Engelstränen von Zyra (Martin x Taro) ================================================================================ Kapitel 6: Ausweglos -------------------- Hey! Ich weiß, hat lange gedauert. Aber jetzt hab ich ein neues Kapitel im Gepäck! Ich hoffe, es gefällt euch! LG Kyra --- Ausweglos Der Abend nahm seinen Lauf wie ich es erwartet hatte. Das Theater begann, als Taro sich zu uns ins Wohnzimmer gesellte. Kaum hatte er sich zu mir aufs Sofa gesetzt, monierte Ryan schon, dass er viel zu dünn wäre und endlich wieder richtig essen sollte. Cathrin schlug zurück, dass er zu viel auf einmal wollte, schließlich sähe Taro ja schon deutlich besser aus. Es entbrannte zwischen den beiden eine Diskussion über Gesundheit, die Psyche des Menschen und, oho, Taktgefühl. Der Heftigkeit von Cacas Reaktion konnte man auch entnehmen, wessen Schuld es war, dass sie so säuerlich drauf war. Fusutaji schaltete daraufhin den Fernseher ein. Da hielte er sich besser raus, war seine Begründung. Aber eigentlich fand er immer etwas, um sich abzukapseln und Sport zu sehen, was er bei sich zu Hause nicht konnte. Funny und Vivi musterte Taro kritisch, dann nickten sie sich zustimmend zu. In Windeseile hatte Vivi ihr Büchlein, in dem sie alles Mögliche über uns aufschrieb, und einen Stift gezückt. Ich ahnte nichts Gutes. Wann immer das Ding zum Vorschein kam, schlug das Thema in Sex, Dates und Liebe um. „Du bist verliebt!“, quickte Funny vergnügt, wie es zu erwarten gewesen war. Schlagartig herrschte Stille. Alle Blicke richteten sich auf Taro. Einige erwartungsvoll, andere ungläubig. „Nope.“ Das war das einzige, was er darauf erwiderte. Es wirkte lässig, aber an der Art, wie er sich neben mir leicht anspannte, erkannte ich, dass es ihm eher lästig war. Er war einfach der Meinung, dass dieses Privatleben, weder sie noch Vivi und ihr Buch etwas anging. Ich stimmte ihm da grundsätzlich zu. Nur machte ich mir den Spaß daraus, Vivi mit allerlei Unsinn zu verarschen. Damit waren unsere Gewohnheiten laut ihrer Statistiken, was das Thema „Liebe und Beziehungen“ anging, total gegensätzlich. Obwohl unser Verhalten in der Realität doch relativ nah bei einander lag: In einer Beziehung waren wir treu, als Single hatten wir nichts gegen den ein oder anderen One-Night-Stand einzuwenden. „Du hattest ein heißes Date?“, versuchte es Funny weiter. Vivi starrte Taro noch immer über den Rand ihres Buches an. In ihren Augen brannte Sensationsgier. „Nope“, war abermals die schlichte Antwort. Vivi und Funny tauschten einen kurzen skeptischen Blick. „Verdammt guter Sex?“, fragte diesmal Vivi. „Nope.“ Ich spürte, anscheinend im Gegensatz zu den anderen, dass Taros Stimmung langsam umschlug. Er hatte keine Lust auf diesen Terz – auch wenn er sich das kaum anmerken ließ. Ruhe, das war es, was er wollte, und in einem bestimmten Maß brachte. „Was ist dann passiert?“, fragte Vivi verwirrt. Dass sie niemals jemandem die Zeit lassen konnte, bis er von sich aus darüber sprach. Ich wollte schon dazwischen gehen, als Taro widererwarten doch antwortete. „Ich hab nachgedacht“, sagte er, auch jetzt lag ein leicht grüblerischer Ausdruck auf seinem Gesicht. „Worüber?“, kam es gleich neugierig von Vivi. Diese Frage stellte sich auch mir. Allerdings hätte ich sie nie ausgesprochen. Ich respektierte, dass Taro nicht darüber sprechen wollte. Er schwieg beharrlich. Ihren Blicken hielt er, schon fast trotzig, stand. „Ach komm schon, Tata“, maulte jetzt Funny. Ebenso neugierig und ungeduldig. Das war bezeichnend. Typisch für die beiden. „Weißt du, Funny“, sagte ich kalt und bereute, dass ich ihr als Martin Matori nicht ihren verhassten richtigen Vornamen um die Ohren hauen konnte. „Vielleicht solltest du genauso wie Vivi eine Karriere als Journalistin ins Auge fassen. Da könntet ihr beide eurer mangelndes Taktgefühl hinter euerm Beruf verstecken.