Die Hexen von Asunquarth von Alaiya (Die Chroniken der Weltenwandler - Erdmagie) ================================================================================ Kapitel 6: Das unterirdische Land --------------------------------- Kapitel 06: Das unterirdische Land Stimmen, es waren Stimmen, die Yur erwachen ließen. Doch es dauerte etwas, bis ihr klar wurde, wo sie war und was passiert war. Ja, die Wüste… Es war die unglaubliche Kälte, die noch immer herrschte und die sie daran erinnerte. Mittlerweile war auch der Fels über ihnen abgekühlt, so dass es keinen Schutz vor dem Erfrieren mehr gab. Es wunderte sie sogar, dass sie überhaupt noch lebte, wo sich ihre Knochen und Muskeln anfühlten wie eiserne Splitter, die in ihrem Körper saßen. Sie konnte sich nicht bewegen. Die Stimmen, die sie hörte, wurden immer wieder leiser und dann wieder lauter. Da waren auch Geräusche, wie das Auftreten auf dem halbsteinernen, halb sandenen Boden. Sie liefen hin und her. Aber warum? Yur verstand die Sprache, die man sprach, nicht, aber sie erkannte, dass vieles besser war, als weiterhin hier liegen zu bleiben und entweder zu erfrieren oder in der Mittagssonne – sollten sie am Morgen noch leben – zu vertrocknen. Außerdem war Kyssan, der als einziger noch Wärme ausstrahlte, scheinbar noch immer ohnmächtig. Auch wenn es ihre letzte Kraft kostete, ließ das Mädchen den Felsen, der sie schützte, auseinander fallen, so dass die, die dort waren, sie wohl sehen mussten. Vielleicht würden sie ihnen helfen und wenn nicht, war es auch nicht schlimmer als zuvor. Lautes Rufen, als ein Mann – jedenfalls glaubte die Erdmagierin, dass es ein Mann war – die beiden entdeckte und zu ihnen lief. Es wurde geredet und das Gefühl, sich nicht bewegen zu können vor Kälte erfüllte Yur mit Furcht. Verzweifelt versuchte sie den Kopf etwas zu wenden, damit sie den Mann ansehen konnte, doch es kostete sie unglaublich viel Mühe. Als sie es endlich schaffte, sah sie in ein mit gelbem Fell überwachsenes Gesicht und zwei orange Augen, die sie anstarrten, ehe dieses Wesen zwei weitere der, die es begleiteten zu sich winkte. Man zog sie von Kyssan weg und besah sich die beiden ausführlich, während aufgeregte gesprochen wurde. Konnten sie die Sprache der Wandler nicht? Nun, selbst wenn zweifelte das halberfrorene Mädchen daran, dass sie eine Antwort zustande gebracht hätte. Sie erfüllte nur ein Gedanke: Bitte, helft uns. Macht, was ihr wollt, doch bringt uns irgendwohin – dorthin, wo es warm ist! Um sie herum war es noch immer Nacht, obwohl sich der Himmel wie bei der Abenddämmerung nun wieder ins grünliche verfärbte. Also würde die Sonne bald aufgeben, aber damit auch wieder die trockene Hitze des Tages bringen. Wenn sie hier draußen blieben würden sie auf jeden Fall sterben und wenn hier Wesen lebten, dann gab es vielleicht einen Schutz vor dem unfreundlichen Klima. Sie musterte die fremden Wesen, wovon die beiden anderen jedoch weitaus mehr humanoide Züge hatten, als der Fellmann, aus dessen weiter heller Kleidung auch noch Tatzenartige Klauen ragten. Aber im Moment diskutierten die vier – mehr waren es insgesamt nicht – nur wild und mit vielen Gesten. Das Mädchen sah zu ihrem Begleiter, der wie ein Stein im Sand lag. Was hatte er nur? Warum war er ohnmächtig geworden? Sie fürchtete, dass wohl auch keiner der Fremden es ihr würde sagen können. Doch diese wandten sich nun schließlich ihr zu und der