Asche und Rosen von abgemeldet (Luzifer x Rosiel) ================================================================================ Kapitel 7: Gedanken ------------------- Er setzte Tee auf. Um diese Uhrzeit. Ungefähr zur späten Mittagszeit, eher schon Nachmittag konnte man es nennen. Zu dieser Uhrzeit bevorzugte Rosiel-sama seinen Tee. Wo war er nur geblieben? Schon einige Tage war er fort. Wie viele waren es wohl gewesen? Er hatte die Tasse genau an den Platz gestellt, an dem Rosiel-sama immer saß. Er hatte auch einen kleinen Teller mit Gebäck bereitgestellt. Sein Herr liebte vor allem die sogenannten "Engelsaugen" mit der Konfitüre in der Mitte. Er beobachtete ihn öfter dabei, wie er genüsslich das rote Süß von dem Plätzchen schleckte. Katans Handgelenk zitterte, er packte es sofort mit der anderen Hand, schluckte seine unregelmäßige Atmung herunter. Er war nervös, beunruhigt. Er durfte aber den Tee nicht vergießen. Kurz schloss er die Augen. Seine Wimpern waren lang und hell. Rosiel ... wo seid Ihr bloß? So goss er also den Tee ein und hielt inne. Er würde kalt werden und dann würde er ihn wegschütten. Aber er wartete dennoch, dass Rosiel kam und ihn trank. "Rosiel..." Er flüsterte den Namen ehrfürchtig. Rosiel wusste nicht, wie lange er gebraucht hatte, um zurückzukehren, es war bereits später Nachmittag, als er die Tore des Palastes passierte, unbemerkt, er wollte wohl das erste Mal in seinem Leben nicht auffällig wirken. Ein Engel konnte nicht gesehen werden, wenn er nicht gesehen werden wollte. Besonders für einen Engel seines Ranges war es ein Leichtes, alle anderen zu täuschen. Dass man sich wohl eher erleichtert gezeigt hätte, hätte er sich zu erkennen gegeben, dieser Gedanke kam ihm gar nicht. Er fühlte sich so unendlich schmutzig und müde ... Unendlich müde. Wenig später schlüpfte er nahezu lautlos durch die großen Türen seiner Gemächer, schon von Weitem spürte er die Anwesenheit seines treuesten Untergebenen und ein mattes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als die Silhouette des großen Cherub in Sicht kam. Unterschwellige Wärme breitete sich in seinem kalten Körper aus. Er kam nach hause. Endlich. Jetzt wurde alles gut. "Katan", rief er leise, beinahe wie ein verlorenes Kätzchen nach seiner Mutter rief. Dabei war er sich seines eigenen Anblickes nicht bewusst, die dunkle, beinahe aufreizende Kleidung, das zerwühlte Haar und ein Hämatom im Gesicht, wo Luzifer ihn jüngst geschlagen hatte, welches einfach nicht so schnell heilen wollte, wie der engelhafte Körper es sonst vermochte. Katan wandte sofort den Kopf, als er die ihm so vertraute Stimme hörte. Seine Augen weiteten sich für einen Moment, tatsächlich blickte er Rosiel an, wie ein Kind, oder viel mehr wie ein Liebender, der endlich das Ersehnte vor sich stehen hatte. Doch er lächelte nicht ein mal. Er schenkte nur den Tee zu Ende ein und fügte dem Ganzen, wie gewünscht, ein Stück Zucker bei. In sich hinein lächelte er tatsächlich. "Ihr seid zurück." Seine Stimme war ruhig und leise, doch sein Herz klopfte. "Ich habe Euren Tee angerichtet ... Wie immer." Rosiel lächelte ein schmales Lächeln, kam dann wortlos näher und ließ sich nieder, dankbar im Innersten, dass Katan sich nicht erschrocken über seinen Aufzug zeigte. Während Katan sich kurz entfernte, starrte er auf das angerichtete Teeservice. Porzellan, makellos, unberührt, akkurat und adrett. Ganz so, wie er sich im Inneren nicht mehr fühlte. Nach geringer Zeit kam der Cherub wieder mit einem Kasten, rückte