A snowman, that brings the death von abgemeldet (A supernatural story) ================================================================================ Kapitel 6: Sick and tired ------------------------- Yohoo! Da bin ich wieder mit dem nächsten Kapitel, ganz speziell für Sky2 *dich lieb knuddelt*. Danke, dass Dir meine FF so gefällt. Und jetzt viel Spaß mit 15 Wordseiten *grins* 6. Kapitel: Sick and tired “Bist du von allen guten Geistern verlassen, Dean Winchester?!” Sams entsetztes, aber bei weitem eher zornig klingendes Gebrüll schickte eine winzige, dennoch fühlbare Druckwelle durch die kurze Haarpracht des Angekreischten, der für einen Moment recht dankbar war, dass das Motel außer den Besitzern und noch einem anderen Gast fast unbewohnbar war. „Sammy, nun beruhig dich ...“, versuchte Dean seinen kurz vor einem Schlaganfall stehenden Bruder zu besänftigen, der vollkommen aufgewühlt die Arme in die Höhe schmiss, als wollte er irgendjemanden darum anflehen, Hirn vom Himmel zu werfen. „Ich soll mich beruhigen?“, schoss es entrüstet über die Lippen des Jüngeren, der mittlerweile vom Verhalten mehr einem kurzatmigen Asthmakranken glich und die Augen dabei soweit aufriss, dass Dean beinahe Angst und Bange wurde, sie könnten gleich aus ihren Höhlen herauspurzeln. „Was zum Geier beinhaltet denn die Wahrheit alles?! Unsere übernatürlichen Aktivitäten gleich mit eingeschlossen?! Hast du ihm erzählt, dass wir mit dem Inhalt des Kofferraumes fröhlich durchs Land tuckern und Dinge abknallen, die man sich nicht mal im Traum vorstellen könnte?!“ „Sam ... .“ Der ältere Winchester gebot sanft Ruhe, indem er seinem Bruder eine Hand auf die Schulter legte, in der Hoffnung, der Wuschelkopf würde sich von seiner aufsteigenden Rage verabschieden und in beschaulichere Gefilde zurückkehren, aber weit gefehlt. „Lass mich ausreden!“, zischte der Dunkelhaarige ihn rabiat an und wischte seine freundliche Geste davon wie ein lästiges Insekt, so dass Dean ein ungläubiges Raunen nur schwer unterdrücken konnte. „Was hat Dad uns gelehrt? Das, was wir tun, existiert nur für uns und andere Jäger, niemals für einen Außenstehenden. Und du, Dean, du, der immer das getan hat, was Dad wollte, der immer gehorcht hat und niemals widersprochen hat, gerade du sollst es gebrochen haben? Das Versprechen, was wir ablegen mussten?“ Die Stimme des Jüngeren wurde plötzlich mit jeder Silbe, die seine Kehle verließ, leiser, das vor Wut verzerrte Antlitz weicher, bis nur noch ein zu groß geratener, verwirrt wirkender und viel zu müder Junge vor Dean saß, der das, was er soeben gesagt hatte, womöglich selbst kaum glauben konnte. Leise seufzend setzte sich der etwas kleinere Mann mit dem wiesengrünen Blick neben seinen Bruder, der ihn sofort mit einem leicht zweifelnden und misstrauischen Gesichtsausdruck bedachte. „Weißt du, Sammy“, begann Dean wichtigtuerisch und klopfte dem Angesprochenen freundlich auf ein Knie, was dieser mit ansteigendem Argwohn registrierte. „Manchmal muss man bestimmte Opfer bringen, auch, wenn diese schwerwiegende Konsequenzen mit sich ziehen.“ Mit einem gekonnten Sprung, der eher dem eines Hochleistungssportlers ähnelte und nicht jemandem, der noch vor kurzem bei der kleinsten hektischen Bewegung den Boden aufgesucht hatte, hob Sam vom Bett ab und sah sich gehetzt um, als würde er bereits die aus Deans Aussage resultierenden Polizeisirenen hören. Stumme Vorwürfe, verursacht durch das nach seiner Meinung unvorteilhafte Verhalten seines Bruders, gruben zwar unangenehm zwickende Löcher in seine Magengrube, entwichen aber nicht mehr lauthals seiner Kehle. Sprachlos und die Fassung schweigend mit jeder verstreichenden Sekunde etwas mehr einbüßend, starrte er den Älteren an, welcher so ruhig und entspannt auf ihn wirkte, als sei überhaupt nichts geschehen. Konnte es wirklich sein, dass Dean so etwas Dummes getan hatte? Nein, das passte doch gar nicht zu ihm. Schließlich war das Innenleben seines Kopfes weitaus intakter bei dem Unfall geblieben, als es für den hochgewachsenen Jungen der Fall war. Forschend betrachtete Sam den auf seinem Bett Sitzenden, während dieser fragend die Augenbrauen in die Höhe zog und seinerseits den Hünen vor ihm anstierte. Er wirkte so unschuldig auf ihn wie ein kleines Kind, das brav immer all das tat, was man von ihm verlangte und niemals protestierte. Er hatte doch wohl nicht ...? Wenn dem so wäre, dann würde er ihn ... . Oder auch mehr als das. „Dean, ich warne dich, wenn du versuchst, mich hochzunehmen, dann gnade dir was weiß ich alles.“ Sams Lippen hatten sich in einen hauchdünnen Strich verwandelt, nachdem diese Warnung ohne große Wirkung an dem kleineren Winchester wie harmlose Wattebäuschchen abgeprallt war, denn dieser verzog plötzlich das Gesicht zu einem hämischen Grinsen. „Duuuu …“, grollte der Jüngere verstimmt und fuhr sich mit der einen Hand durchs Haar, welches aufgeregt zu knistern begann. „Du bist echt das Letzte.“ „Die Letzten werden die Ersten sein“, wusste Dean es besser, legte seinen Zynismus aber rasch beiseite, als Sams Gesichtsfarbe erneut in ein beunruhigendes Kreidebleich abrutschte und sich dieser abwesend wirkend mit schmerzverzerrter Miene an die Stirn griff. „Whoah, Sammy! Komm, setz dich schnell!“, forderte er seinen Bruder behutsam auf und fasste ihn rasch beim Arm, den Wuschelkopf unendlich vorsichtig zum Bett führend. Schatten der Besorgnis glitten wie dahinziehende Regenwolken über sein Antlitz, als er den hochgewachsenen Jungen auf die Matratze drückte und ihn dabei beobachtete, wie dieser unsicher mit den Handflächen seine Umgebung abtastete. Unbeholfen sank Sam auf das weiche Bett und wäre beinahe nach hinten gestürzt, hätte sein älterer Bruder ihn nicht die ganze Zeit am Arm festgehalten. So übte Dean eiligst einen sanften Druck auf den Oberarm des Jüngeren aus und half ihm, eine möglichst bequeme Sitzposition einzunehmen. Geduldig wartete der Ältere, bis Sam seine Hand von der verkrampften Stirn löste und sich sein Körper allmählich wieder entspannte. Hektisch blinzelte der Jüngere mit den Augen, riss sie weit auf und rieb sie sich angestrengt, als wollte er etwas, das dort nicht hineingehörte, schnellstens entfernen. „Sam, du weißt, was das bedeutet?“, erinnerte ihn sein großer Bruder sachlich, aber mit einem besorgten Unterton in der Stimme, erntete daraufhin jedoch uneinsichtiges Murren. „Die Antwort ist nein und außerdem geht es schon wieder“, brummte der Angesprochene auf den stummen Befehl, einen vermutlich viel zu übergenauen Weißkittel aufzusuchen, der ihn sicherlich für mehrere Tage in eine Klinik steckte. Das kam absolut nicht in Frage für ihn. Dass er jedoch für mehrere Sekunden lang von tiefster Schwärze umhüllt war und dies bei vollem Bewusstsein erlebt hatte, erwähnte er gegenüber Dean lieber nicht, obwohl es in ihm selbst eine unglaubliche Angst heraufbeschworen hatte. Plötzlich nichts mehr sehen zu können, obgleich man seine Lider weit aufgeklappt hatte, war so erschreckend gewesen, als sei man gestorben und schwebte nun als Geist über seinem leblosen Körper. Nachdem Dean seinem verbohrtem Bruder ein unnachgiebiges Augenrollen entgegen gesandt hatte und nun entschied, dass es an der Zeit war, dem Jüngeren zu zeigen, wer hier die Hosen an hatte, überrollte Sam ihn rasch mit einem weiteren Dementi gegen die noch unausgesprochene Zurechtweisung. „Und zudem, wenn ich meinen Hintern in ein Krankenhaus schieben soll, bist du der Erste, den ich mitnehme und das nicht als Begleitung.