Fellmann griff ihr unter den Bauch, um sie hochzuheben, während sich zwei andere um den doch um einiges schwereren Sanbok kümmerten und ihn gemeinschaftlich hochhievten ehe sie seine Arme um die eigenen Hälse schlangen und ihn so aus dem Felsenfeld zogen, hinaus auf eine weitere Ebene, wo drei äußerst merkwürdige Reittiere standen, die Beine ähnlich denen von Insekten hatten. Jedoch hatten sie davon vier Paar und einen merkwürdigen länglichen Schwanz. Auf ihrem Rücken waren lederne Sattel befestigt und an diesen hingen wiederum einige Beutel. Noch immer diskutierten den Fremden. Erst als man ein Seil hervorholte und ihre Arme fesselte, ehe man sie auf den Sattel setzte und auch ihre Beine an diesem festband, verstand Yur, dass sie Gefangene waren. Aber besser gefangen als tot… Wobei: Konnte das nicht auch dasselbe bedeuten? Sie wusste nicht, was man mit ihnen machen würde, doch am Ende konnte sie jetzt ohnehin nichts mehr machen. Der Fellmann setzte sich vor ihr auf das Reittier, während man Kyssan zu einem anderen gebracht hatte. Die Sättel boten immer genau Platz für zwei Personen normaler Menschengröße, erkannte die Erdmagierin, während sie ängstlich zu dem ebenfalls gefesselten Sanbok sah, den die Seile jedoch auch mit auf dem Sattel hielten, da er es aus eigener Kraft wohl nie geschafft hätte. Dann gab der Mann vor ihr einen merkwürdigen Ton von sich, woraufhin das Tier sich in Bewegung setzte und schneller, als Yur es für möglich gehalten hätte, durch den Sand trabte, von den anderen beiden gefolgt. Vielleicht war ja der Mann mit dem Fell so etwas wie der Anführer dieser Gruppe, überlegte das Mädchen. Allerdings erkannte sie auch, dass sie das Wissen nicht weiterbringen würde, solange er keine Sprache sprach, die für sie verständlich war. Daher beschloss sie am Ende einfach abzuwarten, was passieren würde. Um Erdmagie anzuwenden hätte sie ohnehin auf dem Boden stehen müssen, was sie nicht tat, so dass sie erst einmal hilflos war. Ruhig sackte sie etwas in sich zusammen und beobachtete die Umgebung und die Fremdlinge, in deren Händen nun ihr Schicksal lag. Von allen waren nur die Gesichter zu erkennen und bei dem Mann vor ihr auch die Hände und Füße, da diese wohl nicht in Schuhe gepasst hätten und das Fell ihn ohnehin schon warm hielt. Die anderen waren in viele Tücher gewickelt, so dass man kaum ihre richtige Gestalt erkennen konnte. Ebenso wenig, war sich das Mädchen sicher, welcher Rasse sie angehörten, da zumindest ihr Gesicht voll und ganz menschlich schien. Ohren, Hände und Körperbau hätten mehr darüber verraten, doch all das war für sie verdeckt. Die Reittiere auf denen sie saßen, hatten eine merkwürdig glänzende Haut – oder was auch immer sie da zusammenhielt – die eigentlich dunkelblau oder schwarz zu sein schien, aber im schwachen Licht in den verschiedensten Farben glänzte. Ein Effekt, der sich noch verstärkte, als die Sonne aufging und auch langsam Wärme verbreitete. Dankbar für diese streckte sich das Mädchen etwas, da die Fähigkeit zur Bewegung langsam wiederkam. Zumindest die Nacht hatte sie überlebt. Jetzt musste sie abwarten, wohin diese Leute sie und Kyssan bringen würden. Selbst wenn sie ihnen etwas antun wollten: Vielleicht würde es ja doch eine Möglichkeit geben – wenn sie nur vorher etwas zu essen bekam. Noch immer krampfte sich ihr Magen an den Gedanken an etwas Essbares schmerzhaft zusammen, so hungrig wie sie war. Aber