American Vampire von CurlyHair ================================================================================ Kapitel 19: An deiner Seite --------------------------- Ich betrachtete Bella, die ich nach langem Widerstand endlich hatte einschläfern können. Sie hatte viel gefragt, aber ich hatte darauf bestanden, dass sie schlief, da es ein langer Tag für sie gewesen war. Ihr Verhalten machte mir Sorgen, zwar hatte ich nichts gegen ihre Neugier, aber sie schien sich verzweifelt daran zu klammern, dass ich hier war. Beinahe war es so, als sei ich der letzte Rettungsring, der sie über Wasser hielt. Leise seufzend deckte ich Bella wieder zu und wachte über ihren unruhigen Schlaf. Sie drehte sich hin und her, ihr Gesicht spannte sich verbissen an, als hätte sie Schmerzen. Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn und sie murmelte unverständliche Dinge. „Bella“, sprach ich leise und setzte mich an ihr Bett. Vorsichtig strich ich ihr durchs Haar. Aber sie wachte nicht auf und schien sich auch nicht zu beruhigen. Stattdessen wurde es schlimmer. Die ersten Tränen quellten unter ihren Wimpern hervor und krochen über ihre Wangen. „Edward, nein, nicht“, murmelte sie. „Edward“, immer wieder fiel dieser Name. Bereits auf der Lichtung hatte sie diesen Namen geflüstert. Wer war dieser Typ? Ich war neugierig, aber mein Gefühl sagte mir, dass es wenig ratsam wäre, sie zu fragen. Sie schien auf einer tiefen emotionalen Ebene mit ihm verbunden zu sein, eine Ebene die momentan ziemlich gekippt war. Ein Schrei holte mich in die Realität, riss mich aus meinen Gedanken. Bellas Körper verkrampfte und schüttelte sich unter den Schreien. Ich packte sie an den Schultern und schüttelte sie vorsichtig. „Bella, wach auf! Bella!“, sagte ich laut und sie schreckte aus dem Schlaf. Ihr Puls raste und ihr Atem ging stockend. Verwirrt sah sie mich an, so, als kenne sie mich nicht. Dann brach sie weinend zusammen. Sanft nahm ich sie in den Arm und strich ihr durchs Haar. „Pscht, Bella. Ich bin hier, hab keine Angst“, versuchte ich sie zu trösten. Ein wenig war ich mit dieser Situation überfordert. Ich hatte seit sehr langer Zeit niemanden mehr weinen gesehen oder jemanden trösten müssen und selbst früher war ich nie gut darin gewesen. Sie weinte einfach weiter und ich strich ihr einfach über den Rücken. Stille legte sich über den Raum, als Bella aufhörte zu schluchzen. „Tut mir Leid“, murmelte Bella leise. Ich schüttelte den Kopf. „Du brauchst jetzt nichts zu erklären“, sagte ich, „Ruh dich aus.“ „Bleib hier, Grace. Bitte, bleib“, flehte sie. „Ist ja gut Bella, ich bleibe, aber bitte ruh dich jetzt aus. Soll ich dir vielleicht ein Glas Wasser holen oder brauchst du sonst etwas?“ Sie schüttelte den Kopf und legte sich wieder hin. „Nein, ich möchte einfach, dass du hier bleibst“, murmelte sie müde. Ich nickte und deckte sie wieder zu. Leise summte ich eine ruhige Melodie. Bella sah mich traurig an und drückte meine Hand. Ich wollte schon aufhören und sie fragen, was los sei, aber sie schüttelte lächelnd den Kopf und schloss die Augen. Sanft strich ich ihr durchs Haar und begleitete sie mit der Melodie in einen ruhigeren Schlaf. Ich blieb an ihrer Seite, die ganze Nacht. Sobald ich versuchte, meine Hand aus ihrer zu lösen, drückte sie die meine fester und obwohl es ein leichtes für mich gewesen wäre, sie ihr zu entziehen, ließ ich sie an Ort und Stelle. Erst mit dem Morgengrauen erhob ich mich, löste meine Hand von ihren Fingern. Ich lauschte und als ich mich vergewissert hatte, dass auch Charlie Swan im Nebenzimmer noch friedlich schnarchte, ging ich nach unten. Zunächst musste ich zu meinem Wagen, neue Sachen holen. Schnell verschwand ich im Wald und zog mich um. Es dauerte keine zwei Minuten, als ich wieder im Flur des Hauses stand. Wenn ich schon hier blieben sollte, würde ich mich nützlich machen. Also ging ich in die Küche und überlegte. Es war eine ganze Weile her, seit ich das letzte Frühstück zubereitet hatte, aber das würde doch kein Problem für mich darstellen oder? Ein wenig hilfesuchend sah ich mich um, aber ein Kochbuch fand ich nicht – folglich musste ich improvisieren. Was also isst der Mensch von heute zum Frühstück? Pfannkuchen? Gute Idee, aber wenn sie nun nichts Süßes mögen? Vielleicht eher Eier und Schinken? Oder ich laufe zum Bäcker und schaue ob ich Croissants bekomme, aber bei der letzten Variante gab es Hindernisse – ich wusste weder wo in diesem Örtchen der Bäcker war, geschweige denn ob es überhaupt einen gab und vor allem: kannten die in dieser Einöde Croissants? Die dritte Frühstücksmöglichkeit fiel schon einmal aus. ein Blick in den Kühlschrank strich dann auch die zweite Version von „Graces Improvisationsfrühstück“ von der Liste. Juhu, Pfannkuchen! Während ich alle möglichen Zutaten in eine Schüssel haute und rührte, summte ich eine fröhliche Melodie vor mich hin, etwas, das ich schon lange