A snowman, that brings the death von abgemeldet (A supernatural story) ================================================================================ Kapitel 7: Between the shadows ------------------------------ 7. Kapitel: Between the shadows Ein vager Schatten zeichnete sich hinter dem lodernden Vorhang der Zerstörung ab, zerfiel in wirbelnde Fetzen, die wie ein Schwarm fliehender Vögel auseinander stoben, bis sie sich wieder zu einem Ganzen zusammensetzten. Er wagte es nicht, sich zu rühren, es war, als würde sich sein Körper nicht mehr an seine Existenz erinnern, nachdem sie zwischen dem Feuer hervortrat, ihre langen lohfarbenen Haare ein einziges auf- und abwallendes Inferno. Ihre einst so sanften meerblauen Augen glühten blutrot wie Rubine und doch betrachteten sie ihn nicht mit Hass oder Verachtung, sondern mit einer schier unsagbaren Liebe. Haut löste sich von ihrem Leib und sank als Asche hinab, um lautlos in der Luft zu zerfallen, bevor sie den Boden auch nur berührte. Das frische hellrote Fleisch pulsierte dabei unter der abblätternden Haut wie ein hektisch schlagendes Herz, feine Verästelungen, in denen das Feuer wie flüssige Lava wütete, zogen sich über ihr ganzes Dasein. Unfähig, seinen Blick von ihr abzuwenden, stand er da, um Fassung ringend bis ins tiefste Mark erschüttert. „Sam ...“, durchbrach ihre Stimme wieder und wieder seine Sinne, die sich vor Sehnsucht nach ihr verzehrten, aber auch gleichzeitig Abneigung und Furcht dagegen entwickelten. Es klang, als würde trockener Sand aus ihrer Kehle fließen, während sich ihre Lippen bewegten. „Sam ... wo bist du nur gewesen?“ Kummer und eine Spur von Enttäuschung schwangen in ihrer Frage mit, was sich schwer wie das dunkle Tuch der Nacht auf sein Herz legte. „Jess ... es tut mir so leid“, brachte er nur wispernd zustande, ihr Anblick war mehr, als er in der Lage war, zu ertragen. Für den Bruchteil einer Sekunde spiegelte sich nach seinen ernst gemeinten Worten Hass auf ihrem Gesicht wider, brach dann jedoch wie hauchdünnes Glas und ließ nur Verzweiflung und Angst zurück. „Wo warst du Sam, als man mir DAS angetan hat?“ Den Tränen nahe, die sicherlich auf ihrer lodernden Haut in zischendem Dampf verklungen wären, zeigte sie auf die klaffende Wunde, welche unausweichlich ihren Unterleib vereinnahmte. Blut lief, durch die vorherrschende Hitze träge und zäh, ihre nackten Beine hinab, die nur zur oberen Hälfte von einem Nachthemd bedeckt wurden. Stumm starrte er auf ihre Verletzung, die allerdings nicht wohlweislich zu ihrem viel zu frühen Tode geführt hatte und kämpfte darum, den Verstand nicht zu verlieren. Wie oft hatte er sie gesehen in seinen Träumen, über ihm an der Decke gefangen, das Antlitz vor Entsetzen verzerrt, die Augen vor Furcht weit aufgerissen, tief im Herzen die Hoffnung nicht verlierend, dass er sie retten möge und doch wissend, dass alles verloren war? Und nun sah er sie wieder, aber dieses Mal sprach sie mit ihm, klagte ihn an und er musste miterleben, wie ihr Körper immer mehr zerfiel. Ein Zittern lief durch seinen Leib, als er versuchte, die aufkommenden selbstquälerischen Schluchzer zu verbergen und er wandte seinen Blick von ihr ab, was sie verständlicherweise als eine abwehrende Geste verdeutlichte. Ihre empfindsam anmutenden Züge verhärteten sich wie gefrorener Schnee, bevor sie ihre Meinung über sein Verhalten kundtat. „Dein Bruder war dir wohl wichtiger als mein Leben.“ Ihre Worte waren schlimmer als der Schmerz eines Dolches, den man in sein Herz rammte und wieder hinauszog, denn obwohl er wusste, dass dies ein Traum und somit nicht seine ums Leben gekommene Freundin war, welche vor ihm stand, hatte er sich die ganze Zeit nach ihrem Tod gefragt, ob sie vielleicht genau das von ihm gedacht haben könnte, während sie langsam und qualvoll gestorben war. Dennoch bemühte er sich vor ihr darum, sie vom Gegenteil zu überzeugen. „Nein, Jess! Nein! Aber …“, keuchte es daher entsetzt aus seiner staubtrockenen Kehle, die mühselig in der menschenfeindlichen Luft nach Sauerstoff rang, selbst hier in der Unwirklichkeit seines eigenen Bewusstseins noch darauf bedacht, niemand Außenstehenden an der Wahrheit über sein Leben teilhaben zu lassen, was ihrem Verdacht noch mehr Nahrung verlieh. „Aber? Warum hast du mir verschwiegen, was du tust? Was du bist?“ „Was ich bin?“, wiederholte er voller Verwirrung, dabei gedankenlos zur Seite schiebend, dass sie sich in dieser surrealen Welt wohl aber durchaus bewusst war, zu was ihn sein Dad seit seiner Kindheit gedrängt hatte. „Was soll das heißen? Ein beinahe triumphierendes Lächeln, das seine durcheinander gewirbelten Empfindungen noch stärker miteinander verflocht, huschte über ihr mehr und mehr entstelltes Antlitz. Langsam schritt sie näher, obwohl es eher so schien, als trügen sie die leise knisternden Flammen zu ihm, welche ihre Füße bis zu den schmalen Gelenken umhüllten. Er spürte, wie die erbarmungslose Hitze, die mit ihrem Näherkommen noch an Intensität zuzunehmen schien, jede Pore seines Köpers durchdrang und sein Blut zum Kochen brachte. Bei ihm angekommen, strich sie ihm liebevoll über die glühende Wange, was ihn wie nach einem gezielt geführten Peitschenhieb zusammenzucken ließ. Hilflos wand er sich unter ihrer Berührung und versuchte, vor ihr zu fliehen, doch seine Glieder gehorchten nicht dem stummen Befehl, den sein Hirn panisch aussandte. So blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr durch den voranschreitenden Verfall geprägtes Gesicht anzustarren, was ihn verzückt anlächelte. Angewidert schloss er die Augen. „Das weißt du nicht?“, führte sie verführerisch säuselnd ihre begonnene Unterhaltung fort und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Es fühlte sich für ihn an wie ein Brenneisen, das man zischend in seiner Haut vergrub. Mühevoll unterdrückte er einen Schmerzenslaut. „Armer Sammy.“ Ihre Stimme troff nur so von gespieltem Mitleid über sein Unwissen und seine Qual. „Niemand hat dir etwas gesagt? Niemand hat dir erzählt, was in dir schlummert?“ Verständnislosigkeit wühlte sich in seinen jungenhaften Blick, seine Augen waren voller Fragen, aber auch mit tiefer Abneigung gegen diese falsche Jessica gefüllt. Ohne Vorwarnung schlang sie die Arme um ihn und drückte ihn tröstend an sich, das Feuer dabei um sie herumtanzend wie die Gäste auf einer Hochzeit. Nachdem er den Moment der Überraschung überwunden hatte, versuchte er krampfhaft, sich von ihr zu befreien. Ihre unerwartete Nähe war für ihn vergleichbar mit einer brennenden Hauswand, die auf ihn gestürzt war, doch egal, wie sehr er sich gegen sie wehrte, es zeigte keinen Nutzen für ihn. „Wenn du bei mir bleibst, Sammy, dann verspreche ich dir, dass es niemals geschieht, niemand wird dir dann mehr wehtun, nie wieder. Bleib bei mir, für immer und ewig“, bat sie ihn eindringlich und strich ihm vertraut durch das dunkle Haar, das leise unter ihren verdorrten Fingern zu knistern begann. „Jess …“, flüsterte er, versuchte sogar, beruhigend zu klingen, damit sie einlenkte, aber ihr Griff um seinen ihr ausgelieferten Leib wurde unbarmherzig wie der eines Schraubstockes. Plötzlich bemerkte er, dass die kleinen Flämmchen, die auf ihr tanzten, als wären sie ein natürlicher Bestandteil ihres Selbst, sich an seine Kleidung hefteten und damit begannen, den Stoff wie hungrige Biber anzunagen. Was sie danach als ihr Eigen betrachten würden, wagte er gar nicht, sich auszumalen. „Jess, lass mich los!