auch das würde wohl warten müssten bis sie das bisher unbekannte Ziel erreichten. Etwas huckelig ging es weiter durch den Sand und schneller als sie gedackt hätte, wurde es wieder so unbarmherzig heiß und trocken wie am Tag zuvor. Nun kam jedoch etwas, was für sie schon fast vielversprechend aussah, in Sicht und ihr Hoffnung gab: Ein größerer Fels. Groß genug sogar, um Schatten und etwas Abkühlung zu schenken. Erst als sie direkt davor standen erkannte sie den schmalen Tunneleingang, der in den nicht sonderlich großen Fels hinein führte. Ehe sie begriff beschleunigte das Insektentier, auf dem sie saß, seine Geschwindigkeit und raste geradezu in den Tunnel hinein. Obwohl der Fels von außen nicht sonderlich groß gewirkt hatte, war der Tunnel ziemlich lang und nur dank ihrer Erdmagie verstand Yur schließlich, dass sie eine leichte Senkung hinab ritten, wo nur die zwei Flammen die über das mittlere Tier, auf dem nur zwei der Fremden saßen, schwirrten Licht spendeten. Also war einer der beiden wohl ein Feuermagier, schloss sie daraus, während sie die unheimlich runde Röhre, durch die sie ritten, genauer besah. Es wirkte fast, als hätte man diesen Hohlraum aus dem Fels ausgestampft. Die Farbe des Gesteins veränderte sich auch, je weiter sie ritten und nach einer Weile bemerkte sie auch einige nur halb so große Tunnel, die von dem scheinbaren Hauptweg abwichen und in verschiedene Richtungen führten. Zudem wurde es auch wieder kälter, jedoch nicht auf sie unbarmherzige Art und Weise der Nacht, sondern eher angenehm, zumal die Luft auf immer feuchter wurde und ihre Haut entspannen ließ. Erleichtert schloss sie die ebenfalls trockenen Augen und wünschte sich jetzt nur noch Wasser zum Trinken, das sie zwar zwischendurch in dünnen Rinnsälen die Wände hinab laufen sah, aber an das sie so, gefesselt wie sie war, nicht kam. Wenn sie wartete, ergab sich vielleicht eine Möglichkeit, hoffte sie doch durch die Runde Form des Tunnels tropfte nichts auf den Weg hinab. Etwas beängstigend war die Dunkelheit schon, zumal der Weg zwischendurch doch etwas enger wurde, so dass ihre Füße teilweise unangenehm am Fels entlang schrammten und sie fürchtete, dass das merkwürdige Tier, dessen Schwanz nun über ihr hing, stecken bleiben würde. Doch gerade, als sie sich fragte, ob dieser skurrile Ritt jemals enden würde, wurde das Tunnel breiter und endete in einer Art Halle, die mit vielen Fackeln erhellt war. Am Ende, direkt gegenüber der Stelle, wo sie in diesen Raum gekommen waren, war ein weiterer dünner Durchgang in einen weiteren Saal – jedenfalls ahnte sie das, denn sie sah durch das Loch keine weitere Wand sondern nur oranges Licht, wie von Feuer. Die Fremden sprangen von den Reittieren hinab und man machte sie von dem Sattel los, ehe man sie unsanft zu Boden zerrte. Ihre Beine fühlten sich durch die lange Bewegungslosigkeit furchtbar an, so dass sie ins Wanken geriet, jedoch rechtzeitig wieder ins Gleichgewicht kam. Einer der menschlichen Reisenden hielt sie fest, während der Fellbewachsene zu einer weiteren Gruppe Fremden lief, die nicht viel anders bekleidet war, als er. Jedoch hatten sie die Häupter frei von Tüchern, so dass das Mädchen einen Elfen und einen normalen Menschen erahnen konnte. Mit ihnen redete er, bevor einer von ihnen, dessen Rasse das Mädchen aufgrund der merkwürdig schimmernden Haare nicht einzuordnen vermochte, in einen weiteren Gang verschwand. Zu