nicht mehr getan hatte. Ich war selbst überrascht, aber ich hatte heute gute Laune. Mit Freude machte ich die ersten Pfannkuchen und stapelte sie auf einem Teller. Lächelnd registrierte ich die schweren Schritte auf der Treppe. Das konnte nur Bellas Vater sein. In der Tür blieb er stehen und als ich mich umdrehte, sah ich sein überraschtes Gesicht. Er trug eine Polizeiuniform, allerdings wirkte sie ohne Schuhe und ohne Waffengürtel wenig seriös. „Guten Morgen, ähm, hier riecht es wirklich gut“, begrüßte er mich. Ich lachte. „Guten Morgen und danke für das Kompliment. Ich hoffe es stört nicht, dass ich mich so in ihrer Küche ausbreite, aber ich war so früh munter und wollte mich nützlich machen“, sagte ich. Er schüttelte den Kopf. „Nein, nein, schon okay und bitte nenn mich Charlie, hab ich dir doch schon gestern gesagt.“ Erneut lachte ich. „Okay, Charlie. Also, Lust auf Pfannkuchen?“ Charlie nickte lächelnd. „Pfannkuchen, wie könnte ich da nein sagen?“ Ich tat ihm einfach mal eine große Portion auf den Teller, denn ich hatte zum einen viel zu viele gemacht und zum anderen brauchten Polizisten Kraft um unsere Gesellschaft ruhig zu halten, oder nicht? Nachdem ich mir ebenfalls zwei Pfannkuchen genommen hatte, setzten wir uns an den Tisch. „Es ist wirklich schön, dass du da bist“, erklärte Charlie nach einem Moment des Schweigens, „und das sage ich nicht nur, weil diese Pfannkuchen wirklich verdammt gut sind. Du tust Bella gut, ich hab sie schon länger nicht mehr so fröhlich gesehen.“ Leise seufzte ich. „Mir ist aufgefallen, dass sie leidet. Sie hatte einen Albtraum“, erzählte ich. Charlie nickte. „Jede Nacht geht das so. Jede Nacht weint und schreit sie. Ich hab keine Ahnung, was ich mit ihr tun soll. Ich wollte sie zurück zu ihrer Mutter nach Florida schicken, aber sie hat geschrien und sich strikt geweigert. Es ist alles anders geworden seit er weg ist.“ „Er?“, fragte ich, hatte aber schon einen Verdacht, wer hier gemeint war. Bellas Dad sah mich seufzend an. „Sie hat es dir nicht erzählt oder? Dass sie… Wie sie von ihrem ersten Freund verlassen wurde?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe auch nicht danach gefragt“, erklärte ich. Erneut seufzte Charlie und legte die Gabel beiseite. „Also wo fang ich an? Okay, gut. Bella zog letztes Jahr im Januar hierher zu mir, komischerweise freiwillig, denn eigentlich hasst sie das Wetter hier. Nun ja, in der Schule lernte sie Edward kennen. Eigentlich ein sehr guter Junge, dachte ich zumindest immer. Er und seine Familie waren wirklich nette Menschen, haben nie Ärger gemacht, hatten immer Bestnoten. Klar hat Bella sich da verliebt. Die beiden waren ein glückliches Paar. Es gab zwar zwischendurch einen Zwischenfall im Frühjahr des letzten Jahres, aber sie haben es überstanden und den Sommer über waren sie ein absolutes Traumpaar. Ich hatte wirklich vermutet, das könnte ewig halten. Aber dann im September, naja, Bella hatte Geburtstag und Edwards Familie hat eine kleine Party veranstaltet. Bella mag sowas nicht. Sie ist nicht gern im Mittelpunkt, hat sie wohl von mir.“ Er lächelte matt. „Jedenfalls weiß ich nicht was da passiert ist, danach hat sich alles geändert. Zunächst wurde Edward kühler und distanzierter und als ich eines Abends von der Arbeit wiederkam, lag ein Zettel auf dem Küchentisch. Bella hatte eine Notiz dagelassen, dass sie mit Edward in den Wald gegangen sei. Also hab ich gewartet, aber Bella kam nicht zurück. Ich hab bei den Cullens angerufen, aber niemand hat abgenommen. Es wurde dunkel und ich machte mir Sorgen. Ich hab ein paar Leute zusammengetrommelt und wir fingen an sie zu suchen. Ich glaube diese Stunden waren mit die schlimmsten meines Lebens. Ich werde niemals diese Angst vergessen, dass ich mein kleines Mädchen vielleicht nicht mehr lebend sehen würde. Aber endlich nach stundenlanger Suche hat jemand sie gefunden, wir waren schon kurz davor gewesen, die Suche für die Nacht zu beenden. Bella war wie in Trance, sie hat nur noch „Er ist weg“ gemurmelt. Der Arzt konnte mir erzählen, dass die Cullens weggezogen waren. Jedenfalls war Bella seitdem nicht mehr wie früher, sie war so unmenschlich, beinahe wie ein Roboter hat sie gelebt. Sie hat zwar alle Hausarbeiten und Schularbeiten gründlich erledigt, aber sie ging nicht mehr aus, hörte keine Musik mehr, sie las kaum noch, außer wenn sie vielleicht musste. Sie hat nicht von sich aus gesprochen. Es war wirklich hart, nicht nur für sie und mich, auch ihre Mutter war besorgt und ihre Freunde, besonders Angela Weber erkundigte sich oft nach ihr. Aber Bella blockte sich von der Welt ab und ich musste hilflos zu sehen.“ Ich ergriff seine Hand. „Das tut mir Leid Charlie, wirklich“, sagte ich, „Es ist verständlich, dass du nicht wusstest wie du ihr helfen sollst, aber man hätte vermutlich auch schwer helfen können in dieser Situation. Sie muss sich allein da heraus kämpfen, wir können lediglich an ihrer Seite bleiben, ihr den Rücken stärken und sie aufheben, wenn sie mal zu Boden geht.