“ Nun war es an Dean, seinen Bruder mit einem trotzigen Blick zu strafen. Entschieden verschränkte er die Arme vor seinem Brustkorb, leider etwas zu schwunghaft, denn seine angeschlagenen Rippen ächzten dabei wie morsche Schiffsplanken, über die ein gut beleibter Mann stolzierte. „Siehst du, was ich meine?“ Sam verzog die Mundwinkel amüsiert nach oben, als der Ältere missmutig seine Hände in den Hosentaschen versenkte und den anschwellenden Schmerz, der durch seinen Oberkörper schoss, unter größter Anstrengung verbarg. Das war typisch für Dean. Andere mit schon fast krankhafter Sorgfalt bemuttern, aber sobald man selbst einmal in eine Lage geriet, die bei einem genau das als zwingend notwendig gestaltete, bloß rasch alles abwiegeln. Es war ja nichts. Es ging ihm gut. Blendend. Ja, natürlich. Ein Seufzen entfuhr dem jungen Mann mit dem braunfarbenen Haar. Sein Bruder würde sich, was das betraf, wohl nie ändern. Er konnte sogar schon den Kopf unter dem Arm mit sich herumtragen und würde wahrscheinlich von sich behaupten, es sei alles okay. Andererseits war Sam in dieser Hinsicht meist keinen Deut besser, wie er sich still und heimlich eingestehen musste, aber im Hinblick auf Dean kannte er seine Grenzen, wusste, wann der Zeitpunkt gekommen war, sich in helfende Hände zu begeben, während der Ältere lieber solange wartete, bis jemand hektisch einen Defibrillator neben ihn schob. Dennoch gab ihm die Sache mit seinem Kopf ordentlich zu denken. Er hatte schon des öfteren, gerade in der Zeit seines knallharten Trainings, welches ihr Dad an ihnen vollführt hatte, Kopfverletzungen erlitten, wenn er unglücklich gestürzt war, jedoch niemals mit solchen Nachwirkungen. Ständig verschwamm ihm die Sicht, sah er alles undeutlich, als wäre er unter die Brillenträger gegangen und hätte vergessen, sein Nasenfahrrad aufzusetzen. Ähnlich verhielt es sich mit seinem Gleichgewicht. Hätte er es nicht besser gewusst, würde er glatt behaupten, er befände sich auf einem in Seenot geratenen Schiff, welches sich im Sturm aufbäumte wie ein dem Tode nahes Tier. Vermutlich wäre Sam auch der unausgesprochenen Bitte seines Bruders nachgekommen, wenn in ihm nicht das brodelnde Verlangen nach Vergeltung lautlos aufgeschrieen hätte. Er konnte und wollte es sich jetzt nicht leisten, sie mit ungeplanten Krankenhausaufenthalten zu belasten, wo ihr Vater dem Dämon doch bereits so dicht auf den Fersen war. Sam wollte dabei sein, wenn sie ihn stellten, wollte ihm in die gefühlskalten Augen blicken und ihn fragen, warum das alles geschehen musste. Wieso ihre Familie, ihre Mum? Weshalb Jessica? Was hatten sie ihm getan, was hatte er ihm getan, dass alle, die er liebte, durch den Dämon starben? Würde es Dean und Dad etwa ebenso ergehen? Nein. Entschlossen ballte er eine seiner Hände zu einer Faust, die zitternd wie ein altersschwacher Schmetterling über dem Bett schwebte, auf dem er saß. Er würde es nicht zulassen, dass es soweit kam, niemals wieder. Nicht noch einmal wollte er einen geliebten Menschen vor seinen Augen sterben sehen, ohne etwas dagegen unternehmen zu können, nie wieder diese Hilflosigkeit spüren, die ihn bis in seine Träume verfolgte. Deswegen hoffte er inständig, dass Marty den Impala schnellstens reparierte und sie von hier verschwinden konnten, um weiter nach ihrem Vater zu suchen. Da war doch noch was ... Marty ... der Impala ... . In letzter Sekunde widerstand er dem Drang, sich mit der Handfläche an die Stirn zu schlagen. „Was hast du ihm gesagt?“, sprudelte es daher sprunghaft wie das Wasser einer frischen Quelle aus Sams Mund, so dass Dean, der sich mittlerweile auf dem anderen Bett niedergelassen und seinen kleinen Bruder die ganze Zeit über sorgsam gemustert hatte, vor Schreck zusammenzuckte, als hätte er gerade in ein überaus ekliges Spinnennetz gefasst. „Wem soll ich was gesagt haben?“, wollte er wissen, während er seine Purzelbaum schlagenden Gedanken versuchte zu ordnen. Sams unwilliges Knurren brachte ihn im ersten Moment nicht unbedingt weiter, genauso wenig das unfreiwillig komische Augenverdrehen, welches der Jüngere vor ihm mit schmerzverzerrter Miene praktizierte und Dean schon ein passender Spruch dazu auf die Lippen rutschte, er ihn aber lieber rasch hinunter schluckte. Sie hatten sich in den letzten Stunden schon oft genug in der Wolle gehabt und dem Wuschelkopf tat es sicherlich nicht gerade gut, wenn sie diese schon fast chronisch anmutende Angewohnheit zu dieser späten Nachtzeit fortsetzten. Warum konnte Sammy nicht gleich auf den Punkt kommen? Immer diese dumme Raterei. Leise in sich hineingrummelnd verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich nach hinten in das einladend weiche Kissen, während sein Geschwisterteil ihn muffelig und vor Ungeduld beinahe platzend betrachtete. Er war selbst müde und gereizt und hegte nicht den Wunsch danach, in seinem nach Schlaf schreienden Hirn wie ein Maulwurf in der Erde herumzuwühlen, um für seinen Bruder eine passende Antwort auf dessen Frage zu finden, die er momentan nicht zuordnen konnte. Der Tag war bereits unausgesprochen bescheiden für ihn verlaufen. Erst verschrottete er halb sein heißgeliebtes Baby und Sammy gleich mit, dann wurde ihnen ein Zwangsurlaub in einem nicht gerade aufregenden Kaff angehängt und zu guter Letzt lehnte ein weibliches Geschöpf seine überaus unwiderstehlichen Annäherungsversuche kokett ab. Schlimmer konnte es keinesfalls mehr werden. Der einzige Lichtschimmer am Horizont hinter all den düsteren Wolken, welche ihn wie nach Blut lechzende Fledermäuse umschwärmten, war die kostenlose Reparatur seines Wagens, zu der er jedoch noch einige warnende Worte hatte anmerken müssen. Prompt schnellte er aus seiner halb liegenden Position in die Höhe und hätte beinahe seinen Bruder, der sich ein wenig über ihn gebeugt hatte, mit seinem Kopf besinnungslos geschlagen, wäre dieser nicht durch seine ausgeprägten Sinne vorzeitig gewarnt worden. „Du meinst die Sache mit dem Kofferraum“, rief Dean so freudig aus, als hätte er die richtige Antwort auf die Eine Millionen Dollar-Frage der ganzen Welt mitgeteilt, während Sam wie ein vor Wut krächzender Papagei, dem man den Keks geklaut hatte, leise vor sich hinschimpfte. „Wirklich beeindruckend, Albert Einstein, ich dachte schon, du kommst nie drauf“, bemerkte der Jüngere gehässig und begann nebenbei in seiner Reisetasche zu wühlen, die er neben sein Bett hatte fallen lassen. „Also? Ich warte. Was hat sich dein durchtriebenes Hirn wieder ausgedacht?