gehört. "Ich hatte mit vielen gerechnet, aber nicht, dass dich mein Anblick dermaßen erschreckt." Verwirrt blinzelnd betrachtete ich seine attraktiven Züge und begann mich zu fragen, ob sich dieser unverschämte Kerl einen Scherz erlaubte. Mir blieb der Mund offen stehen. Nicht nur seine melodische Stimme, die wie Musik in meinen Ohren klang, auch sein anziehendes Lächeln hätte mich fast dazu gebracht, dass schlucken zu vergessen. Streng wies ich mich innerlich zurecht. Warum gaffte ich ihn so an? Zugegeben, er sah ganz gut aus, aber das war auch schon alles. Das dachte ich zumindest. Zähneknirschend ballte ich die Fäuste. Mir war nun wirklich nicht mehr zu helfen. "Du wolltest dieses Buch, nehme ich an", sagte er nüchtern und riss mich unvorbereitet aus meinen Überlegungen. Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. Panisch wollte ich die Flucht ergreifen und wäre wohl über meine eigenen Füße gefallen, wenn er seinen Arm nicht um meine Taille geschlungen hätte. Für meinen Geschmack kam er mir eindeutig zu nahe. Ich schluckte schwer und löste mich von ihm. Ich versuchte mich locker zu geben, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlug und das Blut schneller durch meine Adern pulsierte. Es erschien unmöglich, dass ich in Gegenwart anderer Menschen ruhig blieb. Wer war der Typ überhaupt? Und wie kam er dazu, mich einfach zu duzen? Ich hatte ein flaues Gefühl im Magen und ein kalter Schauer jagte mir über den Rücken. Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht. Ich hatte zwar ständig das Gefühl verfolgt zu werden, aber dieses Misstrauen, dass sich bis zu meinen Zehnspitzen auszubreiten begann, lag nicht an meinen Wahnvorstellungen. "Und das sagt wer?", hackte ich Wachsam nach. Er hob eine Augenbraue und musterte mich Verständnislos. "Du befindest dich in einer Bibliothek. Die Möglichkeit wäre also naheliegend, dass du ein Buch ausleihen willst." Ein Muskel in meiner zuckte. "Das wäre eine Möglichkeit …" Ich hob die Schultern. "Aber deswegen bin ich nicht hier. Ich … äh … suche jemanden." Er lächelte erneut und das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich starrte ihn wie Hypnotisiert an. "Du bist eine schlechte Lügnerin, Angel", meinte er sanft und legte mir das Buch in die Hände. "Fällt dir die Anwesenheit anderer immer noch so Schwer?" Verbal geriet ich ins stolpern und mir lief die Schamesröte ins Gesicht, obwohl mich der Seltsame Kosename irritierte, den er mir gab. So gut kannten wir uns doch überhaupt nicht, dass er ein recht dazu gehabt hätte. Und woher wusste er von meiner Schwäche? Könnte es sein, dass er zu meinem früheren Leben gehörte, dass ich wiederfinden wollte? Aber wenn an dem was war, was hatte er für eine Rolle gespielt? "Wir sehen uns bald wieder", meinte der Fremde und tätschelte meinen Kopf, als sei ich ein kleines, dummes Kind. Ich schnitt eine Grimasse. Sollte dass eine Drohung sein? Das Buch entglitt meinen Fingern und landete mit einem dumpfen laut auf dem Boden. Leise schimpfend bückte ich mich, um es wieder aufzuheben. Ich spürte einen Lufthauch und als ich aufsah war er verschwunden. Ich furchte die Stirn und wandte mich der Dame am Tresen zu, die mich Aufmerksam beobachtete. "Haben Sie gesehen, wo er hingegangen ist?" Sie starrte mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. "Wer?" "Na dieser … Kerl, der mir das Buch gegeben hat. Er ist plötzlich verschwunden …" Mit einem Mal sah die Frau beunruhigt aus. "Sind Sie sicher dass es Ihnen gut geht?", fragte sie mit besorgter Stimme. "Was soll die Frage?", wollte ich leicht gereizt wissen. "Da war niemand", meinte sie und schürzte die Lippen. "Soll ich vielleicht jemanden anrufen, der sie abholt?" Sie hatte bereits den Telefonhörer in der Hand. In der ungewöhnlichen Stille der Bibliothek hörte ich das Freizeichen. "Wollen Sie mich Verarschen?", fuhr ich sie an. "Der Kerl stand direkt neben mir!" Sie erwiderte diesmal nichts. Ich entschied, dass ich wohl besser gehen sollte, bevor sie noch in der hiesigen Anstalt für Geistig verwirrte Menschen anrief und ich dort eingewiesen wurde. Die Hände in den Taschen meiner Jeanshose verließ ich das Gebäude und vergaß dabei, diesen verdammten Bibliotheksausweis vorzulegen. Ich nahm das Buch mit, ohne dazu berechtigt zu sein. Aber jetzt noch einmal zurück zu gehen hielt ich für keine gute Idee. Ich zuckte die Schultern und beschloss, bei nächster Gelegenheit wieder in der Stadtbücherei vorbeizusehen. *** Schon lange hatte ich den unbekannten Fremden, der mir in der Bibliothek begegnet war, aus meinem Gedächtnis gestrichen. Seine Drohung schien nur ein leeres Versprechen gewesen zu sein, wie ich äußerst erleichtert festgestellt hatte. Während der nachfolgenden zwei Woche war ich ihm nicht mehr über den Weg gelaufen. Seine Gegenwart, die untrüglich beängstigend war, hatte dafür gesorgt, dass alle Alarmglocken in meinem Verstand aufgeheult hatten. Aber war das nicht immer so? Egal, wer mir über den Weg lief? Verärgert knirschte ich mit den Zähnen und ballte die Faust. Was konnte ich dafür, dass ich so eine Phobie gegen Menschen hatte? Sie hätten mich eben nicht in das Leben zwingen sollen, dass jetzt meinen Alltag bestimmte. Ich glaubte nicht daran, dass ich diese Emily MacRae war … wer war ich also? Ich schüttelte meine düsteren Gedanken ab und blickte den Asphalt entlang. Es kam kein Auto. Also konnte ich den Zebrastreifen ungehindert passieren. Gerade wollte ich die Straße überqueren, als eine Hand meinen Arm umklammerte und mich auf den Bürgersteig zurückzog. Vor schreck ließ ich meinen Regenschirm los, der von einem Motorrad erfasst wurde, dass sein Tempo scheinbar nicht drosseln wollte, und ich war dem Regen schutzlos ausgeliefert. Ich blinzelte verwirrt, sobald mir dieser erdige, süßliche Geruch in die Nase stieg, der von dem Stoff eines feuchten Mantels ausging. Ich hob den Kopf und blickte in zwei sanfte, wunderschöne Augen, die meine Gestalt fixierten. Sein kühler Atem streifte meine Wange. Ich brauchte einen kurzen Moment bis ich begriff, wer vor mir stand. Reflexartig wich ich vor ihm zurück und starrte ihn fassungslos an. "Das hätte auch anders ausgehen können, Angel." Seine Stimme umgab mich wie ein milder Windhauch und mir jagte ein Schauer über den Rücken. Ich biss mir auf die Unterlippe und senkte die Lider. "Dann kann ich froh sein, dass Sie gerade in der nähe gewesen sind." Er lächelte und mein innerlicher widerstand schmolz wie Butter in der Mittagssonne. Meinem Verstand wollten die Fragen entgleiten, die mich schon länger interessierte. Mein Finger tippte gegen meine Lippen. "Wer Sind sie überhaupt?" "Ich heiße Jamie Alec Draycott und bin schon lange auf der suche nach dir." Meine Stirn legte sich in Falten und ich glaubte mich verhört zu haben. War ich gerade in einem schlechten Horrorfilm? Er hielt mir seinen Schirm über den Kopf und wieder zierte ein hinreißendes lächeln seine Lippen. Wieso brachte mich dieser Kerl nur so aus der Fassung? Erst eine Sekunde später begriff ich, was für einen Namen er gerade genannt hatte. Draycott? Das klang so … Adelig … So alt und … Mir fiel der passende Wortlaut einfach nicht ein. Aber im zusammenklang mit Jamie Alec könnte man fast denken, dieser Fremde stammte aus der Vergangenheit. Lag ich mit dieser Theorie richtig? Seine Art zu sprechen, sein Auftreten, die Tonlage seiner Stimme … Dieser Mann gehörte definitiv nicht hier her. Was also machte er in solch einer trostlosen Einöde? Hier war doch der Hund gestorben. Er drückte mir seinen Regenschirm Wortlos in die kalten Finger und klappte den Kragen seines Mantels hoch, bevor er diesen vor seiner Kehle zusammen hielt. "Sei Vorsichtig, Angel." Damit drehte er sich auf dem Absatz um und ließ mich stehen. Ich hatte mich, Seltsamerweise, daran gewöhnt, dass er mich 'Angel' nannte. Aber warum? Ich blickte ihm nach, bis seine Gestalt im aufsteigenden Nebel verschwunden war. Fortsetzung Folgt ... Kapitel 2: Unwelcome thoughts ----------------------------- Ich wusste nicht genau, warum ich die Abgeschiedenheit des Friedhofes mochte. Vielleicht, weil mich an diesem Ort nur Stille umgab. Hier belästigten mich keine fremden Menschen mit ihrer Anwesenheit, keiner interessierte sich für mich und niemand zwang mir ein Gespräch auf. Diejenigen, die ich traf, hatten nicht mehr als ein höfliches Nicken übrig und waren ansonsten damit beschäftigt, ihren toten Angehörigen oder Freunden zu gedenken. Mit einer Gießkanne in der Hand schlenderte ich den weg entlang, der mich zu dem Grab führte, dem ich vor längerer Zeit meine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Der Kies knirschte unter den Sohlen meiner Schuhe. Ich hob den Kopf, beschattete mir die Augen und betrachtete den strahlend blauen Himmel. Der Regen hatte endlich aufgehört und die düsteren Wolken ließen die Sonne durch. Heute war ein schöner Tag. Und das erste Mal seit Monaten konnte ich diese innerliche leere nicht fühlen, die mich um den Verstand gebracht hatte. Trotzdem konnte ich nicht leugnen, dass dieser Frieden trügerisch zu sein schien. Seit zwei Jahren kam ich nicht mehr zur ruhe, weil die Angst, vor dem Leben, in meinem Herzen unerbittlich Einzug hielt. Wieso war ich an jenem Tag, als ich diesen schweren Autounfall gehabt hatte, nicht gestorben? "Weil du dich an das Leben geklammert hast, Angel", sagte eine klare Stimme, die mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Mir gefror das Blut in den Adern. Hatte er gerade auf meine Gedanken geantwortet? Unsinn. Vorsichtig, quälend langsam, wandte ich den Kopf, mit der Hoffnung, dass ich mich nur verhört hatte. Doch als ich mich vollständig umgedreht hatte, starrte ich in diese giftgrünen Augen, die so Geheimnisvoll und unwiderstehlich gucken konnten. Genervt und bereit ihm sein begehrenswertes lächeln aus dem Gesicht zu schlagen, ballte ich die Fäuste und biss die Zähne zusammen. Meine Finger juckten. "Wieso laufen Sie mir nach?", fragte ich barsch und trat von einem Fuß auf den anderen. "Haben Sie einfach nur chronische Langeweile oder sind Sie Lebensmüde?" "Weder noch", erwiderte er weich, streckte seine zartgliedrigen, langen Finger aus und nahm mir die Gießkanne unaufgefordert aus der Hand. "Darf ich dir für eine weile Gesellschaft leisten?" Ich rollte mit den Augen und hob die Schultern. "Gibt es niemanden, dem Sie sonst auf die Nerven gehen können?" "Ich habe weder Freunde noch Familie", meinte er und ging in die Richtung, die ich zuvor eingeschlagen hatte. Vielleicht weil er wusste, dass ich ihm folgen würden. Deswegen überzeugte er sich nicht davon, ob ich hinter ihm war. Mit den Händen in den Hosentaschen, einen finstern Blick und einem lautlosen Fluch, lief ich hinter Alec her. Wie ein Hündchen, dass sich ein Leckerli erhoffte. Sicherlich hatte er die gleiche Überlegung. "Sie sind lästiger als ein Sack Flöhe, Draycott", knurrte ich übelgelaunt. "Aber dafür beiße ich nicht." Er blieb vor einem Grabstein stehen. Überrascht blinzelnd zweifelte ich an meinem Verstand, hatte aber damit den eindeutigsten Beweis dafür, dass mit diesem Kerl etwas nicht stimmte. Ein frösteln überfiel meinen Körper. Argwöhnisch sah ich ihn an. "Instinkt." Eine fragwürdige Ausrede. Er zuckte seine breiten Schultern. "Ich kenne dich und weiß mehr über dich, als du ahnst, Angel." Mein Herz setzte einen Schlag aus und ich begann zur Salzsäule zu erstarren. Alle Alarmglocken heulten in meinem Verstand auf und forderten streng Beachtung. Wieso? Und doch wirkte Alec zu lieb und zu sanft, als das ich ihn hätte Misstrauen können. Meine Faszination drängte mich dazu, dass ich den Wunsch verspürte, ihm die schwarzen, glänzenden Strähnen aus dem fein geschnittenen Gesicht zu streichen. Erneut hatte ich mich in seinen bezaubernden Augen verloren. Wie Hypnotisiert gaffte ich ihn an. Und erst als er sich hörbar räusperte erwachte ich aus der Trance, in die ich gefallen war. Erschreckt wich ich einen Schritt vor ihn zurück und wäre erneut gefallen, wenn er mein Handgelenk nicht ergriffen und mich zurück auf die Füße gezogen hätte. Obwohl ich vermutete, dass er meine scheinbare Unachtsamkeit ausnutzen würde, wahrte er den Höflichkeit Anstand und kam mir nicht zu nahe. Er blieb stehen. Wie eine Statur aus Marmor. Atmete er überhaupt? Das war Enttäuschend, dass ich scheinbar keinerlei reiz auf ihn ausübte und ihn mein Anblick völlig kalt ließ. Er war wirklich der perfekte Gentleman. Mein Blick haftete auf seinem sinnlichen Mund, der zum Küssen einlud. Frustriert riss ich mir an den langen, blonden Haaren. Was zum Teufel dachte ich da eigentlich? Hatte ich meinen Verstand bei Ebay versteigert? Ich wollte schreien, mit den Fuß aufstampfen und ihm in den Hintern treten. Dann hörte ich ihn leise lachen und ich war Augenblicklich Feuer und Flamme. Meine Wut verschwand. Wie brachte er das bloß fertig? Mit zur Seite geneigtem Kopf betrachtete ich die Inschrift auf dem Grabstein, damit ich nicht länger darüber nachdachte, dass ich ernsthaft dazu bereit war, diesem seltsamen Mann zu Vertrauen. Und sei es bloß wegen des Verlangens, dass ich für ihn empfand. "Ist das so?", fragte er leicht grinsend. Völlig Perplex starrte ich ihn an. Ich verstand nicht, was er gemeint hatte. Damit stand ich wohl definitiv auf dem Sprichwörtlichen Schlauch. Oder war es Alec, der in Rätseln sprach? Ich entschied mich dazu, auf diese Aussage nicht weiter einzugehen und kniete mich vor dem Grab nieder, auf dem frische Blumen in Vasen standen. "Caithryn Nikles", flüsterte ich gedankenverloren und furchte die Stirn. Wieso kam mir dieser Name so bekannt vor, obwohl ich ihn noch nie gehört hatte? "Weckt das vergessene Erinnerungen?" Ich ließ die Schultern hängen. Wenn er mich scheinbar gekannt hatte, bevor ich mein Gedächtnis verlor, war es nur logisch, dass er vom dem Unfall und deren Auswirkungen wusste. Betrübt schüttelte ich den Kopf. Ich hatte das unbestimmbare Gefühl, dass mir dieser Mensch, der vor einem halben Jahr verstorben war, viel bedeutet hatte. Mit den Fingern fuhr ich die Konturen des Namens nach, der in den Stein gehauen war. "Wenn du mich schon früher gekannt hast, dann erzähl mir etwas über mich", rief ich Hoffnungsvoll und sprang wieder auf die Füße. "Sag mir wer ich bin." Das erste Mal durchbrach er die Mauer, die mich von ihm zu stoßen schien. Er streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingerknöcheln über meine Wange. "Ich bedauere dir dies sagen zu müssen, Angel, aber das sind Fragen, die du dir nur selbst beantworten kannst." Unzufrieden spürte ich, wie mir Tränen über die Wangen laufen wollten. Ob sie meiner Wut oder der Enttäuschung entsprangen konnte ich nicht sagen. Die Niedergeschlagenheit spiegelte sich wohl in meinem Blick, den er lächelte sanftmütig. "Du wirst die antworten finden, die du suchst." "Woher willst du das wissen?" Skeptisch verschränkte ich die Arme vor der Brust. "Willst du mir nicht einfach Vertrauen?", fragte er so unglaublich betörend, dass mir das Herz bis zum Hals schlug. Wieso übte er eine so unglaubliche Anziehungskraft auf mich aus, dass ich gierig an seinen Lippen hing? Seine dunkle Schönheit konnte nicht von dieser Welt sein. Trotzdem war sie Real und greifbar. Ich wollte mich in seine Arme schmeißen und ihn wild und Hemmungslos küssen. Wieso wollte er mich eigentlich nicht berühren? War ich dazu verdammt einen Mann zu Begehren, in dessen Herz ewiger Winter herrschte? Oder dem ich vollkommen egal war? Bitte Küss mich Alec trat einen Schritt auf mich zu. Seine rätselhaften Augen funkelten im Sonnenlicht. Sein durchdringender Blick schien meine geheimsten Sehnsüchte zu erforschen. Mit Daumen und Zeigefinger umfasste er mein Kinn. Als hätte er mein wortloses flehen verstanden beugte er sich über mich. Seinen kühlen Atem fühlte ich auf meiner Haut und ich begann leicht zu zittern. Erregung schoss mir durch die Adern und breitete sich bis zu meinen Zehenspitzen aus. Meine Wimpern legten sich auf meine Wangen. Im auffrischenden Wind begann ich zu frieren, während ich darauf wartete, dass er die letzten Zentimeter überwand, die uns trennten. In gespannter Vorfreude blieb ich reglos stehen. Stattdessen fühlte ich nur, wie er mir durch die Vorderhaare strich. "Bis wir uns wiedersehen …", flüsterte er geheimnisvoll. Wie eine sanfte Brise verschwand Alec genauso schnell wie er aufgetaucht war und ich blieb wieder einmal verunsichert und ärgerlich zurück. Meine eigene Reaktion machte mich Zornig. Sein Verhalten verstörte mich. Ich bemerkte die Blicke der Passanten und bekam einen hochroten Kopf. Leise fluchend goss ich die Blumen auf dem Grab. Hatte mir dieser Typ eigentlich irgendwelche Drogen verabreicht, dass ich nicht schreiend vor ihm weglief? Zum Beispiel ein Beruhigungsmittel für Pferde? *** Im Schneidersitz saß ich auf dem Teppich und las in dem Buch, dass ich mir aus der Bibliothek ausgeliehen hatte. Eigentlich geklaut. Ich kicherte erheitert. Neben mir stand eine Dose CocaCola zusammen mit einer Tüte Chips. In dem kurzen Pyjamaoberteil begann ich zu frieren. Ich spürte einen sanften Wind. Ich wandte mich um und runzelte die Stirn. Warum war die Balkontür offen? Ich war mir hundert prozentig sicher, dass ich sie geschlossen hatte. Leise schimpfend stand ich auf, verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte das zittern zu ignorieren, dass meine Muskeln befiel. Gerade als ich die Vorhänge zuzog hörte ich ein leises lachen, dass mir nur allzu vertraut war. Das konnte doch nicht sein, oder? Wie von der Tarantel gestochen wirbelte ich herum und glaubte einem Herzinfarkt nahe zu sein. Alec saß auf meiner Couch und betrachtete mich amüsiert. Mir fiel der Kiefer bis zum Boden. Seltsamerweise sagte ich etwas, deren Bedeutung ich nicht verstand und das mich verwirrte. "Kannst du nicht die Tür benutzen, wie ein normaler Mensch?" Seine wunderschönen Augen blitzten vergnügt auf. "Hast du mich vermisst, Angel?", fragte er mit seiner samtstimme und ignorierte meinen Einwand. Mit Bewegungen, die bis ins kleinste Detail durchdacht zu sein schienen, stand er langsam auf und näherte sich mir. Ich schnurrte. Warum zum Teufel schnurrte ich wie eine Katze, die hinter dem Ohr gekrault wurde? Er drängte mich gegen die Wand und stützte seine Hände neben meinem Kopf ab. Ich wollte schreien, um mich schlagen und Panisch nach einer Fluchtmöglichkeit suchen, aber ich war unfähig auch nur einen Finger zu rühren. Wieso wollte mir mein eigener Körper nicht gehorchen? Ich starrte ihn an und mir trocknete die Kehle aus. Sein Atem streifte meine Wange. Wollte er das Spiel vom Nachmittag fortsetzen? Reichte es ihm nicht aus, dass ich mich selbst zu einer Woche gründlichen Hausputz verdammt hatte, aufgrund meiner Reaktion? Nein, er wollte, wonach ich verlangte. Gegen meinen Willen legte ich meine Arme um seinen Nacken und schmiegte mich an seine muskulöse Brust. Er neigte den Kopf. Ich strich mir mit der Zungenspitze über die Lippen, schloss die Augen und hob ihn mein Gesicht entgegen. *** Entsetzt riss ich die Augen auf, fuhr aus dem Kissen hoch und sah mich hektisch um. Mein Blick wanderte durch den Raum. Dunkelheit lag über meinem Schlafzimmer. Nur das gleichmäßige Ticken meiner Wanduhr durchbrach die Stille. Ich legte die Hand auf die Stirn und atmete befreit auf. Das war nur ein Albtraum. Kein Grund zur Sorge. Ich brauchte nichts zu befürchten. Ich stutzte. Wann hatte ich mir eigentlich solche Fantasien erlaubt? Trotzdem schaltete ich die Nachttischlampe ein. Es dauerte eine weile bis es mir gelang mich zu entspannen. Dennoch fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Fortsetzung Folgt ... Kapitel 3: Questions without answers ------------------------------------ An diesem schönen Sommertag, wo mein Auto von einem LKW erfasst und von der Straße gedrängt worden war, hatte ich den Tod gesehen. Sterben erschien so einfach, so friedlich und Schmerzlos. Aber weiterleben zu müssen, ohne jegliche Erinnerungen daran wer ich wirklich war, darin bestand die Herausforderung, der ich mich jeden Tag stellen musste. Eine Qual, die ich mit mir trug, seit ich aus dem Koma erwacht war. Vor zwei Jahre hatte ich meine persönliche Hölle kennen gelernt. Nicht nur das ich von Grund auf alles neu lernen musste, damit ich meinen Alltag allein meistern konnte, ich war auch in die Rolle eines Menschen gedrängt worden, der ich nicht sein möchte und wollte. Ich war mir sicher, dass diese Emily MacRae eine völlig andere Person war und seinerzeit irgendetwas vertauscht wurde. Aber wie sollte ich das Beweisen? Ich fühlte mich seitdem unwohl und spürte deutlich, dass etwas fehlte. Etwas Wichtiges. Als hätte mir jemand ein Stück meiner selbst genommen. Als wäre die Wahrheit einfach begraben worden. Wie recht ich mit dieser Vermutung hatte, ahnte ich noch nicht ... Seit den frühen Morgenstunden beschäftigte ich mich schon damit die Unterlagen zusammen zu sammeln, die mir ausgehändigt wurden, als ich das Krankenhaus verlassen hatte. Ich hatte Mal Freunde gehabt und eine Familie. Aber ich wusste nicht, wer diese Menschen waren und selbst wenn sie mir auf der Straße begegneten würde ich sie nicht erkennen. Das war einer der Dinge, die mir die Kehle eng werden ließen und bei denen sich mein Herz zusammen zog. Ich schüttelte den Kopf und versuchte diese ernüchternden Gedanken zu verdrängen. Was brachte es schon, wenn ich in Selbstmitleid versank? Ich hatte mir geschworen herauszufinden wer ich gewesen war und dieses Ziel würde ich auch erreichen. Andererseits hatte ich etwas Angst. Vielleicht gefiel mir nicht, was ich aufdecken würde. Und wenn ich den Menschen nicht Mal leiden konnte, der meine wahre Identität darstellte? Ich schnitt eine Grimasse und seufzte auf. Ich sollte aufhören darüber nachzudenken und mich erst Mal auf das wesentliche Konzentrieren. Später konnte ich in Tränen ausbrechen, obwohl diese Überlegung niederschmetternd war. Ich schnappte mir den zusammengepackten Ordner, warf mir eine Jacke über und zog die Schuhe an, bevor ich das Haus verließ und den Schlüssel im Schloss drehte. Als das leise 'Klack' ertönte, dass bestätigte, dass niemand meine Wohnung so einfach betreten konnte ohne meine ausdrückliche Erlaubnis, blieb ich kurz zögernd stehen und biss mir unentschlossen auf die Unterlippe. Schon länger hatte ich darüber spekuliert wie ich reagieren würde, wenn mir meine Vergangenheit das Wasser in die Augen trieb, doch bisher hatte ich keine Antwort gefunden. Mit hängenden Schultern trat ich auf die offene Straße hinaus und setzte mich auf einen der Plastikstühle an der Bushaltestelle. Ich sah ungeduldig auf meine Armbanduhr und stampfte leicht verärgert mit dem Fuß auf. Meinen Termin würde ich definitiv verpassen. Ich hätte zu Hause nicht trödeln sollen. Genervt massierte ich mir die Schläfen und schob mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. In diesem Moment hielt der Stadtbus an der Haltestelle. Schnell stand ich von meinem Platz auf und stieg ein. Der Fahrer warf einen Blick in den Rückspiegel, guckte ungeduldig auf seinen Zeitplan und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. Neugierig sah ich aus dem Fenster und entdeckte zwei Gestalten, von denen mir eine ungebetener weise äußerst bekannt vorkam. Ich hörte, wie sie dem Fahrer zuriefen noch zu warten. Schließlich war er völlig außer Atem, als sich Alec in einen der Sitze vor mir fallen ließ. Ich stieß einen gemurmelten Fluch aus und versack so tief wie möglich in meine Sitzreihe. Wenn ich Glück hatte, bemerkte er mich nicht. Ein Stoßgebet schickte ich gen Himmel. Aber diese Hoffnung währte nicht länger als eine Minute eintretendes Schweigen. Gott musste mich scheinbar hassen. Meine Finger verkrampften sich in dem Stoff meines knielangen Mantels. Er beugte sich über die Rückenlehne und furchte die Stirn. Aber dann umspielte ein süffisantes Grinsen seine Mundwinkel. Seine unirdisch schöne Stimme erklang und ich schmeckte Blut in meinem Mund. Ich hatte mir die Unterlippe kaputt gebissen. "Hast du etwas verloren? Dann könnte ich dir beim suchen zur Hand gehen, Angel", meinte er scherzend und obwohl ich bei seinem neckenden Tonfall Zorn in mir aufsteigen fühlte, blieb meine erwartete Reaktion aus. Ich knirschte lediglich mit den Zähnen und spürte wie heiße Röte der Verlegenheit in meine Wangen stieg. Er hatte mich dabei erwischt, wie ich mich vor ihm verstecken wollte. Wie Peinlich. Ich räusperte mich Lautstark und betont gelangweilt, als ich mich wieder aufrecht hinsetzte. Die übrigen Passagiere sahen mich flüchtig an und schüttelten den Kopf, bevor sie sich wieder mit sich selbst beschäftigten. Ich hörte wie der Motor ansprang und der Bus setzte sich in Bewegung. Ich hatte beschlossen seine Anwesenheit zu ignorieren, zumindest soweit mir das möglich war. Aber seine Gegenwart konnte man wohl nicht einfach mit einem Schulterzucken abtun. Mein Blick wurde von seinem interessanten Äußeren nahezu magisch angezogen. Alles an ihm wirkte einladend auf mich. Sein Anblick. Seine Stimme. Selbst sein Geruch. Ich seufzte erneut auf und war völlig genervt. Seine Augen funkelten amüsiert, während er mich eingehend betrachtete. Unter seinem musternden Blick wurde ich unruhig. Nervös rutschte ich mit den Hinter auf dem Sitz vor und zurück. Nur um eine bequemere Sitzposition zu bekommen, redete ich mir ein. "Habe ich eine Plakette am Arsch?", zischte ich vernichtend und beobachtete ihn dabei, wie er die Arme auf die Lehnte legte und das Kinn auf seine übereinander gelegten Hände abstützte. Stille. Ich wartete einen kurzen Moment. "Hast du deine Zunge verschluckt?", fauchte ich. Wieder kein Wort. Ich runzelte die Stirn und blinzelte irritiert. "Hallo. Ich rede mit dir." Sein lächeln wurde breiter und wirkte beinahe unverschämt. Was hieß ihr den 'beinahe'? Der Kerl war eine einzige Beleidigung. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und guckte ihn finster an. "Spielen wir das Schweigen der Lämmer?" Er sagte noch immer nichts. "Und was kommt, nachdem du mich zu Tode gestarrt hast? Schlitzt du mich dann auf?" Alec war völlig verstummt und langsam beschlich mich der Eindruck, dass ich mich wie eine Geisteskranke Idiotin aufführte. Er wollte nicht mit mir reden. Schön, dann hielt er eben den Mund. Konnte mir nur Recht sein. Aber wieso ärgerte ich mich dann darüber? Ich schnaufte verächtlich, verschränkte die Arme vor der Brust und lauschte, als mich eine elektronische Stimme, die knisternd aus den Boxen drang, darüber informierte welche Haltestelle wir ansteuerten. Ich drückte auf das Stop-Symbol, welches sich in jeder Sitzreihe befand, und sprang auf, sobald der Bus hielt und die Türen öffnete. Den Rest würde ich laufen. So musste ich wenigstens seine nähe nicht ertragen, doch scheinbar hatte ich mich zu früh gefreut. Er stieg ebenfalls aus, spannte seinen Schirm auf und kam auf mich zu. Ich hob die Hände und betrachtete die Tropfen, die auf meine Haut fielen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass es angefangen hatte zu regnen. Bevor Alec mich erreichen konnte, begann ich vor ihm zu flüchten, indem ich wie eine Wahnsinnige durch die Fußgängerzone rannte. Sein schiefes grinsen bemerkte ich nicht. *** "Hören Sie Lady, ein Irrtum ist völlig ausgeschlossen", meinte Dr. Fernstein genervt und beachtete die Papiere nicht, welche ich ihm unter die Nase hielt. "Entweder Sie akzeptieren wer Sie sind oder Sie lassen es bleiben." Er zuckte die Schultern. "Was kümmern mich Ihre Komplexe?" Meine Finger juckten, als ich den Wunsch verspürte, ihm eine neue Visage zu verpassen. Ich zwang meine Wut nieder und begann ihm zu folgen. "Ich Bitte Sie doch nur darum, dass Sie sich meinen Fall noch einmal ansehen", meinte ich mühsam beherrscht. "Nicht, dass Sie tote wieder zum Leben erwecken." Er hatte wohl auf Taub und Stumm geschaltet, denn als er sich ein Klemmbrett mit seinem nächsten Patienten von einer Krankenschwester geben ließ, ignorierte er mich wissentlich, wie ich vermutete. Hartnäckig hängte mich an seine Fersen. Ich war zu stur, um mich einfach abwimmeln zu lassen oder die Flinte ins Korn zu werfen. Wie ein Schatten würde ich ihn begleiten, bis er meine Bitte erfüllt hatte oder Versprach mein anliegen zumindest einmal in Betracht zu ziehen. Ich knirschte mit den Zähnen, nachdem ich registrierte, dass dieser feige Möchtegern-Arzt vor mir zu fliehen versuchte. Wie sonst könnten seine spontanen Ausflüge quer durch das Hospital erklärt werden? Auf dem Flur des zweiten Stockwerks blieb er schließlich, tief durchatmend, stehen. Hatte er endlich ein einsehen und gab auf? Doch ich hatte mich zu früh gefreut. Er wirbelte zu mir herum und fixierte mich gereizt. Ohne darüber nachzudenken trat ich einen Schritt zurück und zog die Augenbrauen hoch. Sein ärgerlicher Blick schien mich förmlich aufzuspießen. Er dachte sicherlich, ich würde mich zurückziehen und die Angelegenheit vergessen. Da kannte er mich aber schlecht. Ich hatte nichts Unmögliches verlangt. Ich wollte, dass er sicher ging, dass ich nicht das Opfer irgendeiner Verwechslung war. Was war daran Falsch? Heutzutage gab es Personal, das recht Schlampig war und deshalb konnte dergleichen schon vorkommen. Um das herauszufinden bräuchte er nur die Untersuchungsberichte durchzugehen, die in den Krankenhausarchiven aufbewahrt wurden. Aber dieser Typ hielt mich wahrscheinlich für eine durchgeknallte Spinnerin. "Sehen Sie nicht, dass ich mich auf meinen verdammten Job zu konzentrieren versuche?", wollte er übelgelaunt wissen und ich starrte ihn vernichtend an. Die Luft knisterte wie elektrisch aufgeladen und die Spannung war förmlich spürbar. Ich ballte die Fäuste. Meine Miene verfinsterte sich. Eine Gewitterwolke hing bedrohlich über meiner sowieso schon schlechten Laune. Stumm fauchten wir uns an. Wie erklärte Todfeinde oder tollwütige Hunde. "Wenn Sie sich meine Akten noch einmal ansehen verschwinde ich sofort", erwiderte ich bockig und hob herausfordernd das Kinn. Er stöhnte auf und verdrehte die Augen. "Versprochen?" Ich nickte und er gab widerwillig nach. "Als wenn ich nichts Besseres zu tun hätte", murmelte er säuerlich und entfernte sich Kopfschüttelnd. "Sie hören von mir." Ich traute diesem Sack nicht und deshalb schnitt ich eine Grimasse. Wenigstens trug ich einen kleinen Sieg davon. Aber besser fühlte ich mich dadurch nicht. Ich würde ihn in ruhe lassen. Zumindest vorläufig. Ich hörte ein lachen und wandte mich Panisch um. Ein kleines Mädchen rannte mit einer Stoffpuppe an mir vorbei. Ich furchte die Stirn und war einem hysterischen Anfall nahe. Bekam ich jetzt schon Halluzination? Verwunderlich wäre das nicht. Unter Verfolgungswahn litt ich ja bereits. Seit Alec in mein Leben getreten war hatte sich dieser Zustand auch nicht gebessert. Erschrocken zuckte ich zusammen und konnte einen spitzen Schrei nicht verhindern, als ich eine Hand auf meiner Schulter fühlte. Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich warf einen Blick hinter mich. Ich wäre fast über meine eigenen Füße gestolpert, als ich einen Satz zurücksprang. Meine Augen weiteten sich schockiert und im ersten Augenblick saß mir ein Kloß im Hals. Als hätte er auf meine Gedanken reagiert stand er auf dem Gang und sah mich an. Wieder mit einem lächeln, dass ich in die Kategorie 'unhöflich' einstufte. Wie konnte jemand dreckig und gleichzeitig so unwiderstehlich grinsen, dass ich in der ersten Sekunde vergas Luft zu holen? "Du willst mir doch nicht erzählen du bist Arzt?", krächzte ich ungläubig und besah mir den weißen Kittel genauer, den er anhatte. Kein Namensschild. Er schob die Hände in die Hosentaschen. "Irgendetwas, in dieser Hinsicht, werde ich schon sein", meinte er lakonisch und hob die Achseln. Was sollte das bedeuten? Ich ging nicht genauer darauf ein. Er würde mir meine Frage sowieso nicht beantworten. "Wenn du lieb fragst dann vielleicht, Angel", sagte er mit einem geheimnisvollen funkeln im Auge. Ich brauchte einen kurzen Moment um mich wieder zu fangen. Sicherlich hatte ich mich verhört. Niemand konnte in die Köpfe anderer Menschen sehen. "Verfolgt du mich etwa schon wieder?" "Warum sollte ich dir nachlaufen?", fragte er nüchtern und wirkte dabei ehrlich überrascht. Er wirkte in seiner Rolle äußerst überzeugend und beinahe hätte ich ihm dieses Schmierentheater sogar abgekauft. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Mit diesem Kerl stimmte etwas nicht. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Dieses ungute Gefühl hatte ich schon, seit ich ihm das erste Mal begegnet war. Ich warf Alec noch einen letzten, nachdenklichen Blick zu, bevor ich ihm zögernd den Rücken kehrte und ihn im weichen Licht der Abendsonne stehen ließ. Ich würde schon noch aufdecken, wer er war und was er für ein Spiel mit mir trieb. Darauf konnte er sich verlassen. Fortsetzung Folgt ... Kapitel 4: Awakening -------------------- Wie eine undurchdringliche Milchsuppe schwammen die Nebelschwaden um mich herum. Am dunklen Nachthimmel stand ein blasser Vollmond, der sein spärliches Licht großzügig über die Landschaft verteilte. In Gedanken versunken starrte ich in das Wasser des Stadtbrunnens. Bisher hatte sich Dr. Fernstein nicht bei mir gemeldet. Aber wahrscheinlich konnte ich auch nicht erwarten, dass er die ganzen Unfallberichte und Krankenhausuntersuchungen innerhalb von 4 Tagen durchging. Ich brannte darauf zu erfahren, was dieser Möchtegern-Arzt herausgefunden hatte. Das hieß, wenn sich dieser Trottel den Fall noch einmal anschaute und nicht irgendwelche leeren Versprechungen gemacht hatte, um mich los zu werden. Ich würde ihm noch eine Woche geben. Ich hatte zweieinhalb Jahre gewartet und nach Antworten gesucht. Wenn ich in den nächsten vierundzwanzig Stunden keine Nachricht bekam, würde ich daran nicht sterben. Nachdenklich hob ich den Schirm und warf einen Blick in den dunklen Himmel. Wann hörte es endlich auf zu regnen? Von diesem schlechten Wetter konnte man Depressionen bekommen. Aber Niedergeschlagenheit war bereits Teil meines Lebens und deshalb konnte ich damit besser umgehen, als die meisten in meiner Altersklasse. Diese Gedanken verwerfend setzte ich meinen Spaziergang fort. Ich hatte einfach etwas frische Luft gebraucht. Diese innere Unruhe, die ich mich befiel, seit ich im Krankenhaus meine Unterlagen zur erneuten Kontrolle abgegeben hatte, raubte mir den Schlaf. Ich sah auf meine Armbanduhr und hörte in der Ferne die Kirchenglocke Mitternacht schlagen. Kein Wunder, dass ich seit Stunden keinem Passanten mehr begegnet war. Theoretisch gesehen störte mich diese Einsamkeit nicht. Ich fühlte mich sogar ganz wohl dabei, wenn ich allein sein konnte. Ungerne sah ich anderen Menschen in die Augen oder setzte mich mit ihrer bloßen Anwesenheit auseinander. Oft hielt ich mich an Orten auf, die kaum Besucht wurden. Der Stadtpark gehörte dazu. Praktisch gesehen bekam ich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Zu dieser späten Stunde konnte selbst das leiseste Geräusch Furchteinflößend sein. Ich sollte zusehen, dass ich auf den schnellsten Weg nach Hause ging. Wer wusste schon, welche Drogenkranke Junkies sich noch auf der Straße aufhielten. Erschrocken schrie ich auf, als ich etwas rascheln hörte. Ich musste mich beruhigen. Kein Grund zur Panik. Niemand war hinter mir her. Meine Fantasie spielte mir bloß einen Streich. Das war nur der Wind, der durch das Blätterdach eines Baumes strich. Langsam aber sicher war ich einem Herzinfarkt gefährlich nahe. "Guten Abend." Ich zuckte zusammen und blieb wie erstarrt stehen. Als würde ich mich Tod stellen. "Geht es dir nicht gut, Angel?" Verwirrt runzelte ich die Stirn und warf einen Blick über die Schulter. War das nicht Alec seine Stimme gewesen? Aber hinter mir war niemand. Litt ich wieder unter Halluzinationen? Verunsichert wollte ich weitergehen. "Hier oben." Erneut verharrte ich mitten in der Bewegung und sah mich um. Doch auch diesmal konnte ich ihn nicht entdecken. Ich musste definitiv in meine Wohnung, bevor ich einen Hysterischen Anfall bekam. "Ich bin keine Einbildung, Angel. Heb doch einfach Mal deinen hübschen Kopf, du kleines dummerchen." Wie hatte er mich gerade genannt? Ein Muskel in meiner Wange zuckte. Und wie wahrscheinlich von ihm vorausgeplant, erwachte Augenblicklich der Zorn in mir und er hatte mich zur Weißglut getrieben. Ich vergas meine Angst und das wollte er damit erreichen. Inzwischen konnte ich ihn ganz gut einschätzen, um das beurteilen zu können. Aus einem mir unbegreiflichen Grund richtete ich die Augen gen Horizont und als ich das Gesicht ein Stück nach links wendete, hatte ich den Kerl in meinem Blickfeld, auf den noch eine saftige Ohrfeige wartete. Mit fiel die Kinnlade bis zum Boden und meine Augäpfel drohten mir aus den Höhlen zu springen. Unschuldig grinste er mich an. Dieser Lebensmüde Spinner stand doch tatsächlich auf einer Straßenlaterne und hatte die Hände in den Hosentaschen, als wäre dieser Balanceakt das normalste der Welt. Er ging in die Knie und verschränkte die Finger ineinander. Mir wurde schon vom zusehen Schwindelig. "Ist das nicht eine schöne Nacht?", fragte er beinahe verträumt. Ich stemmte meine freie Hand in die Hüfte. "Kommen Sie da runter sonst prügel ich Sie Windelweich." Er wusste, dass das eine leere Drohung war. Er tat trotzdem, was ich ihm befahl. Nur nicht so, wie ich das wollte. Alec wählte den direkten Weg und verließ seinen Platz, indem er einfach runtersprang. Geschmeidig wie eine Katze landete er auf den Füßen. Meinen Lippen entfloh ein spitzer Schrei. Ich hatte selbst das Gefühl zu fallen. Mir wurde übel, in meinem Kopf drehte sich alles und mein Hinterteil schloss auf schmerzhaft Art und weise Bekanntschaft mit dem Asphalt. Mein Schirm wurde von einer Böe erfasst und davon geweht. Ich stieß einen Gotteslästernden Fluch aus. Alec beugte sich über mich und lächelte mich frech an. Wenn sein aufregender Anblick meine Sinne nicht streicheln würde, dann hätte ich ihm, für seine Unverschämtheiten, längst den Kiefer gebrochen. Doch er war wie mein ganz persönliches Rauschmittel. Einem Aphrodisiakum nicht unähnlich. Es verlangte mich heftiger nach ihm, als ich jemals bereit wäre zuzugeben. "Geht es dir gut, Angel?" Vor dem Licht des Mondes hob sich seine Gestalt wie die dunkle Silhouette in einen Schattenspiel ab. Mir jagte ein kalter Schauer über den Rücken. Bevor ich reagieren konnte hatte sich sein Arm bereits um meine schmale Taille gelegt. Er zog mich auf die Beine und hielt mich länger in seinen Armen als unbedingt nötig. Ein Blitz fuhr über den Himmel. Donnerschläge folgten. Ich spürte wie mir heiß das Blut in die Wangen stieg. "Lassen Sie mich los!", fauchte ich ärgerlich und zog die Augenbrauen bedrohlich zusammen. Meine wütende Miene schien Bände zu sprechen, denn in Sekundenschnelle sanken seine Hände an seine Seiten und er trat einen Schritt zurück. Alec schien verstummt. Ich hatte mit einer Erwiderung gerechnet, stattdessen hielt er den Mund. Meine langen, blonden Haare, nass vom Regenwasser, klebten mir an Kopf und Schulter und ich besah mir meine durchgeweichte Kleidung. Erst jetzt drang die Tatsache in mein Bewusstsein, dass ich erbärmlich fror. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und begann zu zittern. Meine Zähne schlugen klappernd aufeinander. Ich wollte nur in eine heiße Wanne und in mein Bett, bevor ich mir den Tod holte. Zu meiner Überraschung hockte sich Alec auf den Boden nieder. "Steig auf", meinte er seufzend. "Ich will nicht, dass du dir eine Grippe holst." In seiner Stimme lag Sorge oder bildete ich mir das ein? Ich runzelte die Stirn und betrachtete seinen einladenden Rücken. Wie einfach wäre es sein Angebot anzunehmen. Jedoch war ich zu stolz, um mir meine eigene Schwäche einzugestehen. Ich biss mir auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. Kampflustig reckte ich das Kinn in die Höhe und ging an ihm vorbei. "Vergessen Sie es! Ich kann selber laufen." Einen letzten Rest Würde bewahrend unterdrückte ich den Impuls die Schultern hochzuziehen und meinen Atem als kläglichen Wärmespender zu missbrauchen. Er packte meinen Arm und zwang mich dazu stehen zu bleiben. Ich drehte mich zu ihm um und betrachtete Alec Provokativ. "Sei nicht so verdammt stur, Angel", sagte er emotionslos. "Sonst versohle ich dir vor versammelter Gemeinde deinen Po." Seine gleichmäßigen, reglosen Gesichtszüge wurden von seinem verärgerten Tonfall lüge gestraft. "Soll das ein ...?" Er unterbrach mich. Ohne auf meinen lautstarken Protest zu achten, warf er mich über seine Schulter, als sei ich ein Seesack, und blieb unbeeindruckt, als ich mit den Beinen zu strampeln begann und mit den Fäusten um mich schlug. Kreischend und schreiend wand ich mich wie ein Aal. Wie hatte er es geschafft mir seinen Willen aufzuzwingen? Ich hatte mich dagegen gewehrt, mich von ihm anfassen zu lassen. Sichtlich durcheinander bemerkte ich überhaupt nicht, dass er sich mit einer Geschwindigkeit bewegte, die jenseits meiner Vorstellungskraft lag. Wärme suchend verkrampften sich meine Finger im Stoff seines Mantels und ich schmiegte mich fest an seinen Rücken. Mir war kalt. *** Als ich am nächsten Morgen aufgewacht war, hatte ich ausgezogen in meinem Bett gelegen. Verschreckt hatte ich darüber nachgedacht, was in der vergangenen Nacht passiert war. Tief aufseufzend war mir schließlich wieder eingefallen, das mich Alec vor der Haustür des Gebäudes abgesetzt hatte, in dem meine Wohnung lag. Und bevor er verschwunden war, hatte er mir noch seinen Mantel um die Schultern gelegt, obwohl diese Geste wirklich nicht nötig gewesen wäre. Kaum war ich in meinen vier Wänden angelangt, hatte ich meine durchnässten Klamotten verstreut auf den Boden liegen gelassen und war für zwei Stunden in der Badewanne verschwunden. Und jetzt stand ich wieder vor dem Grab von Caithryn Nikles. In den Händen ein Blumenstrauß. Ich strich mir eine widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte und kniete mich nieder, um die Blumen in eine Vase zu stellen. Wie immer wusste ich nicht, warum ich ihr Grab pflegte, aber ich fühlte mich dafür Verantwortlich. Als hätte ich diese Frau zu Lebzeiten vernachlässigt. Ich runzelte die Stirn und begann das Unkraut rauszuziehen, dass sich in der Erde breit zu machen begann. "Schwelgst du in Erinnerungen?", fragte eine samtweiche Stimme. Ich seufzte tief auf. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer hinter mir stand. "Was geht Sie das an?" Gleichgültig zuckte ich die Schultern. Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt, dass er mit ständig am Arsch klebte. Was hätte es mir gebracht Fragen zu stellen? Von ihm bekam ich nur Antworten, mit denen ich nichts anfangen konnte. Also vermutete ich, dass er ein Stalker oder dergleichen war. Aber wenigstens gab es wohl keinen Grund, um mich vor ihm zu fürchten. Aber es wurde ja auch behauptet, dass der erste Eindruck täuschen konnte. "Hast du Zeit, Angel?", fragte er unvermittelt und riss mich damit aus meinen Überlegungen. "Ich möchte dir etwas zeigen." Irritiert wandte ich ihm jetzt doch das Gesicht zu. Einen kurzen Augenblick verfiel ich in Grübeleien und betrachtete ihn eingehend. Mit dem Zeigefinger tippte ich gegen meine Lippen. Ich war zu Neugierig, um mir nicht anzusehen, was ihm scheinbar wichtig war. Das sagten mir zumindest seine perfekten Gesichtszüge. Ich stand auf und klopfte mir die Finger aus, an denen Dreck haftete. "Hoffentlich dauert es nicht zu lange", sagte ich skeptisch und beobachtete überrascht, wie sich seine langen, schlanken Finger um mein Handgelenk schlossen. Ich musste meinen Beinen den Befehl zum laufen erteilen, wenn ich nicht über meine eigenen Füße stolpern wollte. Er zog mich hinter sich her, ohne darauf zu achten, ob ich mit ihm Schritt halten konnte. Wahrscheinlich sollte ich ihm Mal einen ordentlichen tritt in den Hinter verpassen. Erst nach einem kurzen Moment bemerkte ich meine veränderte Umgebung. Erstaunt sah ich mich um. In diesem Teil des Friedhofs war ich noch nicht gewesen. Ich duckte mich unter den tief herabhängenden Zweigen einer Trauerweide hinweg. Sein Griff löste sich und als ich mich zu ihm umdrehte, war Alec verschwunden. Mein Blick wanderte über das weite, offene Feld voller Grabsteine. Meine Augenbrauen schossen in die Höhe, sobald ich meinen unerwünschten Schatten entdeckte. "Warum laufen Sie denn einfach weg?", wollte ich verärgert wissen. Er schwieg hartnäckig. In seinen Augen funkelte ein eigenartiges, ungezähmtes Licht, dass mich vor ihn zurückweichen ließ. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit und jagte mir über den Rücken. Diese unerklärliche Angst schnürte mir die Kehle zu. "Lies …", forderte er mich auf. "Was?" Er sagte nichts und deutete auf die Inschrift, die in den Grabstein gemeißelt worden war, vor dem wir standen. Nur zögernd begann ich zu lesen. "Emily MacRae. Geboren am 18 Januar 1944. Gestorben am 5 April 2001." Meine Lider weiteten sich entsetzt. Mein Herz setzte einen Schlag aus und das Blut hörte auf durch meine Adern zu fließen. Mir wurde Eiskalt und mir fehlte die Kraft zu sprechen oder mich länger auf den Beinen zu halten. Wie betäubt sank ich auf den weißen Kiespfad und starrte benommen auf die Worte, die meine Welt in Sekundenschnelle in Scherben schlugen. Ich hatte immer geahnt, dass ich nicht die war, für die ich gehalten wurde. Aber ich hatte nicht vermutet, dass ich die Identität einer Toten besaß und wenn das nicht schon schlimm genug wäre, sah es ganz danach aus, als wenn ich die von einer Soldatin bekommen hätte. Zitternd ließ ich den Tränen ungehindert freien Lauf. Ich wusste nicht warum ich weinte. Endlich hatte ich den entscheidenden Beweis, mit dem ich fordern konnte, dass mein Fall neu aufgerollt werden musste. Trotzdem konnte ich den Schmerz nicht verhindern, der in meiner Brust Einzug hielt. Jetzt hatte ich überhaupt keinen Namen mehr. Wer bin ich? Nur diese Frage beherrschte meine Gedanken, als ich schluchzend vornüber sank und die Arme beschützend um meinen Oberkörper schlang. "Du bist Tracy Nikles", durchdrang seine Stimme meine innerliche Verzweiflung. "Im Krankenhaus wurde deine Akte vertauscht." Ich wollte nichts hören und versuchte ihn zu ignorieren. Alec kniete neben mir nieder und legte die Hand auf meine Schulter. Er sollte mich nicht anfassen und deshalb schüttelte ich seine Finger ab. Obwohl ich mich dagegen wehrte nahm er mein Gesicht in seine Hände und starrte in meine Augen. Wie könnte ich mir seine unsichtbare Anziehungskraft nur jemals verbieten? "Schließ die Augen, Angel", flüsterte er sanft. Meine Wimpern legte sich Fächergleich auf meine Wangen, als ich seiner Aufforderung stumm nachkam. Und plötzlich fühlte ich seinen kühlen Atem auf meinem Mund. Alec berührte meine Lippen nur flüchtig, kaum spürbar, und doch konnte ich dieses unbeschreibliche Gefühl nicht in Worte fassen. Deutlich spürte ich seine Unzufriedenheit, als er sich von mir löste. Der Hauch eines Kusses hatte mir die Sinne benebelte und ich musste zunächst tief Luft holen, um in die Realität zurück zu finden. Aber als ich schließlich wieder aufsah war irgendetwas anders. Einen kurzen Moment entzog sich die Lösung meinem Verstand. Seufzend schaute ich direkt in seine Augen und stellte fest, dass sie mir fiel größer erschienen, als ich sie in Erinnerung hatte. In der giftgrünen Iris konnte ich mein Spiegelbild erkennen Ich schnitt eine Grimasse. Und als ich schließlich zu begreifen begann, weiteten sich meine Lider erschreckt und ich wich panisch zurück, Sicherheit suchend. Entsetzt musste ich feststellen, dass ich nicht fliehen konnte. Ein paar Zentimeter hinter mir, hörte der Boden auf und erst einen Sekundenbruchteil später wurde mir bewusst, dass ich mich gar nicht auf dem Boden befand. Ich saß in seiner Handfläche! Das war ein schlechter Albtraum, nur ein Scherz, mehr nicht. Wach auf! Wach auf!, schrie ich mich in Gedanken an. Hysterie wallte in meinem Herzen auf, als ich über den Rand lugte und feststellen musste, dass es bis zum eigentlichen Boden ziemlich weit nach unten ging. Ich redete mir selbst gut zu, aber ich schaffte es einfach nicht meinem Gehirn einzureden, dass das alles nur eine Halluzination war. Erschüttert drehte ich mich wieder zu ihm um, wobei ich mich so gut es ging an seinen Fingern festklammerte, aus Angst hinunter zu stürzen. "Das hätte eigentlich nicht passieren dürfen", wisperte Alec und grinste entschuldigend. "Es tut mir Leid, Angel." Ich blickte ihn an und im nächsten Augenblick wurde mir Schwarz vor Augen. Fortsetzung Folgt ... Kapitel 5: What your eyes do not see ------------------------------------ Der nächste Morgen brach für meinen Geschmack zu schnell an. Stöhnend rollte ich mich auf die Seite und versuchte zu verhindern, dass mein Gehirn innerhalb der nächsten Minuten explodierte. Ich war mir zu hundert Prozent sicher dass mich entweder ein LKW oder ein Panzer überfahren hatte. Natürlich gab es noch die Möglichkeit, dass ich so Lebensmüde gewesen war und mir die ganze Nacht das Gejaule von Michael Jackson angetan hatte. Die Erinnerungen an den vergangenen Tag drangen nur Bruchstückhaft in mein Gedächtnis vor. Ich legte die Hand an meinen dröhnenden Schädel und fragte mich ernsthaft, welche Drogen ich geschluckt hatte, dass ich solche Halluzinationen bekommen hatte. Ich war ein Fabelwesen und hatte in der Hand von Alec gesessen. Was für ein Albtraum. Ich vergrub das Gesicht in dem Kissen und öffnete widerwillig die Augen, als mich ein ungutes Gefühl beschlich und mir kalt über den Rücken jagte. Irgendetwas war hier Oberfaul und diesen Eindruck gewann ich nicht nur, weil es stark nach Zigarren roch und ich mir definitiv sicher war, dass ich noch niemanden erlaubt hatte, in meiner Wohnung, diese stinkenden Dinger zu rauchen. Ein vorwitziger Sonnenstrahl bahnte sich einen weg durch die geschlossenen Vorhänge und stach mir direkt in die Augen. Schützend hob ich den Arm und sah mich um. Wieso erschien alles so riesig? Ich zuckte die Schultern und gähnte ausgiebig, während ich meine steifen Glieder streckte. Das lag sicher an den Nachwirkungen des Rauschmittels, dass ich offensichtlich zu mir genommen hatte, auch wenn ich mir nicht erklären konnte, weshalb ich gegen meine eigenen Moralvorstellungen verstoßen sollte. Ich senkte den Blick, um die Decke zurück zu schlagen. Der Kiefer fiel mir bis zum Boden. Ich lag in einer Zigarettenkiste, die mit irgendwelcher Bettwäsche ausgelegt wurde, die scheinbar für Spielzeug gemacht worden war. Sah mir verdächtig nach Barbie aus. Stirnrunzelnd suchte ich nach irgendeinem Anhaltspunkt, der mir Bewies, dass dies nur ein makaberer, schlechter Scherz war. Verdammt! Wo waren diese verfluchten Kameras? Ich gehörte in keine Irrenanstalt. Zumindest glaubte ich das, aber inzwischen war ich mir da gar nicht mehr so sicher. Tränen schossen mir in die Augen. Und erst in diesem Augenblick bemerkte ich den warmen Atem, der mir durch die Haare strich. Zögernd drehte ich mich um und sah direkt in das fein geschnittene, ebenmäßige Gesicht von Alec, der ruhig in meinem Bett lag und schlief. Moment Mal! Diese ganze verrückte Geschichte entsprang nicht nur meiner kranken Fantasie? Ich hatte mir das alles nicht nur eingebildet und ich war tatsächlich sowas wie eine … Elfe? Ich musste zu meinem Psychiater. Das gab es doch alles gar nicht. Wo waren die Männer mit der Zwangsjacke? Hysterisches Gelächter bahnte sich einen weg durch meine geschlossenen Lippen und erfüllte schon wenige Minuten später den Raum. Mein Therapeut war meine letzte Hoffnung, ansonsten würde ich ihn auf Knien darum anbetteln, dass er mich in eine geschlossene Anstalt einwies. "Gut geschlafen, Angel?" Im ersten Augenblick fehlte mir die Stimme, um etwas zu antworten, im zweiten waren meine Gedanken leer, um ihm irgendeine Beleidigung an den Kopf schmeißen zu können. Was zum Teufel erwartete er? Das ich jetzt Freudestrahlend nicke und so tat, als wäre ich kein sechzehn Zentimeter großer Zwerg? Wütend verschränkte ich die Arme vor der Brust und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf meinen Oberschenkel. Was sollte ich jetzt machen und was war die klügste Vorgehensweise? Alec ignorierend sann ich darüber nach, wie mein Leben zukünftig aussehen sollte. Immerhin konnte ich kaum erwarten, dass meine Umwelt mit Verständnis darauf reagierte, dass sich in ihrer Mitte zukünftig ein Winzling aufhielt. Wie konnte ich nur in diesen Schlamassel geraten? Sekunde! Wieso geriet ich eigentlich nicht mehr in Panik? Ein Teil von mir, ich wusste zwar nicht welcher, aber dieser schien die unleugbare Tatsache inzwischen als gegeben hinzunehmen, nachdem ich den ersten Schock halbwegs verdaut hatte. Grob griff ich mir in die Haare und zog die Knie an meine Brust. Sollte das etwa bedeuten, es gab keine Möglichkeit, um in meinen alten Körper zurückzukehren und weil ich das wusste, hatte ich innerlich bereits aufgegeben? Das Herz schlug mir schmerzhaft gegen die Rippen und der Horror saß mir im Genick. Ich wollte nicht auf ewig in dieser Gestalt gefangen sein. Es gab doch noch soviel, dass ich erleben und machen wollte. Ich sollte aufhören in Selbstmitleid zu ertrinken. Das brachte mich nicht weiter. Alec schien mich diesmal genauso mit Schweigen zu strafen, wie ich das bei ihm ein paar Minuten zuvor getan hatte. Wortlos stand er auf und mir schoss das Blut heiß in die Wangen, als ich feststellte, dass er vollkommen nackt war. Beschämt wandte ich das Gesicht ab, obwohl das kleine Teufelchen in meinen inneren mich dazu zwang, einen Blick über die Schulter zu riskieren. Erschreckt weiteten sich meine Lider, als ich die Narben auf der Sonnengebräunten Haut seines Rückens entdeckte, die sich teilweise von den Schultern bis zu seinen Schmalen Hüften zogen. Diese unansehnlichen Verletzungen wiesen eindeutige Merkmale auf und deshalb war die vernünftigste und vor allem logischste Schlussfolgerung, dass er bereits mit einer Peitsche Bekanntschaft geschlossen hatte. Ich konnte nicht verhindern, dass ich eine Grimasse schnitt und mich fragte, wer ihm das angetan hatte. Hatte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank? Hallo … dieser Kerl war Jamie Alec Draycott … Leise fluchend hätte ich mir selbst in den Hintern treten können. Dieser Typ war nicht nur ein Stalker und Nervtötend dazu, er hatte scheinbar auch seltsame Vorlieben, den soweit ich wusste, gab es diese Form der Bestrafung nur in der Sexuellen Szene, wo Masochisten und Sadisten aufeinander trafen. "Denk doch was du willst", sagte er beinahe beleidigt und langsam begann ich mich ernsthaft zu fragen, ob er meine Gedanken lesen konnte. "Ja verdammt, dass kann ich und jetzt hör auf mein Gehirn mit deinen dummen Mutmaßungen zu füllen, sonst platzt mir noch der Schädel." Empört straffte ich die Schultern und setzte dazu an, ihn mit den schlimmsten Schimpfwörtern zu belegen die ich kannte, wurde jedoch unterbrochen, als er sich zu mir umdrehte und ich plötzlich seine Vorderfront vor Augen hatte. Ich errötete bis zu den Zehenspitzen und versteckte mich unter dem Stück Stoff, dass wohl den Namen 'Decke' weniger als verdient hatte. "Willst du dich nicht waschen?", fragte Alec und ich wagte es kaum mich zu rühren, geschweige den zu atmen. "Ich kann dir Wasser in das Waschbecken einlassen oder möchtest du mit mir in die Wanne?" Wo war der kultivierte, taktvolle, junge Mann hin, der mir den Schlaf geraubt hatte? Alec erinnerte mich in Augenblick stark an einen Möchtegern-Macho. Entsetzt schrie ich auf, als er mich plötzlich hoch hob und auf seine Hand setzte. Auf diese weise konnte ich direkt in seine giftgrünen Augen sehen, die schelmisch aufblitzten und sich über meine Verlegenheit amüsierten. "Entscheide dich, sonst wirst du tun was ich will." Nervös bog ich mich unter seinem intensiven Blick. "Dir ist klar, dass es Dinge gibt, die nicht einfach übersehen werden können, oder?", fragte ich ihn mit hochrotem Kopf. "Ansonsten erkläre ich dir gerne den unterschied unserer Geschlechter." Alec grinste mich nur unverschämt an und achtete nicht auf meinen lautstarken Protest, als er in das Badezimmer ging und die Tür abschloss, damit ich keine Fluchtmöglichkeit hatte. Er setzte mich auf dem Waschbecken ab, beugte sich vor und drehte am Wasserhahn der Dusche. Alec hielt seine Finger unter den Duschkopf und prüfte die Wassertemperatur. Der Raum wurde schon bald von dichten Schwaden heißen Dampfes gefüllt, die den Spiegel des Hängeschrankes und die Milchglasscheibe des Fensters benetzten. Ich seufzte resigniert auf und fügte mich in mein unausweichliches Schicksal. In der Realität hatte ich noch keinen nackten Kerl gesehen. Nur in Filmen. Zumindest nahm ich das an. Alec zog plötzlich eine Tasse hervor, wo er die plötzlich her hatte war mir ein Rätsel, und füllte sie mit heißem Wasser, bevor er sie auf dem Waschbecken abstellte. "Damit ich Eure Augen nicht mit meinen grausigen Anblick beleidige, Mylady", meinte er sarkastisch und vollführte eine spöttische Verbeugung, bevor er unter der Dusche verschwand und mich nicht mehr beachtete. Tief aufseufzend schüttelte ich den Kopf und kletterte in meine persönliche Badewanne. Ein winziges Stück Seife schwamm auf der Wasseroberfläche. Wie umsichtig von ihm. Nachdenklich starrte ich auf den Duschvorhang. Hieß das jetzt, wir führten Krieg oder dass wir die Waffen erstmal niederlegten? *** Bis vor ein paar Minuten hatte ich vermutet, dass diese ganze, makabere Angelegenheit nicht mehr schlimmer werden könnte, aber scheinbar hatte ich mich geirrt. Die Demütigungen schienen kein ende zu nehmen und Alec hatte davon wohl einen unerschöpflichen Vorrat. "Hallo Barbie", sagte ich Grimassen schneidend zu meinem Spiegelbild und zupfte an den billigen Stoff, der für die Kleidung dieser Gummipuppen verwendet wurde. Hatte er seine kleine Schwester beklaut? "Soweit ich mich erinnere hatte ich erwähnt, dass ich keine Familie habe." Ein Muskel in meiner Wange zuckte. "Erstens: Hör auf meine Gedanken zu lesen. Zweitens: Dann bist du Schwul." Mit einer unirdischen und Geisterhaften Eleganz schloss er die Knöpfe seiner Hose, die ihm trotzdem tief auf den Hüften hing und seine Beckenknochen und die Bauchmuskeln betonte. Seine Bewegungen waren gewandt und perfekt bis ins kleinste Detail. Eine solche Anmut hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen, kein Kunststück wenn man sich nur an die letzten zwei Jahre erinnerte, und gerade deshalb schien er wohl eine solche Faszination auf mich auszuüben. Seufzend ließ ich die Schultern hängen und Zorn wallte in mir auf, als er hinter mich trat und belustigt zu grinsen begann. Er zog ein weißes Hemd über ein schwarzes T-Shirt und ich fragte mich ernsthaft, wer von den beiden Männern, die ich kennen gelernt hatte, sein wahres Gesicht zeigte. "Erstens: Dann hör du auf mein Gehirn mit deinen Sinnlosen Selbstgesprächen zu füllen, Angel", erwiderte er neckend und zupfte seinen Kragen zu Recht. "Zweitens: Was könnte schöner sein, als ein knackiger Frauenarsch?" Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. Ich wirbelte zu ihm herum und zeigte ihm die Zähne. Alec lachte auf. "Du bist richtig süß." Er brachte mich aus der Fassung und ich stolperte über meine eigene Zunge. Erneut errötete ich bis zu den Haarspitzen und senkte verlegen die Lider. "Red … Red keinen Scheiß", stammelte ich kleinlaut. Als ich ein lautes Knallen hörte und wenige Augenblicke später die Sirene des Krankenwagens, schreckte ich aus meinen Grübeleien hoch. Etwas musste passiert sein! Wie von der Tarantel gestochen hetzte ich zum Fenster und sah auf die Straße hinaus. Direkt an der Kreuzung waren zwei PKWs frontal zusammengekracht. Mit wie viel Km/h waren die Fahrer über den Asphalt geheizt, um einen solch immensen Schaden an ihren Autos zu verursachen? "Alec, lass uns runter gehen", bat ich scheu. Hart sah er mich an und vor diesem Ausdruck in seinen Augen, aus denen jegliche wärme gewichen war, trat ich einen Schritt zurück. "Willst du etwa auch zu einem dieser Schaulustigen und hirnlosen Gaffer werden?", fragte er grob und seine Stimme klang beinahe grausam. Mir jagte ein Schauer über den Rücken und ich begann zu zittern. Mir wurde eiskalt und ich presste die Lippen zusammen. Was war plötzlich mit ihm los und warum reagierte er dermaßen wütend, dass ich ihn nicht mehr wieder erkannte? Zögernd wandte ich das Gesicht wieder dem Fenster zu. Eine junge Frau lag auf der Straße und ein Sanitäter hockte neben ihr und führte Wiederbelebungsmaßnahmen durch. Ich drückte mir fast die Nase an der Scheibe platt, als ich einen Jungen Mann mit feuerroten Haaren und schwarzen Flügeln sah, der durch die Menschen ging, die um den Umfall herumstanden, als würden die vielen Leute kein Hindernis darstellen. Und tatsächlich lief er durch sie hindurch, als wären diese Personen gar nicht anwesend. Irritiert runzelte ich die Stirn. Wie hatte er das gemacht? Er blieb vor der toten stehen, an denen die Ärzte gerade jegliche Rettungsversuche aufgegeben hatten, griff nach ihrer Hand und zog sie auf die Füße. Stopp! Sie hatte ins Gras gebissen. Ich habe es ganz deutlich gesehen oder hatte ich etwas an den Augen? Das wirklich Seltsame an der ganze Sache war … niemand schien die beiden zu sehen oder sie wenigstens zu bemerken. Ich glaubte schon, das ganze könnte nicht mehr verrückter werden, aber dann hörte ich plötzlich Glockengeläut, leise und schwach. Ein helles Licht schoss geradewegs in den Himmel. Ich blinzelte irritiert und zweifelte an meinen Verstand. Hatte ich einen an der an der Waffel? Vielleicht sollte ich mein Gehirn einmal untersuchen lassen. Der Mann mit den schwarzen Flügeln und die Tote Frau waren verschwunden. "Hast du das gesehen?", fragte ich und hob den Kopf, um Alec anzusehen. Er wirkte verwirrt. "Was meinst du?" "Na diesen Kerl mit den schwarzen Flügeln." Alec sah mich nachdenklich an, schwieg eine weile und sagte schließlich: "Das hast du dir sicherlich eingebildet." Damit wandte er sich ab und ließ mich mit meinen Überlegungen allein. Was hatte er bloß? Fortsetzung Folgt ... Kapitel 6: Your heart knows it has long --------------------------------------- Ich hatte gehofft, dass das Zusammenleben mit Alec einfacher werden würde, aber ich hatte mich leider geirrt. Aber stattdessen wurde es nur … komplizierter. Seit einer Woche goss es wie aus Kübeln und ich hockte jeden Tag im Schneidersitz, vor dem Fenster und starrte auf die Straße hinaus, die keine Spuren des Unfalls mehr aufwies. Die Stadtreinigung war wirklich zuverlässig. Resigniert seufzte ich auf. Eine dichte, graue Wolkenfront verfinsterte den sonst so strahlend blauen Himmel und drängte hartnäckig jeden Sonnenstrahl zurück, der sich einen Weg zur Erde zu erkämpfen versuchte. In dem Moment als meine Laune auf den Nullpunkt sank, lief Alec durch das Wohnzimmer und schlüpfte in seinen Regenmantel. Anfangs hatte ich ihn immer noch gefragt wohin er denn wollte, wenn er mal wieder so eilig die Wohnung verließ, doch nachdem ich stetig die gleichen distanzierten Worte zu hören bekommen hatte, hatte ich es aufgegeben. 'Zur Arbeit' hatte er immer gesagt und jedes Mal, wenn er die Wohnung verließ, bat er mich noch darum, keine Dummheiten anzustellen. Genervtes Augenrollen meinerseits war vorprogrammiert. Selbst wenn ich es gewollt hätte, könnte ich in dieser Größe unmöglich die Wohnung in Brand stecken! Ich konnte nicht genau sagen was es war, aber irgendetwas sagte mir, dass sein Grund, um mich allein zu lassen, nichts weiter war als eine billige Ausrede. Also blieb nur noch die Frage, was zum Teufel er vor mir verheimlichen wollte …? Und wenn er dann wiederkam und dabei den Eindruck machte, als hätte er im Stadtbrunnen Tauchübungen gemacht, brachte ich ihm lediglich ein frisches Handtuch und verzog mich dann wieder wortlos an meinen Platz. Es gab nur eine Sache, die ich ihm zugute halten konnte. Er war pünktlich auf die Minute, so dass ich die Uhr nach ihm stellen konnte. Wegen all dieser Gründe schwiegen wir uns nur noch an oder führten oberflächliche Konversationen. Ich seufzte auf. Diese angespannte Situation, die erdrückend schwer in der Luft hing, wollte sich auch nicht lockern. "Stell keine Dummheiten an, bis ich wiederkomme, Angel", meinte er erstaunlich weich und legte seinen Finger auf meinen Kopf. Schweigen. Schließlich drehte ich mich zu Alec um, der seinen Kragen richtete und den Haustürschlüssel an sich nahm, der auf der Kommode an der Haustür lag. Er steckte den Schlüsselbund in seine Jackentasche. Nachdenklich verschränkte ich die Arme vor der Brust und zog die Unterlippe zwischen meine Zähne. Entweder ich musste zum Optiker, weil ich dringend eine Brille benötigte oder ich hatte mir seinen Gesichtsausdruck, der plötzlich wieder sanft und freundlich war, nicht nur eingebildet. Seit diese unbekannte Frau gestorben war, hatte er mich stets leer … beinahe gequält angesehen. Als würde er unter ihrem Tod leiden. Könnte es sein, dass er sie gekannt hatte? Doch … er hätte das Unfallopfer unmöglich erkennen können, aus dem einfachen Grund, dass Alec hier gewesen war, die ganze Zeit, direkt neben mir. Oder hatte er Nachforschungen über ihre Identität angestellt, während ich in meiner Wohnung versauerte? Wieso machte er jetzt auf einmal den Eindruck, dass seine Welt jetzt wieder in den gewohnten Bahnen verlief, obwohl sie Tage zuvor noch in Trümmern gelegen hatte? Was hatte ihm seine innere Ausgeglichenheit wiedergegeben? "Wieso fragst du nicht einfach?", wollte Alec süffisant grinsend wissen, schob die Hände in die Hosentaschen und neigte den Kopf, bis er mit mir auf einer Augenhöhe war. Meine Wangen glühten. Ich hatte vergessen, dass er meine Gedanken lesen konnte. Ein gotteslästernder Fluch drang mir über die Lippen. "Scher dich doch zum Teufel!", schnauzte ich sichtlich beleidigt und zeigte ihm die Zähne wie ein streitlustiges Tier. "Von dir bekomme ich Ausschlag." Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem frechen Grinsen. "Nein, vor Sonntag lasse ich mich nicht bei ihm blicken und ein gewisser Rotton auf der Haut steht dir, Engelchen." Seine Augen schimmerten unergründlich. Einen kurzen Augenblick vergas ich doch tatsächlich zu atmen. Scharf sog ich die Luft in die Lungen und brauchte einen Moment, bis ich mir sicher war, dass ich mich nicht verhört hatte. Wollte er mich ernsthaft verarschen? "Ich muss mir gar nicht die Arbeit machen und dich auf irgendeine Art und Weise rein legen, um mich hinterher über dich lustig zu machen, das machst du schon ganz gut allein." Wütend ballte ich die Fäuste. "Hör auf immer in meinen Gedanken zu schnüffeln!" Bevor ich hätte weglaufen können, packte er mich im Nacken und hob mich hoch, als sei ich ein dreckiges Stück Wäsche. "Wie soll ich mich deiner nur abwenden können, wo mich der Gedanke an dich allein schon Nächte lang wach gehalten hat und ein kleines Lächeln deinerseits reicht, um mir das Blut in die Lenden zu treiben? Hör auf mein Ding anschwellen zu lassen, dann können wir darüber reden." Entsetzt starrte ich ihn an. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Er begann zu lachen und ich versuchte nach ihm zu schlagen. Er setzte mich wieder ab und blickte auf seine Armbanduhr, ohne meine panische Flucht zu bemerken. Ich furchte die Stirn und trat neben den Blumentopf, hinter dem ich Schutz gesucht hatte. Alec warf mir einen theatralischen Handkuss zu, dann ließ der die Haustür hinter sich leise in das Schloss fallen. Damit war ich allein. Wieder eingesperrt in meinen eigenen vier Wänden. Wie ich das hasste! Hätte er mich nicht wenigstens einmal mitnehmen können? Nein, dafür war er zu egoistisch. Ich lauschte auf seine Schritte, bis sie schließlich verstummten. Das war der Nachteil, wenn man zur Miete wohnte. Die Wände waren teilweise sehr dünn. Frustriert wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Geschehen zu, dass sich außerhalb meiner isolierten Welt abspielte. Deprimiert sah ich erneut aus dem Fenster. Alec meinte, dass er mich vor den Menschen beschützen wollte, die nicht begreifen könnten, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gab, die sie nicht verstanden. Ich schnitt eine Grimasse. Wer beschützte mich vor ihm? Ich dachte ein paar Tage zurück und das Bild seines Rückens und seines knackigen Pos erschien wieder vor meinem innerlichen Auge. Dann natürlich auch der Moment, wo ich mehr von ihm zu sehen bekam, als ich es mir in meinen wildesten Träumen jemals hätte vorstellen können. Natürlich. Nur dass du es genossen hast, ihn so ausführlich betrachten zu können. Schön, ich hatte noch ein Gewissen, auch wenn es sich den Kommentar gerade hätte verkneifen können. Der Anblick von Alec-Junior hatte meine Nerven definitiv überstrapaziert. Scheinbar hatte dieser unverschämte Mistkerl kein Schamgefühl. Oder er wertete mich, anhand meiner jetzigen Größe, nicht mehr als ganze Person. Leise fluchend spürte ich, wie der Wunsch in mir erwachte, ihm in den Hintern zu treten. Ich hatte es endgültig satt. Die ganze Situation trieb mir die Galle hoch. Ich wollte in meinen alten Körper zurück und die Zeit um zweieinhalb Jahre zurückdrehen. Flüche ausstoßend kletterte ich am Kabel der Schreibtischlampe, die Alec in die Fensterbank gestellt hatte, bis zum Boden. Tief in Gedanken versunken schlurfte ich in die Küche, tippte mit der Schuhspitze auf das Laminat und suchte nach einer Möglichkeit, um auf den Tisch zu gelangen. Ich warf einen Blick über die Schulter und betrachtete die Flügel auf meinen Rücken, die in den Farben des Regenbogens schimmerten. Bisher hatte ich es vermieden die Dinger zu benutzen, zumal ich sie anfangs gar nicht bemerkt hatte. Sie waren mir erst vor ein paar Tagen … gewachsen? Zumindest nahm ich das an. Inzwischen besaß ich eine Kiste voller Hypothesen, weil mir niemand die Fragen beantworten konnte, die mich beschäftigten. Ich schürzte die Lippen. Irgendwie waren mir diese 'Dinger' immer noch suspekt und gaben mir mehr den je das Gefühl, dass meine momentane Situation, mit jeder verstreichenden Sekunde, hoffnungsloser wurde. Ich stieß die Luft aus den Lungen und schrie angsterfüllt auf, als ein leises, unbekanntes Geräusch ertönte und mir der Boden unter den Füßen weggenommen wurde. Die Flügel trugen mich auf den Küchentisch. Reagierten die Teile auf das was ich dachte bzw. was ich wollte oder wie funktionierte das? Ich verschwendete keinen weiteren Gedanken daran und huschte zu dem Milchbrötchen, das vom Frühstück übrig geblieben war und das Alec noch nicht weggeräumt hatte. Glücklich rupfte ich Krümel aus dem Gebäck und schob mir die weiche Masse in den Mund. Ich kaute genüsslich und langsam und ließ mir jeden Bissen schmecken. Ich hatte wirklich einen Bärenhunger. *** Die Mondstrahlen ergossen sich durch das Fenster und malten ein Spiel von Licht und Schatten auf seine reglosen Züge. Alec saß breitbeinig auf dem Tisch und trocknete sich mit einem Handtuch die Haare, während sich die durchnässte Jeans und das aufgeknöpfte Hemd wie eine zweite Haut an seinen Körper schmiegten. Er wirkte so erwachsen und doch so unwiderstehlich kindlich. Entgegen seiner üblichen Gewohnheit war er erst kurz nach Mitternacht nach Hause gekommen. Für seine verspätete Rückkehr hatte er mir allerdings auch keine Erklärung gegeben. Seit er die Wohnung betreten hatte, hatte er kein einziges Wort gesagt. Etwas, das mich ehrlich überraschte. Normalerweise konnte er es gar nicht abwarten mich wieder zu ärgern und auf mir herum zu hacken. Ich lag bereits wieder in der Zigarrenkiste, die mein Bett darstellte und starrte auf das Spiel seiner Muskeln, über die sich seine sonnengebräunte, straffe Haut spannte. Das Blut rauschte laut in meinen Ohren. Ohne auf mich zu achten stand er auf und löste den Knopf am Hosenbund. Er zog den Reisverschluss runter und schob sich den Stoff über seine schmalen Hüften. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich stieß einen spitzen Schrei aus und meine Augen wurden groß. Obwohl mich die Verlegenheit dazu drängen wollte im Erdboden zu verschwinden, war ich unfähig den Blick abzuwenden, als er sich auch noch die Shorts auszog und sich meinen Augen unbekleidet anbot. Mein Gewissen lachte hämisch und wedelte mit einer weißen Fahne auf der zwei Wörter zu lesen waren. Lüsternes Stück. Splitternacht, wie Gott ihn schuf, schlüpfte er in sein Bett, zog die Decke über seine Schultern und ließ den Kopf tief in das Kissen sinken. Annähernd zwei Stunden lang konnte ich die Augen nicht von ihm abwenden. Ich kletterte aus der Kiste, um jedes Geräusch weitgehend zu vermeiden und näherte mich seinem Gesicht geräuschlos, das von dunklen Augenringen verunziert wurde. Ich hatte den Eindruck, dass er völlig übermüdet war, obwohl er stets wie ein Stein schlief. Das konnte ich zumindest für den Zeitraum beurteilen, wo er mich in seine Obhut genommen und sich um mich gekümmert hatte. Ich furchte die Stirn und war sichtlich verwirrt. Was war mit ihm los? Mein Puls raste, während ich seine perfekt geformten Lippen betrachtete, die er leicht geöffnet hielt. Ich versuchte den Gedanken, ihn küssen zu wollen, zur Ruhe zu zwingen, der sich gnadenlos Beachtung erkämpfte und wollte Alec dafür erdrosseln, dass er so umwerfend gut aussah. Selbst wenn er wie eine Ratte pennte, konnte ich mich ihm nicht entziehen. Ich knirsche ärgerlich mit den Zähnen. Ich seufzte auf und bevor ich darüber spekulieren konnte, dass ich im Begriff war etwas sehr dummes zu tun, legte ich meinen Mund auf seinen und schenkte ihm einen scheuen Kuss, obwohl er das wahrscheinlich gar nicht gespürt hatte. Immerhin trennte uns gut ein Meter einundsiebzig. Und damit glich meine Berührung wahrscheinlich der eines lästigen Insektes. Deprimiert schloss ich die Lider und schreckte zurück, nachdem er plötzlich meinen Namen murmelte und sich auf den Rücken warf. Ich hatte schon geglaubt, er wäre aufgewacht, doch seine Augen blieben geschlossen. Erleichtert atmete ich auf. Aber nach kurzer Zeit begann er sich unruhig zu bewegen und ich musste mich in Sicherheit bringen, um nicht von ihm erschlagen zu werden. Gequält verzogen sich seine vollkommenen Züge. Ich blinzelte überrumpelt. Ob er gerade etwas Furchtbares träumte? Seine Finger, die völlig unkontrolliert auf Wanderschaft gingen, zogen die Decke weg und was ich zu sehen bekam nahm mir die Luft, mit der ich meine Lungen füllte. Warum zum Teufel hatte der Typ eine Latte? Ich glaubte wie eine Sternschnuppe zu verglühen, als er stöhnend die Hand um den Teil von ihm legte, der sich vor Verlangen steil aufrichtete und sehnsüchtig auf Berührung hoffte. Beinahe grob begann er sich selbst zu streicheln. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und fühlte mich hin und her gerissen. Sollte ich mich beschämt abwenden oder ihn dabei beobachten, wie er sich selbst Befriedigung verschaffte? Ich hörte mich selbst keuchen. Ich wusste, wenn ich nicht ging würde ich das sicherlich ewig bereuen, weil sich das Zusammenleben mit Alec dann noch schwieriger gestalten würde, aber wenn ich blieb, könnte ich etwas beobachten, was mir meine Zwergengröße wahrscheinlich den Rest meines Lebens vorenthalten würde. Damit stand meine Entscheidung fest. Fortsetzung Folgt ... Kapitel 7: Hot Blood -------------------- Mit einer Gabel aus Kunststoff, die in jeder Sammlung für Barbiegeschirr zu finden war, stocherte ich in meinen Frühstück, während ich mir die Bilder der vergangenen Nacht ins Gedächtnis rief. Welcher Teufel hatte mich bloß geritten, dass ich ihn ernsthaft dabei beobachtet hatte, wie er sich … sich …? Einen Kloß bildete sich in meinem Hals. Meine Wimpern legten sich fächergleich auf meine heißen Wangen. Das Besteck verharrte reglos in der Luft und das Stück Ei, das ich gerade aufgespießt hatte, fiel auf den winzigen Teller zurück. Meine Augen öffneten sich wieder und ich starrte Gedankenverloren Löcher in die Luft. Ich hatte wirklich komplett den Verstand verloren. Seufzend sah ich auf die Zeitung, hinter der sich Alec verbarg und die neusten Schlagzeilen durchging. Mein Blick schien ein Loch in das Papier zu brennen. Mein Atem wurde schneller und ich biss die Zähne zusammen. Ich dachte an seine harte Erregung und fragte mich unwillkürlich wie es sich wohl angefühlt hätte, wenn es meine Finger gewesen wären, die ihn … ihn …? Ich hörte ein Husten und ein Röcheln und Alec wandte sich hektisch auf seinem Stuhl. Hatte er sich verschluckt? Ein unterdrücktes Kichern folgte und dann stellte er die Kaffeetasse, die er sich zuvor genommen hatte, geleert auf den Küchentisch zurück. Was war los mit ihm? Kopfschüttelnd musterte ich die Konturen meiner Hand und augenblicklich schlug mir das Herz schmerzhaft gegen die Rippen. Ein Zittern jagte durch meine Muskeln und lähmte meine Bewegungen. Wie erstarrt saß ich auf meinen Beinen. Wenn es wirklich meine Finger gewesen wären …? Mir wurde plötzlich kalt und ich zog die Jacke über, die ich ebenfalls in meinem Barbie-Kleiderschrank gefunden hatte. Memo an mich selbst: Am besten war es wahrscheinlich, wenn ich mir gleich ein Puppenhaus besorgte und mich dort einquartierte. Ich seufzte tief auf und ließ die Schultern hängen. Wortlos griff ich nach dem Geschirr, dass für diese Gummipuppen gemacht wurde und benutzte meine Flügel diesmal bewusst, damit sie mich zu der Spüle brachten. Wieder ertönte dieses leise Geräusch, das Alec dazu veranlasste aufzusehen und meine zaghaften Bewegungen zu beobachten. Beschämt kehrte ich ihm rasch den Rücken zu und stieß dabei gegen eine Mineralwasserflasche, die bedrohlich wankte, umfiel, über die Arbeitsplatte rollte und schließlich mit einem ohrenbetäubenden Geräusch auf dem Boden zersprang. Ein spitzer Schrei entfloh meinen Lippen. Mit einer anmutigen Bewegung faltete er seine morgendliche Lektüre zusammen, legte sie zur Seite und stand auf. Er nahm sich den Handfeger und das Kehrblech, bevor er in die Hocke ging, um die Scherben zusammen zu sammeln, die er meiner Unachtsamkeit verdanke. Wieso machte Alec mich auf einmal dermaßen nervös? Ich hatte ihm zugeguckt und jede seiner Bewegungen interessiert verfolgt. Niemand hatte mich gezwungen. Es war mein eigener Wille gewesen. Natürlich habe ich es nur aus rein wissenschaftlichen Gründen getan. Das versuchte ich mir zumindest die ganze Zeit über einzureden, woraufhin mich mein Gewissen spöttisch lachend eine Lügnerin nannte. Deswegen war ich zu verlegen, um ihm weiterhin unbefangen in das schöne Gesicht sehen zu können. Ich senkte den Kopf und versteckte mich hinter dem Vorhang meiner Haare. Seltsam, wie kurz die glänzenden Strähnen, seit meiner Verwandlung, geworden waren. "Tollpatsch", meinte Alec, sichtlich amüsiert und entsorgte die Scherben im Mülleimer. Er riss mich mit diesen Worten unvorbereitet aus meinen Überlegungen und ich stolperte erschrocken einen Schritt zurück. Bevor ich auf qualvolle Weise Bekanntschaft mit dem Boden des Spülbeckens schließen konnte, fing er mich auf. Ich glaubte den Schraubstock deutlich zu spüren, der sich kontinuierlich immer fester zuzog und meine Brust einspannte. Er legte den Finger unter mein Kinn, gab mir keine Fluchtmöglichkeit und zwang mich dazu ihn anzusehen. Das Blut rauschte mir laut in den Ohren und ich war mir sicher, dass ich vor Scham sterben würde. Ein freches Grinsen zuckte um seine Mundwinkel und ich konnte den rätselhaften Ausdruck in seinen Augen nicht deuten. Alec setzte mich auf seine Schulter. Wortlos räumte er seinen Teller in den Geschirrspüler und stellte die Maschine an, bevor er die Küche verließ und ins Wohnzimmer ging. Er öffnete das Fenster und hielt seine freie Hand schützend über meine winzige Gestalt, um dem Wind damit keine Gelegenheit zu bieten mich zu erfassen und davon zu wehen. Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, ließ er sich dann wie ein nasser Sack auf die Couch fallen und durch die Erschütterung verlor ich die Kontrolle über meinen Gleichgewichtssinn und rollte wie ein Kieselstein über seine Brust und landete in seinem Schoß. Nachdem mir bewusst wurde, in welcher unmöglichen Position ich mich befand und vor allem wo, kreischte ich entsetzt auf. Unbeeindruckt und scheinbar völlig gelangweilt lehnte Alec sich zurück und studierte die Decke, als gäbe es dort etwas Interessantes zu entdecken. "Was kann ich dafür, dass du dich davon magisch angezogen fühlst?", meinte er mit einem lasziven Unterton in der Stimme. Mir wich das Blut aus den Wangen und meine Augen drohten mir aus den Höhlen zu springen. Ich brauchte mehrere Lidschläge, bevor ich meine Fassung zurückerlangt hatte und ihn mit einem mörderischen Blick bedachte, der ihn aber nicht sonderlich zu stören schien. Würdevoll straffte ich die Schultern und flüchtete schnell auf seinen Oberschenkel. Ich atmete tief durch und massierte mir genervt die Schläfen, um die aufsteigenden Kopfschmerzen zu vertreiben. "Pass auf, dass dir deine unausstehliche Arroganz nicht irgendwann Mal das Genick bricht", stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und ballte unbewusst die Fäuste. "Was sollte an dir schon interessant sein?" "Oh …", kam als geistreiche Antwort und er hob eine seiner elegant geschwungenen Augenbrauen, bevor ein böswilliges Lächeln über sein Antlitz huschte. "Willst du mir etwa weiß machen es hätte dir nicht gefallen, du kleine Spannerin?" Er legte den Kopf in den Nacken und verwehrte mir damit den Blick in sein Gesicht. Also hatte er doch nicht geschlafen. Dieser hinterhältige Mistkerl! Es hätte mich aber auch ehrlich überrascht, wenn ein Mann im Stande gewesen wäre, sich im Schlaf selbst zu befriedigen. Zorn erwachte in meinem inneren und wollte sich durch einen Aufschrei Gehör verschaffen. Ich grub meine Zähne in das nachgiebige Fleisch meiner Unterlippe. Wieso hatte er nichts gesagt, wenn er doch genau gewusst hatte, dass ich die Szene beobachtet und in meinem Gehirn abgespeichert hatte? Erst jetzt war ich mir auch darüber im Klaren, warum er beinahe erstickt wäre. Er hatte wieder meine Gedanken gelesen. Ich setzte bereits an, um ihn anzuschnauzen, aber er kam mir zuvor und schnitt mir das Wort ab. "Klar, oder meinst du, dass ich noch einen Job bräuchte, wenn sich meine Hände nachts selbstständig machen könnten?" Warum tat er mir nicht einfach den Gefallen und fiel auf der Stelle tot um? "Vielleicht, weil ich in meinem Leben noch ein wenig mehr erleben und herausfinden wollte, zum Beispiel wie du erwachsen wirst?" Jetzt hatte er das Fass zum überlaufen gebracht. "Was kann ich dafür, wenn du ein widerlicher, notgeiler Bock bist, der sein Hirn in der Hose trägt und nichts Besseres zu tun hat, als sich dabei beobachten zu lassen, wie er sich einen runter holt?" Ich blitzte ihn vernichtend an. "Wahrscheinlich hat dich das auch noch geil gemacht!" Ich benutzte meine, noch immer gewöhnungsbedürftigen, Flügel und im nächsten Augenblick musste Alec einige seiner Haare einbüßen, als ich an den glänzenden Strähnen zu zerren begann und ihn einige ausriss. "Bist du bald fertig?", fragte er gelangweilt und gähnte leise, als würde ihn meine Attacke nicht weiter belästigen, als wenn ich versucht hätte ihn mit einem Zahnstocher zu erstechen. Er knackte provokativ mit den Halswirbeln. Ich wurde noch wütender und trieb ihm meine Fingernägel in die Kopfhaut. Er zuckte kurz zusammen, aber jede weitere Reaktion blieb aus. Eingeschnappt verschränkte ich die Arme vor der Brust und ließ mich wieder auf seiner Schulter nieder. Alec seufzte auf. "Was willst du eigentlich von mir?", fragte er genervt. Ich ging nicht darauf ein und sprach schneller als ich denken konnte. "Die Mädels müssen ja alle blind sein, oder ziehst du dir vorher eine Papiertüte über den Kopf? Und nur damit du es weißt, das Mittelalter ist vorbei." Ein Seitenhieb gegen seine männliche Ehre und sein zuvor makelloses Auftreten, das mich von einer Zeit träumen ließ, in der Männer perfekte Gentleman waren. Alec war allerdings völlig unbeeindruckt, packte mich am Rücken meiner Jacke und zupfte mich von seinem Körper, als sei ich nichts mehr als ein lästiger Fussel. Er hielt mich an zwei Fingern vor sein Gesicht und er begann zu Schmunzeln, was seine Miene aufhellte und dafür sorgte, dass mein Herz ins stolpern geriet. "Du verstehst das falsch, die Mädels sind nicht blind, sie erkennen nur wann sie vor einem Gott stehen", meinte er leise lachend und ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. "Und das Mittelalter bewahrt jeder von uns im Herzen, denn es hat uns geprägt." Ich schnitt eine Grimasse. Größenwahn ließ eindeutig grüßen. Er ließ mich los und ich fiel auf seine Hand. Um ihn nicht merken zu lassen, wie sehr mich sein warmes Lächeln aus der Fassung gebracht hatte, hob ich stolz das Kinn und flog wortlos davon. Jede Erwiderung hätte mich verraten und mein Schweigen tat sein übriges. Ich wollte in das Schlafzimmer und mich unter meiner Decke verstecken. Zu meinem Leidwesen hatte ich vergessen, dass die Tür geschlossen war, weshalb ich gegen das unnachgiebige Holz prahlte. Tränen schossen mir in die Augen. Aber bevor ich schmerzhaft auf dem Boden aufprallen konnte, war Alec bereits aufgesprungen und hatte mich aufgefangen. *** "Wie lange willst du noch Schweigen?", fragte Alec und kniete vor der Zigarrenkiste nieder, in der ich lag. "Soll ich die Leute vom Guinnessbuch der Rekorde anrufen?" Ich blieb stur und sagte weiterhin kein einziges Wort. Wieso ging er nicht einfach und ließ mich in Ruhe? Schon seit zwei Stunden musste ich mich mit seiner unerträglichen Nähe rumärgern. Ich drehte mich auf die Seite und schloss die Augen. Er konnte meine Gedanken lesen, dann müsste er doch eigentlich begreifen, dass er unerwünscht war. Leise seufzend zog ich mir die Decke über den Kopf und versuchte seine Anwesenheit auszublenden, was sich jedoch als schwierig erwies. "Du hast dir eine schlimme Beule zugezogen", meinte er weich und brachte mich mit seiner Tonlage dazu, dass ich ihn wieder ansah. "Leider hast du keine Eiswürfel in deiner Größe im Gefrierfach." Er hockte vor dem Bett auf dem Teppich. Er hatte die Beine angezogen und die Finger hinter den Knien verschränkt, während er mit den Rücken zu mir saß. Sein unwiderstehlicher Geruch drang mir in die Nase und streichelte aufreizend meine Sinne. Jede Faser meines Körpers sehnte sich nach seiner Wärme. Dieses Gefühl war mir fremd und darum machte es mir Angst. "Glaubst du etwa, du wärst die einzige die so empfindet?", fragte er und klang dabei Gedankenverloren, als würde er mit sich selbst reden. Ich verstand nicht, was er meinte und versuchte vergeblich den Sinn hinter seinen Worten zu begreifen. Ich strich mir mit den Fingern durch die Haare und mir fiel auf, dass sein Blick seltsam leer war und dass er diesen stur auf die Wand gerichtet hielt. Überrascht musste ich feststellen, dass er nicht einmal bemerkte, wie ich mich neben ihn den Teppich setzte, nachdem ich aufgestanden war. Was beschäftigte ihn wohl gerade, dass er in seine Grübeleien versank und nichts mehr wahrzunehmen schien, was um ihn herum passierte? Schade, dass ich nicht in seinen Kopf sehen konnte. Ich ließ die Beine in der Luft baumeln und betrachtete sein attraktives Profil. Meine Wangen glühten. Alec war rätselhafter als eine sternenlose Nacht und schöner als der Sonnenaufgang. Ich senkte die Lider und starrte auf meine Hände. Meine Zähne gruben sich in meine Fingerkuppe, während ich ihn peinlich berührt betrachtete und zu verstehen versuchte, warum ich mich von seinem Anblick nicht losreißen konnte. Er wandte mir plötzlich das Gesicht zu und lächelte fast liebevoll. Einen kurzen Augenblick war ich verwirrt. Doch nachdem mir bewusst wurde, dass er mich gerade dabei erwischte hatte, wie ich ihn angaffte, wurde mir unerträglich heiß und ich fächelte mir mit der Hand verlegen Luft zu. Mein lachen klang für meinen Geschmack eine spur zu sexy. Ich schreckte zurück, als er sich mir unvermittelt näherte und spürte nur, wie er seine Hand an meinen Rücken legte und mir damit jegliche Fluchtmöglichkeit nahm. Aus großen Augen starrte ich ihn an und bevor ich wusste, was er vorhatte, drückte er seinen Mund seitlich auf meine winzige Gestalt und ich war einem Herzinfarkt gefährlich nahe. Was zum Teufel war das gewesen? "Ein Kuss", sagte er, als bedeute es ihm gar nichts, dass er sich mir gerade genähert hatte. Natürlich war ihm das egal, auch ich war nur eines dieser Mädchen, die er wahrscheinlich Massenweise haben konnte. Aber ich war keines dieser billigen Flittchen. Und trotzdem schmerzte diese Erkenntnis unerklärlicherweise. "Verschwinde, du Arschloch!", herrschte ich ihn ungehalten an. Alec zuckte die Schultern, stand auf und knallte die Tür hinter sich in das Schloss, dass der Putz von der Decke bröckelte. War er jetzt sauer? Nein, bestimmt nicht. Aber hundertprozentig sicher war ich mir da nicht. Fortsetzung Folgt ... Kapitel 8: The beauty of your soul ---------------------------------- Stundenlang hatte ich Alec darum angebettelt, dass ich ihn begleiten dürfte. Ich wollte nicht länger in meiner Wohnung versauern und die Stunden zählen, die sich wie Kaugummi dahinzogen. Ich konnte nicht länger vor einem Fenster hocken und die unleugbare Tatsache Willenlos hinnehmen, dass ich fortan in einer isolierten Welt leben musste, weil die Menschen nicht begreifen würden, was mit mir passiert war. Ich verstand es ja selbst nicht. Wie könnte ich es dann von anderen erwarten? Er hatte bis jetzt kein einziges Wort zu mir gesagt und hüllte sich weiterhin in den sprichwörtlichen Mantel des Schweigens. Scheinbar hatte er beschlossen mich weiterhin mit Ignoranz zu strafen, bis er sich schließlich irgendwann wieder daran erinnern würde, dass er mein einziger Gesprächspartner war und ich niemanden außer ihm hatte. Ja, ich war allein. Nur er stand mir nahe. Er war der einzige auf der ganzen Welt, dem ich noch vertrauen konnte. Resigniert seufzte ich auf. Er konnte wirklich nachtragend sein, denn seit unserem Streit waren inzwischen mehrere Tage vergangen. Alec hatte meine Bitte weder abgelehnt noch zugestimmt. Doch schließlich hatte er mich wortlos in den Kraken seines T-Shirts geschoben; und nun versteckte ich mich dort, als er teilnahmslos durch die Fußgängerzone ging und die Hände dabei in den Hosentaschen hatte. Ich spürte, wie unbeschreibliche Erleichterung meinen Körper durchzuckte und ich endlich das Gefühl hatte, wieder Luft holen zu können. Mit Worten könnte ich einfach nicht beschreiben, was es für mich bedeutete, dass ich meinem gläsernen Gefängnis endlich entkommen konnte. Wenn ich weiterhin eingesperrt gewesen wäre, dann hätte es nicht mehr lange gedauert und ich wäre Amok gelaufen. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Unweigerlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Alec plötzlich stehen blieb und ich ein Schild im Rasen entdeckte, das mich darauf hinwies, dass er geradewegs in den Park zu gehen beabsichtige. Ich neigte den Kopf geistesabwesend zur Seite. Musste er heute nicht arbeiten? Scheinbar steuerte er ein bestimmtes Ziel an, denn seine Schritte waren zielstrebig. In seinen Bewegungen gab es keinerlei Anzeichen für ein Zögern. Wohin wollte er also? Bevor ich dazu kam, irgendwelche Hypothesen aufzustellen, setzte er mich auf dem Ast eines Baumes ab und ließ mich allein, so dass ich mich schon zu fragen begann, ob er mich aussetzen wollte wie ein unerwünschtes Katzenbaby. Wütend ballte ich die Fäuste und beobachtete ihn dabei, wie er um eine Häuserecke bog. Ich hatte gedacht, dass er sich gerade einen Scherz erlaubt hatte und darum war das Entsetzen umso größer, als er aus meinem Sichtfeld verschwand und nicht wieder kam. Fassungslos starrte ich auf den Punkt, wo er noch vor wenigen Sekunden gestanden hatte. Ich wollte ihm hinterher fliegen, musste jedoch feststellen, dass die Beine unter mir weg zu knicken drohten. Meine Flügel gehorchten mir nicht. Tiefe Verzweiflung wallte in mir auf, gemischt mit einer Spur von Furcht. Die Kehle schnürte sich mir zunehmend enger und ich hoffte, dass das alles nur ein schlechter Traum war. Alec konnte mich nicht einfach hier zurück lassen … Aber er kam und kam nicht wieder, obwohl ich fast eine Stunde lang wartete, zwischen Hoffnung und Enttäuschung hin und her gerissen. Mein Herz schlug schneller und der Schmerz des Verlustes war schier unerträglich. Wie konnte er mir das nur antun? Na schön. Wenn er meinte mich als kleine, hilflose Elfe irgendwo auszusetzen, dann würde er schon sehen, was er davon hatte. Ich würde mich super alleine zu Recht finden, der sollte ja nicht glauben, dass ich hier blieb und auf ihn warten würde … Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass die Tränen flossen. Ein Finger strich mir vorsichtig über die nassen Wangen. Vorsichtig hob ich den Kopf und sah in seine schönen Augen. Niemals zuvor war ich so unendlich froh gewesen, dass Alec wieder da war. Seine distanzierte Miene begann zu bröckeln und seine seidenweiche Stimme erklang. "Warum, Angel?", fragte er sanft. Ich verstand auf anhieb und nahm das Stück Taschentuch entgegen, dass er von einem größeren abgerissen hatte. "Ich dachte, dass du mich hier zurücklässt", gestand ich schüchtern und ich kam mir plötzlich sehr dumm und einfältig vor. "Ich dachte, dass du mich …" Sein Blick drückte Reue aus und ihm wich das Blut aus dem Gesicht. "Nein … das …" Ihm schienen die Worte zu fehlen und er rang beinahe hilflos die Hände. "Das darfst du nie wieder denken. Wenn du nicht mehr bei mir wärst, dann würde ich sterben." Seine Worte klangen aufrichtig und gaben mir keinen Grund um seine Glaubwürdigkeit infrage zu stellen. Alec jedoch schien verzweifelt zu sein. Warum? Etwa weil ich ihm misstraut hatte? Weil ich ihm etwas zugetraut hatte, dass er niemals tun würde? Oder gab es eine andere Erklärung für den mutlosen Ausdruck in seinem Gesicht? Etwas, dass ich nicht verstand. Zumindest noch nicht … Ich wartete darauf, dass er etwas hinzufügen würde, dass mir Aufschluss über die Situation geben würde, aber er sagte nichts mehr. Er schwieg, setzte mich auf seine Schulter und zog etwas aus seiner Hosentasche, dass einem Autoschlüssel verdächtig ähnlich war. Ich hörte ein 'Klack' und blinzelte überrascht, sobald mir klar wurde, dass das Geräusch von der Zentralverriegelung des schwarze Jaguar XJR kam, auf den Alec direkt zuging und der unter dem Blätterdach einer Eiche stand. Er hatte mir nie erzählt, dass er einen Wagen besaß. Alec öffnete die Tür und setzte mich auf den Beifahrersitz, bevor er das Fahrzeug umrundete und selbst einstieg. Der Motor erwachte brüllend zum Leben und das Auto kreiselte fachmännisch auf den Parkplatz herum, nachdem er den Gang einlegte und losfuhr. Meinen Lippen entfloh ein Schrei, als das Gefährt raketenartig über die Straße jagte. Durch die ruckartige Beschleunigung wurde ich in den Sitz geschleuderte und wäre froh gewesen, wenn es auch für meine Größe einen Sicherheitsgurt gegeben hätte. In diesem Moment klingelte das tragbare Telefon, das neben mir lag. "Jemand versucht dich anzurufen", informierte ich den Fahrer und las mir den Namen durch, der auf dem Display stand. Er riss das Handy beinahe ungeduldig aus meiner Reichweite und warf es teilnahmslos auf den Rücksitz, weshalb ich mich fragte, warum er plötzlich so angepisst reagierte. Ich erwartete eine Erklärung, wurde jedoch auch diesmal mit Ignoranz gestraft und ein abfälliges Schnaufen verließ meine Lungen. Die Arme vor der Brust verschränkt, starrte ich wütend vor mich hin. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie er in den sechsten Gang hochschaltete und er irgendein unverständliches Gemurmel von sich gab. Der Tonlage nach würde er mir wohl liebend gern den Hals umdrehen. "Wohin fahren wir eigentlich, Alec?", fragte ich brummelnd. Er sah mich nicht an. "Urlaub", war seine einsilbige Antwort und verfiel dann wieder in seine Wortkargheit. Ich war mir sicher, dass er log. Außerdem klang das für mich wie 'Ich finde du bist reif für die Insel'. Skeptisch hob ich die Augenbrauen, doch ich sagte nichts weiter dazu. Ungefähr fünfzehn Minuten später drosselte er das Tempo der Limousine, bis er schließlich anhielt und mit unirdischer und geisterhafter Eleganz ausstieg. Ich blinzelte überrascht, bevor ich durch die offene Fahrertür kletterte und ihm in die Nacht hinaus folgte. Ich hatte gar nicht bewusst wahr genommen, das sich der Himmel verdunkelt hatte und die Sonne unter gegangen war. In letzter Zeit entging mir vieles. Woran lag das bloß? Das sanfte Plätschern von Wellen drang an meine Ohren und der noch immer warme Wind umschmeichelte meine bloße Haut. Ich konnte das Wasser riechen und Lichter sehen, die jenseits des Sees aufleuchteten. "Alec?" Er kniete neben einem Pfahl, seine schlanken, zartgliedrigen Finger umschlossen ein Stück Seil und lockerten den Knoten. Schweigend ging ich neben ihm in die Knie. Er band ein Motorboot los, das vor Anker lag und das Herz rutschte mir in die Hose. Alec hatte doch nicht ernsthaft vor mit dem Ding über das Wasser zu schippern, oder doch? Ein Blick in sein Gesicht und meine schlimmsten Vermutungen wurden wahr. Der Horror saß mir im Nacken. Seine Bewegungen waren gewandt und perfekt bis ins kleinste Detail. Plötzlich befahl er recht grob: "Los steig ein." Ich trat einen Schritt zurück und schob abwehrend die Hände. "Das Ding erweckt weniger Vertrauen als die Panzerknacker in Dagoberts Geldspeicher." Er sah mich kurz ungläubig an, dann stieß er mich unsanft über die Kante hinweg und ich fiel hart in das Boot, das mit den sanften Wellen kämpfte und gegen den Anlegesteg schlug. Noch während ich dem Holz entgegen stürzte, schrie ich mir die Seele aus dem Leib. Nur meine Flügel verhinderten, dass ich eine allzu liebenswürdige Bekanntschaft mit der löchrigen Nussschale schloss. "Scheiße!", fluchte ich zornig. "Hast du ein Rad ab?" Er grinste mich von oben herab diabolisch an. "Du wirst es überleben." Auf einmal war er neben mir und ich begann mich zu fragen, ob ich kurzzeitig ein Blackout gehabt hatte. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern, dass er überhaupt in dieses wackelige Stück Sperrmüll gestiegen war. "Du bist einfach nur völlig übermüdet", beantwortete er meine Gedanken. Elegant und anmutig wie ein Panter, zog er an der Reißleine des Motors aber zunächst tat sich gar nichts. Er beugte sich vor und überprüfte die Tankanzeige, die auf voll stand. Alec klopfte leicht auf das Blech und das Triebwerk sprang an. Geschickt lenkte er das Motorboot über den See. Sekunden später übermannte mich die Müdigkeit und ich fiel in einen unruhigen Schlaf. *** Als ich die Augen wieder öffnete, schlich sich ein Sonnenstrahl über meine schlafwarme Wange und ich hob den Arm, um das unerwünschte Licht auszusperren. Murrend drehte ich mich auf dem Kissen auf die Seite und als ich das tat, starrte ich in große, grüne Pupillen, die mich genau fixierten. Ich wurde blass. Erschrocken und einem hysterischen Anfall gefährlich nahe, sprang ich auf und war vor Entsetzen wie gelähmt. Ein buschiger Schwanz schlug von einer Seite auf die anderen und wenn er die Decke erwischte, ertönte ein dumpfer Laut und ich bekam eine Gänsehaut. Ein Muskel in meiner Wange zuckte und zunächst war ich mir nicht sicher, ob mir meine Fantasie einen Streich spielte. Doch als ein hungriges Miauen erklang und das Vieh in Angriffsstellung ging, wusste ich, dass ich verschwinden sollte, solange mir noch genügend Zeit dazu blieb. Als ich einen Schritt zurücktrat, machte die Katze einen auf mich zu und ließ mich dabei keine Sekunde aus den Augen. Mein Blick wanderte panisch umher, streifte den Tisch und die Stühle, die in der Mitte des Raumes standen, registrierten die Kommode an der Seite - und eine geschlossene Tür auf der anderen. Ich hatte keine Ahnung wo ich war, aber das interessierte mich in diesem Moment herzlich wenig. Was für mich um einiges relevanter war, war die Tatsache, dass ich von einer Bestie verfolgt wurde und keinen Schimmer hatte, wie ich hier lebend raus kommen sollte. Von Alec brauchte ich mir keine Hilfe erwarten. Dieser Sack hatte sich verdrückt, wie mir die leere im Zimmer bewies. Wütend stieß ich einen gotteslästernden Fluch aus. Zu weiteren Überlegungen kam ich nicht mehr, denn dieses fette Teil sprang auf mich zu und ich verlor das Gleichgewicht, als ich auszuweichen versuchte. Unsanft landete ich auf den Boden und war mir sicher, dass ich eine Gehirnerschütterung hatte und in dem Moment, in dem ich jammern und heulen wollte, hörte ich bereits, wie sich mir jemand näherte, langsam und schleichend. Warum hatte ich eigentlich meine Flügel nicht benutzt? Weil ich vergessen hatte, dass ich welche besaß. Wie blöd musste man sein? Ich wollte mich gerade selbst ausschimpfen, entschloss mich jedoch dazu, dass ich das auf später verschieben würde und rappelte mich stattdessen auf meine Füße auf, um die Flucht anzutreten. Schreiend lief ich vor der lauernden Gefahr davon, die bei ihrer Verfolgungsjagd, die sich über Tische und andere Möbelstücke erstreckte, alles umriss, dass sich ihr in den weg stellte. Jeder Gegenstand der aus Glas oder Porzellan bestand und aus großer Höhe geräuschvoll auf dem Fließenfußboden landete, zersprang in seine Einzelteile. Ich schmecke doch gar nicht! Ich sehe einer Ratte nicht Mal ansatzweise ähnlich! Die Tränen liefen mir in Strömen über die Wangen, als ich meine Flügel dann doch benutzte und mich an den Vorhängen festkrallte, um zumindest einen kurzen Augenblick verschnaufen zu können, aber mein Jäger gab keine ruhe. Fest darauf aus seine Beute zu erwischen, versuchte dieser Flohzirkus hochzuspringen und mit seinen Pfoten nach mir zu schlagen. Ich kniff die Lider fest zusammen und redete mir krampfhaft ein, dass ich nur einen weiteren meiner geschmacklosen Albträume hatte. In Gedanken verfasste ich gerade mein Testament, als sich die Tür öffnete. Vorsichtig sah ich dem eintretenden entgegen. Dieser Freddy Krüger für arme schrie auf, als ihm ein Fuß auf den Schwanz trat und als er den harten Gesichtsausdruck von Alec bemerkte, suchte er in einer Geschwindigkeit das weite, das ich Spekulationen darüber anstellte, ob er einen Hyperantrieb besaß. Er wandte sich ab, bevor ich mich bedanken konnte und murmelte nur irgendetwas, dass sich nach "Mutiert das zum Fulltimejob auf deinen Arsch aufzupassen?" anhörte. Ich blinzelte überrascht und ließ den Stoff los, in den sich meine Hände verkrampft hatten. "Bekomme ich eigentlich Provision dafür, wenn ich dich rette?" War er etwa noch immer sauer? Ich dachte, das hätte sich inzwischen gelegt, aber ich hatte mich wohl getäuscht. Kopfschüttelnd schwebte ich in der Luft und beobachtete Alec dabei, wie er sich auf das Bett legte, die Hände hinterm Kopf verschränkte und an die Decke starrte. Und während ich ihn betrachtete und seufzend überlegte, wie ich diese angespannte Situation lockern könnte, hatte ich plötzlich das Gefühl den Jungen mit den roten Haaren und schwarzen Flügeln anzugucken, den ich nur ein einziges Mal gesehen hatte. Während des Unfalls. Ich blinzelte überrascht und schmeckte Blut. Scheinbar hatte ich mir die Lippe kaputt gebissen. Es kümmerte mich nicht, denn der Gedanke an in, ließ mich nicht los. Ich musste herausfinden, was es mit diesem Kerl auf sich hatte und ob Alec irgendetwas mit ihm zu tun hatte. Das würde auch seinen Blick an jenem Tag erklären, als ich ihn nach den Typen gefragt hatte. Fortsetzung Folgt ... Kapitel 9: Please, look at me ----------------------------- Freitag der dreizehnte. Der so genannte Blutmond stand hoch am Himmel. Sein rotes Licht, das er unheilverkündend über die Dächer der Stadt warf, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Wie er dort zu sehen war, so ruhig und friedlich, erinnerte er mich an einen unheimlichen Wächter, an den Vorboten für die vier Reiter der Apokalypse. Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper und zog die Knie eng an meine Brust, als könnte mich diese Haltung vor den Dämonen schützen, vor denen ich mich an diesem Tag fürchtete. Um diese Erscheinung, die nur selten eintrat, rankten sich viele Gerüchte. Ich war nicht abergläubisch. Doch die Fakten sprachen für sich. Seit Jahrhunderten galt der "Blutmond" als böses Omen. Bote von Unglück und Missgeschick. Größenteils ereigneten sich an diesem Tag Unfälle und Selbstmorde. Meistens Dinge, die in Zeitungen häufig zur Sprache gebracht wurden, weil Reporter für die neueste Sensation ihre eigene Mutter verkaufen würden. Diese düsteren Gedanken verdrängend, drehte ich mich um und kehrte dem Grund meiner Unruhe den Rücken zu. Aber dieses Phänomen zog mich magisch an. Über die Schulter hinweg starrte ich, unter halbgeschlossenen Lidern, aus dem Fenster, wog mich selbst hin und her und versuchte mir die Angst nicht anmerken zu lassen, die mich quälte. Schon den ganzen Tag über spürte ich ein seltsames Kribbeln, das sich hartnäckig in meine Muskeln festgesetzt hatte. Meine Haut brannte, als stünde ich in Flammen. Ich musste mich beherrschen, um nicht jede freie Minute damit zu verbringen, mich selbst zu kratzen. Memo an mich selbst: Herausfinden ob ich Flöhe hatte, die ich dieser verdammten Nachbarskatze verdankte. Innerlich verfluchte ich dieses Mistvieh. Wenn ich ein Auto hätte, ich würde dieses Drecksvieh erbarmungslos überfahren. Leise seufzend sah ich zu Alec, der auf der Couch saß und mit gelangweiltem Blick durch das Fernsehprogramm zappte. Wie lange wollte er seinen Arsch in diesem Ferienhaus noch plattsitzen? Schließlich schaltete er den Fernseher aus und warf die Fernbedienung auf den Stubentisch. Kurz wendete er mir sein attraktives Gesicht zu und seine Lippen verzogen sich zu einem frechen Grinsen, das mein Herz Purzelbäume schlug. Seine wunderschönen Augen durchstachen die Dunkelheit und reflektierten das Licht des Mondes, welches sich durch das Fenster ergoss, wie flüssige Meeresopale. Die Farbe meiner Wangen hätte jede reife Kirsche vor Neid erblassen lassen. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, schüttelte den Kopf und verließ den Raum, ohne ein Wort zu verlieren. Mein Blick verfolgte seine Schritte, bis er aus der Tür war, erst dann erhob ich mich auf meine zitternden Beine und benutzte meine Flügel, damit sie mich zu dem Sessel brachten, der an der Wand stand. Seit unserem Streit vor ein paar Tagen hatten wir kaum ein Wort miteinander gewechselt. Alec ging mir aus dem weg und selbst wenn er in meinen Gedanken schnüffeln würde und dort etwas finden könnte, um mich aufziehen, hielt er komischerweise den Mund. Wenn er mit mir redete, dann aus purer Höflichkeit und auch nur das notwendigste. Wieso fand ich das so deprimierend? Eigentlich könnte ich doch froh darüber sein, dass ich meine Ruhe hatte. Trotzdem spürte ich genau, dass es mich um den Verstand brachte, wenn ich seine samtweiche Stimme nicht hörte und sein rätselhafter Blick nicht auf mir lag. Ich wollte ihn wieder lächeln sehen. Dieses hinreißende und gleichzeitig so freche Grinsen, wenn er sich über mich lustig machte. Ich riss mir an den Haaren, um mich davon zu überzeugen, dass ich in keinem schlechten Albtraum gefangen war und zuckte zusammen, sobald ich den Schmerz fühlte, der mir von der Kopfhaut direkt in das Gehirn schoss. Tränen traten mir in die Augen und flossen über meine Wangen. Keinen Tag länger konnte ich seine Anwesenheit ertragen ohne, dass er sich mir näherte. Egal auf welche Art und Weise. Ich stieß die Luft aus meinen Lungen und legte mich auf den Bauch. Ruckartig schreckte ich hoch, sobald ich die dichten Schwaden heißen Dampfes bemerkte, die das Wohnzimmer zunehmend zu füllen begannen. Ich wäre wohl davon ausgegangen, dass etwas in diesem Haus Feuer gefangen hatte, doch die Nässe, die meine Haut benetzte, sagte mir deutlich, dass Alec aus dem Badezimmer gekommen war und dieser Trottel vergessen hatte die Tür zu schließen. Scheinbar musste ich ihn wieder einmal darauf hinweisen, dass er das Fenster öffnen sollte, nach dem Duschen, aber in der Sekunde stand besagte Person bereits vor mir. Er sah mich an, mit diesem undurchschaubaren Blick, der alles zu wissen und verstehen schien. Die feuchten Strähnen hingen ihm im Gesicht. Dieser Ausdruck, der mir genauso fehlte wie die Luft zum atmen. Erschrocken riss ich die Augen auf, sobald ich bemerkte, dass nur ein Badetuch seine Hüften abwärts bedeckte und dass der Knoten, der die beiden Enden des Stoffes zusammenhielt, sich langsam aber sicher zu lösen begann. Ich wollte ihn noch darauf hinweisen, aber bevor ich meine Stimme wiedergefunden hatte, reagierte Alec rechtzeitig und verhinderte, dass er, in der nächsten Sekunde, nackt vor mir stand. Diese Tatsache schien ihn auch nicht im Geringsten zu interessieren, denn sein Gesicht blieb reglos, als wäre er jeder Emotion beraubt worden. "Ich will, dass du heute Nacht bei mir schläfst", sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und riss mich damit aus meinen Überlegungen. Entsetzt starrte ich ihn an und war mir im ersten Moment sicher, ob ich ihn nicht richtig verstanden hatte. Alec hatte nicht das gesagt, was ich gehört zu haben glaubte, oder doch? Ratlos schüttelte ich den Kopf, aber er beantwortete auch meine Gedanken nicht. Bevor ich meine Überlegungen weiter ausführen konnte, packte er mich an den Flügeln, hob mich auf seine Hand und verließ mit mir zusammen die Stube. Im Schlafzimmer setzte er mich auf dem Nachttisch ab und obwohl noch immer tiefe Dunkelheit über diesem Ort lag, die nur von dem Licht des Blutmondes durchbrochen wurde, nahm er mir meine Klamotten weg, ohne auf irgendeine Zustimmung zu warten. Wütend blitzte ich ihn an, kam jedoch nicht dazu ihm irgendwelche Schimpfwörter an den Kopf zu schmeißen, denn schon verfrachtete er mich auf das Kopfkissen und deckte mich mit einem Taschentuch zu, bevor auch er sich in das Bett legte. Ich drehte mich zu ihm um und lauschte seinem regelmäßigen Atem. Alec war schön und erinnerte mich an einen Engel, wie ich ihn auf Zeichnungen in einem Buch gesehen hatte. Erst nachdem ich mir sicher war, dass er in das Reich der Träume geglitten war, ergab auch ich mich dem Schlaf. *** Wärme. So unbeschreiblich schön. Menschliche Nähe. Etwas, wonach sich mein einsames Herz so lange gesehnt hatte. So geborgen hatte ich mich nicht mehr gefühlt seit … ja, wann hatte ich eigentlich aufgehört mich sicher zu fühlen? Meine Hand legte sich in seinen Nacken und wanderte höher, schob sich in sein seidiges Haar und ich zog seinen Kopf zu mir runter, damit sich seine fein geschnittenen Lippen auf meine legten. Ein Stöhnen suchte sich seinen Weg aus meinen Mund und er zog mich in einen alles verzehrenden Zungenkuss, dem ich mich nicht entziehen konnte und wollte. Gierig erwiderte ich seine Liebkosung und kam ihm entgegen. Ich öffnete meine Lider und sah die schwarzen Flügel, die mich umgaben, meinen Körper einhüllten und mir das Gefühl vermittelten, dass sie jegliche neugierigen Blicke aussperren wollten, die mein Tun hätten beobachten könnten. Roten Strähnen hingen mir im Gesicht und ich stutzte, nicht begreifend, wem sie gehörten und als ich schließlich einen Blick riskierte, um herauszufinden, wer das Feuer in meinen Adern entfacht hatte, setzte mein Herz einen Schlag aus. Meine Hände legten sich auf seine Schultern und schreiend wand ich mich aus seiner Umarmung. Entsetzt rutschte ich mit dem Hintern über das Bett und prallte mit dem Rücken gegen die Wand, während ich diese Erscheinung fassungslos anstarrte. Wie zum Teufel kam der hier her und warum wagte er es mich zu berühren? Wieso Träumte ich überhaupt von dem Kerl? Schweigend sahen wir einander an und diese Stille wirkte genauso undurchdringbar wie die Dunkelheit, die im Schlafzimmer dominierte. Auf Händen und Knien kam er auf mich zugekrochen und ich versuchte weiter vor ihm zurückzuweichen, bis ich schließlich einsah, dass ich keine Fluchtmöglichkeit hatte. Dass er mir keine gab. Seine flammenden Augen schienen bis auf den Grund meiner Seele sehen zu können und der Ausdruck in seinen makellosen Zügen trieb mir das Blut heiß in die Wangen. Er umfasste mein Gesicht und presste seinen Mund wieder auf meinen. Instinktiv hob ich den Arm und wollte ihn wegstoßen. "Nicht", flüsterte er heiser, und ich ließ ihn gewähren. Grenzenlose Verwirrung beherrschte mich und hinderte mich daran, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. In den nächsten Momenten gab es nichts außer den schnellen Schläge seines Herzens unter meinen Fingern und die ebenso rasenden meines eigenen. Ein seltsames Schwindelgefühl ergriff von mir Besitz. Und dann war der Kuss beendet und ich wollte schon protestieren, aber bevor ich dazu kam, stellte er mir eine Frage. "Schmecke ich wie der Teufel, Tracy?" Das klang in meinen Ohren völlig absurd. Stumm schüttelte ich den Kopf, als hätte er mir die Fähigkeit zu sprechen genommen. Nein, dache ich, während ich ihn weiterhin verdutzt ansah. Er schmeckte nicht wie der Teufel. Er schmeckte vertraut und bekannt. Mit den Fingerspitzen zeichnete er die Konturen meiner kleinen Brüste nach, so dass ich scharf die Luft einsog und nicht wusste, ob ich es erlauben oder verbieten sollte. Überrascht blinzelt drang die erschreckende Erkenntnis in mein Bewusstsein, dass ich meine normale Größe wiederhatte. Wann war das eigentlich passiert und vor allem wie? Und warum war ich völlig nackt? Wieso hatte ich das zuvor nicht bemerkt? Der Fremde senkte seine Lippen auf meinen Busen und umschloss mit diesen die Spitzen, unterbrach meine Überlegungen und brachte mich dazu, dass ich mich ihm vor Verlangen entgegen drängte. Mein eigener Körper verriet mich und das ließ mich einen Schwall von Flüchen ausstoßen, die ihn nicht sonderlich zu stören schienen. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass ich wohl keinerlei Erfahrung hatte, denn ich ballte die Fäuste und ein Frösteln lähmte meine Muskeln. Ich hatte Angst, aber nicht vor ihm, sondern vor dem was er vorhatte. Ich wusste nichts von Verführung, von Leidenschaft, die ihren Ausdruck sowohl in Zärtlichkeit als auch Wollust finden konnten. Er weckte anscheinend beides in mir, den ich fühlte, wie ich feucht wurde. Sanft reihte er eine Kette aus kleinen Küssen quer über mein Dekolleté aneinander. "Berühr mich", bat er rau. Mir lief ein heißer Schauer über den Rücken und nur zögernd kam ich seiner Aufforderung nach, nicht Willens, mir diese Gelegenheit entgegen zu lassen. Dabei hatte ich vor einer Sekunde noch unter Schock gestanden. Meine Finger gehorchten mir nicht, obwohl ich mich zur Ruhe zwang. Das Zittern wollte einfach nicht aufhören. Langsam erkundete ich seine glatte Brust und strich über die Muskeln, die seinen ganzen, durchtrainierten Körper bedeckten. An seinen Seiten erfühlte ich seine Rippen und die Hüftknochen. Mein Blick wanderte zwischen seine Beine und meine Hand folgte den Augen. Als ich ihn anfasste hörte ich ihn nach Luft schnappen. Neugierig geworden maß ich seine Größe und musste überrascht feststellen, dass er den Abstand zwischen Handwurzel und der Spitze des Mittelfingers mühelos überwand. "Du bist sehr groß", flüsterte ich gleichermaßen beeindruckt wie ängstlich. Er lachte. "Finde ich damit deine Zustimmung?" Ich blinzelte überrascht. "Habe ich etwas Törichtes gesagt?" "Nein." Er küsste mich wieder, um ein vielfaches betörender als zuvor und ich legte stöhnend meine Arme um seinen Nacken. "Ich möchte wissen wie es sich anfühlt, in dir zu sein", flüsterte er rau. Ich kannte seinen Namen nicht und doch konnte ich mich nicht dazu überwinden, ihm Einhalt zu gebieten, bevor es zu spät war. Einladend legte ich mich auf den Rücken und spreizte die Schenkel, doch er schüttelte nur den Kopf, so dass die roten Strähnen zu allen Seiten flogen und befahl mir wortlos mich umzudrehen, so dass ich mich auf allen vieren auf der Matratze aufstützte. Diese Haltung war mir peinlich, zumal er alles sehen konnte und doch schien er darauf keine Rücksicht nehmen zu wollen. Trotzdem erregte mich diese Stellung auf makabere weise. Er umfasste meine Taille und drang behutsam in mich ein, so dass ich erstarrte und mich auf einen Schmerz gefasst machte, der ausblieb. Doch ich hatte keine Zeit mich darüber zu wundern, den er zog sich bereits wieder zurück und gerade als ich Einspruch erheben wollte, stieß er wieder in mich. Ein lustvolles Stöhnen entwich meinem geöffneten Mund und ich bog mich ihm entgegen, passte mich seinem Rhythmus an und bettelte um mehr. Ich hatte nicht beabsichtigt, mich von einem Mann besiegen zu lassen, aber jetzt begrüßte ich die Unterwerfung. Ich spürte, dass ich mich einem Ort näherte, an dem ich noch nie gewesen war, einem Ziel, das ebenso zauberhaft war, wie die Reise dorthin. Hitze strömte durch meine Adern und ich spürte, wie ein Ziehen zwischen meinen Beinen entstand. Dann geschah etwas mit ihr, gerade in dem Augenblick wo ich dachte, dass ich nicht mehr weiter könnte und aufgeben müsste. Es war, als würde ich entzweigerissen werden, jedoch nicht ruckartig, sondern unendlich langsam und hinter meinen geschlossenen Lidern zuckten grelle Blitze. Ich fürchtete, die Besinnung zu verlieren, ließ den Oberkörper fallen und klammerte mich Halt suchend in das Lacken. Er stieß ein heiseres Stöhnen aus, und in der nächsten Sekunde erklang ein Schrei, der von den Wänden des Raumes widerhallte. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass ich geschrien hatte, denn ein solcher Laut war nie zuvor aus meiner Kehle gedrungen. Was ich gerade erlebt hatte, war nicht einfach eine körperliche Vereinigung gewesen, sondern ein Einswerden, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Es fühlte sich wie Liebe an, aber das war unmöglich, oder nicht …? Fortsetzung Folgt ... _____________________________________________________________________________________________________ Bevor wieder unnötige Fragen auftauchen: Vergesst nicht, dass Tracy vor zwei Jahren ihr Gedächtnis verloren hat und deswegen nicht weiß, ob sie Jungfrau ist oder nicht. Kapitel 10: Please, look at me ------------------------------ [Dieses Kapitel ist für die nicht freigeschalteten animexxler] Freitag der dreizehnte. Der so genannte Blutmond stand hoch am Himmel. Sein rotes Licht, das er unheilverkündend über die Dächer der Stadt warf, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Wie er dort zu sehen war, so ruhig und friedlich, erinnerte er mich an einen unheimlichen Wächter, an den Vorboten für die vier Reiter der Apokalypse. Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper und zog die Knie eng an meine Brust, als könnte mich diese Haltung vor den Dämonen schützen, vor denen ich mich an diesem Tag fürchtete. Um diese Erscheinung, die nur selten eintrat, rankten sich viele Gerüchte. Ich war nicht abergläubisch. Doch die Fakten sprachen für sich. Seit Jahrhunderten galt der "Blutmond" als böses Omen. Bote von Unglück und Missgeschick. Größenteils ereigneten sich an diesem Tag Unfälle und Selbstmorde. Meistens Dinge, die in Zeitungen häufig zur Sprache gebracht wurden, weil Reporter für die neueste Sensation ihre eigene Mutter verkaufen würden. Diese düsteren Gedanken verdrängend, drehte ich mich um und kehrte dem Grund meiner Unruhe den Rücken zu. Aber dieses Phänomen zog mich magisch an. Über die Schulter hinweg starrte ich, unter halbgeschlossenen Lidern, aus dem Fenster, wog mich selbst hin und her und versuchte mir die Angst nicht anmerken zu lassen, die mich quälte. Schon den ganzen Tag über spürte ich ein seltsames Kribbeln, das sich hartnäckig in meine Muskeln festgesetzt hatte. Meine Haut brannte, als stünde ich in Flammen. Ich musste mich beherrschen, um nicht jede freie Minute damit zu verbringen, mich selbst zu kratzen. Memo an mich selbst: Herausfinden ob ich Flöhe hatte, die ich dieser verdammten Nachbarskatze verdankte. Innerlich verfluchte ich dieses Mistvieh. Wenn ich ein Auto hätte, ich würde dieses Drecksvieh erbarmungslos überfahren. Leise seufzend sah ich zu Alec, der auf der Couch saß und mit gelangweiltem Blick durch das Fernsehprogramm zappte. Wie lange wollte er seinen Arsch in diesem Ferienhaus noch plattsitzen? Schließlich schaltete er den Fernseher aus und warf die Fernbedienung auf den Stubentisch. Kurz wendete er mir sein attraktives Gesicht zu und seine Lippen verzogen sich zu einem frechen Grinsen, das mein Herz Purzelbäume schlug. Seine wunderschönen Augen durchstachen die Dunkelheit und reflektierten das Licht des Mondes, welches sich durch das Fenster ergoss, wie flüssige Meeresopale. Die Farbe meiner Wangen hätte jede reife Kirsche vor Neid erblassen lassen. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, schüttelte den Kopf und verließ den Raum, ohne ein Wort zu verlieren. Mein Blick verfolgte seine Schritte, bis er aus der Tür war, erst dann erhob ich mich auf meine zitternden Beine und benutzte meine Flügel, damit sie mich zu dem Sessel brachten, der an der Wand stand. Seit unserem Streit vor ein paar Tagen hatten wir kaum ein Wort miteinander gewechselt. Alec ging mir aus dem weg und selbst wenn er in meinen Gedanken schnüffeln würde und dort etwas finden könnte, um mich aufziehen, hielt er komischerweise den Mund. Wenn er mit mir redete, dann aus purer Höflichkeit und auch nur das notwendigste. Wieso fand ich das so deprimierend? Eigentlich könnte ich doch froh darüber sein, dass ich meine Ruhe hatte. Trotzdem spürte ich genau, dass es mich um den Verstand brachte, wenn ich seine samtweiche Stimme nicht hörte und sein rätselhafter Blick nicht auf mir lag. Ich wollte ihn wieder lächeln sehen. Dieses hinreißende und gleichzeitig so freche Grinsen, wenn er sich über mich lustig machte. Ich riss mir an den Haaren, um mich davon zu überzeugen, dass ich in keinem schlechten Albtraum gefangen war und zuckte zusammen, sobald ich den Schmerz fühlte, der mir von der Kopfhaut direkt in das Gehirn schoss. Tränen traten mir in die Augen und flossen über meine Wangen. Keinen Tag länger konnte ich seine Anwesenheit ertragen ohne, dass er sich mir näherte. Egal auf welche Art und Weise. Ich stieß die Luft aus meinen Lungen und legte mich auf den Bauch. Ruckartig schreckte ich hoch, sobald ich die dichten Schwaden heißen Dampfes bemerkte, die das Wohnzimmer zunehmend zu füllen begannen. Ich wäre wohl davon ausgegangen, dass etwas in diesem Haus Feuer gefangen hatte, doch die Nässe, die meine Haut benetzte, sagte mir deutlich, dass Alec aus dem Badezimmer gekommen war und dieser Trottel vergessen hatte die Tür zu schließen. Scheinbar musste ich ihn wieder einmal darauf hinweisen, dass er das Fenster öffnen sollte, nach dem Duschen, aber in der Sekunde stand besagte Person bereits vor mir. Er sah mich an, mit diesem undurchschaubaren Blick, der alles zu wissen und verstehen schien. Die feuchten Strähnen hingen ihm im Gesicht. Dieser Ausdruck, der mir genauso fehlte wie die Luft zum atmen. Erschrocken riss ich die Augen auf, sobald ich bemerkte, dass nur ein Badetuch seine Hüften abwärts bedeckte und dass der Knoten, der die beiden Enden des Stoffes zusammenhielt, sich langsam aber sicher zu lösen begann. Ich wollte ihn noch darauf hinweisen, aber bevor ich meine Stimme wiedergefunden hatte, reagierte Alec rechtzeitig und verhinderte, dass er, in der nächsten Sekunde, nackt vor mir stand. Diese Tatsache schien ihn auch nicht im Geringsten zu interessieren, denn sein Gesicht blieb reglos, als wäre er jeder Emotion beraubt worden. "Ich will, dass du heute Nacht bei mir schläfst", sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und riss mich damit aus meinen Überlegungen. Entsetzt starrte ich ihn an und war mir im ersten Moment sicher, ob ich ihn nicht richtig verstanden hatte. Alec hatte nicht das gesagt, was ich gehört zu haben glaubte, oder doch? Ratlos schüttelte ich den Kopf, aber er beantwortete auch meine Gedanken nicht. Bevor ich meine Überlegungen weiter ausführen konnte, packte er mich an den Flügeln, hob mich auf seine Hand und verließ mit mir zusammen die Stube. Im Schlafzimmer setzte er mich auf dem Nachttisch ab und obwohl noch immer tiefe Dunkelheit über diesem Ort lag, die nur von dem Licht des Blutmondes durchbrochen wurde, nahm er mir meine Klamotten weg, ohne auf irgendeine Zustimmung zu warten. Wütend blitzte ich ihn an, kam jedoch nicht dazu ihm irgendwelche Schimpfwörter an den Kopf zu schmeißen, denn schon verfrachtete er mich auf das Kopfkissen und deckte mich mit einem Taschentuch zu, bevor auch er sich in das Bett legte. Ich drehte mich zu ihm um und lauschte seinem regelmäßigen Atem. Alec war schön und erinnerte mich an einen Engel, wie ich ihn auf Zeichnungen in einem Buch gesehen hatte. Erst nachdem ich mir sicher war, dass er in das Reich der Träume geglitten war, ergab auch ich mich dem Schlaf. *** Wärme. So unbeschreiblich schön. Menschliche Nähe. Etwas, wonach sich mein einsames Herz so lange gesehnt hatte. So geborgen hatte ich mich nicht mehr gefühlt seit … ja, wann hatte ich eigentlich aufgehört mich sicher zu fühlen? Meine Hand legte sich in seinen Nacken und wanderte höher, schob sich in sein seidiges Haar und ich zog seinen Kopf zu mir runter, damit sich seine fein geschnittenen Lippen auf meine legten. Ein Stöhnen suchte sich seinen Weg aus meinen Mund und er zog mich in einen alles verzehrenden Zungenkuss, dem ich mich nicht entziehen konnte und wollte. Gierig erwiderte ich seine Liebkosung und kam ihm entgegen. Ich öffnete meine Lider und sah die schwarzen Flügel, die mich umgaben, meinen Körper einhüllten und mir das Gefühl vermittelten, dass sie jegliche neugierigen Blicke aussperren wollten, die mein Tun hätten beobachten könnten. Roten Strähnen hingen mir im Gesicht und ich stutzte, nicht begreifend, wem sie gehörten und als ich schließlich einen Blick riskierte, um herauszufinden, wer das Feuer in meinen Adern entfacht hatte, setzte mein Herz einen Schlag aus. Meine Hände legten sich auf seine Schultern und schreiend wand ich mich aus seiner Umarmung. Entsetzt rutschte ich mit dem Hintern über das Bett und prallte mit dem Rücken gegen die Wand, während ich diese Erscheinung fassungslos anstarrte. Wie zum Teufel kam der hier her und warum wagte er es mich zu berühren? Wieso Träumte ich überhaupt von dem Kerl? Schweigend sahen wir einander an und diese Stille wirkte genauso undurchdringbar wie die Dunkelheit, die im Schlafzimmer dominierte. Auf Händen und Knien kam er auf mich zugekrochen und ich versuchte weiter vor ihm zurückzuweichen, bis ich schließlich einsah, dass ich keine Fluchtmöglichkeit hatte. Dass er mir keine gab. Seine flammenden Augen schienen bis auf den Grund meiner Seele sehen zu können und der Ausdruck in seinen makellosen Zügen trieb mir das Blut heiß in die Wangen. Er umfasste mein Gesicht und presste seinen Mund wieder auf meinen. Instinktiv hob ich den Arm und wollte ihn wegstoßen. "Nicht", flüsterte er heiser, und ich ließ ihn gewähren. Grenzenlose Verwirrung beherrschte mich und hinderte mich daran, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. In den nächsten Momenten gab es nichts außer den schnellen Schläge seines Herzens unter meinen Fingern und die ebenso rasenden meines eigenen. Ein seltsames Schwindelgefühl ergriff von mir Besitz. Und dann war der Kuss beendet und ich wollte schon protestieren, aber bevor ich dazu kam, stellte er mir eine Frage. "Schmecke ich wie der Teufel, Tracy?" Das klang in meinen Ohren völlig absurd. Stumm schüttelte ich den Kopf, als hätte er mir die Fähigkeit zu sprechen genommen. Nein, dache ich, während ich ihn weiterhin verdutzt ansah. Er schmeckte nicht wie der Teufel. Er schmeckte vertraut und bekannt. *** Was ich gerade erlebt hatte, war nicht einfach eine körperliche Vereinigung gewesen, sondern ein Einswerden, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Es fühlte sich wie Liebe an, aber das war unmöglich, oder nicht …? __________________________________________________________________________________ Für alle die sich jetzt Wundern: Für diejenigen, die nicht über 18 sind, darf ich die Sex-Szene leider nicht zur Verfügung stellen. Alle anderen finde sie in der 'adult' Version Kapitel 11: An empty wind ------------------------- Ich saß auf einem Stuhl … nun, zumindest nahm ich an, dass es sich um einen Stuhl handelte. Er hatte vier Beine, einen Sitz und eine Rückenlehne, also konnte es nur der besagte Gegenstand sein. Ein Frösteln lief mir über den Rücken. Während ich mich zur Aufmerksamkeit zwang, weil meine Gedanken abzuschweifen drohten, sondierte ich meine Umgebung. Wo zum Teufel war ich eigentlich? Meine Augen huschten über Wände, einen Boden, Fenster und einige Einrichtungsgegenstände. Mein Verlangen herauszufinden, was überhaupt vor sich ging, führte zu einer weiteren erstaunlichen Entdeckung. Ich hatte keine Ahnung, wer ich eigentlich war. OK, tief durchatmen und ganz ruhig bleiben. Ich hatte zwar keine Ahnung, wo ich mich befand, oder wer ich war, aber ansonsten war alles in Ordnung ... hoffte ich. Nach einem tiefen Atemzug versuchte ich mich zu erinnern – an irgendwas. Ich schaute an mir hinunter. Jedenfalls schien ich eine Frau zu sein, die in das untergehende Licht der Sonne guckte und in einem getäfelten Raum, von der Größe eines Schlafzimmers, hockte. Das ergab doch alles keinen Sinn – mein Verstand erfasste Stuhl, Fenster, Wände und einen Boden, sogar Gebrauchsgegenstände und Möbel, ich begriff den Unterschied zwischen den Geschlechtern, aber ich erkannte mich selbst nicht. Was zum Teufel war hier los? Schwungvoll erhob ich mich. Meine rechte Schulter und die rechte Gesichtshälfte schmerzte, nur warum tat es weh? Es klang bereits ab und nur ein dumpfes pochen blieb zurück, aber die Frage nach dem Wieso war damit nicht geklärt. Wohl Restbeschwerden vom Sturz. Vorausgesetzt, dass ich überhaupt gefallen war. Zumindest hatte es ganz den Anschein und das verwirrte mich noch mehr. Diese ganzen Eindrücke waren mir unheimlich. Aus irgendeinem Grund konnte ich mühelos meine Lage analysieren und sogar Schlüsse daraus ziehen, doch ich erinnerte mich weder an meinen Namen noch an meine Lieblingsfarbe, daran, was ich gerne aß, wie alt ich war, oder wie der Mädchenname meiner Mutter lautete. Nein, halt. Das wusste ich. Corvey. Mit gerunzelter Stirn fragte ich mich, warum, zum Teufel, das in mein Bewusstsein vordrang. Seufzend ging ich durch das Haus. Möbel aus Messing und Marmor vom Feinsten, teure Utensilien, und alles war lupenrein sauber. Der, der hier lebte – ich? – musste ziemlich betucht sein. Entweder hatte ich eine gute Reinigungsfirma oder einen Putzfimmel. Oder beides. Falls ich hier überhaupt lebte. Und die Badezusätze zum Beispiel stammten auch nicht gerade aus dem CVS um die Ecke. Noch mehr Überraschung. Ich kannte eine nationale Drogeriekette, aber nicht mich selbst. Ich trat vor einen Standspiegel und sah hinein. Eine sehr attraktive Frau mit nackenlangen Haaren, glatt und schmutzigbraun, eisblauen Augen und blasser, makelloser Haut - nahezu fehlerlos – schaute mich an. Dieser Jemand trug ein gelbes Kleid mit Spagettiträgern. Aus einem Grund, den ich nicht verstand, drehte ich den Oberkörper. Meine rechte Schulter wies einen blauen Fleck auf, vermutlich vom Sturz, und auf meiner linken Schulter verlief eine Narbe. Die konnte nicht vom einem Sturz stammen. Soweit ich es beurteilen konnte, war sie schon ein paar Jahre alt. Unwillkürlich fragte ich mich, wie ich sie mir zugezogen haben könnte. Langsam begab ich mich in den nächsten Raum. Anscheinend war es – ja was eigentlich? Jedenfalls ein weiteres Zimmer voller Möbel, mit einer Holztäfelung und einer hohen Decke. Auf der mir gegenüberliegenden Seite befand sich eine große Uhr, deren Ticken mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Zersplittertes Glas lag auf dem Boden. Scheinbar waren die Fenster eingeschlagen worden … aber warum? Mein Blick wanderte weiter und ich setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Als ich den Raum betreten hatte, war ich der Meinung gewesen, dass die Standtuhr in einer Nische stünde, aber nun erkannte ich, dass es der Eingang zu einem Vestibül oder Saal oder so etwas war. Tatsächlich fand ich dort eine Tür – eine Holztür aus massiver Eiche, mit einem Kupferring als griff, die ein wenig offen stand. Am Windzug gemessen, der durch den winzigen Spalt hereinwehte, war es durchaus möglich, dass eine Böe den Eingang aufgedrückt hatte. Ich wollte hinausgehen, blieb dann aber zögernd stehen. Es wurde draußen dunkler. Dieser wunderschöne Himmel, die kräftigen Farben, purpurrot und gelb, bedeuteten, dass die Sonne unterging. Als ich mich umschaute, entdeckte ich gleich mehrere Schalter an der Wand. Instinktiv wollte ich sie anknipsen. Aber ich kam nicht dran. Warum waren sie soweit oben? Plötzlich sprangen die Lichter an und ich blinzelte überrascht. War es gerade noch finster gewesen, leuchtete es jetzt taghell. Wer immer dieses Anwesen erbaut hatte, ihm lag daran, dass sich die Bewohner auch nachts draußen umsehen konnten. Eine vernünftigen Vorsichtsmaßnahme, denn der Wald, denn ich jetzt erkennen konnte, ließ darauf schließen, dass ich mich mitten im Nirgendwo befand. Jede, wie auch immer gearbeitete Beleuchtung, musste vom Haus ausgehen. Stirnrunzelnd erkannte ich, dass auf dem erleuchten Vorhof des Anwesens, mehrere Personen standen Verunsichert trat ich hinaus, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete reglos die Fremden, die in einer kleinen Gruppe zusammenstanden und leise miteinander Sprachen, ohne mich zu beachten. Warum wirkten sie so groß und weshalb waren diese Leute so seltsam angezogen? Hatten wir Karneval? Moment … was war Karneval? "Hallo?" Ich sprach nur, um den klang meiner eigenen Stimme zu hören, denn diese war wir genauso fremd. Ein anderes Geräusch ließ mich zusammenfahren, ein großer Schwarm Vögel, die meine Frage wohl als Aufforderung nahmen, stieben alle gleichzeitig in den Abendhimmel davon. Kopfschüttelnd machte ich kehrt, um wieder ins Haus zu gehen. Zu einem, weil mir diese Leute unheimlich waren, zum anderen weil es einfach zu kalt war, als dass ich ohne weiteres noch eine Ewigkeit lang draußen herumstehen konnte. Es begann aufzufrischen und ein starker Wind begann die toten Blätter raschelnd hochzuwirbeln, so dass es aussah, als wenn sie von einer geistigen Kraft in Bewegung gesetzt werden würden. Plötzlich stand Alec neben mir, ganz in schwarz gekleidet, und blickte von oben auf mich herab. Seine flüssigen, effizienten Bewegungen erschienen mir unwirklich, und doch empfand ich dabei eine ungewöhnliche Vertrautheit, als hätte ich es früher öfter gesehen. Wieso wusste ich, wer er war? Ich kannte seinen Namen und war mir sicher, dass er kein Fremder war, doch das war alles. Wie seltsam … Der rechte Träger meines Kleides rutschte von meiner Schulter und ich zog ihn wieder hoch. Seine tiefe, melodische Stimme, die leicht gedämpft klang, sagte einen Namen. Angel? Hieß ich so? War ich diejenige, die er meinte? Wenn ich schon zuvor nicht gewusst hatte wer ich war, wo ich mich befand und wer diese anderen Leuten waren, jedoch annahm dass meine Erinnerungen bald zurückkamen, hing ich jetzt in einem Zustand der absoluten Verwirrtheit fest, der dafür sorgte, dass ich mich vor Misstrauen verspannte. Ich hatte auf meinen Füßen gestanden und jetzt saß ich auf seiner Hand und fror mir so ziemlich den Arsch ab. Hatten wir nicht noch Sommer anstatt Winter? Warum war es dann so kalt? Mein gelbes Kleid schien der Witterung kaum angemessen. Eigentlich hielt ich mich noch nicht lange draußen auf, doch es genügte, um mich zum Eisblock erstarren zu lassen. Meine Zähne schlugen klappernd und schmerzhaft aufeinander, weshalb mir bereits der Kiefer weh tat. Wortlos spielte ich meine Situation herunter und presste die Lippen aufeinander. "Es tut mir Leid, Angel", sagte Alec und senkte die Lider. "Ich konnte deine Erinnerungen nicht mehr zusammenhalten." Ich neigte den Kopf zur Seite und runzelte verwirrt die Stirn. Alec strahlte eine professionelle Ruhe aus, weshalb mir ein kalter Schauer über den Rücken kroch und sich in der Gegend meiner Lenden verteilte. Ich tendierte dazu, darin das Schrecklichste zu sehen, was mir je wiederfahren war. Doch wenn man bedachte, dass ich mich gerade mal an die letzten dreißig Minuten meines Lebens erinnern konnte, war das keine große Leistung. Das ich auf einem Stuhl aufwachte, ohne zu wissen, wer ich war, was ich hier tat, oder warum mir das alles seltsam bekannt vorkam, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob ich jemals hier gewesen war - zumindest nahm ich das an - konnte ich nur zu dem Schluss kommen, die ganze Situation mit dem Wort 'Verrückt' zu erklären. Aber vielleicht war das ja auch völlig normal für mich. Wenn Alec, wie ich fest annahm – warum konnte ich es nicht mit Gewissheit sagen? - zu meinem täglichen Leben gehörte, könnte es Routine sein, dass solche Dinge passierten. Aber ein Gedächtnisverlust war bestimmt keine Gewohnheit. Eine Sekunde später lag eine wärmespende Decke auf meinen Schultern, in die ich mich zu kuscheln begann. "Was meinst du?", fragte ich wachsam. "Du hast bereits fast alles vergessen, oder?" Mit einem zartgliedrigen Finger strich er mir durch die Haare und ein bedauerndes Lächeln umspielte seine Lippen. "Bitte verzeih mir, Angel." Alec musterte mich auf eine Art und Weise, dass ich mir keine angemessene Reaktion vorstellen konnte. Zumal ich keine Ahnung hatte, in welcher Beziehung er zu mir stand. Schon wieder belegte er mich mit diesem Namen … Angel … Nun, zumindest hatte ich angenommen, dass ich mich besser fühlen würde, sobald mir jemand sagte, wie ich hieß, doch dem war blöderweise nicht so. Es warf nur weitere Fragen auf, mit denen ich mich nun konfrontiert sah und dessen Antworten sich meinem Verstand entzogen. Verdammt! Frustrierender Weise hatte ich keine Möglichkeit, etwas auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Mein Gedächtnis war noch immer löchriger als ein Schweizer Käse … ich wusste zum Beispiel, dass die Chicago White Sox die World Series, ein Baseball-Spiel gewonnen hatten, in irgendeinem Jahr, aber ich konnte mir den Sport nicht vorstellen oder mich an die Regeln erinnern. Ich schürzte nachdenklich die Lippen. "Ich weiß nicht Mal, warum du dich entschuldigst", entgegnete ich ärgerlich. "Was ist hier eigentlich los?" Er grinste frech und seine wunderschönen Augen funkelten geheimnisvoll auf. "Komm, ich möchte dir jemanden vorstellen." Wieso beantwortete er meine Frage nicht? Warum hatte ich das beängstigende Gefühl, dass ich schon wieder von null anfangen musste? Alec steuerte auf eine wunderschöne Frau zu, die sich bei den anderen komischen Gestalten aufhielt. Seufzend ließ ich meinen Blick über ihr Gesicht schweifen. Sie hatte so etwas … Vertrautes an sich, aber ob das gut oder schlecht war, vermochte ich nicht zu sagen. Im Moment war ich einfach nur für jede Art von Bekanntschaft dankbar, da sie mir ein bisschen Sicherheit bot. Ein etwas verunsichertes Lächeln umspielte meine Lippen. "Angel … das ist Caithryn Nikles", sagte Alec beinahe ehrfürchtig und ich begann mich über den Ton in seiner Stimme zu wundern. "Deine Mutter." Vor meinem geistigen Auge sah ich einen weißen Mamorstein, in dem genau dieser Name eingraviert war. Er stand auf einem Grab voller Blumen. "Aber sie ist doch tot!", rief ich wie aus der Kanone gefeuert und fragte mich ernsthaft, ob diese Idee von dem Bild herrührte, das mir im Kopf herum spuckte. "Ich kann nicht sterben, mein Schatz", sagte Caithryn weich und lächelte gütig. "Aber mein Tod musste inszeniert werden. Wie hätte ich jemanden erklären sollen, dass ich nicht älter werde?" Einen kurzen Augenblick sah ich sie irritiert an, bevor ich darüber nachgrübelte, ob ich beleidigt sein sollte, auch wenn ich nicht wusste, was mich auf den Gedanken brachte. "Du bist so groß geworden." Ich war noch immer skeptisch und stemmte die Hände in die Hüften. "Hör dir an, was sie zu sagen hat, Angel", flüsterte mir Alec sanft zu und zwang meine Wut damit zur Ruhe, auch wenn ich keine Ahnung hatte, warum ich zornig war und … enttäuscht. Warum? Ich starrte die mir fremde Frau an und schaffte es einfach nicht, meine Augen von ihr abzuwenden. Es war, als wäre sie einmal eine wichtige Person für mich gewesen, aber jedes Mal wenn ich glaubte, mich daran erinnern zu können, wer sie war, verschwand der Erinnerungsfetzen, ohne das ich ihn zu fassen bekam. Sie erwiderte meinen Blick nicht, als würde sie es nicht schaffen mich anzusehen, als hätte sie ein schlechtes Gewissen, ohne dass ich sagen konnte wieso. Wir schwiegen uns eine ganze Weile an, bis ich schließlich bemerkte, wie sich ihre Lippen bewegten, doch sie redete so leise, dass ich Mühe hatte sie zu verstehen Instinktiv beugte ich mich vor, doch bis auf ein paar Worte entging mit alles. "...tut mir Leid." Ich spürte, wie sich meine Stirn runzelte. Was tat ihr Leid? Was zum Teufel hatte sie getan? "Ich bin ein Todesengel und ich habe den Fehler begangen mich in einen Menschen zu verlieben. Wir haben ein Kind bekommen." Eine Träne hing an ihrer Wimper wie ein Tautropfen. Ihre Stimme zitterte und drohte zu versagen. Zunächst widerstand ich dem Impuls über diese alberne Geschichte zu lachen. "Irgendwann hatte mich Alec gefunden und mich streng daran erinnert wer ich war." Ein Schluchzen schüttelte ihren Körper. "Ich konnte nicht einmal sehen, wie du aufwächst." Todesengel? Sollte das ein geschmackloser Witz sein? Ein abfälliges Schnaufen meinerseits zeigte, wie wenig ich bereit war, diesen Unsinn zu glauben und ich sah dabei zu, wie Caithryn bei meinem Misstrauen innerlich zu zerbrechen schien. Ich wandte mich von ihr ab, als wenn ich plötzlich ein schlechtes Gewissen hatte. Ich hob den Kopf und sah zu Alec. Er erwiderte meinen Blick. Ruhige Zufriedenheit strahlten seine perfekten Züge aus, aber auch mit Sorge und Angst gemischt … Wieso denn? Er nahm mir vorsichtig die Decke ab, wobei es ihn herzlich wenig interessierte, dass ich mich daran festklammerte, zog etwas aus seiner Jackentasche und legte es mir über die Schulter. Überrascht drehte ich den Kopf. Es war ein schwarzes Kleidungsstück. Dem Stoff entstieg ein angenehmer Geruch, der meine Sinne beruhigte … Aber verdammt! Ich konnte mich nicht erinnern, wie das genannt wurde, was ich jetzt trug, obwohl ich wusste, dass es einen Namen hatte. Zu viele Fragen, nicht genug Antworten. Jedenfalls schien Alec älter zu sein als ich … Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie alt ich war. Ich war mir nicht einmal sicher, wie alt ich aussah, selbst nachdem ich mich im Spiegel betrachtet hatte. Und wenn ich mein Gefühl richtig deutete, teilten wir etwas … auf intimer Ebene oder waren wir doch nur Arbeitskollegen oder so was? Ich vermochte es nicht zu sagen, trotzdem hatte er etwas an sich, dass mir das Gefühl gab, nicht allein zu sein … aber die Puzzelstücke fügten sich nicht zusammen. Noch nicht. Zumindest konnte ich jetzt noch eine Person ansprechen. Caithryn … Vielleicht fand ich heraus, was mir, verdammt noch Mal, überhaupt passiert war. Ich hatte ein starkes Déjà-vu, was dafür sorgte, dass ich kurz wankte und mich an Alecs Hand festhielt. Vor allem interessierte mich, warum alles größer war als ich. Von diesen Personen bis hin zu dem Rest meiner Umgebung. Fortsetzung Folgt ... Kapitel 12: Revelation ---------------------- "Habe ich mich verändert?", fragte ich scheu und beobachtete Alec dabei, wie er nach meinen Brüsten griff. "Hier vielleicht ein wenig", erwiderte er leise und strich über meine Busen, bevor