“ Er nickte und lächelte matt. „Die Geschichte geht noch ein kleines Stück weiter.“ „Ich höre zu“, sagte ich. „Okay, nun ich hab ihr vorgeschlagen professionelle Hilfe zu suchen, aber sie hat wie immer abgewehrt und hat gesagt sie hätte eine Verabredung mit einer Freundin. Zuerst hielt ich es für eine Lüge, aber sie ging wirklich aus. Auch wenn ich skeptisch war, es war erfreulich. Am nächsten Tag fuhr sie nach La Push, das ist das Indianerreservat hier in der Nähe. Ich kenne viele der Einwohner und bin mit ihnen befreundet. Bella traf sich dort mit Jacob Black, dem Sohn eines Freundes. Die Tage darauf trafen sie sich immer wieder und Bellas Zustand verbesserte sich wirklich. Sie sprach wieder von sich aus, wenn Jacob da war lächelte sie auch. Nur die Schreie in der Nacht blieben. Und auch wenn diese am Anfang mit das Schwerste waren, dass ich ertragen konnte, so hatte ich geglaubt, dass sie auch das meistern würde. Eines Abends ging sie mit Jacob und einem Freund aus der Schule ins Kino. Als sie nach Hause kam, erzählte sie nur, dass die beiden Jungs wohl krank seien. Am nächsten Morgen war sie selbst krank. Naja, ihr Wohlbefinden fand sich schnell wieder ein, aber Jacobs anscheinend nicht. Sein Vater Billy meint, er hätte was Ernsthaftes. Bella ruft täglich dort an, aber sie wird oft abgewimmelt. Das hat sie wieder in ein tiefes Loch gestürzt. Jetzt hat sie dich getroffen und lächelte wieder. Dafür muss ich dir danken und dich bitten, vorsichtig mit ihr zu sein. Sie scheint mir psychisch noch immer sehr instabil zu sein.“ Abwehrend hob ich die Hände. „Ich bin froh wenn ich helfen kann. Außerdem gefällt es mir in dieser Stadt, vielleicht suche ich mir hier etwas und bleibe für eine Weile“, meinte ich lächelnd. Es war keine Lüge. Ich fand es wirklich schön in dieser Gegend, auch wenn das Wetter wohl nicht das Beste war, damit würde ich klarkommen und da war noch etwas anderes, was mich an diesem Ort hielt. Bella. Ich konnte nicht erklären wieso, aber ich hatte das Bedürfnis ihr zu helfen, als wäre ich an sie gebunden. Ein Leid muss das andere stützen, vielleicht sowas in der Art? „Aber du bist doch so jung. Gehst du nicht aufs College oder so? Ich habe mich sowieso gefragt, warum du hier bist“, meinte Charlie. Ich seufzte. Okay, es ist Zeit für eine gute Geschichte, eine glaubhafte. „Eigentlich war ich nur auf der Durchreise, sozusagen auch auf der Suche.“ „Weißt wohl nicht was du mit dem Leben anfangen sollst oder?“, meinte Charlie. Lachend stimmte ich ihm zu. „Ja, ich muss erst mal mich wiederfinden, bevor ich an die Zukunft denken kann. Vielleicht ist das hier der richtige Ort dafür.“ „Was sagen deine Eltern dazu?“, fragte er. Leise seufzte ich. Noch eine gute Geschichte wird gebraucht. Oh, ich hasste es Charlie anlügen zu müssen, dafür war er ein zu guter Mensch. „Meine Eltern sind nach Europa gezogen. Mein Vater arbeitet für einen Autokonzern und wurde versetzt, nach Großbritannien. Mum wollte, dass ich mitkomme, aber ich wollte hier bleiben.“ „Und jetzt ziehst du umher“, gab er hinzu und ich antwortete mit einem Nicken. Ich bemerkte, dass sich Bellas Herzrhythmus veränderte und ihre Atmung aus dem Gleichgewicht geriet. Sie wachte wohl gerade auf, aber ich sagte natürlich nichts, auch nicht als sie verwirrt meinen Namen sagte. „Hast du noch Hunger?“, fragte ich Charlie und deutete auf seinen leeren Teller. Er schüttelte den Kopf. „Nein, danke, sonst platze ich“, meinte er lachend. Oben tapste Bella über den Flur zur Treppe. Ich lächelte Charlie an. „Okay, das wäre natürlich nicht gut“, meinte ich, „schließlich brauchen wir Polizisten, die auf uns aufpassen.“ Lächelnd zwinkerte ich. Das schien Charlie daran zu erinnern, dass er eine Arbeit hatte. „Oh je, ich bin ziemlich spät dran“, stellte er mit einem Blick auf die Uhr fest und stand hastig auf, als er die Küche verlassen wollte, stieß er fast mit seiner Tochter zusammen. „Morgen Bells, tut mir leid, aber ich muss los. Ciao ihr beiden!“, sagte er während er im Flur die Schuhe anzog und den Waffengürtel anlegte. Dann verließ er das Haus und ich kicherte leise über den Anblick, der sich mir bot. Bella stand, halb verschlafen, halb verwirrt in der Küchentür und schaute zwischen Küche und Haustür hin und her. Schnell ging ich zu ihr und sie blinzelte verwirrt. Ich lachte. „Guten Morgen, Bella“, begrüßte ich sie und bugsierte sie zum Tisch, wo ich sie auf einen Stuhl drückte. „Morgen“, antwortet sie und bekam von mir sofort einen Teller Pfannkuchen vor die Nase. Es war so einfach bei ihr, mich in meiner normalen Vampirgeschwindigkeit zu bewegen. „Zeit fürs Frühstück“, verkündete ich lächelnd und sie erwiderte es leicht. „Ich hab mir Sorgen gemacht, weil du nicht da warst“, sagte sie und starrte die Pfannkuchen traurig an. Jetzt fühlte ich mich schuldig, weil ich sie allein gelassen hatte. „Oh Bella, es tut mir Leid. Ich wollte euch mit Frühstück überraschen. Ich hab mich mit Charlie unterhalten und deshalb konnte ich nicht einfach zu dir rennen, als ich bemerkt habe, dass du aufwachst.