gern hätte sie gewusst, was hier vor sich ging, doch zu fragen traute sie sich nicht. Außerdem war ihr Mund wahrscheinlich zu trocken um irgendwelche Worte zu formulieren. Aber da kam der Fellmann zusammen mit dem Elfen, den sie bereits vorher erkannt hatte, zurück. Erst jetzt merkte sie, dass auch andere in dem nicht sehr leeren Raum, in dem auch noch weitere der seltsamen Reittiere standen, ihre Aufmerksamkeit auf sie gerichtet hatten und einige zu tuscheln begonnen hatte. Was würde jetzt passieren? Da besah der Elf sie sich und blickte dann zu dem Fellmann. „Kergath“, war das einzige Wort, das er zu ihm sagte, doch der mit dem fast katzenartigen Gesicht nickte. „Aber noch sehr jung“, fügte der Elf dann hinzu. „Es ist ein Wunder, dass sie noch lebt.“ „Wo kommt ihr her?“, fragte er dann plötzlich in der Sprache der Wandler. Überrascht, dass er scheinbar durchaus eine Sprache sprach, die ihr verständlich war, sah sie ihn an. „Was…“, keuchte sie, wobei ihre trockenen Lippen sie fast Schweigen ließen, da sie furchtbar aufeinander klebten. Daraufhin sah der Elf zu dem Felligen. „Sie ist fast verdurstet“, stellte er fest. „Ihr könnt sie nicht befragen… Die Trockenheit ist für sie fast der Tod.“ Yur verstand nicht. Worüber redeten sie? Und woher wusste dieser Elf, dass sie ein Mädchen war? „Aber woher sollen wir wissen, dass sie nicht zum Rat gehören?“, fragte der Fellmann misstrauisch, wobei er alle Rs erstaunlich lange rollte. „Es sind Kinder, Shanuk“, erwiderte der Elf. „Zudem gibt es von den Kergath nur noch wenige. Es würde mich wundern, wenn auch nur einer von ihnen zum Ratsgefolge gehört.“ Dankbar, dass er mit dem Anführer der Fremden – jedenfalls glaubte sie das noch immer – in der Wandlersprache sprach, so dass sie ihn verstand, nickte sie ihm leicht zu. Was sollte sie tun? „Vielleicht wollen sie, dass wir genau das glauben“, erwiderte der Fellige – scheinbar Shanuk genannt. „Vielleicht“, meinte der andere. „Aber ich bezweifle, dass sie die beiden hergeschickt hätten, hätten sie eine Wahl. Es gibt so viele Rassen, die in der Wüste besser überleben.“ „Und was sollen wir deiner Meinung nach mit ihnen tun?“ Shanuk klang ungehalten. „Bringt sie zu Maran“, erwiderte der Elf. „Der Junge ist ja halbtot und dem Mädchen geht es nicht viel besser. Shanuk, es sind Kinder“, wiederholte er dann mit einen Blick auf das misstrauische Gesicht des Fellmannes. „Sie gehören nicht zum Rat und selbst wenn können wir sie noch früh genug töten. Im Moment kann das Kind ja kaum noch stehen. Sie wird keine Magie benutzen können…“ „Aber“, setzte Shanuk an, doch dann zuckte er mit den Schultern. „Wie du willst, aber ich werde ein Auge auf sie behalten.“ Der Elf nickte nur und wandte sich dann an Yur. „Du solltest erst einmal etwas trinken“, meinte er freundlich. „Komm mit.“ Daraufhin sah das Mädchen zu Kyssan, den man in der Nähe der Wand auf den Boden gebettet hatte, und hoffte, dass der schwarzhaarige Mann ihre Geste verstand, da sie mittlerweile eingesehen hatte, dass sie nicht sprechen konnte. „Man wird sich um ihn kümmern“, erwiderte der Elf. „Man wird ihn zu einer Heilerin bringen“, erklärte er dann. „Du kannst auch zu ihr…“ Kurz schwieg er und lächelte sie an. „Sie wird sicher interessiert daran sein, dich kennen zu lernen.“ Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, doch er lächelte nur. „Komm mit mir mit“, meinte er. „Vertrau mir.