“ Ich war sauer, wie in der letzten Zeit oft, wenn jemand Taro nicht den Abstand gewährte, den er brauchte. Ihr unschuldiges „Was denn? Ich bin nur neugierig“ machte es auch nicht besser. „Ja und?“, zischte ich. „Das bin ich auch, aber frage ich?! Nein! Weil ich im Gegensatz zu euch merken, wenn jemand über etwas nicht sprechen will.“ Ich sah, dass Vivi eine bissige Erwiderung auf der Zunge lag. Sie schluckte sie hinunter, als Nozomi mit einem Tablette in der Küchentür erschien. Sie hatte darauf bestanden, Taro etwas zu kochen. Ich hatte nicht widersprochen, wohl wissend, dass Taro keine Lust dazu hatte und ich nicht mehr als Rührei (genießbar) zu standen bringen würde. Während ein Blick von ihr in die Runde genügte, um jegliche, weiteren Fragen zu unterbinden, wanderte meiner wie hypnotisiert zu dem Inhalt des Tabletts. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Es roch köstlich. „Untersteh dich!“, ermahnte sie mich, und riss mich aus meinem tranceartigen Zustand. „Das ist für Taro!“ „Noz, das wäre doch nicht nötig gewesen“, wehrte dieser jetzt ab, aber sie stellte das Tablett nur auf dem Couchtisch ab, und drückte ihm die Essstäbchen in die Hand. „Ich wollt mich sowieso etwas lang machen“, murmelte ich, besann mich darauf, dass er es nötiger hatte als ich. Und so rollte ich mich neben Taros Beinen auf dem Sofa zusammen. Ausstrecken war leider nicht drin. Ich döste tatsächlich ein. Das folgende Gespräch bekam ich nur ganz am Rande mit. Aber das war nicht genug, um dessen Inhalt zu behalten. Mit dem, was beredet worden war, wurde ich erst eine knappe Woche später konfrontiert. Eine Woche, in der das Verhältnis zwischen Taro und mir tiefer geworden war. Von Tag zu Tag ging es ihm etwas besser. Er schloss sich wieder unseren Gruppenunternehmungen an und unternahm auch mit mir so einiges. Ich war glücklich. Und jedes Mal, wenn er mir auch nur ein noch so kleines Lächeln schenkte, ging mir das Herz auf. Es fiel mir immer schwerer mich zurückzuhalten. Zu gern hätte ich ihn geküsst. Oder einfach vertrauensvoll umarmt. Seinen Körper an meinem gefühlt. Ich wusste, dass das außerhalb meiner Möglichkeiten lag. Ich war vor Liebe noch nicht so verblödet, um auch nur annähernd mein Ziel aus den Augen zu verlieren. Und dieses war allermindestens seine Freundschaft. Vielleicht wäre kurzfristig auf körperlicher Ebene etwas drin gewesen. Wenn ich es geschickt angestellt hätte, wäre es mir sicher gelungen, ihn zu verführen. Mir war keineswegs entgangen, wie sehr er sich nach Nähe und Zuneigung sehnte. Aber wie gesagt, ich war nicht dumm genug, diese Situation auszunutzen, und damit wohlmöglich sein Vertrauen in mich zu zerstören. Es war später Abend, um nicht so zu sagen Nacht, als es zu dem Gespräch kam. Die Straßenlaterne vor unserer Wohnung warf schon lange kein schummriges Licht mehr in das Schlafzimmer. Nur meine kleine Nachtischlampe erhellte den Raum ein bisschen. Zum Lesen genügte sie, aber Taros Gesicht wurde in tiefe Schatten getaucht, als er das Licht im Flur löschte und die Tür hinter sich zu zog. Dennoch merkte ich sofort, dass ihm etwas auf der Seele lag. Mit einer geschmeidigen Bewegung ließ er sich auf seinem Bett, welches aus Platzgründen genau neben meinem stand, im Schneidersitz nieder. Nur mit einem zu großen – sprich es hatte einmal mir gehört – dunkelblauen T-Shirt und Boxershorts bekleidet. Der Anblick seiner nackten, schlanken und zugleich kräftigen Beine sorgte nicht gerade dafür, dass mein eh schon großes Verlangen nach ihm sank. „Was liest du da?