“ Sie schüttelte den Kopf und brachte ein eher klägliches Lächeln zustande. „Kein Problem, du bist ja noch da“, meinte sie leise. „Ich werde nicht wieder gehen Bella“, erklärte ich, „Ich werde bei dir bleiben, solange ich kann, solange du mich brauchst. Ich verspr-“ „Nein, versprich es nicht“, wand sie ein, „Ich musste schon einmal miterleben, dass ihr dieses Versprechen nicht halten könnt.“ Ihre Stimme war voller Kummer, ihr Gesicht eine schmerzvolle Maske. Wieder umschlang sie ihren Körper, als drohe sie auseinander zu fallen. „Es tut mir Leid, was er dir angetan hat, Bella“, sagte ich leise. Bella sah verwirrt und geschockt auf. Woher weißt du das? Diese Frage lag deutlich in ihrem Blick. „Charlie“, antwortete ich, „Aber bitte sei ihm nicht böse. Auch wenn ich nicht darum gebeten habe, musste er mir davon erzählen. Diese Sache hat auch deinen Vater sehr belastet.“ Betrübt stimmte sie mir zu. „Wie kann ich sauer auf ihn oder dich sein?“, fragte sie seufzend. Ich antwortete nicht auf diese rhetorische Frage und es blieb eine Zeit lang still zwischen uns, während Bella frühstückte und ich mich schon daran machte, Geschirr zu spülen. Sie trocknete ab, als sie fertig war. „Grace, kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte sie. Verwundert sah ich sie an. „Was gibt es denn Bella?“ „Gestern, bevor ich wandern war, bin ich ein Stück mit dem Auto gefahren. Wir müssten es holen.“ Ich nickte und lächelte. „Kein Problem, möchtest du gleich los?“ Sie nickte. „Ja, aber vorher muss ich noch schnell duschen“, sagte sie und verabschiedete sich nach oben. Währenddessen räumte ich weiter in der Küche auf. Frisch nach Erdbeeren und Vanille duftend kam Bella die Treppe hinunter und lächelte mich an. „So fertig, wir können los“, verkündete sie. Ich deutete lächelnd auf meine Jacke und meine Schuhe, die ich bereits angezogen hatte. „Es liegt nur noch an dir“, erwiderte ich und wartete, bis sie sich ebenfalls für das Nieselwetter gewappnet hatte. Wir stiegen in meinen Wagen und ich fuhr los, während Bella mir sagte, wo ich ihr Auto finden würde. „Du fährst langsam“, stellte sie fest. Verwundert sah ich zu ihr. „Ich halte mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung.“ Sie schüttete den Kopf. „Er hat das nie gemacht“, meinte sie und lachte leise. Es war ein klägliches trauriges Lachen, völlig ohne Hoffnung. Ich hatte das Bedürfnis sie zu umarmen, doch ich sah sie einfach nur mitleidig an und tätschelte sanft ihren Arm. „Eigentlich fahr ich auch mal schnell, sehr schnell, aber ein Mensch sitzt in meinem Auto und wir befinden uns in einer Ortschaft. Ich bin mir sicher, dass ich nie einen Unfall bauen würde, aber dennoch geht die Ordnung vor“, sagte ich. „Er hat sich nie daran gehalten, für ihn gingen seine Regeln vor“, meinte sie und schlang die Arme um sich. „Bella“, sagte ich ruhig, „Es sind nicht nur seine Regeln, es sind ebenso meine und die eines jeden anderen unserer Art, denn es sind Regeln, die uns durch unser Wesen gegeben werden. Wir besitzen lediglich die Freiheit, welche Regeln wir befolgen und welche nicht und vorallem, wann wir so handeln. Edward lebt lediglich einen natürlichen Drang nach Geschwindigkeit und Freiheit aus.“ Sie begann zu schluchzen. „Freiheit“, gurgelte sie unter Tränen hervor, „die hat er jetzt wohl.“ Ich erkannte, dass ich ihre Stimmung eher ins Negative gekippt hatte und hielt am Straßenrand. Sanft zog ich sie an mich und nahm sie in den Arm. „Oh Bella, es tut mir so leid. Das hätte ich nicht so sagen sollen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Schon okay, ich… ich komm damit klar.“ Ihre Augen bezeugten die Lüge, die aus diesen Worten tropfte. „Er hatte gesagt, es würde so sein, als ob es ihn niemals gegeben hätte und das mein menschliches Gedächtnis vergessen würde“, erklärte Bella flüsternd. Sie kam nicht klar, denn man vergaß nie die Liebe. Niemals. Ich wurde wütend. Obwohl ich diesen Edward nicht kannte, begann ich eine Abneigung gegen ihn zu hegen. War er wirklich so dumm zu glauben, sie könnte ihre Liebe zu ihm vergessen? Konnte er wirklich so egoistisch sein, sich in diesem Glauben zu sonnen? Himmel, was war das nur für ein Idiot! „Aber ich kann es nicht. Am Tag kann ich es verdrängen, so gut es mir möglich ist, aber in der Nacht kommt alles wieder hoch“, weinte Bella. „Natürlich kannst du ihn nicht vergessen, Bella. Man vergisst niemals die Menschen die man mal geliebt hat“, antwortete ich betrübt, „Aber mit der Zeit kann man lernen, mit seinem Schmerz umzugehen, Bella. Ich kenne dieses Gefühl, dass dich von innen auffrisst, deine Seele verspeist und nur eine Leere zurücklässt. Aber in dieser Leere gibt es neuen Raum, den man füllen kann. Der Schmerz bleibt zwar zurück, aber man kann ihn betäuben.