“, flehte er verzweifelt, aber es schien, als wäre ihr Körper mit dem seinen verwachsen. Ihre Hände waren wie flüssiges Wachs in seinem Rücken versunken. „Jess! Bitte!“, schrie er panisch, jedoch mit dem unzerstörbaren Wissen behaftet, dass es so gut wie unmöglich war, ihre miteinander verschmolzenen Leiber wieder zu trennen, was sie ihm sofort bestätigte. „Bald sind wir wieder zusammen, Sam, für immer und ewig, ohne, dass uns je wieder irgendjemand auseinander bringen kann.“ Eine heranrauschende Feuerwalze spiegelte sich in seinen entsetzten, blaugrünfarbenen, nun lodernd orangerot glühenden Augen nieder, nachdem er über Jessicas Schulter hinwegsah. Seine Lippen fuhren bereits auseinander, um einen letzten Laut auszustoßen, der alles sein würde, was diese Zerstörungswut für Bruchteile von Sekunden noch von ihm übrig lassen sollte. Er spürte, wie ihn die gleißende Glut bereits sanft liebkoste, bevor sie ihn mit ihrem vernichtenden Gebrüll verschlang. Und er schrie. Und wachte auf. Brüllend vor Angst und Panik fuhr Sam von seinem Bett hoch. Sein zitternder Brustkorb hob und senkte sich dabei so heftig wie die über den Boden gleitenden Fesseln eines galoppierenden Pferdes. Es dauerte unendliche Sekunden, bis er registrierte, wo er war und mit wem. Mit gehetztem Blick starrte er seinen Bruder an, der ihn, von dem ohrenbetäubenden Lärm geweckt, verstört musterte. „Alles okay, Sammy?“, nuschelte Dean schlaftrunken und stützte sich leicht mit dem Ellenbogen ab, um den Jüngeren besser sehen zu können. Nachdem ihn der Schrei Sams aus seinen Träumen gerissen hatte, waren seine Finger sofort zu der kleinen Lampe auf dem Nachttisch gewandert und hatten sie angeknipst. Und nun wartete er auf eine plausible und hoffentlich ehrliche Antwort, die er allerdings vermutlich, wie er befürchtete, nicht präsentiert bekommen würde. „Äh, ja. Natürlich“, bestätigte Sams Aussage Deans Vermutung. Der angespannte und vor unermessbarer Furcht verzerrte Gesichtsausdruck des Hünen straften seiner Worte Lügen. „Wie du meinst“, ließ sich der Ältere jedoch dieses eine Mal ohne Einwände abspeisen, was den jüngeren Winchester bis ins höchste Maß verblüffte. „Wenn du drüber reden willst …“, aber dann seufzte er und zog sich die Decke halb über den Kopf. „Was mache ich hier eigentlich?“, hörte Sam seinen Bruder mit sich selbst diskutieren und neigte dabei den Kopf leicht schief wie ein aufmerksamer Hundewelpe. „Das ist ja so, als wollte ich einer Schildkröte beibringen, einen Stock zu apportieren.“ Nach einigem unverständlichem Gemurre kroch das regelmäßige und leise Atemgeräusch eines Schlafenden unter der Zudecke Deans hervor, der prompt wieder eingedöst war. Sam musste trotz dieses zu echt und sehr verstörend wirkenden Traumes mit einem Male über das Verhalten seines Bruders grinsen und zwang sich gleichzeitig dabei, seinen noch immer hektisch hinfort fließenden Atem auf ein gesundes Maß zu reduzieren. Seufzend ließ er seinen Oberkörper wieder auf die weiche Matratze hinabsinken und bemerkte erst, als sein Shirt sich dabei etwas zu eng an seinen Leib schmiegte, dass er vollkommen nassgeschwitzt war. Prüfend wanderte seine Hand unter das Kleidungsstück und er erschrak. Dies war kein Angstschweiß, wie er nach besonders lebhaften Alpträumen normalerweise auftrat. Seine Haut glühte wie ein ausgetrockneter Landstrich unter sengender Sonne und das nicht nur am Oberkörper. Auch seine Jeans klebte an ihm unangenehm feucht, als sei er in ein unangekündigtes Wetter geraten. Selbst sein Haar hing wirr und nass in der Stirn. Entgeistert strich er es nach hinten und hielt plötzlich inne, die Luft leise zischend vor Schmerz dabei ausstoßend. Geronnenes Blut funkelte ihm im Licht der kleinen Lampe entgegen, starr klebte es an seiner rechten Hand, mit der er versucht hatte, die Tür zu öffnen. Die Tür … . Das Feuer … . Jess … . Mit einem stummen Paukenschlag war alles wieder da, so lebendig und greifbar für ihn, dass er am liebsten laut aufgestöhnt hätte. Aber er wollte nicht, dass Dean etwas bemerkte, dass er erfuhr, was ihm widerfahren war. Es reichte, wenn sein Bruder von seinen anderen Träumen wusste. Dies hier wollte und konnte er ihm jetzt noch nicht berichten. Er wusste ja selbst nicht einmal, was es bedeutete. Und es missfiel ihm, den Älteren mit noch mehr Sorgen zu überhäufen. Gähnend verbarg er seine verletzte Hand unter der Decke, nur für den Fall, dass Dean eher wach werden sollte und rollte sich leicht zur Seite, die Lider fest zusammenpressend und auf den erlösenden Schlaf wartend. Doch dieser kam nicht, um ihn mit fortzunehmen auf eine traumlose und erholsame Reise. Erst, als die Sonne sich zögerlich einen Weg über den Rand der schneebedeckten Welt hinaufsuchte, sank Sam vor lauter Erschöpfung in einen unruhigen Schlaf, der nicht minder erschreckend und kräftezehrend war wie der vorige. Ein monotones dumpfes Klopfen, das Dean sich fühlen ließ wie ein allem ausgelieferter Baumstamm, der von einem unbeherrschten Specht bearbeitet wurde, weckte den älteren Winchester recht unsanft aus seinem tiefen Schlummer. Reichlich unzufrieden darüber, dass wer oder was auch immer ihm nicht mehr an Ruhe gönnte, blinzelte er einige Male, um herauszufinden, an wem er seine langsam wie ein Reisbeutel aufquellende Wut auslassen durfte. Zunächst verdächtigte er Sam dieser unverschämten Ruhestörung, vermutete er doch, dass dieser mal wieder wie gewohnt die Tastatur seines Laptops quälte, aber Fehlanzeige. Die Silhouette seines jüngeren Bruders war nirgendwo anders auszumachen als unter der Bettdecke und sein elektronischer Gefährte schlummerte schuldlos in der großen Umhängetasche. Daher verstrich aufgrund seiner immer wieder überhand nehmenden Müdigkeit einiges an Zeit, bis sein griesgrämiger Blick am Fenster ihres Motelzimmers hängen blieb und was er da sah, hätte ihn am liebsten aus dem Bett gesprengt. Eine sommersprossige kecke Stupsnase drückte sich neugierig gegen das kühle Glas, während kleine knubbelige Finger im Rhythmus eines tropfenden Wasserhahnes gegen ihr Hindernis patschten. Schachtelhalmgrüne Augen, welche den seinen gar nicht mal so unähnlich