einen Stuhl etwas näher an den Rosiels und begann dann, bevor er noch seinen Tee trank, sanft, ja liebevoll ohne weitere Worte dessen Gesicht abzutupfen mit einem speziellen Öl, das die Röte und die wunde Stelle bald heilen würde. Er wagte noch nicht einmal, mit den Fingern über seine Wange zu gleiten. Kurz darauf bedeckte er die gerötete Wange auch wieder mit feinstem Puder, so dass es genau so ebenmäßig und makellos aussah, wie an jedem anderem Tag. Er sah zu seinem Herrn hinunter. Seine Augen brannten, innere Verzweiflung überkam ihn, er fühlte sich so Fehl am Platze an diesem Ort, diesem hellen reinen Ort, er fühlte sich gerade nicht einmal mehr würdig, von den sanften Händen seines geliebten Cherub berührt zu werden. "Gibt es noch andere Wunden zu versorgen?", fragte dieser leise. Seine Stimme glich einer hauchzarten, beruhigenden Melodie, während seine Hand prüfend über die andere Wange geisterte, wie um verborgene Verletzungen aufzuspüren. Rosiel überkam ein Schwindel überkam und er fauchte plötzlich harscher als beabsichtigt: "Nimm deine Hände weg!", während er dessen Hand wegschlug. Katan zuckte zusammen und zog seine Hand zurück. "Vergebt mir, Herr", sagte er sanft. Und schon überkam den anorganischen Engel Reue. Trotz seines Ausbruchs sprach er so sanft zu ihm, als wäre nichts gewesen. Womit hatte er diesen Mann nur verdient? Im nächsten Moment vergrub der anorganische Engel schluchzend das Gesicht in den Händen und sackte in sich zusammen, die Erlebnisse der letzten Tage, die ihn so aufgewühlt hatten, überkamen ihn mit einem Mal, brachen nach draußen und Rosiel, der vor Katan noch nie geweint hatte, war es plötzlich gleich. Ruhig stand der Diener nach wie vor auf seinen Herrn herabsehend. Kurz schwieg er, als Rosiel vor ihm anfing, zu weinen, wie ein Kind. Katan zwang sich in seiner Ruhe zu verharren, doch ein wenig wirr erschien es ihm, Tränen auf dem Gesicht des sonst so kühl anmutenden Engels zu sehen. Was mochte das Richtige sein, um Rosiel-sama zu trösten? Zu gerne hätte er ihn bei den schmalen Schultern gefasst, hätte ihn an sich gezogen und ihm durch das weiche Haar gestrichen, tröstend, beschützend, doch das wagte er nicht. Er wusste ja nicht einmal, vor was er ihn denn beschützen sollte. So zog er nur ein Taschentuch aus seiner Tasche, aus weicher, sauberer Seide, senkte sich, seinen Unmut überwindend, Rosiel mochte ihn deswegen schlagen oder in Ketten legen, dies war ihm nun doch ziemlich gleich, zu seinem anmutigen Herrn herunter, packte seine Hände, um sie von dem wieder geröteten Gesicht wegzuziehen und tupfte sehr sanft, beinahe mit ehrwürdiger Liebe diesem Gesicht gegenüber die kristallfarbenen Tränen, die schimmerten wie gläserne Perlen, weg. Er wagte nicht, ihn mehr zu trösten. Ihm durchs Haar zu fahren oder hineinzugreifen, oder seine Wange zu berühren. Er blickte ihn nur aus unendlich sanften Augen an, während er die Augen des Engels trocknete. Sollte er hinterfragen, was passiert war? Zu gerne hätte er es gewusst. "Herr ... wünscht Ihr, Euch auszuruhen?" Vielleicht wäre es genau das gewesen, was Rosiel sich gewünscht hätte, berührt zu werden, gehalten zu werden. Aber der letzte Rest Stolz in ihm verhinderte, dass er sich seinem Cherub einfach in die Arme warf und sich gänzlich vergaß. Wie durch einen Schleier drangen Katans sanfte, streichelnde Worte zu ihm durch, er sah diesen nicht an, als er antwortete, mit einer Gegenfrage. "Was siehst du, wenn du mich ansiehst, Katan?" "Was ich sehe?”, wiederholte er