“ Er hielt ihr auffordernd die Hand entgegen. „Du bist doch durstig, oder?“ Als Antwort nickte sie und ergriff nach einigem Zögern schließlich seine Hand, nicht ohne sich noch einmal zu dem Sanbok umzusehen. Sicher war sie sich nicht, ob sie dem Elfen vertrauen konnte, aber viel anderes blieb ihr im Moment nicht übrig, weshalb sie sich schließlich von ihm voran ziehen ließ auf den Durchgang in der Wand zu. „Mein Name ist übrigens Unin“, stellte sich der Mann vor, kurz bevor sie die Öffnung in der Wand erreichten. Sie bestätigte mit einem Nicken und blieb im nächsten Augenblick stehen wo sie war, um den Anblick der sich hier hinter dem breiten Durchgang bot, zu verarbeiten. Es war – ja, anders konnte man nicht sagen – eine unterirdische Stadt, bestehend aus vielen kleinen runden Häusern, die am Boden eines unglaublich großen, halbkugelförmigen Saals standen. Erhellt wurde das ganze von vielen durch die Luft schwirrenden Leuchtbällen. „Das ist die Stadt Nazsukam“, erklärte Unin ihr und zog sie sanft in Richtung einer Treppe die von der Erhöhung, auf der sie nun standen, hinunter führte. Vorsichtig stieg das Mädchen mit ihm hinab sich ungläubig umsehend. Die Häuser, die ebenfalls wie Halbkugeln geformt waren, hatten die verschiedensten Größen. Einige schienen auch, als hätte man mehrere der Gebilde aneinander gesetzt. Doch wer hatte das gemacht? Die Straßen hier waren eben, verliefen aber nicht gerade sondern in einem Slalomkurs um die Häuser herum, und waren befüllt von verschiedensten Wesen, von denen das Mädchen einige Arten noch nie gesehen hatte. Sie erkannte Sanbok wie Kyssan, aber auch ganz andere Arten. Da waren Wesen mit merkwürdigen ledernen Flügeln und dunkler Haut. Wieder andere hatten Federn und einige liefen auf vier oder sechs Beinen voran. Es war ein sehr buntes Treiben, doch sie zweifelte, dass diese Rassen alle in dieser Welt heimisch waren. Also warum lebten sie hier? Endlich hatten sie das scheinbare Ziel des Elfen erreicht, als sie vor einem größeren, hellem Haus standen. „Eine Taverne“, erklärte er ihr. „Komm.“ Damit trat er durch das türlose Loch in der Wand und wartete dort auf sie, als sie erneut zögerte ihm zu folgen, nicht sicher, ob das wirklich keine Falle war. Der vergangene Tag – ja, es war nur ein Tag gewesen! – hatte sie misstrauischer gemacht, als sie je gewesen war. „Es wird dir niemand etwas tun“, versprach Unin. Am Ende siegten Hunger und Durst, da aus dem Inneren des Gebäudes der köstliche Geruch von etwas Gebratenem kam, und sie folgte ihm in die Taverne. Sofort umgab Lärm und weitaus mehr buntes Treiben, wie auf der Straße, sie. Da waren teils hölzerne, teils aus einem anderen ihr unbekannten, schwarz glänzendem Material bestehende Tische. An diesen saß eine Vielzahl verschiedenster Wesen, alle relativ ausgelassen, wenngleich viele auch müde wirkten. Einige nickten dem Elfen freundlich zu und warfen ihr gleichzeitig weitere neugierige Blicke zu, als der Mann sie in einen etwas leereren Nebenraum geleitete. Dort drückte er sie auf eine steinerne Bank, an einem leeren Tisch. „Warte kurz hier“, sagte er dann und verschwand wieder in den Hauptsaal der Taverne. Kurz überlegte sie, doch dann blieb sie sitzen, auf das Knurren ihres Magens Rücksicht nehmend. Weiterhin misstrauisch sah sie sich um. Hier saßen immer noch ein paar andere Leute, unter anderem zwei mit ähnlich gelbem Fell wie Shanuk, auch wenn es sich teilweise um einige