“ Sie sagte nichts und es war still im Auto. Ich seufzte und beschloss ihr von meiner unglücklichen Liebe zu erzählen, die viele Jahrzehnte zurücklag. „Er hieß Alexander Ryan. Seine jüngere Schwester Hannah ging mit mir zur Schule, eine private Mädchenschule. Wir waren die besten Freundinnen seit dem ersten Tag. Bereits als ich die Ryans zum ersten Mal besuchte, war ich verzaubert von Alex. Er war groß und muskulös, ein Football-Spieler. Seine blonden Haare bildeten einen perfekten Rahmen für seine markanten und doch jungenhaften Gesichtszüge. Doch was ich nie vergessen werde, waren diese Augen. Sie leuchteten meerblau und schienen immer zu lachen. Alex war immer optimistisch, hatte immer einen Witz auf Lager und schon allein seine Anwesenheit erhellte den Raum. Ich war fünfzehn und er siebzehn, als wir uns kennenlernten. Von Anfang an war so etwas wie ein unsichtbares Band zwischen uns, egal was war, sobald er in meiner Nähe war, wurde alles andere unwichtig. Es war Liebe auf den ersten Blick, für uns beide, wie er später versicherte. Ich erinnere mich an den ersten Kuss.“ Leise lachte ich bei dieser Erinnerung. „Er hatte ein Spiel und obwohl ich Football hasste, habe ich jedes seiner Spiele gesehen. Dieses war das erste, das ich mit ansah. Sein Team gewann. Hannah zog mich runter aufs Spielfeld, wo die Mannschaft begeistert umringt wurde. Meine Augen fanden seine und er drängelte sich durch die Menge, warf seinen Helm achtlos beiseite und zog mich in seine Arme. Ich wollte ihm meine Glückwünsche aussprechen, aber er verschloss meine Lippen mit seinen. Wir waren glücklich, bis zu dem Tag, an dem er die Antwort einer Collegebewerbung erhielt. Er bekam ein Stipendium in Los Angeles. Natürlich wollte er, dass ich nachkomme, sobald ich meinen Abschluss hatte, er sagte dann würden wir heiraten und unsere Kinder würde ebensolche Spitzensportler werden wie er. Aber ich konnte nicht. Er hätte es wissen müssen, aber er war zu ehrgeizig, um zu bemerken, dass das sein Traum war, nicht meiner. Ich erklärte ihm, dass ich nicht nach Los Angeles gehen wollte, sondern nach New York. Ich wollte am Juilliard College studieren, wollte Pianistin werden. Er wusste, wie wichtig mir die Musik war, aber das war ihm egal. Alex hatte nie gelernt die Musik in sein Herz aufzunehmen, so wie ich es tat. Er bezeichnete das Klavierspiel als Klimperei. Wir stritten an jenem Abend, des 17. Novembers 1957 und es endete damit, dass ich hinauslief. Beide haben wir gemeine Dinge an diesem Abend gesagt und ich bereue zutiefst, dass es so enden musste.“ Bella sah mich mitfühlend an. „Aber wenn du es bereut hast, warum bist du nicht zurück zu ihm und hast noch einmal mit ihm geredet?“ Ich seufzte. „Weil dies der Abend war, an dem ich starb“, antwortete ich leise. Jetzt war sie es, die mich in den Arm nahm. „Das tut mir wirklich leid Grace. Wie ist es dazu gekommen?“ Ein trauriges Lächeln huschte über mein Gesicht. Nur kurz. „Ich war töricht und unvorsichtig. Nach dem Streit bin ich in einen Park gegangen und habe dabei nicht auf Dinge wie Zeit geachtet. Es erschien mir nicht wichtig. Es war dunkel, als ich mich endlich auf den Weg machte. Himmel, ich hätte mich abholen lassen sollen! Aber nein, ich lief, schließlich bildete ich mir ein großes Mädchen zu sein, das sich verteidigen konnte. Ich war nur etwa zwei Blocks von zuhause entfernt und betrat eine schmale Gasse die zwischen zwei hohen Gebäuden lag. Ich kannte diesen Weg, auch wenn er bei Tag weniger beängstigend gewesen war. Trotz allem ging ich hinein und wurde von einem Vampir überrascht. Er wurde während seines Mahls wohl unterbrochen. Danach erinnere ich mich nur noch an die furchtbaren Schmerzen des Feuers und das jemand mich hochgehoben und fortgetragen hatte.“ Grausamere Einzelheiten ließ ich weg, wollte ich Bella nicht zumuten. „Der der dich weggetragen hat, war ein Vampir?“, fragte sie nach. Ich nickte. „Wie sich später herausstellte, war sie die Gefährtin von Casimir, dem Vampir der mich erschaffen hat. Sie hat mir erklärt was ich jetzt war und wollte mit mir jagen. Ich bin weggelaufen. Wir waren mitten in der Stadt und obwohl es früh am Morgen war und nur wenige Menschen auf den Straßen waren, ist es mir bis heute ein Rätsel warum ich niemanden angegriffen habe.“ „Du hast keinen Menschen getötet?“, fragte Bella wieder nach. „Nein. Niemals. Diese Kehle hat nur Tierblut genossen“, meinte ich lächelnd. „Du bist ungefährlich. Deshalb schweigt er“, murmelte sie und ich sah sie fragend an. „Wer schweigt?“ „Edward“, antwortete sie und ich verstand überhaupt nichts mehr, „Also naja es ist so. Es fällt mir schwer mir seine Perfektion ins Gedächtnis zu rufen. Aber wenn ich in Gefahr bin, dann kann ich ihn hören. Es ist als wäre er wirklich da, als wäre er wieder bei mir, als würde er mich doch lieben.