waren spähten interessiert in jede erdenkliche Ecke des Zimmers. Der dazugehörige, mit Schokolade verschmierte Mund verzog sich jedoch zu einem gehässigen Grinsen, nachdem die kindliche Iris ihn und seinen schlafenden Bruder streifte, der von alldem nichts bemerkte. Wieso nur hatten sie vergessen, die Vorhänge in der vergangenen Nacht zuzuziehen? Dean brauchte die Kunst des Lippenlesens nicht zu beherrschen, um sich auszumalen, was dieser Rotzbengel plötzlich vom Stapel ließ und damit seine Erziehungsberechtigten auf seine Entdeckung aufmerksam machte. Genervt verdrehte der ältere Winchester die Augen. Wie oft wurden sie milde belächelt, weil sie sich zusammen ein Zimmer nahmen? Beinahe jedes Mal brannte sich dies in ihrer beider Rücken. Er würde auch zu gerne wissen, ob einer der unzähligen Motelbesitzer, bei denen sie eingekehrt waren, vor ihren Türen gehorcht hatte, ob da etwas geschah und hinterher arg enttäuscht wurde, da natürlich nichts weiter passierte, was diese sich ausgemalt hatten. Aber irgendwie amüsierte es Dean dagegen stets, da sein Bruder sich aufgrund dieser unausgesprochenen Vermutung herrlich aufregen konnte. Bevor die beiden Enddreißiger vor dem Fenster allerdings ebenfalls den Spannerkonsum ihres Sohnes nachahmten, klaubte Dean seinen einen Schuh, den er nicht halb durchs Zimmer gekickt hatte, vom Boden auf und warf ihn gegen das Fenster, an dem dieser mit einem lauten Knall abprallte. Vollkommen unvorbereitet auf diese Gegenattacke fuhr der Junge wie unter einem Stromschlag zusammen und verzog, unzufrieden über den Ausgang seines Streiches, beleidigt das Gesicht. Dean schickte ihm daraufhin ein triumphierendes Lächeln entgegen und provozierte den Kleinen nur noch mehr, als er ihm frech die Zunge zeigte. Dem kugelten vor Verblüffung beinahe die Augäpfel aus den Höhlen, bevor er sich abrupt umwandte und von den Holzdielen der Veranda auf den Parkplatz lief, das rote Wuschelhaar dabei wie ein glühendes Feuer vor schneeweißer Pracht auf- und abwippend. Der Jäger konnte sich ein Grinsen nur schlecht verkneifen, als er den Jungen schreien hörte: „Mami, Mami, der Mann da in dem Zimmer hat mir die Zunge herausgestreckt!“ „Einer der Gründe, warum ich Kinder nicht wirklich ausstehen kann“, murmelte er und sank gähnend zurück in sein Kissen, das ihn warm und weich empfing. Aber zugegeben, er war damals in dem Alter keinen Deut besser gewesen. Wie oft hatte er die Leute in Motels durch die Fenster beobachtet, bis ihr Dad davon Wind bekam und ihn an einem Ohr davor weggezerrt hatte. Anschließend hatte er sich Vorträge über gutes Benehmen anhören müssen und dass er doch ein Vorbild für Sammy darstellte, der die Streiche seines Bruder jedoch nur belächelt, aber nicht nachgemacht hatte. Außer das eine Mal, weil Sam es so lustig gefunden hatte, wie die alte Mrs. Sandforth von dem Süßigkeitenladen eines kleinen Kaffs, dessen Namen er vergessen hatte, vor Angst herumquiekte wie ein hyperaktives Ferkel, nachdem die Brüder ihr eine vergammelte Plastikmaus vor die Füße geworfen hatten. Dummerweise hatte Mr. Sandforth die Zwei dabei erwischt, wie sie sich über die kurz vor einem Herzinfarkt stehende, an einer Mausphobie leidende Frau amüsiert hatten. Dean taten seine Pobacken immer noch weh, als er daran dachte und doch war es die Schläge wert gewesen. Sammy hatte die Nachwehen ihres Streiches weniger lustig gefunden und sich danach mehr auf seine Schulbücher konzentriert als auf die Narreteien seines Bruders. „Dad hat sich umsonst Sorgen gemacht, Sam“, richtete der Ältere seine Meinung an den Jüngeren. „Ein so schlechter Umgang war ich wohl doch nicht für dich, ich meine, du hattest einen super Highschoolabschluss, bist aufs College gegangen und wärst fast in einer schicken Anwaltskanzlei versauert ... .“ Plötzlich hielt er inne und starrte etwas betreten an die Decke. Ja, er hatte verhindert, dass aus seinem kleinen Bruder ein stinklangweiliger Anwalt mit einem normalen, glücklichen und vor allem sicheren Leben wurde. Ein Leben mit seiner Freundin Jessica, die vielleicht noch unter ihnen weilen könnte, wenn er Sam nicht aus Stanford weggeholt hätte. Ja, er hatte dem Jüngeren gesteckt, dass er selbst vermutlich ebenfalls getötet worden wäre, sofern er doch bei ihr geblieben wäre, aber allmählich war sich Dean da nicht mehr so sicher wie am Anfang. Was, wenn Sam sie doch hätte beschützen können? Wenn sie aus dem Haus hätten fliehen können? Mit einem Male kam er sich unendlich mies vor. Trug er etwa die Schuld an dem Tod des Mädchens? Er hatte seinem Bruder vorgeworfen, nicht an die Sicherheit ihres Dads zu denken, aber womit hatte alles geendet? Dass sie ihn nicht, wie vorgesehen, aufgespürt hatten. Und Sam war hin- und hergerissen gewesen zwischen Jess und ihrem Dad. Dabei hatte er doch für sie beide dasselbe empfunden – Liebe. Unbehaglich drehte sich Dean zur Seite, so dass sein Blick auf den noch immer Schlafenden fiel, dessen Decke sich nicht wirklich da befand, wo sie sein sollte. Er wunderte sich, dass sein Bruder bei dem Lärm, den der Rotzlöffel und auch der durchs Zimmer segelnde Schuh veranstaltet hatten, nicht aufgewacht war, wo er doch sonst einen eher leichten Schlaf besaß. Etwas ungelenk versuchte er, sich in die Höhe zu stemmen und verzog prompt das Gesicht, nachdem seine Rippen sich wie im Kampf umherwirbelnde Macheten in seinem Körper meldeten. „Meine Güte“, stöhnte er und presste die Hand gegen die schmerzenden Stellen, als besäße diese unangeahnte Heilkräfte. „Jetzt weiß ich, wie sich Trampoline fühlen.“ Noch einmal unternahm er die voller Anstrengung liegende Bemühung, sich aufzusetzen, aber selbst aus der Seitenlage sah er keine Möglichkeit, seinem Bett zu entfliehen, so sehr behinderten ihn seine teils angebrochenen, teils geprellten Rippen. Schwer atmend von dieser Schufterei, die ihm im Endeffekt keinen Erfolg in Sicht brachte, ließ er sich wieder zurück in sein Kissen gleiten. Es konnte doch wohl nicht sein, dass ... . Nein, also wirklich nicht, er brauchte doch bei so etwas Simplem keine ... ... Hilfe? Ein genervter und zugleich geschlagener Ausdruck schlich sich klammheimlich auf sein Antlitz wie ein Kind, das des Nachts unerlaubt Süßigkeiten aus dem Kühlschrank entwenden wollte. „Sam?“ Keine Antwort, nicht mal eine Reaktion erfolgte auf seinen Ruf. Nun gut, dann etwas lauter. „Sammy!“ Ein Knurren, unwillig, der nun halb gebrüllten Aufforderung zu folgen, glitt über die trockenen Lippen des Schlummernden, der sich, das Gesicht dabei grantig verzogen, auf den Bauch rollte und seinen gesamten Kopf in dem großen Kissen vergrub. Dean starrte ihn voller Unglauben mit offenem Mund an. Musste er jetzt wirklich zu drastischeren Maßnahmen greifen, damit sein Bruder aufwachte und er sich der Peinlichkeit gegenüberstellte und dessen Hilfe forderte? Ein letztes Mal bemühte er sich, es allein zu schaffen, aber wieder protestierte sein geschundener Körper mit aller Macht dagegen und er sank kraftlos zurück. So blieb ihm wohl keine andere Wahl .. . Verschlagen grinsend postierte er seine Hand am Rahmen seines Bettes und legte los. „Verdammt, Sammy!