er seine Hände wieder ruhig auf meine Hüften legte. "Warum willst du das wissen, mein Herz?" Schweigend schüttelte ich den Kopf. Zuvor hatte ich rittlings auf seinen Schoß gesessen, doch jetzt ließ ich mich auf ihn fallen. Mein Körper schmiegte sich fließend an seinen, als wären wir füreinander geschaffen worden. Seine Fingerspitzen wanderten kaum spürbar über meine nackte Haut und ein Schauer jagte mir wohlig über den Rücken. Ich hörte sein Herz, das im gleichmäßigen Rhythmus gegen seine Rippen schlug und dieses Geräusch hatte etwas seltsames Beruhigendes an sich. Die Anspannung wich aus meinen Muskeln und ein Lächeln umspielte meine Mundwinkel. Unsere Pulse schienen sich aneinander anzugleichen, bis sie sich schließlich in perfektem Gleichklang vereinten. Ein Seufzen verließ meine Lippen und ich spielte geistesabwesend mit seinen Fingern. Seit Tagen mühte sich Alec damit ab, meine Erinnerungen wieder zusammen zu setzen und wie ich bereits vermutet hatte, war die ganze Angelegenheit schwieriger als erwartet. Er hatte mir erklärt, dass er genau aufpassen müsste, damit er die Vergangenheit nicht mit der Gegenwart durcheinander brachte und weil das menschliche Gedächtnis einem Puzzle glich, dauerte es auch so lange, bis er die richtigen Teile gefunden und zusammen gefügt hatte. Was ich bisher wiederbekam, waren Bruchstücke dessen, was einmal mein Leben dargestellt hatte. Andererseits wusste ich nicht, ob es mich überhaupt interessierte, wer ich war. Durch die Bilder, die er mir gab – wie immer er das angestellt hatte - nahm ich an, dass ich eine unausstehliche Kratzbürste gewesen war und ich mir deswegen selbst mindestens dreimal täglich in den Arsch treten sollte. Deswegen war das wohl eine berechtigte Frage, ob ich mich an meine Vergangenheit Erinnern wollte. Aber jetzt konnte ich zumindest wieder mit Gewissheit sagen, was ich für ihn empfunden hatte und als Bonus erhielt ich einen kleinen Einblick in sein Gefühlsleben. Eine leise Stimme in meinem Inneren, grübelte darüber nach, ob er mir jemals gesagt hatte, was ich für ihn war. Lächelnd glitt ich von seiner Brust, rollte mich zusammen und kuschelte mich eng an Alec, der seine Arme um meinen zierlichen Körper legte und die Konturen meines Ohres nachzeichnete. Seit ich in einer Welt gefangen war, die zwischen Himmel und Hölle existierte, konnte er darüber bestimmen, ob ich seine Elfe war oder sein Mensch. Beides verblasste vor der Wahrheit, die ich nun verstand. Ich war die Person, die er liebte, egal in welcher Gestalt. Er drehte sich zu mir um und gab mir einen leidenschaftlichen Kuss, der mich bis zu den Zehenspitzen mit seiner Wärme erfüllte. Stöhnend vergruben sich meine Fingernägel in seine Schultern und ich hörte wie er zischend die Luft ausstieß. Erschrocken starrte ich ihn an. Bevor ich mich zurückziehen und eine Entschuldigung murmeln konnte, umfasste er mein Kinn mit Daumen und Zeigefinger und hob mein Gesicht an, bis ich ihm in die Augen sah. Tief versank ich in seinem sanften Blick und ich strich ihm zärtlich die Strähnen aus der Stirn. Alec wendete den Kopf und drückte seinen Mund in meine Handinnenfläche. Während ich ihn betrachtete, seine anmutigen Bewegungen verfolgte, wanderten meine Gedanken weiter. Noch immer befand ich mich an dem Ort, wo ich aufgewacht war, in dieser riesigen, weißen Villa, die in einem undurchdringlichen Wald zu stehen schien. Das war nicht real, nur eine schöne Illusion. Es diente einzig und allein den Zweck, diese düstere, verzerrte Realität etwas freundlicher zu gestalten, in der die Todesengel – menschenähnliche Wesen mit schwarzen Flügeln, wie ich inzwischen festgestellt hatte - leben mussten. Und genau in dieser Sekunde lag ich in einem großen Bett, mit einem dunkelblauen Baldachin und festgebundenen Vorhängen an den Pfosten. Dem Stoff des Deckenbezugs und der Kissen haftete Alecs unvergleichlicher Geruch an und ich sog ihn gierig in meine Lungen. Sein Zimmer war nicht dekorativ sondern zweckmäßig möbliert. Ein Schreibtisch, Stuhl, Schrank und Nachttisch bildeten den Rest des gesamten Raumes, zusammen mit einem flauschigen, weißen Teppich. Vor dem Fenstern hingen Gardinen, die eigentlich völlig unnötig waren. Immerhin konnten sie kein Licht aussperren, das in dieser schwarzen Leere untergegangen war. Es war zum scheitern verurteilt gewesen, bevor es auch nur die Chance bekommen hatte, zu erstrahlen. Das ganze war so paradox, dass ich darüber lachen musste. Die Tür flog auf und ich zuckte reflexartig zusammen. Ein Kind mit gutmütigen, goldenen Augen stolperte auf uns zu. Er vollführte eine traditionelle Begrüßung, wie sie unter den Japanern üblich war. "Die neue Fuhre mit Seelen hat das Tor durchquert", sagte der Kleine mit emotionsloser Stimme und reichte Alec einen Gegenstand, der mich an ein Pergament erinnerte. "Möchte Ihr eine Inspektion durchführen, Deathmaster?" Der Angesprochene – ich zerbrach mir den Kopf darüber, welche Bedeutung in diesem Wort, Deathmaster, lag – stand auf, nur mir einer Shorts bekleidet, die seinen knackigen Hintern betonte. Verwirrt blinzelnd betrachtete ich den Jungen dabei, wie sich seine Wangen purpurrot färbten, als er sein gegenüber ansah. Alec entrollte das Dokument und ich beobachtete die hauchdünnen Seiten dabei, wie sie sich bis zum Boden ergossen. Nachdenklich furchte er seine makellose Stirn. "Du kannst gehen, Famiel", sagte der Deathmaster und bevor er diesen Satz zu beendet hatte, war die Person bereits geflohen, die ihn hingerissen angestarrt hatte. "Was ist das?", fragte ich leise und ging auf Alec zu, um einen Blick über seine Schulter zu werfen. Als wäre ich ein kleines Mädchen, wuschelte er mir durch die Haare. "Das ist die Liste der Toten, Angel", antwortete er und zuckte die Achseln. Überrascht betrachtete ich ihn dabei, wie er sich anzuziehen begann. Wollte er mich etwa schon wieder allein lassen? "Du kannst mitkommen, wenn du …", sagte er gedankenverloren, bevor er sich selbst unterbrach und den Kopf schüttelte. Wie die Flügel eines Schmetterlings berührte sein Mund den meinen. "Nein, bitte warte auf mich, ich werde so schnell es geht, wieder bei dir sein." Bevor ich auch nur die Gelegenheit dazu bekam, etwas zu erwidern, verließ er mich und ich spürte nur den Luftzug, den er dabei verursachte. Wieso hatten sich seine Züge plötzlich verfinstert? Warum war ein abweisender und unfreundlicher Ausdruck in seine Augen getreten? Hatte ich etwas falsch gemacht? Meine Unterlippe musste erneut unter meinen Zähnen leiden, als ich darüber nachdachte, dass er mich zwar darum gebeten hatte, auf ihn zu warten, aber dass er nicht gesagt hatte, wo ich bei seiner Rückkehr sein sollte. Deswegen linste ich auf den Flur hinaus, der nur von dem trüben Schein der Lampen erhellte wurde und nachdem ich mir sicher war, dass er niemanden dazu verdonnert hatte, auf mich aufzupassen – und ich mir etwas angezogen hatte - schlich ich mich aus dem Zimmer und schloss leise die Tür hinter mir. Noch einmal sah ich zurück, verunsichert, ob ich mir seinen Zorn nicht zuzog, wenn ich mich ihm ganz ersichtlich widersetzte, seine Bitte, die ein versteckter Befehl gewesen war, ignorierte. Seufzend hob ich das Kinn und zwang mich dazu, mich zusammenzureißen. Immerhin bin ich nicht seine Gefangene Mit stolz erhobenem Kinn lauschte ich meinen Schritten, die auf dem Läufer dumpf verklangen. Kaum hatte ich die Treppe erreicht, die in das Erdgeschoß führte, ging ich auf die Knie, kroch vorsichtig an der Wand entlang und guckte durch das Gelände, ob sich jemand in der Empfangshalle aufhielt. Das ganze Anwesen wirkte wie ausgestorben und ich bemühte mich keine Geräusche dabei zu verursachen, als ich die Stufen hinab zusteigen begann. Wohin waren alle verschwunden? Als stünde das Haus seit Jahrzenten leer. "Suchst du etwas bestimmtes?", erklang eine melodische Stimme und ich fuhr erschrocken zusammen. "Wenn du möchtest, dann bringe ich dich zu Alex." Unfähig mich aus meiner Starre zu lösen durchforstete ich mein Gedächtnis nach einem Gesicht, das zu den Namen Alex gehörte, doch ich wurde nicht fündig. Gehörte er vielleicht zu den Personen, die ich vergessen hatte? "Kannst du dich etwa nicht erinnern?" In einem Moment der Schwäche sank ich in mich zusammen. Erinnern? Woran denn? Höchstens an Bruchstücke … unwichtige Details, dessen logischer Zusammenhang sich meinem Verstand vollkommen entzogen. Alex? Wer war das? Eine Gänsehaut breitete sich von meinen Oberarmen bis hin zu den Handgelenken aus. Das Bild von einem jungen Mann mit feuerroten Haaren flackerte in meinem Gehirn auf, dessen flammende Augen jede Faser meines Körpers zu verbrennen schienen. Geschockt rappelte ich mich auf, sobald noch mehr Sinneswahrnehmungen über meinen Verstand hinweg rollten, wie eine gewaltige Sintflut. Dieser Kerl hatte sich an einem schönen Sommertag über mich gebeugt und seine Hand hatte meine Wange berührt, sein Lächeln wirkte bekümmert … ich konnte den Schmerz nicht fühlen, der mir das Herz zerrissen hatte … Verwirrt drehte ich mich ruckartig herum, sodass der Saum meines umständlichen Kleides durch die Luft wirbelte. Der Zwerg, der Alec über die Ankunft von neuen Seelen informiert hatte, stand hinter mir und betrachtete mich prüfend. Unter seinem Blick wandte ich mich unbehaglich. Wie hieß er noch gleich? Famiel? Ja genau, so hatte Alec ihn genannt. "Weißt du nicht mehr, dass du gestorben bist?", erkundigte er sich nüchtern, als würde er mir eine Frage über das Wetter stellen. "Alex hat wegen dir die Regeln gebrochen!" Er ballte die Fäuste und ich wich vor ihm zurück. Wut verzerrte seine Kindlichen Züge. "Weißt du, welche Sünde er damit begangen hat, dass er einem Menschen, der sterben sollte, das Leben rettet?" Mir schwirrte der Kopf. So hatte ich doch keine Ahnung, warum dieser Junge auf diese grobe Weise mit mir sprach … oder warum seine schönen Augen so vernichtend auf mir ruhten. Als würde sein Hass genügen, um mich zu töten. Außerdem … was sollte das bedeuten, dass ich gestorben war? Ich stand direkt vor ihm. Wollte er etwa behaupten, ich sei ein Geist oder dergleichen? "Du bringst ihn in Gefahr, du billiges Flittchen!" Ich fühlte mich versucht zu fragen, ob er damit nicht die Zeugen Jehovas meinte. Ich schnitt eine Grimasse und fragte mich, wie ich in dieser Situation auf so etwas Unnützes kommen konnte, ganz zu schweigen davon, dass ich keine Ahnung hatte, wer diese Leute waren. Was hatte dieser Giftzwerg überhaupt mit diesem Alex zu tun und was passierte hier eigentlich? Kaum hatten meine Füße die Treppenstufen verlassen, fand ich mich auf der anderen Seite des Raumes wieder, gegen den Stein der Wand gepresst. Ein Schmerz zuckte durch meinen Körper und ich ging fest davon aus, dass ich mir jeden einzelnen Knochen gebrochen hatte. Ich brachte nicht einmal die Kraft dazu auf, mir die Seele aus dem Leib zu schreien, angesichts der unmenschlichen Folter, die mir die Sinne zu rauben drohte. Kurzzeitig wurde mir schwarz vor Augen. Mein Bewusstsein begann sich langsam aber sicher zu verabschieden. "Alex ist bereits tot!", hörte ich den Kleinen fauchen. "Willst du, dass er noch einmal stirbt?" Ich verstand gar nichts mehr. Ausgestreckt lag ich auf dem harten Fliesenboden, anders konnte ich mir die plötzliche Kälte nicht erklären, die ich an meiner Haut spürte. "Los, steh auf", schrie mich Famiel an. Nein, ich konnte nicht aufstehen. Ich wollte nur sterben. Wie sollte ich den Hass ertragen, den ich in jedem Wort hörte, das er von sich gab? Salzige Tränen liefen mir über die Wangen. Alec, wo bist du nur? Warum hilfst du mir nicht? Zwei Hände legten sich auf meine Schultern und ich wurde hochgerissen. Übelkeit stieg in mir hoch und in meinem Unterleib fühlte ich einen dumpfes hämmern, das bis zu meinem Kreuz ausstrahlte, doch darum konnte ich mich gerade nicht kümmern. Zitternd stand ich auf meinen Beinen, wobei ich mich an demjenigen, der mich stützte, haltsuchend festhielt. Ein leises Keuchen verließ meine Lippen und Schweißperlen traten mir auf die Stirn. Unmöglich, dass Famiel hinter mir war, er war nicht annähernd so groß wie die Person, in dessen Armen ich lag und die mich an eine muskulöse Brust drückte. Ich hatte das Gefühl, dass ich genau wusste, wer mich mit seiner Wärme umhüllte und trotzdem war ich mir nicht sicher. Die Dunkelheit, die mir die Sicht verschleiert hatte, begann sich zu lichten und ich hob den Kopf. Nachdenklich studierte ich sein Profil, aber er sah mich keinen augenblicklang an. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Niemals hatte ich solch namenlosen Zorn in seinen attraktiven Zügen gesehen. Ich folgte seinem Blick und stellte überrascht fest, dass er Famiel fixierte. "Wieso tragt Ihr noch immer diese abstoßende menschliche Hülle, Deathmaster?", fragte der Kleine beinahe trotzig, das ich Mühe hatte nicht zu lächeln, aus Furcht, dass mir der Schädel explodieren würde, wenn ich es wagte, mich zu rühren. Alec fletschte die Zähne, wie ein streitlustiges Tier und trieb den Todesengel, mit deutlichen drohenden Gehabe, in die Ecke. Irritiert blinzelnd beobachtete ich, wie sich das vertraute Gesicht, das ich so liebte, auflöste und ich wollte erneut schreien, mich ihm entwinden und mir irgendwo ein Versteck suchen, denn das alles konnte nur ein schlechter Albtraum sein. Der Deathmaster begann sich zu veränderte … wie ein Chamäleon, das sich seiner Umgebung anpasste – was war das überhaupt? – nur, dass die Verwandlung, die über ihm zusammenschlug, jeden Gegenstand und all das, was ich in dieser seltsamen Welt bisher erlebt hatte, komplett in den Schatten stellte und er das harmonische Bild durcheinander brachte. Schwarze Schwingen sprossen ihm aus dem Rücken und ihre Spannweite nahm den gesamten Raum ein, umgaben ihn wie ein undurchdringbarer Schutzschild. Rote Strähnen kitzelten mich an der Nase und ich musste niesen. "Alec?", hörte ich mich fragen. Wieso klang meine Stimme so belegt und rau? "Nein", erwiderte er sanft und seine Fingerknöchel fuhren über meine Wange. "Ich heiße Alex." Fortsetzung Folgt ... Kapitel 13: A Timeless Heart ---------------------------- Seit dem Augenblick, in dem Alec oder Alex – wer war er nur wirklich? – seine Hülle fallen gelassen hatte, waren ein paar Tage vergangen, in denen er mir aus dem Weg gegangen war und ständig versucht hatte, das ich mich nicht in seiner Nähe aufhielt. War es für ihn so unerträglich, dass ich nun über ihn Bescheid wusste, dass er mir nicht mehr in die Augen sehen konnte und wollte? Sein distanziertes Verhalten ließ mir das Herz schwer werden und meine Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. Wieso wollte er mich nicht mehr um sich haben? Warum hatte ich mich bloß seinem Befehl widersetzt, anstatt in seinem Zimmer zu bleiben und dort auf ihn zu warten, bis er zurückgekommen wäre? Zum Millionsten Mal verfluchte ich meinen sturen Dickschädel und diesen dummen Stolz. Erst nachdem er meine Knochenbrüche geheilt hatte, die mir dieser Zwerg zugefügt hatte, mied Alex meine Gesellschaft. Auch Famiel wich mir aus, nachdem er die Wut des Deathmasters zu spüren bekommen hatte. Ich bemitleidete den Todesengel nicht. Stattdessen gönnte ich ihm die bedauerliche Tatsache, dass seinen Flügeln ein paar Federn auf rätselhafte Weise abhanden gekommen waren. Immer wenn mich dieser kleine Giftzwerg sah, verließ er augenblicklich den Raum, weshalb ich in Versuchung kommen könnte, seine Flucht mit der Stoppuhr zu messen. Seufzend zog ich die Knie an meine Brust. Langsam aber sicher begann ich mich zu fragen, ob noch mehr hinter dem Verhalten von Alec steckte, als ich zunächst angenommen hatte. In der vergangenen Nacht hatte ich einen Traum gehabt, der mir zu real erschienen war, um bloße Einbildung zu sein. Deswegen vermutete ich, das er mir nicht nur sein menschliches sowie dämonisches Aussehen verschwiegen hatte. Ich war fest dazu entschlossen dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Müde stieß ich die Luft aus meinen Lungen und befahl mir selbst, dass ich den Herrn über die Toten nicht wieder entkommen lassen würde, wenn ich ihn das nächste Mal in dieser riesigen Villa finden sollte. Gähnend ließ ich mich wieder in das Bett sinken und rollte mich zusammen. Ohne ihn kam mir sein Zimmer plötzlich so groß und leer vor. Vermutlich blieb er diesem Raum nur deshalb fern, weil ich mich darin befand. Meine Hand strich über die Seite der Matratze, auf der er liegen sollte, um mich in den Arm zu nehmen. Törichterweise hoffte ich, dass er mein stummes Flehen hören und zurückkommen würde, aber ich wusste, dass ich vergebens, mit angehaltenem Atem und klopfenden Herzen, wartete. Auch in dieser Nacht würde er mich allein lassen und die Einsamkeit ignorieren, die mir die Brust auseinander zu reißen drohte. Der Knoten, der mir im Magen saß, zog sich mit jeder Sekunde enger, in der er Abstand zu mir hielt und den Blick nicht bemerkte, dem ich ihm aus der Ferne zuwarf. Als wenn er mich für meinen Ungehorsam betrafen wollte. Wieso sperrte er mich nicht irgendwo ein und warf den Schlüssel weg? Schluchzend vergrub ich mein Gesicht in den Kissen. Bestimmt gab es eine Erklärung für sein Verhalten, doch wie lange würde ich darauf noch warten müssen? Ich wollte in das Reich der Träume gleiten, mir den Schlaf holen, der mir seit Stunden verwehrt blieb, doch wenn ich die Augen schloss, dann sah ich sein anziehendes, dämonisches Gesicht vor mir und die Qualen wurden um ein vielfaches Schlimmer. Rastlosigkeit hielt mich wach. Seufzend schlug ich die Bettdecke zurück und stand auf. Verdammt, das Ganze grenzte schon an emotionaler Grausamkeit! Ruckartig flog mein Blick zu der geschlossenen Holztür und noch bevor ich dazu kam, herauszufinden was plötzlich in mich gefahren war, drängte mein Unterbewusstsein zur Eile und erteilte meinen Beinen den Befehl zum gehen. Wie von der Tarantel gestochen, zog ich mich an und hetzte auf den dunklen Flur hinaus. Instinktiv wusste ich, dass ich diesmal finden würde, wonach ich suchte. Meine Füße schienen ein Eigenleben zu führen, denn sie setzten sich ohne mein Zutun in Bewegung. Einem inneren, spontanen Impuls folgend, rannte ich durch das Haus, an unzähligen Zimmern vorbei, durch Räume, die ich nicht weiter zur Kenntnis nahm und durchstreifte bereits sichtlich genervt die verschiedenen Flügel des Anwesens. Warum zum Teufel brauchte eine Villa vier verschiedene Trakte, die jeweils in eine Himmelsrichtung zeigten? Ich hatte nicht einmal eine Ahnung, was ich eigentlich suchte, ganz zu schweigen davon, wohin mich mein Weg letztendlich führte. Aber ich hatte das Gefühl, wie in Zeitlupe durch das Anwesen zu laufen, obwohl ich eine Geschwindigkeit an den Tag legte, die meinen Schritten noch niemals inne gewohnt hatte. Nackte Panik saß mir im Genick und ich trieb mich dazu an, mein Tempo zu erhöhen, auch wenn mir bereits alle Knochen weh taten. Ich durfte keine Zeit verlieren. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend sauste ich die Treppe in die Eingangshalle hinab und bog, ohne darüber nachzudenken, in den rechten Seitengang ab. Kaum hetzte ich an einem Salon vorbei, in dem ein schwarzes Klavier stand, stemmte ich meine Sohlen gegen den Boden und zwang mich dazu anzuhalten. Vorsichtig spähte ich um die Ecke und sah mich in dem Raum um, der nur durch das künstlich erzeugte Licht des Vollmondes erhellt wurde. Am Fenster saß eine reglose Gestalt, die mir den Rücken zugewandt hielt. Diese Person hatte ein Bein über den Sims gesteckt und ließ das andere im Zimmer baumeln. Vorsichtig ging ich auf den Rothaarigen zu, ohne dabei ein Geräusch zu verursachen. Doch irgendetwas sagte mir, dass ihm nicht entgangen war, dass ich mich ihm näherte, trotz der unbestreitbaren Tatsache, dass er mich nicht ansah. "Ist es nicht schön?", erkundigte sich Alex nüchtern und ich ahnte, dass er keine Antwort auf diese Frage erwartete, zumal ich keine Vorstellung davon hatte, was er mir damit sagen wollte. "Eigentlich existiert da draußen nichts anderes außer schwarzer Leere. Es ist nur ein körperloser Raum." Ich furchte irritiert die Stirn. "Gefüllt durch deine Macht", erwiderte ich tonlos. Er lachte und in diesem Geräusch lag soviel Spott und Selbsthass, dass ich augenblicklich zusammen zuckte und mir ein kalter Schauer über den Rücken kroch. Ich senkte den Kopf, sobald mir der Plastikbecher auffiel, den er zwischen seinen Fingern hielt und aus dem kleine Dampfschwanden aufstiegen. An dem Geruch und der Färbung des Getränks identifizierte ich das Gebräu als Kaffee. Alex mochte das Zeug. Er hatte jeden Morgen eine Tasse davon getrunken, bevor er zur Arbeit gegangen war. Diese unnötige Information hatte ich in den Bildern gesehen, die er mir freundlicherweise überlassen hatte. Allerdings hatte ich keinen Schimmer, ob ich dieser Suppe ebenfalls zugetan war. "Du bist doch nicht hier, um mich anzustarren", meinte er und riss mich unvorbereitet aus meiner Versunkenheit. Ich zerkaute meine Unterlippe. "Nein, ich möchte, dass du endlich ehrlich zu mir bist." "Ich bin ganz Ohr." Zitternd rang ich die Hände ineinander. "Famiel hatte mir gesagt, dass ich sterben sollte und dass du mich gerettet hast", begann ich zögernd und schluckte einen Kloß, der mir im Hals saß. "Und jetzt mochte ich wissen, was das …" "Bedeutet", beendete er den Satz für mich und ich nickte zurückhaltend. "Das ist nicht einfach zu erklären." "Dann versuch es", forderte ich ihn nachdrücklich auf und in meiner Stimme lag die unüberhörbare Hartnäckigkeit, mit der ich Antworten verlangte. Ich war auf jede Erklärung gefasst, die er mir liefern würde, egal wie sie ausfallen würde. "Du hattest vor zwei Jahren einen schweren Autounfall und in Folge deiner Verletzungen bist du gestorben. Es gab keine Chance dein Leben zu retten. Ich wurde ausgesandt, um mir deine Seele zu holen, aber als ich vor die stand, da konnte ich es …" "Du konntest es nicht", unterbrach ich ihn und hatte auf einmal einen bitteren Geschmack auf der Zunge. "Warum hast du dir meine Seele nicht genommen?" Endlich blickte er mich an, mit einem Ausdruck in den Augen, der mich erschütterte und eine kalte Klaue legte sich um mein Herz. Ich musste dem drang widerstehen, ihn in den Arm zu nehmen, um den Schmerz zu lindern, der sich in seinen eleganten Zügen spiegelte. "Das ist eine Frage, die ich mir sehr oft gestellt habe." Einen Moment herrschte Stille und ich befürchtete bereits, dass er nicht mehr weiter sprechen würde, aber dann lehnte er sich zurück und seine Lippen bewegten sich erneut. "Ich fürchte, ich konnte es nicht mehr, nachdem ich vor dir gestanden habe und das reine Licht deiner Seele gesehen hatte, dass selbst meine Dunkelheit erhellen konnte. Ich konnte diese unvergleichliche Schönheit nicht zerstören, die auf ewig im Nichts gefangen gewesen wäre." "Dann hast du mich gerettet, obwohl du wusstest, dass du damit die Regeln brichst?" Er nickte und mir schnürte sich die Kehle zu. Hinter meinen Augen fühlte ich den Druck der Tränen. "Und warum erinnere ich mich an nichts … also nach dem Unfall?" Er schnalzte mit der Zunge, als wäre er wütend auf sich selbst. "Ich habe dein Leben erhalten, indem ich dir ein Teil meiner Kraft gegeben habe, aber das bedeutete auch, dass ich für dich verantwortlich war." Er schüttelte den Kopf und blickte wieder aus dem Fenster. "Alles hing von mir ab. Jedes noch so unwichtige Detail." "Was willst du mir damit sagen?" Er zuckte die Schultern. "Wie Vampire im Augenblick tiefster Zufriedenheit und höchster Glückseligkeit ihre Seele verlieren, war mir die Macht entglitten, mit der ich deine Erinnerung aneinander gebunden hatte", flüsterte er und ich hatte ein Bild im Kopf, das sich auch nicht verscheuchen ließ. Wir haben also schon miteinander geschlafen Trotz besseren Wissens war ich fassungslos und gaffte ihn sprachlos an. "Richtig. Und in dem Augenblick, zerbrach dein Gedächtnis." Er drehte sich wieder zu mir um und begegnete meinem