Nuancen unterschied. Da auch sie den Kopf nicht bedeckt hatte, erkannte sie außerdem eine Art Mähne und merkwürdig, am Kopf herabhängende Ohren. Außerdem erkannte sie noch einen Menschen und einen reinrassigen Dämon. Ansonsten war der kleine Raum leer. Die vier schenkten ihr auch nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit, nachdem sie ihr jeweils einen kurzen Blick zugeworfen hatten, als der Elf sie hereinbrachte. Seufzend sah sie deshalb nun auf ihre dreckigen Hände, während das Licht des Feuers merkwürdige Schatten auf den Tisch malte und tanzen ließ. „Hier“, sagte der Elf, als er vor ihr einen großen Krug und einen Becher auf den Tisch stellte. „Trink erst einmal. Ich werde noch etwas zu essen für dich holen.“ Erneut sah sie ihn fragend an, doch wieder lächelte er nur, ehe er verschwand und sie allein mit dem Krug zurück ließ, dem sie einen misstrauischen Blick schenkte. Dann goss sie sich jedoch trotz allen Misstrauens und sehr ungeschickt etwas von der Flüssigkeit in den Becher, wobei sie einiges über den Tisch verkippte. Dessen ungeachtet kippte sie den leicht süßlichen Saft – zumindest nahm sie an, dass es ein Saft war – in den Mund und schluckte dankbar, denn das Getränkt löste ihre Lippen voneinander und erfüllte ihren Rachen wieder mit Feuchtigkeit, so dass sie gleich einen zweiten Becher nahm. Als Unin wiederkam hatte sie den Becher bereits drei Mal geleert und goss sich ein viertes Mal ein. „Du scheinst wirklich durstig zu sein“, meinte er weiterhin lächelnd, während ihr Blick schon gierig an der Platte in seinen Händen hing, auf der eine Art Backware und verschiedene Früchte lagen. Deshalb nickte sie nur und griff, kaum stand der Teller auf dem Tisch, direkt nach einer der merkwürdigen hellen und sehr weichen Früchte und stopfte sie in den Mund, da ihr Magen durch das Trinken zuvor nun noch mehr knurrte. Direkt folgte ein Teil des dünnen, runden Gebäcks. Seit fast zwei Tagen hatte sie nichts gegessen, so dass es wahrscheinlich egal gewesen wäre, was man ihr genau gegeben hätte, sie war dankbar darüber, überhaupt etwas zu bekommen, zumal die fremden Speisen, die zwar allesamt einen süßen Nachgeschmack hatten, doch sehr angenehm schmeckten. Schweigend sah der Elf dabei zu, wie sie Früchte und Gebäck abwechselnd hinunterschlang und zwischendurch nach dem Becher mit Saft griff, bis sie sich einiger Maßen besser fühlte und ihn wieder fragend ansah. „Geht es dir jetzt besser?“, fragte er. „Ja…“, antwortete sie, froh dass sie in Verur die Sprache der Wandler ebenso gelernt hatten, wie die dort ansässige Sprache. „Gut“, erwiderte er. „Warum habt Ihr das getan?“, stellte sie endlich die Frage, über die sie beim Essen nachgedacht hatte. „Warum habt Ihr mir geholfen? Und wird Kyssan sicher nichts geschehen?“ Noch immer umspielte ein sanftes Lächeln die dünnen Lippen Unins. „Nein, ihm wird nichts geschehen, das verspreche ich dir.“ Sie wartete, dass er auch ihre andere Frage beantwortete. „Weißt du, diese Welt…“ Er seufzte kurz. „Hier leben in erster Linie Flüchtlinge. Diese Stadt ist nicht die einzige in dieser Welt. Es gibt einige unterirdische Städte hier. Wie die meisten, die hierher kommen, saht ihr aus, als würdet auch ihr vor etwas fliehen.“ „Flüchtlinge?“, fragte sie, doch er schüttelte den Kopf. „Jetzt verrate du mir doch erst einmal deinen Namen und warum ihr hier seid.