“ Dean wollte ihm schon etwas Deftiges vor den Latz pfeffern und ihn fragen, ob das der Dank dafür wäre, dass er ihnen beiden wohlweislich den Arsch vor einem Haufen unangenehmer Cops gerettet hatte, als er Sams verschmitztes Grinsen während seiner letzten gesprochenen Worte bemerkte. Schwungvoll schwang er seine Beine über den Bettrand und setzte sich komplett auf. „Nun denn, verehrter Bruder“, begann er übertrieben geschwollen wie ein Adliger zu reden, der die Nase um einige Meter zu hoch in der Luft trug, was dem Jüngeren ein amüsiertes Glucksen entlockte. „Höre und staune.“ „Na, da bin ich aber gespannt.“ „Ich habe ihm einfach erzählt, dass wir FBI-Agenten sind.“ Dean schien vor Stolz über seine glorreiche Idee beinahe zu platzen. „Du hast ... was?“ Sam dachte, er hätte sich vielleicht verhört. Niemand würde ihnen Beiden in dieser Aufmachung und mit diesem Wagen abkaufen, dass sie Federal-Agents waren. Zudem wirkten sie ohne den dementsprechenden Aufzug tatsächlich so jung wie sie waren. Mal ganz abgesehen von ihrem Betragen, was ebenso wenig auf die stets korrekt untereinander agierenden und perfekt nach außen scheinenden Agenten schließen ließ. Alles in allem hatte Dean Marty sicherlich eine Knarre an die Schläfe halten müssen, damit dieser ihm unter Todesangst Glauben schenkte. „Du hast mich schon verstanden“, gab der Ältere unzufrieden zurück, enttäuscht über die Reaktion seines Bruders, die gar nicht so ausgefallen war, wie er sich dies erhofft hatte. „Ich habe ihm einfach meinen Ausweis unter die Nase gehalten.“ „Und das hat er so ohne weiteres geschluckt?“ Sams Stimme klang zweifelnd. Marty war kein Dummkopf, im Gegenteil. „Nein, so leicht hat er es mir dann doch nicht gemacht“, gestand Dean und nestelte an seiner Jacke herum. „Allerdings habe ich das bei ihm auch nicht anders erwartet.“ „Das heißt, du hast ihn auf eine nette Märchenstunde a la Winchester mitgenommen.“ „So kann man es auch nennen, Sammy, aber es war nicht gerade simpel, ihn zu überzeugen.“ Umständlich versuchte er nebenher den Ärmeln seiner Jacke zu entfliehen, ohne dabei seinen murrenden Rippen weiteren Schaden zuzufügen, bis sein Bruder ihm wortlos bedeutete, sich umzudrehen. Mit einem Ruck zog ihm der Jüngere das Kleidungsstück vom Körper, was Dean ein dankbares Aufseufzen entlockte. Hauptsache, Sam musste ihm nicht bei den anderen Klamotten ebenfalls zur Hand gehen. Vor Abneigung gegen solch eine Vorstellung verzog er für einen kurzen Moment das Gesicht, als wäre er barfuss in eine riesige haarige Ratte getreten, bevor er weiter erzählte. „Er wollte wissen, wieso ich ihn angelogen habe und ... .“ „Angelogen?“, unterbrach ihn Sam und zog verwirrt die Nase kraus, was kleine weiche Wellen auf seinem Nasenbein schlug. Für den Bruchteil einer Sekunde musterte ihn Dean irritiert, dann fiel ihm jedoch ein, dass sein Bruder nichts von der an den Haaren herbeigezogenen Geschichte wusste, die er Marty auf ihrem Weg zum Motel aufgetischt hatte. „Richtig, du hast ja Dornröschen gespielt, hätte ich beinahe vergessen.“ „Dean.“ Die brodelnde Ungeduld seines Bruders sprang ihm beinahe buchstäblich ins Gesicht wie ein paarungsbereiter Frosch, der seine Nase mit einer lasziv quakenden Fliegentöterlady verwechselte. „Komm endlich zur Sache.“ „Okay, ich hab ihm, während du süß wie ein Baby am Schlummern warst ... hey, denk an meine Rippen!“ Geschickt wich er dem angedeuteten Faustschlag des Jüngeren aus, der diesen mit einem unmissverständlichen Grollen begleitete, antwortete aber darauf mit einem so breiten Grinsen, welches, sofern die Möglichkeit bestanden hätte, sich durch seine Augäpfel weiter gegraben hätte. Sam dagegen sah ihn an wie eine Miesmuschel, die mit dem falschen Fuß aufgestanden war. „Also? Ich warte.“ „Jaaaa, während du dalagst und ich darüber nachdachte, dass du mit diesem Aussehen glatt Werbung für Babys Gutenacht-Brei machen könntest ... verdammt, das war doch nur ein Scherz!“, schob Dean halb lachend und halb quiekend nach, da ihm sein Gegenüber einen deftigen Tritt gegen das Schienbein verpasst hatte, welches sich der kleinere Winchester nun ächzend rieb. „Verstehst du denn keinen Spaß?“ „In dem Fall nicht.“ Sam strich sich mit beiden Handflächen müde über das in allen erdenklichen Farben leuchtende Antlitz und zuckte kurz zusammen, nachdem er etwas zuviel Druck auf seine verletzte Gesichtshälfte ausgeübt hatte, was den Älteren mit schuldbewusster Miene zur Seite sehen ließ. „Dean, normalerweise wäre ich auf der Stelle eingeschlafen, egal, was noch alles aus deinem Mund geflossen wäre, aber diese Sache ist mir extrem wichtig, denn ich würde gerne wissen, ob ich dich in den nächsten Minuten erschießen muss oder nicht.“ „Öhm ... das meinst du doch jetzt nicht im Ernst, oder?“ Der junge Mann mit dem frechen Kurzhaarschnitt musterte ihn ein wenig entgeistert und suchte in Sams Augen nach einem hilfreichen Hinweis, der ihn sofort enttarnte, aber es schien, als hätte der Jüngere ein unsichtbares Schutzschild um seine Iris gesponnen, die nichts von dem preisgab, was er dachte und weiterhin ausheckte. „Du willst mich wohl auf den Arm nehmen, Collegeboy“, murrte der Impala-Liebhaber, nachdem er keine Antwort von Sam erhalten hatte und dieser ihn noch immer so todernst anstarrte, als befände sich Dean auf der Anklagebank eines Gerichtes und sein jüngerer Bruder mimte vor ihm den knallharten Anwalt. „Klar will ich das oder verstehst du etwa keinen Spaß?“ Deans Kinnlade fiel herunter wie die außer Kontrolle geratene Schaufel eines Baggers, während sich der hochgewachsene Winchesterjunge spitzbübisch auf die Unterlippe biss und ein aufquellendes Lachen versuchte zu unterdrücken. „Das gibt’s doch nicht“, rief der Ältere aus und schlug sich mit der flachen Hand aufs Knie. „Schlägt mich mit meinen eigenen Waffen, unglaublich. Schäm dich, kleiner Bruder, hast du denn keinen Respekt mehr vor der Weisheit und der Schönheit?“ „Sind die irgendwie verwandt mit dir?“, kicherte Sam und riss die Augen vor gespielter Panik auf, als Dean sich mit einem Kriegsschrei auf ihn stürzte und trotz seiner stark schmerzenden Verletzungen mit dem riesenhaften Jungen balgte, als seien sie zwei tapsige Welpen, die sich übermütig auf dem Boden hin- und herrollten. Dean piekste seinem Bruder in die Seite, so dass dieser wie eine alte Legehenne zu gackern begann, sich aber sofort revanchierte, indem er dem Älteren lachend an den kurzen Haaren zog, was der Gemarterte mit einem recht überzogenen Schrei kommentierte. Von ihrem nicht ernstzunehmenden Handgemenge mehr als abgelenkt bemerkten sie nicht, wie jemand hektisch die Tür zu ihrem Motel-Zimmer aufschloss und eintrat. Prustend vor Lachen verwüsteten sie das komplette Bett, bis mit einem Male die Tagesdecke, welche sich zu Dreiviertel bereits auf dem Boden befand, sie auf dem letzten Viertel mit nach unten beförderte. Ein abgehackter und recht überraschter Aufschrei suchte sich synchron seinen Weg über die Lippen der Brüder, die hart auf ihren vier Buchstaben landeten und mit zusammengekniffenen Lidern unsanft an ihre Blessuren erinnert wurden, sich jedoch amüsiert unter ihren halb geschlossenen