“, brüllte er voller Dramatik, Angst und Erschrecken in sein hektisches Keuchen legend, das wie eine Flutwelle durch das Zimmer rollte. „Sie sind hier! Sie haben uns gefunden, wir müssen verschwinden, verdammt!“ Dabei schlug er heftig gegen das Holz seines Ruhelagers, um den Anschein eines ausgebrochenen Kampfes vorzutäuschen. Von einer Sekunde zur nächsten war Sam wach. Damit hatte Dean genau das erreicht, was er geplant hatte. Allerdings aber auch etwas anderes. Wie ein Katapult schoss der jüngere Winchester in die Höhe, die panischen Schreie seines Bruders in seinen Ohren wiederhallend wie das schreckliche Auseinanderreißen von geworfenen Bomben im Krieg. Voller Ungewissheit über das Schicksal des Älteren sah er sich nervös um, bis ihm das amüsierte, aber auch leicht entschuldigende Grinsen des Gesuchten direkt ins Gesicht stach. „Morgen, Sammy“, strahlte ihm Dean vergnügt entgegen und biss sich ertappt auf die Unterlippe, nachdem sein Bruder ihn schlecht gelaunt und mit winzig kleinen Augen anstarrte. „Dean, duuuuu …“, knurrte der aus seinem Schlaf Gerissene wie ein Wolf, dem man die Beute unerlaubt entrissen hatte, als er bemerkte, dass alles nur eine mies ausgeklügelte Farce des Älteren war, bis plötzlich ein grell gleißender Blitz in seinem Kopf explodierte. Mit einem gequälten Aufschrei verdrehte Sam die Augäpfel so weit, dass nur noch das Weiße darin zu sehen war. Gleichzeitig bohrten sich seine Handflächen dabei in sein Antlitz, als könnte er so den hinter seiner Stirn hämmernden Schmerz für immer vertreiben. Sein Oberkörper krümmte sich dabei extrem stark zusammen, dass seine von den vorausgehenden Ereignissen erschöpften Muskeln beinahe drohten zu reißen. Der kleinere Winchester verfolgte den unvorhergesehenen Anfall seines Bruders mit entsetzter Miene. Mehrmals versuchte er dabei, seinem Bett zu entfliehen, um Sam zu halten, ihm Mut zuzusprechen, dass alles wieder in Ordnung kommen würde, obwohl er das bei diesen schrecklichen Bildern, welche sich ihm nun boten, kaum glauben mochte. Aber es gelang ihm nicht. Wieder und wieder fiel er hilflos zurück, sich im Stillen dafür scheltend, dass er nicht darüber nachgedacht hatte, welch Konsequenzen sein dummer Plan mit sich ziehen könnte, stumm dabei hoffend, dass sich Sams Attacke so schnell von dannen machte, wie sie über ihn gekommen war. Der Atem des Jüngeren rasselte so hektisch durch seine Lungen, dass er befürchtete, sie würden jeden Augenblick auseinander bersten. Kalter Schweiß hatte sich wie feinster Morgentau auf seine Haut gelegt und ließ ihn mit einem Male unangenehm frösteln, so dass sein gesamter Körper nicht nur vor Anstrengung bebte. Seine Finger, die sich verzweifelt gegen seine Schläfen bohrten, waren bereits so verkrampft, dass er nur ihre Gegenwart an seiner Stirn, nicht aber ihre Existenz mehr spürte. Er fühlte sich, als würden tausend Nadeln in sein Hirn gebohrt und wieder herausgerissen, um erneut ihr Ziel zu finden. Und dann ... war es so plötzlich vorbei, wie es ihn überfallen hatte. Wie ein Raubtier, das ihn von hinten angesprungen hatte, ohne ihn jedoch dabei zu töten, schlich es sich wieder von dannen, um in den Schatten auf den nächsten Angriff zu lauern. Schwer atmend strich er sich die feuchten Haare aus dem Gesicht und sah zu Dean hinüber, der ihn voller Sorge und mit einer gehörigen Portion an Schuldgefühlen musterte. „Sam ...“, die Stimme des Kurzhaarigen klang geknickt, „hätte ich das geahnt ... es tut mir leid.“ Dean schluckte betreten und fand den Fußboden mit einem Male viel interessanter, nachdem ihn Sams große Hundeaugen mit ihrem verletzlichen Ausdruck streiften. Er hätte seinen Bruder mit diesem Blödsinn fast umgebracht und Sam sagte gar nichts, fuhr nicht aus der Haut, wie es sonst seine Angewohnheit war. Er starrte ihn nur schweigend an mit diesem Blick, der Eisberge zum Schmelzen bringen konnte. „Du bist aber auch echt ein Idiot.“ Überrascht fuhr Deans Kopf wieder in die Höhe und er begegnete einem frech grinsenden, viel zu großen Jungen, der mittlerweile die Beine über das Bett geschwungen hatte und auf dessen Kante saß, um ihn zu betrachten. „Schlampe“, rutschte es ihm aus der Kehle und ein erleichtertes Lächeln suchte sich einen Weg auf seine Lippen. Einen Moment sahen sich die Beiden feixend an, doch dann verzog Sam kurz das Gesicht und grub Halt suchend seine Finger in die Bettdecke. „Sammy! Was ...“, entfuhr es Dean voller Sorge und ein reflexartiger Stoß schoss durch seinen Körper, der befahl, sich um den Jüngeren zu kümmern, doch selbst nach diesem Adrenalinschub war es ihm nicht möglich, alleine aufzustehen. Ein angestrengtes Stöhnen unterdrückend kapitulierte er ein weiteres Mal. „Es geht schon wieder“, presste sein Bruder schwach hervor und rieb sich tief durchatmend das Gesicht. Erst jetzt bemerkte Dean, wie schlecht Sam aussah und er erschrak. Dunkle Ringe zierten unter seinen Augen das beinahe weißgrau verfärbte Antlitz, während seine Wangenknochen viel zu weit vorstanden. Ein dünner Schweißfilm glänzte matt auf der Stirn des Winchesters, die sich zur Hälfte bis über das linke Auge hin in blau-lila schimmerndes Terrain verwandelt hatte. Alles in allem sah Sam noch viel schlimmer aus als noch vor wenigen Stunden, bevor sie sich hingelegt hatten. „Aber was ist mir dir?“, riss ihn die müde Stimme seines Bruders aus den trüben Gedanken. „Was?“ Im ersten Moment wusste er nicht so recht, auf was Sam hinauswollte, doch dann senkte er niedergeschlagen das Haupt. Der College-Boy war weitaus angeschlagener als er selbst und machte sich nun auch noch Sorgen um ihn. „Ach ... nichts“, gab er deswegen nur murmelnd zurück und zog die Bettdecke etwas höher. „Deaaaaan“, bohrte der Hüne sofort nach und stemmte fordernd die geballten Fäuste in die Hüften. „Es ist nichts, wirklich“, beteuerte Angesprochener und vermied den Blickkontakt mit seinem Bruder, der hörbar und voller Unglauben die Luft ausstieß. „Ach ja? Und warum stehst du dann nicht auf?“ „Weil ... es ... so schön warm unter der Decke ist.“ Aus Sams Mund drang ein Seufzen und er kratzte sich leicht genervt den Hinterkopf. Das Leben mit Dean war nicht immer einfach, manchmal hatte er das Gefühl, mit einem verbohrten Kleinkind unterwegs zu sein und nicht mit einem erwachsenen Mann. „Und weswegen hast du mich dann geweckt?“ Der bevorstehende Siegestaumel, bald die Wahrheit zu erfahren, war kaum zu überhören, nachdem Sam diese Frage an seinen Bruder gerichtet hatte. „Ähm ... damit du schon mal Frühstück holst, weil ich solch einen Hunger hab?