“ Ihre Stimme brach und sie sank in ihren Sitz zurück. Es zerriss mir das Herz, sie so tief verletzt zu sehen. Wieder umklammerte sie sich selbst, als drohe sie zu zerbrechen. „Bella“, sagte ich sanft, „Ich schwöre, dass dein innerer Edward recht behalten wird. Ich bin nicht gefährlich, ich werde dich nicht verletzten. Außerdem schwöre ich, dass ich dir helfen werde zu leben, auch wenn ich die Kluft die er hinterließ nicht schließen kann. Ich weiß, dass du es schaffen kannst, Bella. Das ist nicht das Ende.“ Ich erklärte es feierlich und mit vollem Ernst. Sie lächelte mich an. „Okay, und ich schwöre, dass ich dir helfe. Zusammen werden wir Grace finden.“ Ich lachte. Es war ein glückliches Lachen. „Einverstanden.“ Wir fuhren weiter und ich konnte schon einige Minuten später einen roten Truck entfernt am Straßenrand stehen sehen. „Ich nehme an dir gehört ein roter Chevy-Truck?“, fragte ich Bella und sie nickte. „Gut, da vorne ist er schon. Tolles Auto“, meinte ich lächelnd. Sie lachte. „Hey, mach dich nicht über ihn lustig. Ich liebe mein Auto.“ Ich erwiderte das Lachen. „Ich hab mich doch gar nicht lustig gemacht. Es war mein voller Ernst; ein toller Wagen.“ „Okay, dann will ich mich nicht beschwert haben“, meinte sie, als ich neben ihrem Truck anhielt. „1953er Baujahr oder?“, fragte ich nach. Verwundert sah sie mich an. „Ja, ich glaub schon. Woher weißt du das?“ „Mein Dad hat ihn mit entworfen, okay, er hat er die Produktion anschließend überwacht, aber er hatte das letzte Wort für das Design. Ich hab nie wirklich verstanden was sein Job alles beinhaltete“, erzählte ich lächelnd. Bella lächelte. „Dann bedanke ich mich bei dir, stellvertretend für deinen Vater“, meinte sie. Ich nickte lachend. „Klar, er hätte sich sicher gefreut.“ „Fährst du mir hinterher?“, fragte Bella, während sie aus meinem Chevrolet ausstieg. „Natürlich, kann ich machen“, antwortete ich und wartete bis sie losfuhr. Ihr Truck machte einen Höllenlärm und ich musste den Drang unterdrücken, mir die Hände auf die Ohren zu pressen. Ich fuhr ihr hinterher. Der Truck war langsam, damit hatte ich gerechnet, aber dazu kam, dass Bella die vorsichtigste Fahrerin zu sein schien, die ich je getroffen hatte. Geduldig schlich ich hinter ihr her. Plötzlich bremste sie abrupt und ihr Chevy kam mit protestierend quietschenden Reifen zum Stehen. Meinen übermenschlichen Sinnen und der damit verbundenen guten Reaktion war es mir möglich, meinen Wagen rechtzeitig zu stoppen; wobei ein Unfall wahrscheinlich mit herberen Schäden für mein Auto ausgegangen wäre. Bellas Truck war widerstandsfähig wie ein Elefant. Ich stieg aus meinem Auto und war binnen weniger Sekunden bei Bella. „Was ist passiert?“, fragte ich besorgt, doch sie schaute starr in den Wald. „Bella! Was ist los?“, sprach ich sie nochmals an. Jetzt sah sie mich leicht irritiert an. Sie zitterte leicht. „Ich glaub ich hab im Wald jemanden gesehen. Nur kurz, aber da war jemand“, sagte sie und ihre Stimme war leicht panisch. Mein Blick glitt in das grüne Dickicht, aber ich konnte nichts erkennen. „Warte kurz. Rühr dich nicht vom Fleck“, mahnte ich Bella und rannte in den Wald, schaute mich um, schaute auch nach oben und suchte in den Wipfeln der Bäume, aber hier war nichts, dass hier nicht hingehörte. Ich rannte wieder zurück zu Bella, die leise aufschrie vor Schreck, als ich plötzlich vor ihrem Fenster stand. „Ganz ruhig, Bella. Keine Angst. Hier ist nichts, okay. Kannst du weiterfahren? Es ist nicht mehr weit“, erklärte ich und sie nickte, startete wieder den Motor. Ich stieg in mein Auto und fuhr ihr hinterher. Diesmal fuhr sie etwas schneller, als hätte sie es eilig fort zu kommen. Sie parkte vor ihrem Haus und schaute sich um, während sie hineinging. Ich folgte ihr und schloss die Tür hinter uns. „Bella, was ist los?“, fragte ich ernsthaft besorgt. „Victoria, sie wird mich holen. Laurent hat gesagt, sie will mich töten, weil Edward ihren Gefährten umgebracht hat.“ Ich sah wie sie zitterte und sich an den Hals fasste, als bekäme sie keine Luft. „Bella, beruhige dich!“, sagte ich und schüttelte das panische Mädchen sanft. „Ich bin hier Bella, okay. Ich bin hier und passe auf dich auf. Egal wer dich angreifen will, muss erst an mir vorbei und das werden sie nicht schaffen. Vertrau mir!“ Meine Gabe würde jeden Angreifer stoppen können, das wusste ich. Bella musste mir vertrauen. Sie nickte leicht. „Okay“, murmelte sie und tapste ins Wohnzimmer, wo sie sich aufs Sofa fallen ließ. Ich holte ihr ein Glas Wasser. „Hier, trink“, sagte ich und sie nahm es mir ab und trank tatsächlich etwas davon. „Magst du mir erzählen was passiert ist?