Fensterschreiben von Technomage (Every day is writing day) ================================================================================ self-wishfulfilment-prophecy (04.07.2009) ----------------------------------------- Parzon riss die Klinge nach oben und unter vibrierendem Schreien der Bestie schlitzte sie den Chitinpanzer auf, als wäre er … nun, eben der gigantische Torso eines Rieseninsekts. Er war behände darin zu töten, nicht Worte dafür zu finden. Als kalte gelierte Brühe ergossen sich Blut und andere Substanzen aus der Wunde über ihn. Er würde sich nie daran gewöhnen, dass Blut stets anders war, als er es erwartete. Das wenigste war warm, noch weniger ungefährlich. Es gehörte zu seinem Daseinsrisiko. Parzon schwang den Schild noch rechtzeitig in die Fontäne, um zumindest sein Gesicht zu bedecken, während er das Biest rammend näher heranrückte, um sein Schwert senkrecht hinauf in die geschlagene Wunde zu treiben. Ein letzter Schrei erzitterte, das riesige Insekt starb und fiel. Parzon warf sich im letzten Moment zur Seite, um nicht vom Leib begraben zu werden. Knackend zog er dabei das Schwert mit sich und wog es auf einen möglichen Bruch ab, während der Körper zuckend dalag. Insekten funktionierten noch Stunden, nachdem sie tot waren weiter, waren jedoch nur noch für Narren eine Bedrohung. Das Schwert war intakt. Parzon streifte es sauber und steckte es weg. Auf der Rüstung festigte sich das Blut bereits zu einer breiigen Glasur, doch tat ansonsten nichts. Er nahm den beißend süßen Duft kaum noch wahr. Die Luft erschimmerte und als er bereits eine Hand am Knauf hatte, trat ein Wesen aus dem Schimmer wie eine Treppe hinab. Bleich, schmal und burschikos, Haar wie Trauerweiden und klein. Nicht einmal seine Klinge hoch. Parzon seufzte, ließ den Knauf fahren und wandte sich zum Gehen. „Habt Dank, Ritter“, wurde er von der Stimme gehalten. Die Fee verharrte erwartungsvoll in der Luft, im Bewusstsein, er würde sich umdrehen. „Warum nennst du mich Ritter?“ Parzon machte barsch kehrt und sah das kleine Geschöpf an. „Ich sehe kein Pferd, auf dem ich reite.“ „Das kann ich verstehen, Ritter. Aber du--“ „... hast mir das Leben gerettet. Ich weiß.“ Feen waren wie die Bandaufnahme eines Kassettenrekorders, die abgespielt wurde, wenn man die richtigen Knöpfe drückte. Wirklich hübsch anzusehende Kassettenrekorder, kein Zweifel, aber in Jahrtausenden Routine gewaltiger Macht durch reine Präsenz abgestumpft für die Wahrnehmung ihrer Umwelt. „Genau“, stimmte sie zufrieden zu, „und deshalb hast du einen Wunsch frei.“ Parzon war versucht ihr wieder die Worte aus dem Mund zu nehmen, doch selbst dazu empfand er ziemliche Lustlosigkeit. Die Fee würde trotzdem ihre Formel aufsagen, er musste sich etwas wünschen und sie wussten beide, dass es tragisch enden würde. Moment, durchfuhr ihn der Gedanke, weiß die Fee eigentlich, dass die Macht ihrer Art über die Menschen letztlich stets im Unglück enden muss? Die Möglichkeit bereitete ihm Kopfschmerzen und er verwarf die Überlegung. „Das Problem mit euch Feen ist, dass man nie weiß, was man sich wünschen soll. Vor allem wird es mit jeder Nächsten immer schwieriger.“ „Du kannst dir alles wünschen, was du willst“, entgegnete die Fee unberührt freundlich. „Wenn ich mir etwas Seltsames oder Ideelles wünsche, dann komme und kam ich mir stets dumm vor, weil sich vermutlich jeder Pferdemann schon Frieden auf Erden und das mächtigste Schwert gewünscht hat.“ Parzon hatte sich schon zweimal Weltfrieden gewünscht, aber leider gab es immer irgendwo auf jenem weiten Rund einen anderen, der sich bald das Gegenteil wünschte. „Das Schwert der Schwerter könnte dein sein“, informierte ihn die Fee. Zum ersten Mal musste Parzon grinsen, als er mit einem Sirren sein Schwert blankzog. Es war unscheinbar und schlicht, doch der Schmollmund der Fee hatte sich zu einem überraschten „Oh“ verzogen. Sie verstand. „Doch Frieden könnte dein Wunsch zum Wohle d--“ „Andererseits könnte ich mir etwas Banales wünschen. Eine saubere Rüstung oder dass du dich in ein Wesen halb Mensch, halb Qualle verwandelst und wir es treiben wie wilde Hunde“, unterbrach er sie und zum ersten Mal zuckte so etwas wie Überraschung, eine echte Emotion, in ihren Augen. War da hinter dem Band ein Wesen mit Bedürfnissen und Abneigungen? Hatte sie irgendeine Meinung zu seinen Wünschen? Er seufzte. „Manchmal könnte ich mir fast wünschen, dass ihr Feen mir sagt, was ich mir wünschen soll.“ Er sah wie sie nachdachte. Die Fee überlegte, ob er im Redefluss zufällig eine „Ich wünsche mir“-Formel geäußert hatte. Doch Parzon war mittlerweile aufmerksam für solche Details. „Wenn ich mir etwas Banales wünsche, habe ich nachher trotzdem das miserable Gefühl einen Wunsch vergeudet zu haben.“ Nur ein Mann, der es sich allmächtig gewünscht hatte, konnte beim Verzehr eines wirklich guten Truthahnsandwiches bittere Tränen vergießen. Parzon hatte dies und vieles mehr von Feen gelernt. 'Ich wünschte, du würdest dich zum Teufel scheren' war auch nicht gut. Er fühlte sich jetzt noch elend, wenn er an das arme Ding dachte. Er seufzte erneut und ließ sich auf den Boden nieder, das Schwert über den Knien. „Ach mach' doch, was du willst. Mir ist es egal.“ Parzon und die Fee sahen sich eine Weile erwartungsvoll an. „Ich bräuchte das etwas eindeutiger“, sagte die Fee unschuldig und strich sich verlegen durch das Haar. Parzon schüttelte kapitulierend den Kopf. Es war fast menschlich. „Ich wünsche, dass du machst, was du willst, denn es ist mir egal.“ Wie ein Verschwimmen im Wasser war die Fee verschwunden. 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