“ Dean klimperte nervös mit den Wimpern wie ein kleines Mädchen, welches verbergen wollte, dass es bei seiner kleinen Schwester Friseur gespielt hatte. „Glaub ich eher nicht“, erwiderte der Jüngere mit fester Stimme und lächelte triumphierend, während der kleinere Winchester unruhig auf seiner Matratze hin- und herrutschte. Warum nur schämte er sich plötzlich so sehr dafür? Weil er sich Sammy gegenüber nicht schwach fühlen wollte? Weil er es verabscheute, um Hilfe zu bitten, die er lieber anbat, als sie entgegenzunehmen? „Verdammt, ich komm alleine nicht hoch!“, schnauzte er ohne Vorwarnung sein Gegenüber an, das vor Verblüffung zusammenzuckte. Dann begann Sam laut loszulachen, was Deans ohnehin schon von Düsternis befallene Miene noch mehr in die Dunkelheit zog. „Was ist daran so komisch?“, wollte er wissen, die Stimme voller Wut verzerrt und seinen Bruder missmutig dabei beobachtend, wie dessen Schultern vor Vergnügen bebten. „Was daran so komisch ist?“ Sam zauberte sein unwiderstehliches Lächeln hervor, mit dem er bereits als kleines Kind unwissend jeden Erwachsenen bestochen hatte und sie aufgrund dessen oft umsonst Süßigkeiten in die Hand gedrückt bekommen hatten, sehr zur Freude Deans. „Dass du es einfach nicht zugeben wolltest, obwohl ich mich darüber absolut nicht lustig gemacht hätte. Ich habe es nämlich schon geahnt.“ „Na toll und ich mach mich dafür zum Affen“, grollte der ältere Winchester angepisst und schmollte in seine bis zur Nase hochgezogene Decke hinein. „Das ist doch deine Spezialität“, kicherte der Riese von einem Bruder vor ihm belustigt und wich quietschend dem in seine Richtung geworfenen Kopfkissen von Dean aus, das zielgenau auf ihn zugesegelt kam. „Hey, aber du solltest mich schon am Leben lassen, wenn du irgendwann mal deine Schlafschaukel verlassen willst“, schalt Sam ihn lachend und stellte sich an die Seite des Bettes, die Arme in Richtung des Älteren ausgestreckt. „Pfoten her, ich zieh dich hoch. Und zier dich nicht so“, schob er gleich eine freundlich gemeinte Ermahnung nach, als Dean ihn böse und zunächst uneinsichtig anstarrte. Dann jedoch legte der ältere Winchester seufzend seine Hände in die geöffneten Handflächen des Jüngeren, stutzte aber für einen Moment verblüfft, nachdem er frische Hautabschürfungen, an denen noch das geronnene Blut klebte, in der rechten Hand seines Bruder bemerkte. Aber dieser packte kräftig, bevor Dean überhaupt etwas dazu sagen konnte, zu und riss den Älteren schwungvoll in die Höhe, was der Gemarterte mit einem überraschten Schmerzenslaut quittierte, der Sams Trommelfell gehörig zum Vibrieren brachte. Endlich, dennoch mit gewissen Opfern, von seiner drohenden Bettlägerigkeit befreit, saß Dean stoßweise atmend auf der Bettkante und hielt sich, griesgrämig wie ein unfreundlicher alter Herr dreinschauend, seine Rippen, die sich anfühlten, als hätten sie seine Lungenflügel in einen Schweizer Käse umgewandelt. „Liebevoller ging es wohl nicht, hm?“, wandte er sich streitsüchtig an seinen Bruder, der soeben im Bad kritisch seine blutbesudelte Kleidung in Augenschein nahm, welche Dean vorm Schlafengehen in kaltes Wasser eingeweicht hatte. Kopfschüttelnd ließ der Angesprochene seine Sachen in die Dusche zurückgleiten, zog aber den Stöpsel, damit das Wasser ablaufen konnte und machte sich langsam daran, alles auszuwringen, denn tatsächlich waren die meisten Spuren des Unfalls aus dem Stoff verschwunden. „Wenn, dann solltest du dich bei dir selbst beschweren, Dean“, konterte der Dunkelhaarige sofort und wickelte die nassen Kleidungsstücke in ein Handtuch, das er zunächst in eine Ecke ihres Badezimmers legte. „Ich habe den Impala nicht gegen die Bäume gesetzt, falls du das vergessen hast.“ „Klugscheißer“, murmelte Dean so leise, dass es normalerweise niemand außer ihm hätte hören dürfen, aber Sams nachtschwarze Pupillen ruckten aufmerksam wie die goldenen Augen eines sich auf der Jagd befindenden Luchses in seine Richtung und verengten sich warnend. Der ältere Winchester bemerkte dies sofort und zuckte ertappt zusammen, tat aber im nächsten Augenblick so unbedarft, als hätte er diese Äußerung gar nicht fallen gelassen. „Was?“, fragte er daher seinen Bruder, der ihn noch immer durchdringend musterte und erhielt dafür lediglich ein resigniertes Seufzen, welches ihm ein siegessicheres Lächeln entlockte. Sich im Stillen für die Uneinsichtigkeit Deans ärgernd, spülte Sam die Blutspuren aus der Dusche mit kaltem Wasser hinfort. Er war zu müde, um sich mit seinem gerne das letzte Wort haben wollenden Familienmitglied anzulegen und zog es daher lieber vor, zu kapitulieren, des Friedens und der Ruhe Willen. Ihm war bewusst, dass dem Älteren die ganze Sache mehr als leid tat, nur nutzte er zu gerne jede sich ihm bietende Situation aus, um den Jüngeren zu ärgern, was dieser nach den vergangenen Stunden aber überhaupt nicht lustig fand. Schweigend verließ Sam nach seiner Säuberungsaktion das Bad und sah seinen großen Bruder auffordernd an. „Was ist? Willst du dich etwa so den Bräuten präsentieren?“, fragte der Wuschelkopf und verzog wie ein weibliches Wesen angewidert das Gesicht, während sein Blick abschätzend über die Gestalt des noch immer auf dem Bett Sitzenden wanderte. „Meinst du etwa, du siehst besser aus?“, motzte Dean sofort zurück und sah beleidigt weg, was Sam ein Schmunzeln entlockte. „Nein, ich denke, so, wie wir im Moment aussehen, können wir uns für die Wahl zu ´Washington sucht den Super-Gangster oder Super-Penner` zur Verfügung stellen.“ „Dann lieber Super-Gangster, das klingt nach mehr Stil“, warf Dean ein und mühte sich aus seiner sitzenden Lage in die Höhe, Sams plötzlich einsetzende Hilfsbereitschaft mit einem genervten Kopfschütteln ablehnend, dann aber ohne Vorwarnung nach dem rechten Handgelenk seines Bruders greifend, was dieser mit einem überraschten Keuchen kommentierte, da der Kurzhaarige nicht unbedingt sanft damit umging. Aus reinem Reflex heraus öffnete der Hüne zähneknirschend die soeben noch geballte Faust und sah zornig weg, als sein Bruder die großflächige Abschürfung auf der Handinnenfläche mit Argwohn betrachtete. „Was ist das?“, wollte Dean sofort wissen, Sam dabei ernst fixierend, der es jedoch lieber vorzog, der kleinen Sitzecke in ihrem Zimmer seine gesamte Aufmerksamkeit zu schenken. „Meine Hand?“, antwortete er patzig und schnappte plötzlich unvorbereitet nach Luft, nachdem der kleinere Winchester prüfend über das bloßgelegte Fleisch strich. „Witzig, wirklich“, entgegnete Dean und entließ den Jüngeren seiner Umklammerung, ihn dabei jedoch mit in Falten gelegter Stirn im Auge behaltend. „Wo hast du das her?“ „Vom Unfall, denke ich. Was weiß ich?