Augenlidern musterten. Noch immer hatte keiner von ihnen Beiden bemerkt, dass sich jemand Drittes in ihrem Zimmer befand und sie mehr als perplex anstarrte. Erst ein bedächtiges Räuspern fegte die Unvorsichtigkeit der zwei Jäger davon und ließ sie auf ihre antrainierten Instinkte zurückgreifen. Dean riss seine Taurus mit einem solch eleganten und flinken Ruck hinter seinem Rücken hervor, dass Wild Bill Hickok vermutlich vor Neid erblasst wäre, hätte er Zeuge dieser Aktion sein dürfen. Sogar der grimmige Gesichtsausdruck des älteren Winchester passte perfekt zu einem berüchtigten Revolverhelden, allerdings ließ sich dieser eher auf seine angeknacksten Rippen und nicht auf eine neuentdeckte Kaltblütigkeit gegenüber seines potenziellen Opfers zurückzuführen. Sam reagierte nur um den Bruchteil einer Sekunde später als sein Bruder, was ohne Zweifel daran lag, dass seine Sinne erneut Achterbahn durchs Weltall mit ihm spielten. Fahrig wie ein Betrunkener nach einer erfolgreichen Kneipentour griff er mehr zur Seite als nach hinten, vollkommen vergessend, dass seine Waffe gar nicht mehr an ihrem Platz steckte, an dem er sie vermutete. Dean hatte sie, nachdem der Jüngere diese in seinen Schoß geworfen hatte, blitzschnell in seiner Jackentasche verschwinden lassen und sie noch nicht wieder ihrem Besitzer ausgehändigt. Der wiederum bekam einen Zipfel der Tagesdecke zu fassen, auf der sie noch immer halb saßen und zielte damit so selbstsicher auf die junge dunkelhaarige Frau, welche ihr Zimmer betreten hatte, dass diese nicht wusste, ob sie nun in schallendes Gelächter ausbrechen oder lieber vor Schreck das ganze Motel zusammenkreischen sollte. Voller Entsetzen, nachdem er Lauren als ihren Störenfried erkannt hatte, ließ Sam seine ´Waffe` sofort sinken und schrumpfte, als würde er sich furchtbar schämen, in seiner sitzenden Position am Bett angelehnt in sich zusammen. Auch Dean wandte die Mündung seiner Taurus von der jungen Frau ab und steckte den Colt zurück in sein Versteck, dort allzeit bereit für weitere unangemeldete Besucher. Schweigend suchte er zunächst den Blick seines Bruders, der ihn genauso nervös anblinkerte wie damals in den Situationen, bevor sie eine saftige Standpauke ihres Vaters zu hören bekamen, bis er ihn wieder auf Lauren richtete. Aber bevor der Ältere der Beiden etwas als Erklärung hervorbringen konnte, ergriff das Mädchen selbst die Initiative. „Ich ... ähm“, druckste sie herum und spielte wieder verlegen mit den Kapuzenbändern ihrer Sweatjacke. „Ich dachte ... euch wäre etwas passiert, deswegen ...“, sie hielt den Zweitschlüssel des Motelzimmers in die Höhe und machte eine erklärende Geste mit den Händen. Als die beiden Männer verwundert die Brauen in die Höhe zogen und sie begriff, schüttelte sie rasch den Kopf. „Nein, nein, ich bin euch nicht gefolgt“, wischte sie unmissverständlich den Verdacht der Brüder hinfort, diese auf Schritt und Tritt beobachten zu wollen. „Ich habe nur noch mal schnell etwas Salz auf dem Weg rund um das Motel gestreut, nachdem ich, als ihr wegwart, nach dem Wetter gesehen habe. Wenn sich hier nämlich einer auf die Nase legt, müssen meine Eltern für alles aufkommen. Und da hörte ich Schreie, die ich als die euren erkannt habe. Darum bin ich hierher, nur darum.“ Verunsichert sah sie zu Boden. Dean war es, der sich ihrer erbarmte, denn Sam, welcher sonst stets diese Rolle übernahm, wirkte eher auf ihn wie ein neugeborenes Fohlen, das noch nicht ganz begriffen hatte, wozu Beine eigentlich gut waren. „Schon gut, wir sind dir ja nicht böse“, sagte er zu ihr und hielt sie noch für einen Moment zurück, da sie es lieber vorzog, schleunigst ihrer peinlichen Lage zu entfliehen, obwohl die Winchesters dazu weitaus mehr Gründe in petto hatten als sie. „Es ist nur so, dass wir es nicht gewohnt sind, unter solch einer Fürsorge zu stehen.“ Keck zwinkerte er ihr zu, so dass zur Antwort ein warmes Lächeln ihre Lippen zierte. „Deswegen auch die Waffe?“, hakte sie in einem Atemzug nach, was Deans Grinsen von einem Augenblick zum anderen aus dieser Welt fegte. Sam hingegen starrte von seinem Fußbodenplatz die Beiden an, als befände er sich auf dem Zuschauerrang eines Tennisplatzes; seine Iris schob sich in einem eingependelten Rhythmus von seinem Bruder zu Lauren und wieder zurück. „Diese Lady hier“, Dean klopfte knapp über seinem Gesäß auf die Stelle, an der sich die Taurus vor neugierigen Blicken verbarg, „ist unverzichtbar, wenn man wie wir oft unterwegs ist und das in so einsamen Gegenden wie hier. Man weiß ja nie, wer da an die Tür klopft und sei es noch so ein hübsches unschuldiges Ding, was da gerade vor mir steht.“ Ehrliche Bewunderung glitt aus seinen grünfarbenen Augen auf sie herab und brachte sie für einen Moment aus der sie wie einen schützenden Panzer umhüllenden Fassung, während der junge Mann vor ihrem Angesichte alle Register eines gut ausgebildeten Casanova versuchte zu ziehen. Sein warmer Blick vereinnahmte sie vollständig und sich diesem zu entziehen, gestaltete sich als beinahe unmöglich. Aber auch nur beinahe. Wenn sie etwas gelernt hatte, dann dieser Sorte Mann zu widerstehen, welche sie einst fast an den Abgrund ihres Seins getrieben hatte. Mit größter Mühe versuchte Dean seinem Gegenüber durch sein Verhalten das Auftauchen der Waffe aus dem Gedächtnis zu streichen, obwohl er sich bei Lauren aufgrund ihres wirklich hübschen Aussehens keine große Mühe dabei geben musste, war es doch die Wahrheit, die er ihr entgegenbracht hatte. Es war zwar nichts unbedingt Ungewöhnliches, einen Colt zu besitzen, aber er befürchtete, dass seine doch etwas zu rasch ausgeführte Reaktion auf ihr unangemeldetes Erscheinen in ihr sicherlich Misstrauen angefacht hatte, um das er sich nun bemühen musste, dies besser äußerst gering zu halten. Er bemerkte, dass Sam ihn besonders aufmerksam beobachtete; normalerweise hätte der Jüngere ihm bereits ein Protest andeutendes Räuspern an den Kopf geworfen und ihn somit seinem maßlosen Flirttaumel entrissen, aber sein Bruder schien zu verstehen, auf was er hinausarbeitete und ließ ihn agieren. Allerdings hatte sich Dean den Ausgang seines Planes anders erdacht. Die soeben noch angenehm von seinen Worten überrascht anmutenden Gesichtszüge Laurens wurden plötzlich ausdruckslos und gefühlskalt, als stände vor ihm eine knallharte Geschäftsfrau und nicht das unschuldig naiv wirkende Mädchen, für das er sie hielt. Selbstbewusst baute sie sich vor ihm auf, stützte die schmalen Fäuste in die Hüften und kippte ihr Becken lässig zur Seite. Für einen winzigen Moment betrachtete sie ihn aus dieser Haltung, spürte seine wachsende Verblüffung, die über sie nahezu greifbar hinwegrollte. Dann jedoch löste sich eine Hand von ihrer Hüfte und ihre grazil wirkenden Finger wanderten forsch wie nach Erfolg süchtige Bergsteiger sein Brustbein hinauf, bis ihr Zeigefinger sanft aber bestimmt seine Nasenspitze berührte, was seine eh auf Kuchentellergröße mutierten Augen zum Schielen nötigte. „Solange ich hier das Sagen in diesem Etablissement habe, will ich keine Waffe mehr in meinem Blickwinkel wissen“, kam es bestimmt aus ihrer Kehle. „Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“ „Sicher, natürlich.