langsam, wie um sich zu vergewissern, dass er die Frage richtig verstanden hatte, “Ich sehe meinen Herrn, der aus einem mir unbekannten Grund an unendlicher Trauer leidet..." Seine eigene Stimme war ein wenig leise, in Sorge getaucht. Was war mit ihm passiert? Mit dem schönen, unverletzbaren, unberührbaren Rosiel? "Ich weiß nicht, was Euch geschehen ist, wo Ihr wart und ... weshalb Ihr so zerbrochen vor mir sitzt, aber es missfällt mir ... Wenn ich erlaubt bin, dies zu sagen." Er faltete das Taschentuch wieder zusammen, legte es neben dem kostbaren Teegeschirr auf den Tisch, dann wandte er sich ab, lief zum Fenster und zog die weiße Gardine ein wenig zur Seite, damit etwas mehr Licht den Raum fluten konnte. Komplett in Weiß und Silber gehalten war dies Rosiels Reich, es spiegelte seine eigene Lieblichkeit, seine Klarheit, seine Reinheit. Doch eben jetzt wirkte Rosiel wie fehlplaziert in diesem schillernden Weiß des Tageslichts. Katan zog spontan den schweren Vorhang vor die Gardine, der Raum war nun erfüllt mit Zwielicht, er verbarg die schwere Sonne vor seinem Herrn, er glaubte nicht, dass Rosiel sich im Moment wohlfühlte, wenn diese glänzenden Strahlen ihn bedrängen würden. Ein leises, langes Seufzen entfuhr Katan, er lief zurück zum Tisch, er senkte demütig den Kopf vor Rosiel. "Entschuldigt. Ich habe nicht das Recht zu sagen ob es mir gefällt oder nicht, was für eine Phase Ihr durchleidet. Ich wünsche mir jedoch tatsächlich, dass es Euch besser geht, als jetzt." Er war bemüht um Worte, aber es war schwer zu formulieren. "Ich ... sorge mich wohl." Während Katan zum Fenster ging, presste Rosiel die bleiche Hand vor die zitternde Unterlippe, versuchte so das Zähneklappern zu unterdrücken, das ihn befallen hatte. Er fühlte sich gerade hundselend um es einmal grob auszudrücken. Wenn Katan wüsste, was geschehen war ... Würde er schweigen? Sich abwenden? "Ich möchte schlafen", flüsterte er, kaum hörbar. Schlaf war heilend. Würde ihn für den Augenblick vergessen lassen, dass er sich ohne den Höllenfürsten mit einem Mal unvollkommen und leer fühlte. Katans entschuldigende Worte nahm er nicht einmal zur Kenntnis. Wie sonst auch ward Katan ungehört, wenn er ein paar Sätze sprach, die ihm auf dem Herzen schwer gelegen hatten. Manchmal sagte er etwas, sprach frei zu Rosiel, überwand diese übergroße Distanz und sagte ein, zwei Dinge, die er in seinem Inneren als wichtig empfand, die er tatsächlich dachte. Doch Rosiel hatte eben jenes Talent, genau diese Momente auszublenden und zu überhören, welch große Zuneigung Katan für ihn hegte. Es war auch gänzlich gleich. Katan war nur sein Diener, sein Sklave, war dafür geboren, ihm jeden Wunsch zu erfüllen, ihn zu umsorgen, doch glücklich machen konnte er ihn nicht. Was auch immer Rosiel widerfahren war, er würde es nicht erzählen. Mit einem leichten Stich im Herzen, dem Gefühl, wenn man ignoriert wird, ging Katan das Bett vorbereiten. Das Laken straffen, die Decken aufschütteln, die Kissen ordentlich zusammenlegen. Er zog die Vorhänge in diesem Zimmer zu, es war dunkel. Er entzündete ein Räucherstäbchen, ein paar Kerzen neben dem Bett, zufrieden mit seiner Arbeit. Die Leere, die entstanden war als Rosiel-sama fort gewesen war hatte sich mit dem üblichen unwohlen Gefühl vermischt und doch auch mit der Freude über sein bloßes Dasein. Katan stieß ein langes, zittriges Seufzen in das fahle Zwielicht. Sein Herz füllte sich mit Wonne, nur vom Anblick seines Herrn. Diese übermäßige Zuneigung ließ ihn vergessen, dass