“, erwiderte Sam und zuckte uninteressiert mit den Schultern, dem abwägenden Blick seines Geschwisterteiles dabei jedoch ständig ausweichend. Im Stillen hoffte er, dass sein Bruder die Lüge annahm und nicht weiter darüber nachdachte, aber er kannte Dean dummerweise zu gut, als dass dieser sich so schnell damit zufrieden gab. Deswegen versuchte er, den nach der Wahrheit bohrenden grasgrünen Augen standzuhalten, aber sein blaugrüner Blick huschte nervös hin und her wie ein Haken schlagender Hase auf der Flucht vor dem Jäger. „Soll ich dir sagen, was ich denke?“ Der Kurzhaarige stellte sich direkt vor ihn und obwohl er beinahe einen Kopf kleiner als Sam war, kam dieser sich plötzlich um mehrere Meter winziger vor, was vermutlich an der wechselnden Tonlage Deans lag, die mit einem Male so autoritär klang wie die eines Drill-Sergeants. Was keinesfalls heißen sollte, dass der Wuschelkopf sich davon komplett einschüchtern lassen würde. „Ich denke, dass du nicht die Wahrheit sagst.“ „Ach ja?“ Sam spürte, wie sein Blut vor langsam hervorbrodelnder Aufgebrachtheit zu kochen begann. „Und woher willst du das so genau wissen?“ Sein guter Vorsatz, jedem drohenden Streit aufgrund seines eher mangelhaften Zustandes aus dem Weg zu gehen, schwand mit jeder verstreichenden Sekunde, die Dean ihn herausfordernd musterte. „Nachdem Eure Hoheit Dornröschen meinte, ständig ein Schläfchen halten zu müssen“, knallte dieser dem Jüngeren süffisant vor die Füße. „Da war nichts an deiner Hand, die war so glatt und unversehrt wie ein Babypopo.“ „Vielleicht solltest du aufpassen, dass der Babypopo dir nicht gleich die Dornen von Dornröschen in den Hintern rammt“, giftete Sam blindwütig zurück, während er die Nase gereizt rümpfte und damit einem streitsüchtigen Pferd, das die Nüstern blähte, gar nicht mal so unähnlich war. „Kümmere dich lieber um deinen eigenen Kram!“, wetterte der Jüngere sofort weiter, bevor Dean auf die vermutlich nicht ganz ernstgemeinte Drohung seines Bruders reagieren konnte und mit einem recht verdattertem Blick ins Antlitz gepresst dastand. „Es ist doch egal, was mit meiner Hand passiert ist! Es ist lediglich ein Kratzer, mehr nicht, hast du verstanden?! Nichts, worum man sich Gedanken machen sollte, kapiert?“ Schnaufend vor Wut um Deans übertriebene Fürsorge schnappte sich Sam seine Reisetasche und polterte damit in Richtung Bad davon. „Äh ... wo willst du hin?“, schickte der ältere Winchester ihm hinterher und suchte krampfhaft in seinem Hirn nach den passenden Worten, um nicht als Verlierer aus dieser Sache hervorzugehen, aber es meldete sich nichts bei seinen Lippen an, was in irgendeiner Weise überzeugend und vor allem kaltschnäuzig, wie es ja sein Stil war, geklungen hätte. „Ich dachte ... ich sollte zuerst ins ...“, kam es nur kleinlaut aus seiner Kehle geschlichen, als Sam ihm einen recht zornigen Blick zuwarf und die Tür hinter sich zuknallte. „ ... Bad.“ Er zuckte förmlich zusammen, nachdem die Tür ins Schloss geworfen wurde und starrte sie noch immer an, nachdem sein Bruder längst in dem dahinter liegenden Raum verschwunden war. Missmutig warf Sam seine Tasche in eine Ecke direkt neben seine nasse Kleidung, die er aus der Dusche geholt hatte und setzte sich auf den heruntergekippten Deckel der Toilette, das Gesicht tief in den Händen verborgen. Warum nur hatte Dean damit anfangen müssen? Konnte er nicht einmal in seinem Leben seine Nase aus den Angelegenheiten seines kleinen Bruders fernhalten? Er schätzte es zwar, dass der Ältere sich Gedanken um ihn machte und ihn nicht mit seinen Sorgen komplett allein ließ, aber was zuviel war, war zuviel. Demnächst würde Dean vermutlich schon ausrasten, wenn er irgendwo einen blauen Fleck an ihm bemerkte und sei dieser noch so winzig. Meine Güte, er war doch nicht aus Zucker! Weshalb behandelte sein Bruder ihn nur wie eine Vase, die bei der leichtesten Erschütterung stürzen und in tausend Teile zerbersten könnte? Langsam ließ Sam seine schlanken Finger durch das dunkle Haar bis zum Hinterkopf gleiten und starrte blind auf den schlichten Vorhang der Dusche. Lag es an dem viel zu frühen Verlust ihrer Mutter? War Dean deswegen immer so besorgt um ihn? Hatte er Angst um ihn, dass ihm Ähnliches, vielleicht sogar Schlimmeres widerfahren könnte? Aber wieso? Fragend bohrten sich seine Augen in die dumpfen Pastellfarben direkt vor ihm, welche seinem nach Antworten gierenden Blick stumm begegneten. Verdammt, er war doch nicht mehr der neunjährige Junge von damals, der Angst vor dem Ding unter seinem Bett hatte. Musste er dies denn ständig beweisen? Mit einem resignierten Seufzen drückte er sich von dem Toilettensitz in die Höhe und schob seine Gestalt vor den Spiegel über dem Waschbecken. Im ersten Moment, als sich sein Selbst ihm gegenüber präsentierte, wollte er schon Alarm schlagen und den Unbekannten, der dort aufgetaucht war, überwältigen, bis ihm gewahr wurde, dass es sich bei diesem heruntergekommenen Häuflein Elend, was ihm starr entgegensah, um keinen Fremden handelte. Zögerlich hob er eine Hand und strich sich über die eingefallenen Wangen, welche sich während seiner Zeit mit Jessica oft zu einem herzhaften Lachen verzogen hatten, in das alle mit eingestimmt hatten. In den vergangenen Wochen war dies jedoch eher selten geschehen. Zum Teil konnte er nun die Sorge seines Bruders um ihn verstehen. Wenn dieser sich ihm so präsentieren würde, wäre seine Reaktion der Deans sicherlich nicht unähnlich. Gedankenverloren betrachtete er, nachdem er sich von dem pflegebedürftigen Anblick seiner Selbst losgerissen hatte, seine rechte Handinnenfläche, deren Wundränder zwar stark gerötet waren, sich bereits aber wieder zusammenfügten. Plötzlich fuhr er bestürzt zusammen. Glaubte Dean etwa, er hätte sich, um die Schatten von seiner gepeinigten Seele zu nehmen, selbst verletzt? Nun gut, er hatte ihm dies ja recht glaubhaft präsentiert, nachdem er so streitsüchtig und kalt darauf reagiert hatte. Da war es kein Wunder, wenn falsche Vermutungen in den Überlegungen des anderen heranwuchsen. Trotzdem hoffte er, dass Dean so etwas von ihm nicht dachte und einfach nur annahm, dass er mit dem falschen Fuß aufgestanden war und somit schlechte Laune vorprogrammiert war. Sich prüfend über die verletzte Seite seines Gesichtes streichend beugte er sich hinunter zu seiner Tasche und kramte den Rasierapparat samt Zahnbürste und -creme hervor. Nach einer ausgiebigen Rasur und dem Reinigen seiner Beißwerkzeuge sah das Leben beziehungsweise er selbst gleich ein wenig besser und ansprechender aus. Halbwegs zufrieden mit dieser Feststellung wandte er sich um und entledigte sich schnell seiner Kleidung, um der Dusche den heißersehnten Besuch abzustatten. Als das angenehm warme Wasser wie eine weiche Feder über seine Haut strich, vergaß er für einen kostbaren Moment, wer er war und was seine Bestimmung