“ Das kam vom Fußboden, auf dem Sam noch immer wie ein vergessener Farbtopf verweilte. Hastig nickte er, als sie in seine Richtung sah, was ihm jedoch sofort eine dementsprechende schmerzvolle Erinnerung an das gegebene Versprechen einbrachte. Seine Zähne vor Pein in die Unterlippe versenkend presste er seinen Rücken gegen das Bett, vor dem er saß und wartete, den Kopf keuchend zurücklegend, ab, dass der Anfall vorüberging. Laurens soeben noch harter Blick wurde weich wie frisch gefallener Schnee, als sie den jüngeren Winchester sorgenvoll musterte, der ähnlich eines angeschossenen Tieres hilflos auf dem Boden kauerte. Dennoch musste sie zunächst ihren Standpunkt festigen, bevor sie sich ihm zuwenden konnte, denn der Ältere der Beiden hatte sich zu ihrer ausdrücklichen Festlegung einer bestimmten Regel, die in dieser Einrichtung herrschte, noch nicht geäußert. „Nun?“, fragte sie und sah ihn fordernd an, konnte allerdings das leichte Zittern in ihrer Stimme nicht verbergen. Es kam nicht gerade häufig vor, dass sie diesen Teil ihrer Persönlichkeit zu Tage förderte. Die meisten Leute in ihrer Umgebung kannten sie als nettes, hilfsbereites und eher schüchternes Mädchen; dass sie noch andere Eigenschaften in sich verbarg, die so manchem vor Verwunderung das blanke Staunen ins Antlitz gebrannt hätte, ahnten und wussten nur die wenigsten. So ähnlich erging es nun auch Dean. „Ja ... von mir aus“, knurrte er sie an, von sich selbst enttäuscht, dass sein Plan nicht aufgegangen war. Ruckartig wandte er sich von ihr ab und huschte an die Seite seines Bruders, der, von den Folgen des Anfalls benommen, versuchte, sich auf das Bett zu stemmen. „Okay ...“, wisperte ihm Lauren nach, während er dem Jüngeren unter die Achseln griff und ihn in die Höhe zog. „Es geht schon wieder“, quetschte Sam hervor, hielt sich jedoch dankbar an Deans Arm fest, der den Hünen vorsichtig auf sein Lager bugsierte. Der kritische Blick des kleineren Winchesters sagte mehr als tausend Worte, als er sein Geschwisterteil ausgiebig musterte. „Soll ich ... noch mal nach ihm sehen?“, mischte sich die Stimme der jungen Frau mit einem Male dazwischen. Verschwunden war ihre Selbstsicherheit, fort ihre knallharte Überlegenheit, mit der sie sogar einem Dean Winchester getrotzt hatte. Nun war sie wieder die sanfte und zurückhaltende Lauren, welche jeder kannte und sie wusste nicht, welche Seite sie an sich mehr hasste. „Nein“, antwortete Dean vielleicht etwas zu schroff, denn die junge Frau zuckte sichtbar zusammen und er verstand langsam, wenn es ihn auch sehr wunderte. In dem armen Ding lebten zwei unglückliche Seelen, die hin und wieder um die Vorherrschaft kämpften und keine davon konnte sich dafür entscheiden, welche das Mädchen vollkommen ausfüllen sollte. Seiner Meinung nach musste sie versuchen, einen Mittelweg für sich zu finden, mit dem sie sich selbst gerecht wurde. So streute sie mit ihrem Verhalten nur Verwirrung zwischen die Menschen und tat sich dabei nichts Gutes. „Wir kommen schon klar“, gab er ihr, nun weitaus freundlicher dabei klingend, zu verstehen. Sam, der von seinem Bruder fürsorglich gegen ein großes Kissen, welches sich am Kopfende des Bettes befand, gedrückt worden war, knuffte dem Älteren leicht in die Seite. „Und keine Waffen“, wiederholte Dean noch einmal nachdrücklich und salutierte frech. Ein befreiendes Grinsen stahl sich auf die kirschroten Lippen Laurens, bevor sie sich umwandte und das Zimmer lautlos verließ, zuvor noch ein geflüstertes „Danke“ durch den Raum schickend. „Dafür verlangen wir aber auch höchste Verschwiegenheit, was die andere Sache anbelangt!“, rief ihr Dean noch hinterher, erntete aber nur ein vergnügtes Kichern, was ihn brummend die Augen verdrehen ließ. Nachdem die Tür leise klackend ins Schloss gefallen war, sahen sich die Brüder für einen Augenblick schweigend an. „Auch für dich existieren Grenzen, Dean, wie man an diesem Beispiel sehr gut sehen konnte“, scherzte Sam trotz seiner wieder Überhand nehmenden Kopfschmerzen amüsiert und wartete auf den spektakulären Ausbruch direkt neben ihm, der wiederum zu seinem Erstaunen ausblieb. „Tja, scheinbar habe ich meinen Meister gefunden“, bemerkte sein Gegenüber nur bewundernd und zog die Augenbrauen leicht nach oben, als würde er die unausgesprochene Herausforderung Laurens annehmen. „Aber dafür lohnt es sich zu kämpfen.“ „Du bist echt unmöglich, Alter“, stöhnte Sam genervt auf und presste sich müde in das Kissen in seinem Nacken, welches ihn stumm in seinen großen weißen Schwingen barg. „Wann wirst du begreifen, dass sie nicht auf dich anspringt?“, nuschelte er zwischen den weichen Daunen hervor. „Es gibt keine, die nicht scharf auf mich ist“, behauptete Dean großspurig und verzog seine Lippen zu einem Grinsen, nachdem sein Bruder entrüstet nach Luft schnappte und mit den Augen rollte. „Du gibst wohl nie auf, oder?“ „Niemals, das steht mir einfach nicht.“ „Au Mann“, blubberte der Jüngere aus seinem Kissen hervor wie ein Ertrinkender zwischen haushohen Wellen. Träge räkelte er sich auf dem viel zu gemütlichen Bett, während er seinem Bruder dabei zusah, wie sich dieser auf verhältnismäßig umständliche Art und Weise seiner Boots entledigte. Knurrend wie ein alter Bär, der nicht mehr fit und gelenkig genug war, um ein Bienennest hoch im Baum zu erreichen, versuchte Dean seine Schuhe loszuwerden, indem er vor Bequemlichkeit, aber auch aufgrund seiner eingeschränkten Beweglichkeit, den Vorderfuß gegen den Hacken presste, ohne die Schnürsenkel jedoch dabei vorher gelöst zu haben. Leise kicherte Sam in sich hinein, nachdem einer der Schuhe plötzlich durch den ungewohnten Druck, den man auf ihn ausgeübt hatte, im hohen Bogen quer durch den Raum flog und eine kleine Stehlampe dabei umkegelte. „Verdammter Mist!“, knurrte Dean ärgerlich, während er sich bei dem nächsten Kandidaten redlich bemühte, dass es dieser seinem besohlten Kollegen nicht gleichtat. Sam hätte zu gerne einen bissigen Kommentar dazu abgegeben, aber er war mittlerweile so müde und angeschlagen durch den Unfall, dass sich seine Augenlider bereits selbstständig machten. Dennoch war da irgendetwas in seinem Unterbewusstsein, das ihm keine Ruhe und vor allem noch keinen Schlaf gönnte. Warum nur fiel es ihm einfach nicht ein? Es war, als hätte es jemand aus seinem Hirn hinfort geblasen wie ein Blatt, das der Wind von seinen Brüdern getrennt hatte. „Was ist los, Sammy?“, wühlte sich mit einem Male die Stimme seines Bruders durch die bleierne Müdigkeit und der Angesprochene riss unvorbereitet die Lider wieder in die Höhe. „Willst du dich gar nicht zusammen mit mir an meinem unvergleichlichen Einfallsreichtum weiden?“ „Hä?