entgeisterten Gesicht. "Und falls du dich das irgendwann einmal fragen solltest: In der Welt der Sterblichen habe ich nicht die Macht, deine Gestalt zu verändern. Ich vermute, dass das am Blutmond lag, doch sicher bin ich mir nicht." Er ergriff meine Handgelenke und zog mich näher. "Dieses Naturereignis hat seit Anbeginn der Zeit eine magische Wirkung und ich wollte kein Risiko eingehen. Deshalb hast du bei mir geschlafen." Anklagend tippte mein Fuß unruhig auf den Boden und ich verschränkte die Arme vor der Brust. "Und warum bist du über mich hergefallen?" Er kicherte wie ein verliebtes Schulmädchen. "Dumme Frage. Weil mich mein Verlangen nach dir noch umgebracht hätte." Ich hob skeptisch eine Augenbraue. "Und warum bin ich dann überhaupt eine Elfe geworden?" Er legte die Stirn an meine Brust und ich strich ihm geistesabwesend durch die Haare, während ich all das zu verdauen versuchte. Das war doch ganz schön viel für den Anfang. "Das ist auch mir ein Rätsel. Ich habe keine Ahnung, aber ich denke, dass das etwas mit mir zu tun hat." Alex lachte sarkastisch und schlang seine Arme um meinen Oberkörper. "Ich hätte dich wahrscheinlich nicht küssen sollen." Ich sagte dazu nichts. Er wusste genauso gut wie ich, dass ich auf seinen Kuss wahrscheinlich nicht hätte verzichten wollen. Diesen Eindruck vermittelten mir zumindest seine bruchstückhaften Erinnerungen. "Wieso nennst du mich Angel?" "Hm …", machte er wie ein Kind, das sich in der Umarmung seiner Mutter wohl fühlte. "Das ist nur ein Kosename, den ich einer wunderschönen, jungen Frau gegeben habe. An jenem Tag, als ich dich den Fängen des Todes entrissen hatte und dich für mich beansprucht habe, hatte ich ihn dir ins Ohr geflüstert und dir versprochen, dass ich dich finde, egal wo du bist." Erschrocken sog ich die Luft in meinen Lungen, als er mein Oberteil hochzuschieben begann und seinen Mund auf meine nackte Haut drückte. Will er sich vor weiteren Antworten drücken? "Ganz und gar nicht. Ich halte es nur einfach nicht aus, dir nahe zu sein ohne dich zu berühren." Da fiel mir doch etwas ein. Gut, dass er mich daran erinnerte. Ich packte ihn an den Schultern und entwand mich ihm. "Apropos: Warum hast du mich gemieden, obwohl du wusstest, wie grausam das für mich ist?" Murrend versuchte Alex nach mir zu greifen, doch ich war schneller und verschwand aus seiner Reichweite. "Weil ich nicht wollte, dass du auf diese Weise erfährst, wer ich wirklich bin", knurrte er und rutschte vom Fenstersims. "Ich hatte gedacht, dass es dich verschrecken würde, sobald du herausfindest, dass ich nicht der bin, für den ich mich ausgeben habe." Überrascht blinzelnd neigte ich den Kopf zur Seite. "Auch wenn du ein Dämon bist … das ändert doch an meinen Gefühlen nichts." Seine Miene verfinsterte sich und ich wusste, dass ich gewonnen hatte. Er würde mir meine Fragen beantworten, ohne mir aufzuweichen. Seinem Verlangen verdanke ich diese Möglichkeit. Das hieß, solange ich ihm entwischen konnte. Sonst wäre mein eigenes Begehren mein Untergang. "Nein, ich hätte es besser wissen sollen", schimpfte er und fuhr sich durch die Haare. "Du dummes Ding warst schon immer viel zu vertrauensselig." "Das hat dich aber in mein Bett gelassen", erinnerte ich ihn schmunzelnd. Er straffte die Schultern. "Nein, deine Naivität." Und plötzlich wurde ich an die Wand gepresst, eine Gefangene seines atemberaubenden Körpers, der nicht zuließ, dass ich wieder verschwand. Mit geschickten Handbewegungen begann er das Feuer in meinen Adern unerbittlich zu schüren und ich hörte mich selbst stöhnen. "Sag mir", keuchte ich atemlos, während er mich auszog. "Wie bist du gestorben?" Er rollte mit den Augen. "Du und deine Fragen. Können wir das nicht verschieben? Ich habe gerade etwas gefunden, was ich viel interessanter finde." "Nein, ich will das jetzt wissen", sagte ich stur. Hungrig starrte er auf meine Brust. "Ich lebe seit fast tausend Jahren. In meinem menschlichen Leben war ich Jamie Alec Draycott und ich habe Selbstmord begangen, indem ich mich vergiftet habe. Reicht das?" Reicht das? Ich dachte kurz nach und das führte zu einer weiteren Entdeckung, die ich geklärt wissen wollte. "Und wieso heißt du jetzt Alex?" Besagte Person knabberte an meinen Ohrläppchen und mir jagte ein heißer Schauer über den Rücken. "Dieser schwule Erzengel Michael meinte, dass Alex schöner wäre, obwohl ich der Meinung bin, dass zwischen beiden Namen kein großer Unterschied existiert." Er sah mich beinahe flehend an. "Würdest du jetzt bitte?" Ich lachte und schmiegte mich in seine Arme. Willig überließ ich mich dem Mann, den ich liebte. Für weitere Fragen stand er mir zur Verfügung, dass wusste ich. Fortsetzung Folgt ... Kapitel 14: In the quiet of the night ------------------------------------- Als ich am nächsten Morgen erwachte, lag eine Hand in meinen Haaren, die mir liebevoll durch die langen, glänzenden Strähnen streichelte. Mit den Fingern fuhr ich mir über die Augen, blinzelte irritiert und versuchte mich zu Orientieren versuchte, bevor mir erst nach wenigen Minuten die Geschehnisse der vergangenen Nacht wieder einfielen. Zu meiner Verwunderung lag ich nun nicht mehr auf dem staubigen Teppich, der den harten Boden des Klavierzimmer zierte und auf dem wir einander zärtlich geliebt hatten, sondern in einem Bett, umgeben von Kissen und kuscheligen Decken. Die Zeit war in Vergessenheit geraten, während wir miteinander beschäftigt gewesen waren und schließlich waren wir dicht aneinander gekuschelt eingeschlafen. Erschöpft aber durchaus zufrieden und glücklich. Alex hatte sich gegen die Wand gelegt und mein Kopf ruhte auf seinem Oberschenkel. Wenn wir zwischen den einzelnen Phasen, in denen wir miteinander geschlafen hatten, Pause gemacht hatten, hatte er mir weitere Fragen beantwortet, die mir auf der Seele gebrannt hatten. Ich hatte wissen wollen, wohin er so oft gegangen war, als wir uns noch in der Menschenwelt aufgehalten hatten und er sich stets mit der Ausrede, er müsste arbeiten, aus dem Staub gemacht hatte. Nach allem, was ich bisher erfahren hatte, war es eigentlich ganz einfach gewesen, mir die ersehnte Antwort selbst zu geben. Er hatte seinen Job erledigt, der darin bestand, die Seelen Verstorbener einzusammeln. Mein eigenes wohliges Schnurren riss mich aus meinen Überlegungen und ich schenkte dem Schatten, der sich über mich gebeugt hatte, ein strahlendes, verliebtes Lächeln. Ich wisperte ihm ein 'Guten Morgen' zu, bevor sich unsere Lippen in einem leidenschaftlichen Kuss erneut fanden. Stöhnend schlag ich ihm meine Arme um den Nacken, während mich Alex tiefer in die Kissen presste und das nur, um sich im nächsten Moment erschrocken zurückzuziehen, als hätte ihn jemand einen Kübel Eiswasser über den Kopf gegossen. Verwirrt und auch ein wenig besorgt sah ich ihn an. Der Atem drang ihm hart und abgehackt aus den Lungen. Ich vermutete, dass er mit seiner Selbstbeherrschung kämpfte, um nicht erneut über mich herzufallen. Schade, mir wäre das eigentlich ganz recht gewesen. Er hatte gesagt, er könnte nicht genug von mir bekommen, aber das gleiche galt auch für mich. Ich wollte ihm nahe sein. Seit ich Alex in der Stadtbibliothek begegnet war und sich unsere Wege plötzlich ständig gekreuzt hatten, war ich ihm verfallen. Alles hatte seine Bedeutung verloren. Nichts war mir wichtiger gewesen, als mein Verlangen nach ihm, obwohl ich es stets abgestritten hatte und mir auch selbst lange zeit nicht hatte eingestehen wollte. Ich wusste nicht einmal, wen ich mehr von der Richtigkeit meiner Worte überzeugen wollte. Alex oder mich. Während diese Überlegungen mein Gehirn stürmten, machte ich eine erstaunliche Entdeckung, die mich überrascht die Augenbrauen hochziehen ließ. Ich erinnerte mich wieder an alles. An jedes noch so unbedeutende Detail, seit dem Autounfall. Seine Finger berührten meine Wange und mir jagte ein angenehmer Schauer über den Rücken. "Hast du es endlich bemerkt?", fragte er weich und strich mir mit dem Daumen über die Lippen. "Ich habe dein Gedächtnis endlich wieder zusammengesetzt." Ich nickte sprachlos, nicht verstehend, wie er das in so kurzer Zeit geschafft hatte. "Freust du dich nicht?", fragte er leise und zog gespielt einen Schmollmund. Verärgert stellte ich fest, dass ich mich zuerst räuspern musste, bevor ich wieder Herr über meine Stimme war. "Doch, ich frage mich nur …" "Was fragst du dich, Angel?", erkundigte sich Alex süffisant Grinsend und sah mir tief in die Augen. Ich wich seinem intensiven Blick aus. "Wie hast du das gemacht?" Er wirkte erstaunt. "Wie soll ich dir das erklären?" Er rollte sich zur Seite, stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Alex suchte wohl einen Weg, um es mir verständlich zu erklären, fand aber scheinbar keinen. "Über Tage hinweg hatte ich bereits alles vorbereitet gehabt. Es fehlten nur noch ein paar letzte Feinabstimmungen." Widerwillig gab ich mich mit dieser Antwort erst einmal zufrieden, darauf hoffend, dass er meine Neugier irgendwann ausreichend befriedigen würde. Im Augenblick schien er allerdings nicht dazu geneigt zu sein, das Thema weiter zu vertiefen. Ich verfolgte seine Schritte, wie er zu seinem Kleiderschrank tigerte und die Türen öffnete. Aus einem der Fächer zog er eine schwarze Jeans und ein T-Shirt, während mein Blick zu seinem knackigen Hintern wanderte, als er sich die Hose anzog. Obwohl ich die Hitze deutlich in meinen Wangen fühlte, konnte ich die Augen nicht abwenden. Der Stoff seiner Klamotten schmiegte sich wie eine zweite Haut an seinen stattlichen Körper und an seine heißen Kurven. Ein hingerissenes Seufzen verließ meine Lungen. Alex drehte sich zu mir um, kam auf mich zu und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. Er wisperte mir ein 'später' ins Ohr und strich mir sanft über den Nacken, wodurch mir das Herz augenblicklich schneller gegen die Rippen schlug und mir entglitt ein erregtes Schnurren. Mein Gott. Ich benehme mich wie ein pubertierender Teenager. Alex quittierte meine Gedanken mit einem verführerischen Lächeln und ich schmolz dahin, wie Butter in der Mittagssonne. Ein wohliges Gefühl breitete sich in meinen Magen aus, das, flüssigem Feuer nicht unähnlich, durch meine Adern jagte. Ich begann zu zittern. Aber nicht vor Kälte. Mein Verlangen nach Alex war erneut erwacht, obwohl wir uns erst in der vergangen Nacht ausgetobt hatten, als gäbe es keinen Morgen mehr. Der Herr der Toten legte mir etwas in die Hände, riss mich somit aus meinen Überlegungen und sorgte dafür, dass ich überrascht zu ihm aufschaute. "Würdest du das für mich tragen, Angel?", bat er sanft und wickelte sich eine Strähne meiner Haare um den Finger. Ich blinzelte verunsichert und betrachtete das schwarze Kleid, das mit weißen Rüschen und Spitze verziert war. Neugierig rieb ich den Stoff zwischen meinen Finger. Samt und Baumwolle. Mir widerstrebte der Gedanke, so etwas Kitschiges zu tragen, zumal ich keine Gothic-Lolita war beziehungsweise diesen Lebensstil nicht verkörperte. Leider Gottes gab es nichts auf dieser Welt, das ich ihm abschlagen konnte und deshalb würde ich seiner Bitte resigniert seufzend nachkommen. Scheinbar verlor ich wirklich langsam aber sicher den Verstand. Seine Fingerknöchel wanderten über meine Wange und ich schloss die Augen, versank in seiner weichen Berührung. "Braves Mädchen", hauchte er schmunzelnd. Ich schnitt eine Grimasse und sah ihm stirnrunzelnd nach, als er das Zimmer verließ. Leise fiel die Tür hinter ihm ins Schloss und bereits jetzt hatte ich das Gefühl ihn und seine Wärme unendlich zu vermissen. Noch immer versuchte ich zu begreifen, warum ich diesen Fummel anziehen sollte und betrachtete das Kleid von allen Seiten, als würde mir diese unnütze Vorgehensweise Aufschluss über seine Absichten geben. Was dachte er sich nur dabei? *** Interessiert horchte ich auf, nachdem ich gedämpfte Musik hörte, die von den unteren Räumen in Alex’ Zimmer drang; meine Neugier war augenblicklich geweckt. Ich hatte die letzten Stunden damit verbracht, mich anzuziehen oder genauer gesagt, mich von einem aufdringlichen Mädchen, die mit Sicherheit selbst ein Todesengel gewesen war, sie hatte sich mit den Namen Ardouisur vorgestellt, was für ein Zungenbrecher, in diesen albernen Fummel stecken zu lassen. Sie hatte auf ein Korsett bestanden, um an meiner grauenhaften Haltung zu arbeiten und nachdem ich mir mit ihr eine zweistündige, hitzige Diskussion geliefert hatte, die ich im Eifer des Gefechts wie erwartet verlor, gab es zwei Dinge, über die ich ernsthaft nachdachte. Erstens: Hatten die Frauen im Mittelalter gelernt nicht zu atmen? Zweitens: Ich musste doch den Eindruck erwecken, als hätte ich einen Besenstil verschluckt? Schließlich stand ich mit hochgesteckten Haaren, kunstvoll frisiert neben dem Bett und fühlte mich wie eine lächerlich angezogene Barbiepuppe. Ein letzter kritischer Blick von dieser Göre, die ich um einen Kopf überragte, und sie nickte, scheinbar zufrieden mit ihrem Werk. Ich stieß die Luft aus den Lungen und wartete einige Sekunden, in denen ich mich im Spiegel betrachtete. Es war seltsam mich so zu sehen. Fremd. Ich ging zur Tür, nachdem Ardouisur wortlos verschwunden war; ich wollte keine übermäßig große Bekanntschaft mit dem Teppich schließen und hob dabei die Röcke an, um mich nicht in den Stoff zu verheddern. Vorsichtig sah ich auf den Flur hinaus, wandte den Kopf in beide Richtungen und atmete beruhigt auf, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass ich nicht beobachtet wurde. Klammheimlich stahl ich mich aus dem Zimmer und folgte der Musik, die mich vollkommen in ihren Bann gezogen hatte. Die Geräusche von Gitarren, Schlagzeug und einem Keyboard erfüllten das Haus und neben diesen bekannten Lauten hörte ich eine Stimme, die nicht schöner und einzigartiger hätte sein konnte. Ich blieb stehen, gefangen von den Klängen, die meine Ohren erreichten. Meine Füße verweigerten mir den Dienst und ich schloss die Augen, spürte, wie die unbekannten Töne in meinem Körper widerhallten und mir das Gefühl gaben, als berührten sie meine Seele, stünden mit meinem Herzen im Einklang. Ich ging weiter und fragte mich, was das für eine Sprache war, die von den Wänden schallte und die stumme Ewigkeit des Seins zum Leben erweckte. Wer immer da sang, hatte eine Stimme, die jenseits der Realität lag. Fasziniert lief ich weiter und rannte die Treppe ins Erdgeschoss hinab. Auf der Suche nach der Geräuschquelle, die für meine Begeisterung die Verantwortlich war, durchsuchte ich die Villa und öffnete die Flügeltüren jedes einzelnen Raumes, bis ich das entsprechende Geräuschquelle gefunden hatte und nicht glauben konnte, welcher Anblick sich meinen Augen bot. Tausende von Todesengel, ich erkannte sie an ihren schwarzen Flügeln, hielten sich in einem riesigen Saal auf und tanzten zu dieser einen, wundervollen Melodie, die auch mich gelockt hatte. Diese unsterblichen Geschöpfe erweckten den Eindruck, als bewegten sie sich im völligen Einklang, einer Harmonie, die weit über das Menschliche Vorstellungsvermögen hinausging. Ich hielt die Luft an und in dieser Sekunde breitete sich eine unheilvolle Stille aus, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. Alle Anwesenden drehten sich zu mir um und plötzlich stand ich im Mittelpunkt des Interesses. Ich wusste damit nichts anzufangen. Das einzige, was ich wusste, war, das ich mich unter diesen vielen, prüfenden Blicken unbehaglich zu winden begann und nur ein einziges Wort meine Gedanken beherrschte. Flucht. Ganz plötzlich schien die Atmosphäre so bedrohlich, wie vor einem heraufziehenden Unwetter. Lauf … Lauf …, drängte ein innerer Impuls, doch ich war nicht fähig mich zu bewegen und als sich die Menge teilte, um einer einzigen Person Platz zu machen, die sich mir mit eleganten, federnden Schritt näherte, stockte mir der Atem Meine Kehle trocknete aus. Völlig entgeistert und nicht sicher, ob mir meine Fantasie einen Streich spielte, sah ich Alex entgegen und betrachtete das rätselhafte Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte. Er trug einen maßgeschneiderten, schwarzen Anzug und ein weißes Hemd, das auf seltsame Weise im reizvollen Kontrast zu seinem feuerroten Haaren stand. Eine Maske verdeckte die obere Hälfte seines Gesichtes, doch ich wusste, dass er mich beobachtete. Jeden zitternden Atemzug, jede noch so kleine Bewegung, das Frösteln, das meinen Körper befiel. Wie ein perfekter Gentleman verbeugte er sich vor mir und hielt mir seine Hand entgegen, die in einem weißen Handschuh steckte. "Darf ich bitten?" Ich war mir der Tatsache bewusst, dass, dass mich jeder anstarrte, um herauszufinden, ob ich die auffordernde Geste ausschlagen oder annehmen würde. Zögernd legte in meine Finger in seine und er zog mich an seine Brust, hielt mich fest und strich mir durch die Haare. Der Hauch eines Kusses traf meine Stirn und er entführte mich in die Reihen, der Todesengel. Alex bewegte sich im Takt der Musik und zog mich mit sich. Dass ich so rasch atemlos war, schob ich auf meine fehlende Tanzerfahrung, und dass mir schwindelig war, lag an den Kreisen, die wir drehten. Doch im Herzen wusste ich, dass es Alex war, der diese Empfindungen in mir auslöste, während er mich durch den geheimnisvollen, anmutenden Ballsaal wirbelte und mit mir durch die offenen Terrassentüren schwebte. Ich war eine Idiotin, denn ich hatte mich restlos in ihn verliebt. Ich genoss es, ihn anzusehen, konnte einfach nicht genug von ihm bekommen, aber all das brachte auch Angst mit sich, die mir die Kehle zuschnürt. Angst vor dem Verlassen werden. Und doch störte es mich nicht. Ich wollte die Zeit, die ich noch bei ihm verbringen durfte, genießen, weshalb ich die negativen Gedanken aus meinen Kopf verscheuchte. Ich liebte ihn, obwohl ich es nie gesagt hatte und es auch niemals tun würde. Meine Füße glichen Schwingen, auf denen ich in seinen Armen zu schwindelnden Höhen emporsteigen konnte. Wenn ich nach unten sehen würde, würde ich fallen … Sieh nicht nach unten, Angel. Schau mir in die Augen. Es war, als hörte ich im Geiste seine Stimme -, oder hatte ich mir das nur eingebildet? Es spielte keine Rolle. Fest hielt ich den Blick auf sein Gesicht gerichtet. Wenn dies ein Traum war, dann wollte ich nie wieder aufwachen. Unter seinen gesenkten Lidern funkelten seine unergründlichen, roten Augen, als er mich anguckte. Die stumme Bewunderung, die daraus sprach, sagte mir mehr als Worte, wie schön und begehrenswert er mich fand. Alex beugte sich über mich und küsste mich verlangend. Die Geräusche aus dem überfüllten Saal drangen nur noch gedämpft an meine Ohren und ich lächelte verzaubert, schloss die Augen und ließ mich von dem Gefühl treiben, dass ich in seinen Armen gefunden und mit Umsicht bewahren würde. Ich sah den goldenen Ring, der im Mondlicht geheimnisvoll glänzte … Fortsetzung Folgt ... _________________________________________________________________________________ Für diejenigen die es interessiert: Ich habe dieses Kapitel geschrieben, während ich das Lied Amazing Kiss von BoA gehört habe und Mirror Mirror von Trey'D http://www.youtube.com/watch?v=-sRW5I2ESCI http://de.sevenload.com/videos/Jkp3nXa-Trey-D-Mirror-Mirror Epilog: I need you because I love you. -------------------------------------- "Bereust du es?", erkundigte sich eine tiefe, wohlklingende Stimme, in die sich ein neckender Unterton mischte. "Jetzt wirst du mich bis in alle Ewigkeiten ertragen müssen." Ein Grinsen umspielte meine Mundwinkel, während ich zu den Gebäuden der Stadt zurückblickte, die sich von uns zu entfernen begannen. Der kühle Morgenwind wehte mir die Haare ins Gesicht und zerrte am Saum meines Rockes. Tief sog ich die frische Luft in meine Lungen. Inzwischen waren zwei Wochen vergangen, seit ich diese kalte, leere Zwischenwelt verlassen hatte, in der die Todesengel lebten. Ich verbrachte meine Zeit endlich wieder unter meinesgleichen, obwohl ich doch stark bezweifelte, dass überhaupt irgendjemand Notiz von mir nahm. Kein Wunder, immerhin war ich jetzt wieder ein sechzehn Zentimeter großer Zwerg. Während der letzten Monate war viel passiert, vielleicht zu viel … Dinge, die sich ein rationaler Verstand nicht vorzustellen vermochte. Ich wusste nicht genau, ob ich mit Stolz sagen wollte, dass ich nicht mehr normal war, aber zumindest konnte ich stets herzlich darüber lachen. "Ich denke, damit kann ich ganz gut leben", erwiderte ich kühl und so arrogant wie möglich, so dass ich dem Schatten hinter mir ein leises Lachen entlockte. "So ein oder zwei Jahrhunderte." Ich warf einen Blick über die Schulter und beobachtete Alex dabei, wie er sich gegen die Reling lehnte und mich ansah. Wir befanden uns auf einem Schiff, das uns zu den Karibischen Inseln bringen würde. Dort würden wir eine Zeitlang Urlaub machen und alles um uns herum vergessen. Im Augenblick gab es nur uns zwei. Wenn wir Glück hatten, würde vielleicht auch der Blutmond aufgehen … "Ich fühle mich geehrt, dass Ihr mir das Privileg einräumt, ein Stück Eurer kostbaren Zeit in Anspruch nehmen zu dürfen, Mylady", näselte er wie ein versnobter Aristokrat und kicherte leise. Ich hatte ihn gefragt, warum ihn seinerzeit in der Bibliothek niemand, außer mir, gesehen hatte und zur Antwort hatte ich bekommen, dass er nicht gewollt hatte und die Zeit danach war er auch unsichtbar gewesen. Als ich mir die irritierten Blicke der Menschen in Erinnerung rief, die mich angeguckten hatten, als wäre ich nicht ganz dicht, weil ich für diese Personen mit mir selbst geredet hatte, würde ich auch jetzt noch an liebsten vor Scham im Erdboden versinken. Heiße Röte schoss in meine Wangen und rasch wandte ich mich ab. "Dieses Vergnügen kann ich Euch natürlich nicht umsonst gewähren", erwiderte ich trocken und meine Augen funkelten belustigt auf. "Ich bin Eurer unwürdig", erwiderte Alex theatralisch und legte die Hand auf sein Herz. "Und dennoch werde ich versuchen, Euch ein gehorsamer Diener zu sein." Das frühe Sonnenlicht funkelte auf dem goldenen Reif, den er am Finger trug und der auch meine Hand zierte. Niemand von uns hatte jemals gesagt, was er für den anderen empfand, aber das würde auch niemals notwendig sein. Wir verstanden uns auch ohne Worte. Natürlich hatte er weiterhin den Vorteil, dass er meine Gedanken ausspionieren konnte, das hatte er sich allerdings größtenteils bereits abgewöhnt, wie er mir versichert hatte. "Also …", sagte ich und zog das Wort absichtlich in die Länge. "Ich habe da mal eine Frage …" "Nicht schon wieder", sagte er verzweifelt und sah mich an. Er machte auf mich den Eindruck, als würde er sich gleich ins Wasser stützen und sich selbst ertränken. Ich lachte laut und unbeschwert und Alex hob mich auf seine Hand und drückte mich vorsichtig an sich. So würde es immer sein. Solange es ihn gab, denn dann war ich … glücklich … ~Ende~ _________________________________________________________________________________ An dieser Stelle schließe ich das Kapitel mit Alex und Tracy und hoffe, dass euch die Geschichte gefallen hat. Wie immer bedanke ich mich bei meinen Kommi-Schreibern, die mir stets ein Feedback gegeben haben und auch die Stillen Leser^^° Danke für eure Unterstützung. Auch bei meiner Beta-Leserin möchte ich wieder dafür Danke, dass sie sich stets die Zeit genommen und die Kapitel geprüft hat, auch wenn die überarbeitete Versionen meistens erst ein paar Tage später hochgeladen wurden, nachdem die Rohfassung bereits freigeschaltet gewesen waren. Und jetzt möchte ich noch etwas Anmerkungen: Diese Story habe ich für einen animexxler geschrieben, den ich sehr mag. Er hatte die Grundidee und ich habe mich dazu entschlossen, daraus eine gesamte Story zu erarbeiten. Ich hoffe doch, dass es mir gelungen ist, deine Gedanken umzusetzen. Wenn nicht, hast du die Offizielle Erlaubnis, mich zu Teeren und zu Federn xD Sein Name: Joukko *___* Hab dich lieb *Knutscha* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)