Rosiel ihn nur behandelte wie einen Hund. Der Engel verließ das Schlafgemach, begann, das Teeservice abzuräumen. "Eurer Bett ist vorbereitet ... Bitte ruht Euch aus." Wie in einem Fiebertaumel erhob der Engel sich und überwand die Distanz zu seinem Schlafgemach mit schweren gebeugten Schritten. Der Weg kam ihm quälend lang vor und schließlich ließ er sich in der Kleidung, die er trug unendlich erschöpft auf das Bett fallen und der Schlaf ... Er kam schnell und drückend. Bald wurden seine Atemzüge gleichmäßig, beinahe schlief er wie ein Toter, rührte sich nicht mehr. Eine Weile noch blieb Katan bei ihm, wagte es nicht, ihn zu verlassen, ehe er die tiefen und regelmäßigen Atemzüge vernahm. Er selbst war müde, hatte er doch die letzten Tage kaum geschlafen und doch durfte er sich den Schlaf nicht erlauben. Der Cherub zögerte, dachte nach. Sollte er Alexiel eine Nachricht zukommen lassen? Sie hatte sich sehr gesorgt in der letzten Zeit, auch wenn man es ihr nicht unbedingt ansah, da sie unbeirrt Stärke und Selbstsicherheit ausstrahlte. Er biss sich auf die Unterlippe. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Herr jetzt schon auf eine solche Konfrontation erpicht wäre. Er fühlte sich hin- und hergerissen. Einerseits fühlte er sich dazu verpflichtet, andererseits hatte er Furcht, Rosiel würde ihm zürnen, wenn er ohne dessen Anweisung handelte. “Was soll ich tun?”, wisperte er und blickte auf seinen schlafenden Herrn herab, widerstand nur schwer dem Drang, die Hand auszustrecken und ihm die wirren Haare aus der Stirn zu streichen. Er selbst war so unglaublich müde ... Wenig später war er an Rosiels Bett herabgesunken in einen leichten Schlaf. Rosiel träumte wirr und intensiv. Wie ein Wasserfall aus Bildern spülten die Geschehnisse der vergangenen Stunden durch seinen Geist. Schrecklich und irgendwo erregend zugleich. Er träumte davon, wie er sich schamlos dem Höllenfürsten hingegeben hatte, wie sie es getrieben hatten, ein leises Stöhnen verließ seine Lippen, erstarb bald wieder. Die Bilder wechselten und machten einer alles verschlingenden Dunkelheit platz, drückende Dunkelheit und Rosiel fühlte sich gefangen, umschlungen von den starken Armen und den dunklen Schwingen Luzifers, ein grausames Besitz ergreifendes Lachen hallte in seinem Kopf wider, ehe er mitten in der Nacht erwachte. Das Zimmer war nun angenehm dunkel, nur sanftes Mondlicht schien herein und erhellte den Raum leicht schemenhaft. Rosiel strich sich eine wirre Strähne seines Haares aus dem Gesicht, ehe er sich umsah. Sein Blick fiel auf Katan, welcher an seinem Bett zusammengesunken war und ein liebevolles Lächeln umspielte seine Lippen, während er die Hand ausstreckte und dem Schlafenden zärtlich mit den Fingerspitzen über die Wange strich. Kühl fühlte sich die Haut an. Der anorganische Engel seufzte lautlos. Der Cherub erschien ihm so rein, so unbedarft. Und er? Dankte diesem Geschöpf seine Hingabe, indem er es mit dem Höllenfürsten persönlich trieb. Bei der Erinnerung daran erschien kurz ein entrückter Ausdruck auf seinem Gesicht, ehe er sich wieder fing. Nein, er musste das aus seinem Gedächtnis streichen, hier im Himmel hatten solche Gedanken nichts zu suchen. Hier im Himmel ... hatte alles seinen geordneten Platz, hier war alles rein und sauber. Hier herrschten Regeln und Sittsamkeit, Ordnung und Anstand. Und zum ersten Mal in seinem unendlichen Leben war Rosiel sich nicht mehr sicher, ob er das alles wirklich wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)