“, war alles, was Sam daraufhin einfiel, seinen Bruder unverständlich musternd, der ihn ebenso mit krausgezogener Stirn betrachtete. „Du warst doch eben noch, bevor uns das süße Mäuschen besuchte, so scharf darauf zu wissen, was ich Marty alles an netten Teddybären aufgebunden habe“, entgegnete Dean und wartete auf die hoffentlich eintretende Erleuchtung bei seinem Bruder. Dem fiel es buchstäblich wie Schuppen von den Augen, fragte sich aber gleichzeitig erstaunt, wie er das vergessen konnte. „Natürlich will ich alles darüber wissen, schließlich hängt dein Weiterbestehen davon ab. Aber bitte die Kurzform, der Sandmann streut gerade ganze Strände über mein Hirn.“ Nach einem kurzen aufmuckenden „Pah“, was Sams Bemerkung über das vermutliche Ableben seines Geschwisterteiles betraf, sofern die Geschichte, welche er Marty aufgetischt hatte, ihr Verderben bedeuten könnte, begann Dean zu berichten. „Ich sagte ihm, dass wir zu einer Sondereinheit gehören, die undercover arbeitet und deswegen nicht so geleckt in Erscheinung treten wie die Herren in ihren geschniegelten Anzügen.“ „Und das hat er dir abgenommen?“ Dean sog hörbar die Luft ein, bevor er antwortete. „Nein, nicht sofort. Der Mann ist vielleicht einiges, aber nicht auf den Kopf gefallen, was es mir nicht einfach machte, ihn davon zu überzeugen. Erst, als ich erwähnte, dass man uns in diese Gegend abkommandiert hatte, um etwas ganz Bestimmtem nachzugehen, änderte sich plötzlich sein gesamtes Verhalten. Er wirkte mit einem Male verunsichert, ja, sogar beinahe verängstigt auf mich.“ In diese Gedanken verstrickt wie im klebrigen Netz einer Spinne kratzte sich der ältere Winchester grübelnd am Kinn, so dass die kleinen Bartstoppeln einen protestierenden Reigen aufführten. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, Sam, aber mit diesem Typen stimmt irgendetwas nicht. Während du in seinem Truck schliefst, machte er eigenartige Andeutungen, die ich nicht verstanden habe, vor allem über dieses Kaff hier.“ „Dean“, seufzte Sam und ärgerte sich im selben Moment darüber, dass er auf die Aussage seines Bruders überhaupt einging, wollte er doch nur eines – Schlaf. „Könntest du mal damit aufhören, hinter jedem für dich verdächtig angehauchten Wort oder Verhalten einen Fall zu wittern? Das ist ja schon krankhaft.“ „Und ich sage dir, da ist was faul“, entgegnete sein Gegenüber vollkommen überzeugt von seinem Verdacht, die Anmerkung Sams auf seinen geistigen Zustand vollständig ignorierend und sah den Jüngeren bestimmt an, der sich murrend einen Teil seines Kissens über das Gesicht zog. „Und ich glaube, du wirst langsam paranoid“, presste Sam durch die weichen Daunen hindurch und fing sich daraufhin sofort einen Tritt gegen seinen noch beschuhten Fuß ein, was Dean angesichts der harten Sohlen seines Bruders leise aufjaulen ließ. „Selbst schuld“, bemerkte der Hüne lakonisch, als der nun Fußlahme ihn wütend anblitzte. „Mich interessiert eher, was du ihm zum Inhalt des Kofferraumes gesagt hast. Du hast ihm doch hoffentlich etwas dazu verklickert, oder?“ Das beklemmende Bild eines von Spezialeinheiten umstellten Motels schwirrte Sam erneut im Kopf umher und er schauderte ungewollt. „Natürlich“, knurrte Dean nahezu beleidigt, dass der Dunkelhaarige es tatsächlich anzweifelte, diese Sache auf clevere Art und Weise abgewickelt zu haben. „Ich habe ihn glauben lassen, dass im Kofferraum streng geheime Akten und auch unsere Ausrüstung lagern. Sollte er auch nur daran denken, diesen zu öffnen, wird sein Leben nie wieder wie zuvor sein.“ „Wow. Und das hat tatsächlich funktioniert?“ Sam konnte kaum glauben, wie sich jemand von so einer haarsträubenden Lüge hatte einwickeln lassen. Andererseits besaß sein Bruder jedoch ein unglaubliches Talent, unglaubwürdige Geschichten so zu verpacken, dass jeder sie ihm abkaufte. Sicher war so auch Marty auf ihn hereingefallen. „Zu meinem Erstaunen ja“, antwortete der Ältere und lächelte stolz, was seine Kreativität betraf. Vergessen waren Sammys indirekte Andeutungen, mal einen Nervenklempner aufzusuchen. „Er sagte, wir sollen uns im Laufe des Tages unseren Kram abholen, damit er mit der Reparatur beginnen kann. So wären wir zumindest aus dem Schneider.“ „Zum Glück. Dann kann ich ja jetzt endlich schlafen“, flutschte es erleichtert über Sams Lippen und ein seliger Ausdruck legte sich auf sein erschöpftes Antlitz. „Ist das etwa alles, was du dazu zu sagen hast?“ In Deans Stimme schwamm ein warnender Unterton, der den Jüngeren hätte aufhorchen lassen sollen, aber dieser war mittlerweile so müde, dass er selbst dies nicht mehr wahrnahm. „Wie meinst du das?“, fragte er daher unbedarft wie ein kleiner Junge, der die Situation vollkommen verkannte. „Zum Glück? Dann kann ich ja jetzt endlich schlafen?“, ahmte der kleinere Winchester sein Geschwisterteil nach, welches ihn verdutzt musterte. „Wie wäre es mit ´Klasse gemacht, Dean, du hast uns den Arsch gerettet´.“ Sam lachte kurz auf, nachdem er begriff. „Den Arsch gerettet, Dean? Den Arsch gerettet? Wer hat uns denn erst in diesen Schlamassel hineingeritten? Wer hat denn gemeint, sein Baby müsste mal ein anderes Vehikel knutschen, bevor es dann doch lieber mit Bäumen vorlieb nahm?“ Deans Mund klappte auf und wieder zu, sein Zeigefinger hob sich in die Luft, als wollte er dem Jüngeren eine gehörige Lektion erteilen, doch dann senkte sich seine Hand zurück auf sein Knie und er sprang unerwartet hektisch von dem Bett in die Höhe, auf das er sich niedergelassen hatte. „Ich bin dann mal im Bad“, murmelte er nur wie abwesend und schloss die Tür mit einem leisen Klicken hinter sich, einen höchst verwirrten jüngeren Bruder zurücklassend, der ihn sprachlos aus seinem Kissen hinterher starrte. Hände legten sich beidseitig auf die kühle Keramik des Waschbeckens, während ihm sein Spiegelbild ausgelaugt und ungepflegt entgegensah. Dunkle Schatten zierten die Partie unterhalb der Augen, als wäre er in Verkleidung eines Vampirs, der tagelang keinen Tropfen Blut mehr zu schmecken bekommen hatte, an Halloween unterwegs. Sein Drei-Tage-Bart hätte sicherlich auf die holde Damenwelt anziehend gewirkt, wären da nicht die unverkennbaren Spuren der Erschöpfung und die Zeichen des Schmerzes gewesen, die tiefe Furchen in sein Antlitz gruben und somit alles zunichte machten. Mürrisch blickte er sein eigenes Gegenüber an, welches ihm mit vor Zorn sprühenden grünfarbenen Augen antwortete. „Ja, Dean, er hat recht.“ Finger umklammerten ihr Ziel so fest, dass die Haut an seinen Knöcheln weiß hervortrat. „Du hast ihn beinahe umgebracht, deinen eigenen Bruder.“ Pein schoss durch jede Faser seines Körpers, brachte seine um den Rand des Waschbeckens verkrampften Gliedmaßen fast zum Bersten, aber er hatte es nicht anders verdient. Die Qual, welche ihn annähernd bei lebendigem Leibe verschlang, erinnerte ihn mit jeder Schmerzwelle, die durch seinen Körper jagte, an das Vergehen gegen sein eigen Fleisch und Blut. „Was hätte Dad nur dazu gesagt? Was hätte er gesagt, wenn sein Lieblingssohn nun nicht mehr hier wäre?“ „Hör auf damit!