“, fragte Taro neugierig. Er war eine richtige Leseratte, verschlang eigentlich alles, was er in die Finger bekam. Nur von dem hier würde er ganz bestimmt seine Finger lassen. Ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht. „Angewandte organische Chemie“, antwortete ich und wartete nur darauf, dass er das Gesicht verzog. Wenn Taro ein Fach überhaupt nicht mochte, dann war es Chemie. Er hatte keinen Zugang dazu. „Igitt“, sagte er, wie ich es erwartet hatte. „Warum liest du sowas?“ Er schüttelte den Kopf und machte so ein deprimiertes, unwilliges Gesicht, wie sonst nur, wenn er für eine Chemiearbeit lernen musste. „Mein Vater ist der Meinung, wenn ich schon eine so primitive öffentliche Schule besuchen muss, sollte ich mich in der Zeit zumindest anderweitig weiterbilden“, meinte ich schulterzuckend. „Na ja, ich komm damit klar, gibt schlimmeres.“ „Mein herzliches Beileid“, antwortete Taro. Es klang aufrichtig, aber seine Mundwinkel zuckten. „Wie gesagt, ich hab kein Problem damit, mir das anzueignen“, sagte ich leicht irritiert. „Ich meinte auch eher, dass du Schwierigkeiten haben wirst, mir das beizupuhlen. Da ich das jetzt weiß, wird dir diese unliebsame Aufgabe wohl zu teil werden. Tut mir ehrlich Leid, aber ich brauch unbedingt ne 4“, erklärte er. Ich lachte. Es war nicht wirklich ein Schock oder in irgendeiner Art ein Ärgernis. Ich hatte mich schon lange darauf eingestellt. Es kümmerte mich also nicht wirklich. „Schon schlimm wird es schon nicht werden!“, grinste ich und stellte mich ahnungslos. „Oh doch!“, sagte Taro überzeugend. Gedanklich stimmte ich ihm zu. Aber bisher hatte ich es auch immer geschafft, zumindest kurzfristig einen Hauch von Chemie in seinen Kopf zu bekommen. „Na ja, lass wir das“, meinte er. „Ich wollte mit dir über etwas anderes reden.“ Ich hatte es gewusst. Erwartungsvoll sah ich ihn an. „Nur vorab: Ich bin nicht verrückt, und es ist mein voller Ernst ...“ „Bist du nicht?“, warf ich ein. Taro grinste schief. Er kratzte sich leicht am Kopf, wobei seine schwarzen Locken im Takt seiner Bewegungen hin und her wippten. „Vielleicht ein bisschen. Vermutlich richte ich meine Frage gerade deshalb an dich, weil ich ein mindestens genauso großes Maß an Verrücktheit bei dir erwarte.“ Wieder lachte ich. „Möglicherweise.“ Er lächelte leicht, und kam dann gleich zum Punkt: „Hast du Lust auf ne Scheinbeziehung ... mit mir?“ Mir klappte der Mund auf. Scheiße. Ich hatte gehofft, dass er diese Frage stellen würde. Aber zu einem späteren Zeitpunkt. Jetzt hatte ich ein Problem. Ich liebte ihn und hatte auch vor ihm das später, wenn er über die Sache mit meinem Vater aufgeklärt war, zu sagen. Wenn ich also jetzt eine Beziehung mit ihm einging, könnte es ihm so erscheinen, als hätte ich das ausnutzen wollen. Und das war ein „No Go“. Taro missinterpretierte meinen Gesichtsausdruck. Sicher begann er zu erklären: „Ich weiß nicht, ob die anderen mal darüber gesprochen haben. Makato und ich haben das öfter mal gemacht. Meistens vor Festtagen wie zum Beispiel Valentinstag. Ich bin ziemlich beliebt und werd mit Präsenten nur so überhäuft. Ich weiß, es klingt seltsam, aber ich will das nicht. Ich hab kein Problem damit, dass mich so viele mögen, aber die Geschenke von 99% der Leute bedeuten mir nichts. Sie sollten es lieber jemanden geben, der sich auch wirklich darüber freut und bei dem sie vielleicht Chancen haben. Eine Beziehung bringt einige zum Nachdenken, besonders wenn es denn auch noch eine mit dem gleichen Geschlecht ist. Grins nicht so, ich mein ‘s ernst!