auf dieser Welt beinhaltete. Er genoss einfach den Augenblick und verdrängte alles andere aus seinem Kopf, was ihn belastete. Und mit einer gewissen Sehnsucht tief in seinem Inneren fühlte er, wie sehr er sich nach solch einem Leben sehnte – ohne Sorgen und Ängste, ob man den nächsten Tag noch erlebte oder von einer dieser Höllenkreaturen erledigt wurde, die er und sein Bruder jagten. Genau dasselbe wünschte er sich für Dean, der nur das Dasein eines Jägers kennen gelernt hatte und sich an das wenige Kind- und Glücklichsein vor dem Ableben ihrer Mutter kaum erinnerte. Die Augen dabei lächelnd geschlossen haltend lehnte sich Sam an die durch das heiße Wasser leicht angewärmte geflieste Wand in seinem Rücken und stellte sich dabei vor, wie es wäre, wenn der Dämon in jener schicksalhaften Nacht seinem Kinderzimmer keinen Besuch abgestattet hätte. Aus ihm und Dean wäre sicherlich etwas ganz passables geworden, denn auch, wenn sein Bruder schulmäßig nicht so einzigartig dagestanden hatte wie Sam, so war er keinesfalls dumm. Nein, bei Dean war es eher Faulheit und die Gewissheit, eh keinen normalen Job erlernen zu müssen, gewesen. Und wer weiß, vielleicht hätte einer von ihnen ihre Eltern schon zu Großeltern gemacht. Wie stolz und glücklich hätten die Beiden darauf reagiert, eine nächste Generation an Winchesters begrüßen zu dürfen. Aber das Leben eines Jägers war nun einmal gefährlich und ernsthafte Beziehungen zu pflegen, aus denen tatsächlich eines Tages etwas entwachsen könnte, so gut wie unmöglich. Zu groß war das Risiko, dass die eigenen Lieben zu Opfern eines rachsüchtigen Schattenwesens wurden und das war etwas, was nur die wenigsten Jäger jemals gewagt hatten, einzugehen. In seine Vorstellungen von solch einem Leben versunken, das einem Normalsterblichen vermutlich als zu langweilig erschienen wäre, für die Brüder aber unerreichbar war, griff seine Hand nach dem hauseigenen Duschgel, um dies großzügig zu verteilen. Die Lider dabei noch immer gesenkt haltend, bemerkte er zunächst kaum, wie das Wasser, welches plätschernd dem Duschkopf entfloh, immer lauter zu rauschen begann, bis zu einem Geräuschpegel, der einen an die Intensität eines gewaltigen Wasserfalls erinnerte. Verwirrt öffnete er die Augen und machte Anstalten, das Wasser abzudrehen, da seine Ohren langsam zu schmerzen begannen, aber die Regler ließen sich keinen Millimeter bewegen, während das Ausmaß des mittlerweile an Lärmbelästigung grenzenden Kraches weiter zunahm. Sich gequält zum Teil die Ohren zuhaltend, startete Sam einen erneuten Versuch, das soeben noch angenehme Nass wegzusperren, aber stattdessen wurden die Armaturen plötzlich kochendheiß, so dass er zischend vor Schreck und Schmerz die Hand wegriss. Entgeistert starrte er auf seine Handfläche; es war genau dieselbe Seite, welche er sich an der Tür in seinem Traum verletzt hatte. Verbrannte Hautfetzen hingen wie nutzlose Lianen an ihr herab, das bloße Fleisch wurde unter ihnen sichtbar und sandte stoßartige Wellen aus, die wie glühendheiße Nadeln seinen rechten Arm hinaufkrabbelten. Als wäre dies noch längst nicht genug, erhöhte das aus dem Duschkopf hervorschießende Wasser seine Temperatur um ein Vielfaches und hinterließ feuerrote Stellen auf der Haut seines wehrlosen Opfers, welches nur mühsam einen gequälten Aufschrei unterdrücken konnte. Von aufsteigender Panik über die sich zuspitzenden und beängstigenden Ereignisse erfüllt, versuchte der junge Winchester, der zur Folterkammer mutierenden Dusche zu entkommen, aber die Schiebetür, welche das einzige war, was ihn noch daran hindern konnte, ließ sich keinen Spaltbreit öffnen. Vergeblich rüttelte er daran, immer wieder schmerzerfüllt zusammenzuckend, sobald ihn ein Strahl des umherspritzenden Wassers, in dem sich Spaghetti bestimmt pudelwohl fühlten, traf. Er spürte, wie die Haut an seinem Rücken bereits abblätterte, als sei sie trockene Rinde eines alten Baumes. Schon öffnete sich sein Mund, um den Namen seines Bruders zu rufen, aber dann verschloss er ihn wieder, verbissen einen eigenen Weg aus dieser Lage suchend. Er war nun mal nicht mehr der kleine Junge, auf den Dean immer hatte achten müssen und das wollte er beweisen. Die ihn langsam in den sicheren Wahnsinn treibenden Schmerzen stoisch ignorierend, riss er die über dem Rand der Duschtür hängenden Handtücher hinunter, wickelte eines um seine Hüften und das andere um seinen linken Arm. Weit und kräftig damit ausholend schlug er voller Wucht gegen die gläserne Tür, die unter seinem verzweifelten Ansturm erzitterte, aber zu seiner Enttäuschung nicht sofort brach. Dennoch zeigten sich einige Risse in seinem Hindernis, welche sich leise knirschend einen Weg durch das Glas bahnten. Mit seinem gesamten Körper ausholend rammte er die Duschtür, schloss aber augenblicklich zu seinem eigenen Schutz die Augen, als er hörte, wie das Glas unter seiner Anstrengung in tausend Teile zerbarst. Im selben Moment verlor er jedoch den Halt, rutschte auf dem glitschigen Boden der Dusche aus und fiel direkt in das Scherbenmeer, welches sich bereits auf dem Badezimmerboden ausgebreitet hatte. Die unzähligen Splitter bohrten sich wie zig hungrige Mäuler in seine bloßgelegte Haut, die bereits durch das brühendheiße Wasser in Mitleidenschaft gezogen wurde, so dass es ihm dieses Mal misslang, einen Schrei zu unterdrücken. Zuckend wie ein Fisch auf dem Trockenen, der das lebensnotwendige Wasser benötigte, wand er sich vor Schmerzen auf seinem Bett aus Scherben und machte seine Lage dadurch nur noch schlimmer, obwohl es nicht das Reißen der Splitter war, was er fühlte, sondern das unerträgliche Brennen durch die Verbrühungen. Das Gesicht vor Qual verzogen umklammerte er seine rechte Hand, während hellrotes Blut aus kleineren sowie auch größeren Wunden rann und sich klebrig warm am Boden sammelte. Durch einen immer dichter werdenden Nebel nahm Sam von draußen ein lautes Gepolter wahr und den Bruchteil einer Sekunde später wurde die Tür zum Badezimmer schwungvoll aufgestoßen. Erst erschien nur der ständige Begleiter seines Bruders, die blank geputzte, im hellen Licht des Raumes funkelnde Taurus, welche angriffslustig und zu allem bereit um die Ecke lugte. Anschließend schob sich langsam und vorsichtig der Stachelkopf des älteren Winchesters hinein, misstrauisch darauf bedacht, jeden Augenblick dem Feind gegenüber zu stehen, der sich klammheimlich hier hinein geschlichen haben musste, um seinem jüngeren Anhängsel zu schaden. Nachdem sein Blick dann jedoch das teils blutige Bündel am Boden streifte, steckte Dean, die Augen schreckgeweitet, seinen Colt sofort weg und stürzte zu seinem kleinen Bruder, der mit flatternden Lidern versuchte, seinen Kopf zu heben. „Sam! Was, um Gottes willen ...?