“, knurrte Dean sein Spiegelbild ermahnend an und kam sich im selben Moment wie ein kompletter Vollidiot vor. Was tat er hier? Zwiegespräche mit seinem Unterbewusstsein führen, welches sich an seinen unterschwelligen Gefühlen weidete und längst vergessene Empfindungen aufwallen ließ? Ja, er hatte eine zeitlang so etwas wie Eifersucht auf seinen kleinen Bruder verspürt, immer dieses >Dean, pass auf Sammy auf<, >Dean, lass deinen Bruder nicht aus den Augen<, welchen pubertierenden Jungen nervte das nicht? Aber Sammy war außer seinem Dad alles, was er noch hatte. Und Sammy liebte ihn, wie ein kleiner Bruder den größeren nun mal liebte. Das durfte nicht noch einmal geschehen, nie wieder. Unentschlossen durchbohrte der zu groß geratene junge Mann mit seinen Blicken regelrecht die soeben zugefallene Badezimmertür, durch die sein älteres Geschwisterteil wie von der Tarantel gestochen verschwunden war. Hatte er etwas Falsches gesagt? War Dean nun gar sauer auf ihn und verkroch sich schmollend auf der Klobrille? Nein. Ein amüsiertes Lächeln spiegelte sich auf Sams Lippen wieder. Das passte nicht zu seinem Bruder, absolut nicht. Und generell nahm er dann die andere Tür, welche in die Welt hinausführte und nicht in die Keramikabteilung. Trotzdem brachte ihn Deans sonderbares Verhalten regelrecht zum Grübeln. Es konnte doch unmöglich sein, dass er bei dem Älteren irgendeinen wunden Punkt getroffen hatte und dieser nun, um seine Wunden zu lecken, dem Ganzen einfach entflohen war. Dass er selbst dieser wunde Punkt war, kam ihm keinen Augenblick überhaupt nur in den Sinn. Eiskalt perlte das Wasser, welches leise wispernd wie der Wind dem Wasserhahn entfloh, von Deans Gesicht, nachdem er das erfrischende Nass über seine Haut hatte gleiten lassen. Es weckte sogar ein wenig seine müden Lebensgeister, obwohl er genau das als letztes in dieser ereignisreichen Nacht bezweckte, wollte er sich doch gleich aufs Ohr hauen und am liebsten drei Wochen durchschlafen. Umständlich griff er nach dem Handtuch direkt neben dem Waschbecken und rubbelte sich trocken, bevor er, dabei seinen verspannten Nacken massierend, seinen kleinen Zufluchtsort wieder verließ. „Hey, Sammy, das Bad ist fr …”, krakelte er quer durchs Zimmer, möglichst darauf bedacht, besonders unauffällig zu klingen, stockte aber jäh mittendrin, als er seinen jüngeren Bruder plötzlich reglos auf dem Bett entdeckte. „Sammy! Was zum ...?“, entfuhr es Dean aufgeschreckt aufgrund dieses Anblickes, während er spürte, wie seine Beine vor Angst weich wurden. Tausend Dinge schossen ihm durch den Kopf, als er zunächst stockend einen Fuß vor den anderen setzte, bis er die letzten Schritte förmlich zu dem scheinbar Bewusstlosen rannte. Dort angekommen ließ er sich schwer neben dem Bett auf die Knie sinken, die Wangen des Größeren vorsichtig mit den Händen berührend. Er war kurz davor, ihn aus der gefährlichen Dunkelheit, in welcher der Hüne sich wohl rettungslos verloren hatte, zu reißen, als sich ein leises Schnarchgeräusch in seine Gehörgänge wühlte. Entgeistert musterte Dean sein jüngeres Familienmitglied, das sich plötzlich wohlig wie ein schnurrender Kater unter seinen Händen wand, die noch immer auf dem Antlitz Sams ruhten. Ruckartig zog der Ältere seine Gliedmaßen von dannen und schickte ein ärgerliches Grunzen in Richtung seines Bruders, der nur einen schmatzenden Laut dafür übrig hatte. „Eins schwör ich dir, Sam“, versprach der ältere Winchester vor Unmut knurrend, gleichzeitig aber auch über alle Maßen erleichtert, „wenn du noch mal so was durchziehst, dann schlag ich dich so grün und blau, dass selbst Dad dich nicht mehr wiedererkennt.“ Sich neben seinen Bruder auf das eigene Bett setzend betrachtete er ihn einen Moment. „Obwohl … ich glaube, da muss ich mir gar keine so große Mühe mehr geben“, kam er dann letztendlich zu der Schlussfolgerung, was das Gesicht des Schlafenden betraf und grinste breit. Nachdem er sich seiner Jeans und seines Hemdes entledigt hatte, streckte Dean sich völlig fertig und die vergangenen Stunden in Windeseile Revue passierend genüsslich auf seinem Ruhelager aus, seinem jüngeren Anhängsel noch gähnend ein „Gute Nacht, Sammy“ zuwerfend. Doch bevor seine nach dem Schalter der Nachttischlampe tastenden Finger die wohlverdiente Ruhe endgültig einläuten konnten, fiel ihm plötzlich ein, dass Sam noch in voller Montur auf seinem Bett lag, inklusive Schuhe. „Oh Mann“, stöhnte der seines ihm gebührenden Müßigganges Beraubte und bequemte sich murrend wie ein Schulkind, das man viel zu früh geweckt hatte, aus seiner Decke, die er bereits wärmend um sich geschlungen hatte. Miesepetrig dreinschauend musterte er das lange Elend von Mensch, das gänzlich ahnungslos vor ihm ausgestreckt lag, bis er sich leise schimpfend und bei sonst was beschwerend an die Arbeit machte, Sam von seinen übergroßen Tretern zu befreien. „Uaaah“, keuchte er dabei angewidert und rümpfte die Nase. „Wann hast du dir zum letzten Mal die Füße gewaschen, Bruderherz?“ So weit wie nur irgendwie möglich entfernte er die ausgelatschten Turnschuhe des Jüngeren, damit sie ihm in seinem Schlaf keine übelriechenden Träume von überdimensionalen Kompostwerken bescherten. Anschließend machte er sich noch an der vor Blut starrenden Jacke Sams zu schaffen, indem er den Dunkelhaarigen behutsam in eine sitzende Position zog und das Kleidungsstück vorsichtig von seinem Körper trennte. Die vor Kälte klamme Sweatjacke, welche darunter zum Vorschein kam, sah nicht besser aus als ihr Vorgänger, so dass Dean sich dazu entschied, auch diese zu entfernen. Sein Bruder lag dabei schwer in seinen Armen und zuckte ab und zu im Schlaf zusammen, unverständliches Zeug dabei murmelnd. Solange jedoch die Worte „Feuer“ und „Jessica“ nicht darunter waren, beunruhigte es den kleineren Winchester nicht weiter. Sam benötigte dringend eine Nacht ohne das Durchleben seiner Erinnerungen an das Geschehnis, was ihn eigentlich erst wieder auf den Weg des Jägers gestoßen hatte. Das zum Vorschein gekommene Shirt kritisch begutachtend legte Dean seinen jüngeren Bruder wieder zurück in das weiche Kissen; das Blut hatte sich glücklicherweise nicht noch weiter in die tieferen Schichten von Sams Kleidung vorgewagt. Etwas umständlich kramte der Ältere die Zudecke unter Sam hervor, der sich vermutlich in seinem nun ein wenig unruhig anmutenden Schlaf fühlen musste wie ein Surfer auf der besten Welle seines Lebens. „Eigentlich habe ich gedacht, nachdem du als Dreijähriger sagtest, du könntest dich alleine an- und ausziehen, dass ich all das nie wieder tun muss, aber ich hab mich wohl geirrt. Tja, wir werden halt nicht jünger, hab ich recht?“ Leise lachend deckte er den Hünen, welcher mit einem Male eine Grimasse zog, als hätte er jedes Wort verstanden, zu. „So und nun, schlaf gut, Sammy.