“, fragte ich leise, aber sie blieb still. Wenn sie es nicht erklären wollte, war das okay, also hakte ich nicht nach. Ich beobachtete sie, wie sie an ihrem Wasser nippte. Sie trank nicht wirklich, dass bemerkte ich, denn das Glas leerte sich kaum einen Millimeter. Aber ich sagte nichts dazu. „Letztes Frühjahr, da war dieser Vampir, der hinter mir her war. Er war besessen davon, weil die… die Cullens mich in Schutz nahmen. Alice und Jasper, Edwards Geschwister, also natürlich nur seine Adoptivgeschwister, sie sind mit mir nach Phoenix gefahren, meine alte Heimatstadt. Aber der Vampir, James, hat uns gefunden und mich in eine Falle gelockt. Er hat gesagt, er hätte meine Mutter und das er ihr was antun würde. Ich bin hingegangen. Edward und seine Familie kamen gerade noch rechtzeitig. Sie haben James umgebracht. Jetzt will seine Gefährtin Victoria in rächen“, erzählte Bella leise und begann wieder zu zittern. Ich nahm sie in den Arm und strich ihr beruhigend über den Rücken. „Ist schon gut Bella, ganz ruhig. Ich bin hier. Sie kommt nicht an dich ran“, tröstete ich sie ruhig. „Ich hab Angst“, murmelte sie, „Du kannst nicht jeden Tag auf mich aufpassen. Du musst jagen gehen. Ich muss in die Schule.“ „Mach dir keine Sorgen Bella. In der Schule wirst du sicher sein, dort sind so viele Menschen. Diese Victoria würde dich dort sicher nicht angreifen. Und für einen sicheren Schulweg werde ich sorgen. Ich werde dich hinfahren und abholen. Für meine Jagden lass ich mir noch was einfallen, aber wir schaffen das schon, Bella. Ich pass auf dich auf.“ Den Rest des Tages versuchte ich mein Möglichstes Bella abzulenken. Ich ließ mir von ihr ein Rezept für Streuselkuchen beibringen und erzählte ihr Geschichten über Calogero, Athanasia und ihren Bruder Fergus. Lachend erzählte ich ihr auch von Alistair, was für ein elendiger Starrkopf er war. Am Abend brachte ich sie sogar dazu sich ein Baseball-Spiel mit Charlie anzusehen. Müde und augenscheinlich frei von Angst schlief sie ein und wieder blieb ich die ganze Nacht über bei ihr. Charlie hatte mir angeboten, ich könnte solange bleiben, bis ich was Eigenes hatte oder bis es mich weiterzog. Bella verbrachte eine unruhige Nacht, wieder wurde sie von Albträumen geplagt. Mir wurde das Ausmaß ihrer seelischen Wunde bewusst. Ich konnte verstehen wie sie sich fühlte. Das Wichtigste in ihrem Leben was aus ihr herausgerissen worden. Als Edward sie verließ, hatte sie ihm ihr Herz und ihre Seele mitgegeben, doch sie hatte nicht bedacht, dass sie ohne dies nicht leben konnte. Sie konnte ohne ihn nicht leben! Er hatte es achtlos mitgerissen, nicht wissend was er zurückließ. Aber ich kam nicht umhin auch Mitleid für ihn zu fühlen. Edward hatte sie verlassen, um sie zu schützen. Daran hielt ich fest und ich glaubte daran, dass er sie liebte. Mit dem bitteren Geschmack von Genugtuung hoffte ich, dass auch er litt, dass er den Schmerz fühlte, den Bella durchmachte. Verdient hätte er es. Liebe bindet und es lag nicht in unserer Macht, diese Bindung zu umgehen. Natürlich war mir bewusst, dass ihre Beziehung kompliziert war, weil sie so eine Einzigartigkeit besaß. Vampir und Mensch. Wann kam das schon mal vor? Ich konnte beide verstehen. Bella, weil auch ich alles verloren hatte, was für mich Leben bedeutete, weil auch ich die Liebe verloren hatte. Edward, weil ich wusste, wie schwer es war, etwas zurückzulassen, das mir wichtig war. Mit Schmerzen dachte ich an Jonathan zurück, meinen besten Freund, den ich aufgegeben hatte, weil ich mich vor mir selbst fürchtete. Am nächsten Tag brachte ich Bella, wie vereinbart, zur Schule. Ich wartete, bis ich sie im sicheren Schulgebäude wusste, dann fuhr ich weiter. Etwas außerhalb der Stadt ging ich kurz jagen. Nur ein Reh und einen Fuchs, das musste fürs erste reichen. Wieder konnte ich diesen schrecklich bitteren, animalischen Geruch in der Luft wahrnehmen, wenn er auch diesmal schwächer war. Zur Hölle, was war das bloß? Ich hatte sowas noch nie vorher gerochen und trotzdem löste es eine ängstliche Aggressivität aus, als wäre ich in Gefahr, würde aber mich gleichzeitig in einen Kampf mit diesem unbekannten Feind stürzen wollen. Es war verwirrend und ich war froh, als ich bei meinem Auto ankam, in dem die Luft rein war von diesem Gestank. Ich wartete pünktlich vor Bellas Schule. Mein Auto hatte ich auf dem Parkplatz abgestellt und lehnte nun entspannt dagegen. Die Klingel schrillte und ich konnte das aufgeregte Zusammenpacken der Schüler in den Klassenzimmern vernehmen. Lächelnd schaute ich zum Ausgang, aus dem bereits die ersten Schüler schwärmten, und wartete auf Bella. Sie verließ eines der Gebäude zusammen, mit fünf Mitschülern, wobei ein großes Mädchen auf Bella einredete und sie zum Lächeln brachte. „Wo hast du denn dein Auto gelassen, Bella?“, fragte sie. „Oh ich werde abgeholt“, antwortete Bella und erntete dafür fragende Blicke von den anderen, die sie vorher kaum beachtet hatte. „Von diesem Indianer-Jungen?“, fragte ein blonder Junge. Bella bemühte sich um ein entspanntes Gesicht, aber selbst auf Entfernung konnte ich hinter diese Maske blicken. „Nein, nicht von Jacob.