“ Ich konnte nicht anders. Ja, ich steckte gerade in einer verzwickten Situation, dennoch ... die nächste Engeldiskussion kam bestimmt. Und ich freute mich jetzt schon, ihn damit zu konfrontieren. Warum war ich noch nicht früher auf die Idee gekommen? Das würde ihm hoffentlich mal den Wind aus den Segeln nehmen. Ich meine, bitte, wer ergriff schon Maßnahmen gegen Geschenke. Schon gar nicht jemand, der sich sonst nicht viel leisten konnte. Aber Taro tat es und zwar ziemlich überzeugend. Ich war damals nicht sehr begeistert gewesen. Meine Liebe für Süßigkeiten war groß, und sie geschenkt zu bekommen, war bequem. Also warum damit aufhören? Auch wenn ich gewusst hatte, dass er im Grunde natürlich recht hatte. Aber ich war eher der Meinung, dass die Leute für sich selbst verantwortlich waren, und damit selber Schuld. Das stimmte selbstverständlich auch, aber Schwärmerei machte halt oftmals blind. Taros Einstellung war allerdings um einiges ehrenwerter. Letztendlich hatte er mich dann überzeugt. Der Gedanke alle zu verarschen, hatte mich aber auch gereizt. Es hatte mir regelrecht in den Fingern gejuckt. Und enttäuscht worden war ich definitiv nicht. Es war ein einziger Spaß gewesen. „Also was ist?“, fragte Taro. Er hatte mir wohl angesehen, dass ich angestrengt nachdachte. Nur nicht darüber, worüber ich wohl hätte grübeln sollen. Nämlich eine passende Ausrede. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, murmelte ich leise und etwas zögerlich. In meinem Kopf hämmerte es. Ich brauchte eine Lösung, durch die ich ihn nicht verletzte, und zwar schnell. So leicht würde Taro nicht aufgeben, dass war mir klar. Es war nur eine Sache von Sekunden, bis er nachfragte. Dann kam mir die simple Lösung. Mein angeblicher Tod. „Ich mein, ich bin Makato sehr ähnlich“, setzte ich kräftiger hinterher. „Ich will nicht, dass du dir weh tust!“ Sein Gesicht lag im Halbdunkeln. Die Schatten hatten etwas Bedrohliches. Seine dunkelgrünen Augen nicht. Sie funkelten vor sanfter Entschlossenheit. In diesem Moment wurde mir endgültig klar, dass ich ein Problem hatte. „Ich hätte dich nicht gefragt, wenn ich nicht der Meinung wäre, damit klarzukommen“, erklärte Taro ruhig und selbstbewusst. Er wusste, was er wollte. Und ohne eine richtige Erklärung würde er sich nicht geschlagen geben. Dumm, dass ich diese nicht hatte. Obwohl ich mir dessen bewusst war, murmelte ich stockend: „Nein, das geht nicht!“ Mein Kopf war leer. Ich wusste keine Lösung. Etwas, was bei mir höchst selten vorkam. Ich verfluchte mich dafür, dass es gerade in diesem Moment soweit war. „Ist dir das zuwider?“, fragte er. Es war schwer zu sagen, wie er sich fühlte. Der Umstand, dass ich schon eine Weile auf das Buch in meinem Schoß starrte, machte die Einschätzung auch nicht einfach. „Nein“, antwortete ich schwach. Meine Gedanken rasten, kamen aber zu keinem Ergebnis. Außer, dass ich ein Problem hatte. „Liegt es an mir?“, fragte er nach einem Moment des Zögerns. Ich erkannte die leise Angst vor einer Enttäuschung in seiner Stimme. Etwas, was ich auf keinen Fall wollte. „Nein“, sagte ich wieder. Ich wusste, dass das nicht stimmte. Nicht wirklich. Aber ich wollte ihm nicht wehtun. Nicht noch einmal. Urplötzlich wurde mir klar, dass es meine bisherigen Lügen gewesen waren, die ihn so verletzt hatten. Anbetracht dessen konnte ich nicht anders, als die Wahrheit zu sagen. „Nur indirekt“, murmelte ich leise. Stille herrschte im Raum. Eine unangenehme. Ich spürte regelrecht seine Verwirrung. Eine wackelige Mischung aus Angst, Erleichterung und Neugier. Und in meinem Kopf materialisierte sich langsam aber sicher ein Gedanke. Die einzige Möglichkeit. Wie so oft, war es die Wahrheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)