“ Mit einem liebevollen Ausdruck in den Augen zog er die Decke noch ein klein wenig höher, bevor er die schmutzigen Sachen seines Bruders aufhob und in die Dusche warf, um sie in kaltes Wasser einzuweichen, sofern dies noch etwas bringen mochte. Erst dann legte er sich selbst zur Ruhe, den wieder zunehmenden reißenden Schmerz, welcher von seinen Rippen verursacht wurde, krampfhaft ignorierend und sich zu einer Kugel zusammenrollend, was ihm ein wenig von der Pein nahm. Erst dann ließ er die Woge ungeduldig brodelnder Dunkelheit von ihrem fesselnden Strick und übergab sich ihr kampflos. Ziellos und nicht wissend, wo er sich befand, lief er eine leicht gewundene Treppe hinauf. Obwohl ihm dieser Ort fremd und unwirklich erschien, strahlte er etwas Bekanntes aus, das ihn unangenehm frösteln ließ. Dennoch strebte nichts in seinem Inneren danach, herauszufinden, wo er war und aus welchem Grund. Er wollte nur fort von hier. Dieser Ort machte ihm Angst. Es war nicht richtig, hier zu sein. Und doch zog ihn etwas hierher, ein lautloser Ruf, der seine Füße zum Weitergehen drängte, seinen Geist aber in Alarmbereitschaft versetzte. Ehe er es sich versah, stand er vor einer Tür, einer simplen Holztür, die, wie es den Anschein hatte, zu einer Wohnung führte. Wie von selbst legte sich seine Hand auf den Griff, um sich Einlass zu gewähren, während alles in ihm danach schrie, dem kalten Metall, was seine Haut in Eis verwandelte, den Rücken zu kehren. Verbissen wehrte er sich gegen sein Tun, doch es war, als hielte ihn etwas mit aller Macht hier fest. Dann, ohne Vorwarnung und ohne einen Laut öffnete sich die Tür und schwang nach innen auf, ihn wie einen Fisch an der Angel mit hinein reißend. Von dem unerwarteten Schwung überrascht stieß er hart gegen ein Bett, was mitten in dem Raum, in den er geschleudert worden war, stand und setzte sich prompt auf seinen Allerwertesten. Es dauerte einen Moment, bis sich seine Sicht wieder klärte und er nun begriff, wo er sich befand. Es war ihr altes Appartement, seines und Jessicas. Es sah noch genauso aus wie vor dem verheerenden Brand, als sei nie etwas geschehen. Unangetastet von allem Bösen. Sogar die Kekse, die seine Freundin ihm zu seiner Rückkehr gebacken hatte, standen auf dem kleinen Tisch nahe der geöffneten Tür, der kleine Zettel mit ihrer Botschaft der Zuneigung zu ihm sichtbar herausragend. Automatisch wanderte sein Blick zur Decke über dem Bett, auf das Schlimmste gefasst und vorbereitet, kurz davor, die Augen vor Bestürzung wieder abzuwenden, aber dort war nichts außer simplen Holzlamellen, die ihm unversehrt entgegen starrten. Verwirrt kam er wieder zurück auf die Beine und sah sich erneut um. Alles war so, wie er es kannte, wie er es verlassen hatte, alles, außer einer Sache. Das Leben hatte diesem Ort den Rücken gekehrt. Alles hatte seine persönliche Note, seinen eigenen Geruch, seine bestimmte Atmosphäre. Immer, wenn er hierher gekommen war, hatte es nach Zuhause gerochen, nach Jessicas Parfum, dem frisch bezogenen Bett, ihrem herrlichen Essen, mit dem sie ihn ständig verwöhnte oder nach neuen Blumen, die sie oft und gerne anschleppte. Eine angenehme Wärme war ihm stets entgegen geschwappt, sobald er ihre gemeinsame Wohnung betreten hatte, so dass er sich sofort wohl gefühlt hatte. Hier war nichts. Nicht einmal die Geräusche der Nacht drangen hinein, als existierten sie einfach nicht. Alles, was er spürte, war eine unsagbare Leere, die ihn von Innen drohte, zu zerfressen. Ohne lange zu zögern, eilte er zur Tür, um all dem zu entfliehen, aber diese schien sich immer weiter von ihm zu entfernen. Umso schneller er rannte, desto weiter rückte sie fort, bis sie nur noch ein winziger Punkt in der sich ausbreitenden Unendlichkeit war. Und dann - nach für ihn unendlich langsam verstreichenden Minuten - fiel sie mit einem ohrenbetäubenden Krachen in die Angeln und raste an ihn heran wie ein außer Kontrolle geratener Schnellzug. Schmerzhaft prallte sie gegen seinen Körper, der nicht mehr rechtzeitig zur Seite hatte springen können und beförderte ihn unsanft auf den Boden. Stöhnend rappelte er sich auf die Beine zurück und riss, die wachsende Panik im Genick, voller Verzweiflung am Türgriff, doch nichts regte sich, egal, wie heftig er daran rüttelte. Nach einer Weile platzte die Haut an seinen Fingergelenken durch die starke Reibung auf und Blut wand sich wie eine jagende Schlange an seinen Händen hinunter. Plötzlich schien sich die Welt um ihn herum zu verzerren, bizarre Schatten tanzten mit einem Male an der Wand und auf dem Holz der Tür einen unwirklichen Reigen, während das soeben noch vorherrschende Halbdunkel nun in einen grelles Gelborange getaucht war. Zögerlich und mit bis zum Halse schlagendem Herzen wandte er sich um, die blaugrünen Augen leicht zur Decke gerichtet, bereit, das Unabwendbare wieder und wieder zu erblicken, wie schon so oft. Es verfolgte ihn jede Nacht seit ihrem grausamen Tod, den er hatte miterleben müssen und egal, was er schon dagegen versucht hatte zu unternehmen, nichts half. Doch erneut zeigte sich ihm kein lebloser und vor Angst erstarrter Körper an der Zimmerdecke, denn es war nichts dergleichen mehr vorhanden, an der er hätte hängen können. Nur eine undurchsichtige Wolke voll beißendem Rauch, der wabernd in flammenden Orangetönen über ihm schwebte, präsentierte sich seinen vor Unglauben geweiteten Augen. Hastig drehte er sich nochmals zur Tür um, in der stummen und bangen Hoffnung, sie würde sich nun endlich für ihn öffnen, damit er dem, was auch immer kommen mochte, aus dem Weg gehen konnte, aber die einzige Fluchtmöglichkeit verschwand ohne Vorwarnung vor ihm wie die Flamme einer ausgeblasenen Kerze. Und das Bild, welches sich anstatt dessen zeigte, mochte er ebenso nicht in sich aufnehmen, wie das, was sich ihm unvermindert und mit aller Härte in den Rücken bohrte. Er befand sich nicht mehr in ihrem gemeinsamen Appartement, sondern inmitten eines Meeres der Zerstörung. Verkrüppelte Bäume reckten ihre toten Äste in seine Nähe, es gab keinen Punkt an ihnen, der nicht voller Hilflosigkeit den lodernden und an ihnen kostenden Flammen ausgeliefert war. In sich zusammenfallende Büsche lieferten sich kampflos der sengenden Hitze aus, die über sie hinwegfegte wie ein erbarmungsloser Heuschreckenschwarm. Es gab nichts auf dieser weiten Ebene, was nicht in Flammen stand, selbst der Boden, auf dem er verweilte, schien sich in flüssiges Feuer verwandelt zu haben und unter seinen Fußsohlen zu pulsieren. Er spürte, wie die Hitze in seine Füße kroch und seine Beine hinaufstieg, bereit, sich in seinem ganzen Körper zu verteilen und dasselbe mit ihm zu machen, was den einst lebendig und grün gewesenen Pflanzen und vermutlich auch anderen Lebewesen hier geschehen war. Aber egal, wie sehr er dagegen ankämpfte, er konnte sich keinen Zentimeter bewegen, weder vor, noch zurück. Und dann - hörte er etwas, etwas, das sich von allem anderen abhob. Zwischen all dem Knistern, Knacken und Prasseln wehte die Feuersbrunst eine Stimme zu ihm herüber, eine Stimme, lieblich und sanft wie die Berührung durch eine Frau. „Sam ...“, wisperte sie leise wie der Wind, der des nachts flüsternd durch die Äste strich. Er erstarrte von einer Sekunde zur nächsten, sein Herz vergaß für einen langen und quälenden Moment seiner üblichen Arbeit nachzugehen. „Jess ...“, antwortete er der Stimme heiser und plötzlich wurde ihm, trotz der erbarmungslosen Hitze, eiskalt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)