“ Kurz überlegte sie, da es ihr schwer fiel, sich an die Sprache zu erinnern. „Mein Name ist Yur und ich komme aus der Welt Verur…“ Erneut musste sie nachdenken, auch weil sie nicht genau wusste, was sie über die vergangenen Ereignisse erzählen sollte. „Das Kloster der Magier dort… Es… Der Rat… Ich weiß nicht, ob es der Rat war“, stotterte sie und merkte, wie auf einmal wieder Tränen ihre Augen füllten, als sie die Leichen vor sich sah, den toten Zik und ihren Meister, wie die blutige Ranke durch seine Brust ragte. „Tot“, flüsterte sie nur. „Sie sind alle tot…“ Der Elf tätschelte ihr nur beruhigend den Rücken. „Ich habe von der Welt noch nie gehört“, erwiderte er. „Aber hier seid ihr zumindest vor dem Rat sicher, auch wenn ich dir nicht sagen kann, ob sie es waren, die euch angegriffen haben.“ Darauf antwortete Yur nichts, die mittlerweile angefangen hatte zu schluchzen und sich verzweifelt mit den trockenen Händen die Tränen aus den Augen wischte. Jetzt, wo ein einzelner Gedanke wiedergekommen war, kehrten auch all die anderen Bilder aus dem Kloster zurück. Erst jetzt begann sie wirklich zu verstehen, dass sie alle tot waren, für immer tot! Und diese Fremden, die sie angegriffen hatte… Wieso hatten sie alle getötet? Warum taten sie so etwas? Niemand aus Verur hatte sie angegriffen – oder? Und wenn es wirklich so war, dass der Angriff erfolgte, weil Tänon Kyssan ins Kloster gebracht hatte – das war doch kein Grund gleich alle zu töten! „Wie sahen die Leute aus, die euch angegriffen haben?“, fragte der Elf nach einer Weile vorsichtig, auch wenn sie immer noch schluchzte. Zitternd griff sie nach dem aus einer Art Lehm gebrannten Becher und trank einen weiteren Schluck des Safts um sie so ein wenig zu beruhigen. „Sie…“, brachte sie mühsam hervor. „Sie trugen Roben… In der Farbe…“ Erneut unterbrach ein Anfall von Schluchzern sie. „In der Farbe der Magien“, endete sie schließlich. „Rot… Blau… Grün…“ Wieder schluchzte sie kurz auf. „Weiß…“ Gutmütig rieb er ihr über den Rücken und schwieg eine Weile, ehe er erneut begann. „Das hört sich tatsächlich nach Magiern des Rates an“, erwiderte er. „Ja, nach Magiern, nicht den normalen Kriegern. Hast du irgendeine Ahnung, weshalb sie euch angegriffen haben.“ Mit gesenktem Blick schüttelte sie den Kopf. „Das einzige, was ich weiß…“ Schon wieder musste sie sich unterbrechen, um von ihrem Schluchzen fast erstickt nach Luft zu ringen. „Kyssan… Ich glaube, sie wollten… Kyssan.“ Ein erneuter Versuch sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen scheiterte. „Sie wollen… ihn… Glaube ich…“ „Warum?“, fragte der Elf vorsichtig. „Seher…“, murmelte sie. „Sie haben gesagt… Er sei ein Seher…“ Und nun hatte Miras wohl auch keine Möglichkeit mehr ihr zu erklären, was das bedeutete. „Ein Seher?“, murmelte Unin daraufhin und rieb sich das Kinn. Sein Blick schweifte scheinbar in die Ferne, als würde er nachdenken, ehe er nach einer Weile seufzend den Kopf schüttelte und noch einmal über ihren Rücken strich. „Zumindest seit ihr hier erst einmal in Sicherheit. Euch wird nicht passieren.“ Damit stand er auf. „Wenn du nicht mehr hungrig bist, sollte wir zu Malan gehen.“ „Malan?“, fragte das Mädchen heiser. „Die Heilerin“, antwortete der Elf. „Dein Freund wird schon bei ihr sein und sie sollte sich auch um dich kümmern.“ Yur nickte nur und stand mit zittrigen Knien auf. Im Moment wollte sie eigentlich nur noch eines: Schlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)