“ Sie schaute sich auf dem Parkplatz um. Ich winkte und sie begann ehrlich zu lächeln. Die anderen folgten ihrem Blick. „Wer ist das?“, fragte der Blonde. Ich stieß mich vorsichtig von Auto ab und ging auf Bella und ihre Freunde zu. „Gott, die spielt sich genauso auf wie die Cullens“, murmelte ein Mädchen mit blonder Bobfrisur einer kleineren Brünetten zu. „So toll sieht sie gar nicht aus“, flüsterte diese zurück und ich hätte beinahe losgelacht, als ich den Neid in ihrer Stimme vernahm. Konnte ich was für die Schönheit eines Vampirs? Ich ging auf das Grüppchen zu. „Bella“, sagte ich fröhlich und umarmte sie. „Hey, Grace“, murmelte sie. „Du Bella, willst du uns nicht mit deiner Freundin bekannt machen?“, fragte der Blonde. Sie lächelte leicht. „Hi, ich bin Grace, eine alte Freundin von Bella“, nahm ich ihr diesen Teil der Vorstellung ab, wobei ich nicht einmal wirklich log. Schließlich waren Bella und ich Freunde und ich war alt. „Grace, das ist Mike Newton“, Bella zeigte auf den blonden Jungen, der mir sogleich die Hand reichte. Das große Mädchen trat vor und lächelte mich an. Es war dieses sympathische Engelslächeln und mir war klar, dass man dieses Mädchen einfach mögen musste. ich lächelte zurück. „Hallo, ich bin Angela Weber. Es freut mich dich kennenzulernen“, stellte sie sich vor. Angela – der Name passte zu ihr. „Ben Cheney, freut mich“, sagte der Junge an Angelas Seite. Er war wohl ihr Freund. Auch er lächelte ehrlich. Die beiden tuschelnden Mädchen machten keine Anstalten sich selbst vorzustellen. „Und das sind Jessica und Lauren“, sagte Bella und deutete auf die Brünette und den blonden Bob. Ich lächelte alle freundlich an. „Es ist mir eine Ehre euch kennenzulernen.“ Obwohl ich nichts dagegen gehabt hätte, mich weiter mit den Schülern der Forks High zu unterhalten, drängte Bella zum Aufbruch. Wir verabschiedeten uns und stiegen in mein Auto, wobei ich hörte, wie die Jungs den Wagen bewunderten und Lauren und Jessica lautstark anfingen, über alles zu lästern. „Ich wusste ja schon immer, dass Bella eine arrogante Ziege ist. Seht euch doch mal an mit wem sie sich jetzt schon wieder abgibt. Erst die Cullens, jetzt diese Grace. Kein Wunder, dass sie total daneben war, nachdem ihre ach so tollen Cullens abgezogen sind, wir waren ihr wohl nicht gut genug“, erklärte Lauren verächtlich und ich hatte das Bedürfnis innehalten zu müssen und ihr eine zu Klatschen. So ein elendiges Biest! „Lauren, sei still!“, mahnte Angela sie. „Im Gegensatz zu dir ist Bella ein sehr netter und freundlicher Mensch. es ist doch ihre Sache mit wem sie befreundet ist. Außerdem sind die Cullens auch nett, nur weil du oder Jessica bei ihnen abgeblitzt seid, macht sie das schlecht“, verteidigte Angela Bella. „Im Gegenteil, ich finde es beweist, wie schlau diese Typen wirklich sind, dass sie sich nicht mit euch abgegeben haben“, unterstütze Ben seine Freundin und ich konnte das Grinsen in seiner Stimme förmlich hören. Als ich und Bella losfuhren, musste ich lachen. „Ist diese Lauren immer so wunderbar nett?“, fragte ich. Bella sah mich mitfühlend an. „Tut mir Leid, egal was sie wieder gesagt hat. Sie mag mich nicht besonders, beruht auf Gegenseitigkeit“, meinte sie und ich musste noch mehr lachen. „Kann ich mir vorstellen.“ Die nächsten Tage brachte ich Bella immer in die Schule und holte sie wieder ab. Jeden Tag musste ich mir die Lästereien von Blonden Bob und zickigem Zwerg, wie ich Lauren und Jessica getauft hatte, anhören, aber ich nahm es mit Fassung. Auf keinen Fall würde ich mich auf ihr billiges Niveau hinablassen. Angela und Ben waren freundlich und fragten dies und das und ich erzählte ihnen das Gleiche wie Charlie. Mike fragte mich etwas über mein Auto und war begeistert von dem Beruf meines Vaters. Ich war froh, dass Bella mich von diesem Jungen losreißen konnte. Er war wie eine Klette. „Der ist immer so“, meinte Bella am Freitagabend seufzend. „Du hättest sehen sollen, wie er zu mir war, als ich hierher gezogen bin. Es war schrecklich.“ Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie er an ihr klebte und musste lachen. An diesem Abend sahen wir einen Film, einen alten Vampirgruselfilm. Ich musste mich entschuldigen, damit in im Badezimmer in Ruhe lachen konnte. Bella sah mich schmunzelnd an, als ich wieder kam. An diesem Abend schlief Bella ruhiger ein, als an den Vorabenden und ich setzte mich in den alten Schaukelstuhl. Die Stunden vergingen. Kurz nach Mitternacht wehte dieser furchtbare Gestank mit solch einer Wucht ins Zimmer, das ich aufsprang und mich instinktiv zwischen Bellas Bett und ihr Fenster stellte. Durch mein bedrohliches Knurren geweckt, schaltete Bella das Licht ein. „Was ist los?“, fragte sie verschlafen. „Ich weiß nicht genau, aber es stinkt nach Gefahr“, meinte ich knurrig. „Bleib hinter mir, Bella.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)