Fensterschreiben von Technomage (Every day is writing day) ================================================================================ Ich schreibe keine Geschichten in Anlehnung an Wolfgang Hildesheimer (30.06.09) ------------------------------------------------------------------------------- Ich war gerade auf dem Weg hinunter von der Bibliothek in die Stadt, als ich eine Tür verschlossen vorfand. Die Tür führte in den Eingangsbereich und ich musste sie passieren, wenn ich das Gebäude verlassen wollte. Ich drückte kräftig dagegen, doch die Tür wollte nicht nachgeben. Ein Mann saß unbeteiligt dreinblickend neben der Tür und ich fragte ihn: „Verzeihung, ist diese Tür verschlossen?“ Ich kam mir sofort seltsam vor, weil es offensichtlich war, dass sich diese Tür nicht öffnen ließ – hatte ich es doch gerade bei Aufbietung meiner Kraft unter Beweis gestellt. Doch der Mann lächelte mich nur versonnen an und sagte: „Aber nicht doch. Sie öffnet sich ganz von selbst. Man muss nur gewaltig anfänglichen Druck darauf ausüben, dann tritt ihr Mechanismus in Kraft und sie schwingt federleicht von ganz allein auf.“ „Mit Verlaub, ist das nicht etwas kafkaesk?“ Ich blickte abschätzig die Tür an und dachte nach, ob es noch andere Durchgänge gab. „Unser Gespräch, meinen sie?“, fragte der Mann freundlich zurück. „Nein, die Konstruktion der Tür.“ Ich war überrascht ob der Offensichtlichkeit des Missverständnisses. „Wissen Sie, wer Hans-Hermann Grot war?“, warf der Mann mir, nun offenbar leicht verstimmt, entgegen. „Nicht einmal im Ansatz. Wie kommen sie darauf?“ „Haben Sie sich nie gefragt, woher das Wort ‚grotesk’ stammt?“, fragte er beharrlich mit drängender Stimme weiter. „Nun … ich …“ Ich errötete, beschämt durch meine eigene Unwissenheit. „Werden sie sich erst einmal darüber klar, wie ein Wort entstanden ist, bevor sie ein Wort verwenden, das aus jenem entstanden ist.“ Ich sah ihn etwas betreten an, stand ich doch immer noch vor einer verschlossenen Tür und wusste nicht, was ich tun sollte. Doch die Laune des Mannes hatte sich wieder beruhigt und er erklärte mir hilfsbereit: „Es ist eine Ableitung, die sich einfach nachvollziehen lässt.“ „Ich will doch einfach nur durch diese Tür und nach Hause“, gab ich etwas jämmerlich von mir. „Das wird mir langsam zu haruhesk.“ „Wie meinen?“ Der beugte sich ungläubig vor, als habe er sich verhört. „Haruhesk. Wie der Vorname der Figur aus ‚Die Melancholie der Suzumiya Haruhi’.“ Ich lächelte nervös, nicht sicher weshalb. „Ich kann Ihre konventionslose Generation von Studenten nicht ausstehen! Scheren Sie sich nach oben und lassen sie mich und die Tür allein!“, brüllte der Mann mir empört hinterher, während ich schon wieder zwei Stufen auf einmal die Treppe aufwärts nahm. Hier musste es doch irgendwo ein offenes Fenster geben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)