“ Die Stimme des älteren Jägers versagte für einen Moment vor Entsetzen, nachdem er den zu Schaden Gekommenen am Nacken stützend leicht aufrichtete und nicht gerade wenig Blut ihm dabei aus dem heftig pulsierenden Körper entgegen strömte. „Sammy, was ist hier passiert?“ Aber zu seiner Überraschung erschienen dem jungen Mann, der am ganzen Leib zitternd auf dem kalten Boden saß, die kaum zählbaren Wunden eher zweitrangig. Vielmehr presste er seine rechte Hand gegen den Oberkörper und stieß leise keuchende Geräusche dabei aus. „Lass ... lass mich mal sehen“, bat Dean, sich mühsam dazu zwingend, die Fassung zu bewahren und griff behutsam nach der Hand Sams, der dies so furchtsam beobachtete wie ein waidwundes Reh die Mündung eines Gewehres. Nur zögerlich gab der Jüngere seine abwehrende Haltung auf und streckte seinem Bruder die Hand entgegen, die Finger starr nach innen verkrampft. Mit äußerster Vorsicht bettete Dean sie in der seinen, den Körper des zu Schaden Gekommenen an sich gelehnt und drückte die zum Zerreißen angespannten Gliedmaßen nach außen, Sams vor Schmerz verzerrte Miene währenddessen im Auge behaltend. „Gut, schon gut“, beruhigte er den schlaksigen Jungen, als der mehrfach zusammenzuckte und Anstalten machte, sein verletztes Körperteil dem prüfenden Blick des Älteren zu entziehen. „Es ist alles okay, Sam, ich tu dir nicht weh.“ Was auch immer seinem kleinen Bruder geschehen war und Dean war sich mehr als sicher, dass es sich hierbei um keinen simplen Unfall handelte, es hatte gereicht, einen völlig verängstigten Jäger zurückzulassen, der üblicherweise vor nichts zurückschreckte, was in das Übernatürliche hinüberglitt. „So, jetzt lass mich mal sehen, was da ...“, aber die Worte des Kurzhaarigen versanken ungesagt im Nichts, als das Erstaunen über seine Entdeckung stumm über seinem Kopf zusammenschlug. Da war nichts, rein gar nichts, zumindest nicht das, was der ältere Winchester erwartet hatte. Sams Hand war so unversehrt wie ein Neugeborenes, übersah man einmal die bereits von ihm entdeckten, leicht entzündeten Wundränder einer nicht mehr frischen Verletzung. Blaugrüne Augen starrten ihn verunsichert an, nachdem Dean die Kinnlade ungewollt hinuntergesunken war. „Dean, was ist denn?“, wisperte der Wuschelkopf heiser, aber Angesprochener antwortete nicht, sondern hielt ihm einfach die Handinnenfläche vor die Nase. Ein ungläubiges Keuchen entfuhr Sam, als er seine Hand betrachtete und nichts von alldem, was seine Spuren dort hineingebohrt hatte, mehr zu sehen war. Und plötzlich, als hätte es ihn nie gegeben, verschwand auch der reißende Schmerz, welcher sich soeben noch bis zu seinen Knochen gegraben hatte. Dafür überkamen ihn nun die Folgen der in Massen vorhandenen Schnittwunden und er sank benommen in den Griff seines Bruders zurück, die Augen dunkel vor Qual. „Das ... das gibt es doch nicht, das kann doch nicht ...“, stammelte Sam und seine Stimme bebte dabei wie sein gesamter Körper, während er die Hände vors Gesicht schlug. Im ersten Moment hatte Dean wirklich Mühe, den Jüngeren zu halten, da dieser ohne Vorwarnung in seinen Armen regelrecht zusammengebrochen war. Als der Dunkelhaarige dann auch noch Wortfetzen vor sich hinstotterte, die beinahe in ein hilfloses Schluchzen abglitten, begann der grünäugige Winchester erst recht, sich mit unsagbaren Sorgen zu beladen. „Hey, Tiger, ruhig, ganz ruhig“, redete Dean sanft auf seinen Bruder ein und strich ihm das klatschnasse Haar aus der Stirn. „Ich werde dich erst mal nach nebenan bringen, hier ist es ja saukalt.“ Kraftvoll fasste der Ältere dem Häuflein Elend unter die Achseln und zog es hoch, während er im gleichen Augenblick über seine Worte nachdachte. Es war wirklich ungewöhnlich kalt in diesem Raum für ein Badezimmer, das war ihm beim Betreten sofort aufgefallen. Und Sam war nicht unbedingt jemand, der gerne und bei solchen Außentemperaturen mit eisigem Wasser duschte. Im Normalfall hätte es hier feuchtwarm sein müssen, zudem sein Bruder pitschnass war und folgerichtig die Dusche in Benutzung hatte. Aber die Haut des Jüngeren war kühl und bläulich verfärbt, als hätte er stundenlang ohne Kleidung in frisch gefallenem Schnee gelegen. „Dean, ich versteh das nicht, da war vorhin noch was ...“, bibberte Sam im stützenden Griff seines älteren Familienmitgliedes, welches ihn sachte aus dem Badezimmer führte. „Das hat Zeit, Sammy“, nahm der Angesprochene seinem Bruder ein wenig den Wind aus den Segeln. „Zuerst müssen wir dafür sorgen, dass du mir nicht komplett ausläufst.“ Ein Nicken in Richtung des Fußbodens zeigte dem Hünen, dass Dean in keiner Weise übertrieb. Unübersehbar zog sich eine Blutspur ähnlich der Schleimspur einer Schnecke hinter ihnen her und Sam fragte sich ernsthaft, wie sie das nur Lauren erklären sollten. „So, du bleibst da jetzt einen Moment stehen und ich hole noch ein paar Handtücher, damit es hier nicht gleich nach einem Schlachthaus aussieht, okay?“ Der Jüngere nickte bestätigend auf die Anordnung seines großen Bruders hin und schaute ihm hinterher, wie er flink im Bad verschwand und mit einem Stapel blütenweißer Handtücher auf dem Arm, die sicherlich in nur wenigen Minuten nicht mehr so aussahen, zurückkehrte. Eines davon breitete er auf Sams Bett aus und bedeutete ihm mit einem Fingerzeig, sich darauf zu setzen. Dann schnappte er sich das nächste Handtuch und begann damit, die Haare des jungenhaften Riesen trocken zu rubbeln, womit er nicht gerade zimperlich umging. „Au!“, quiekte Sam entrüstet auf, als sich ein paar Haarsträhnen in dem Frotteetuch verfingen und Dean aus Versehen daran zog. „Wenn du so weitermachst, hab ich gleich ne Glatze.“ „Weichei“, grinste der Ältere zurück und fing sich daraufhin sofort einen bitterbösen Blick ein. „Du solltest dir lieber mehr Gedanken um deine etlichen Schnittverletzungen machen.“ Sofort gab Sam Ruhe und hörte auf, sich über die Trocknungstaktiken seines Bruders zu beschweren. Stattdessen biss er sich schweigend auf die Unterlippe und starrte zu Boden. Dean, der von den Haaren des Jüngeren abgelassen hatte und in seiner Tasche nach dem Verbandskasten wühlte, zog überrascht die Stirn kraus, nachdem der Dunkelhaarige so schnell und ohne aufzumucken kapitulierte. Dennoch vermied er es zunächst, Sam mit Fragen zu beschießen, als er die Erste-Hilfe-Utensilien neben dem Bett abstellte und sich eine gehörige Menge an Pflastern und Verbänden auf die Matratze legte. Er wollte seinem Bruder den nötigen Raum lassen, von selbst zu berichten, was sich im Badezimmer zugetragen hatte. Aber entgegen seiner Vermutung, Sam würde jeden Augenblick losplappern und das Erlebte kundtun, schwieg der junge Winchester beharrlich und stierte noch immer auf seine Füße, unter die Dean zur Vorsicht auch ein Handtuch gelegt hatte. Leise in sich hineinseufzend begann der Ältere, die Wunden des ungewohnt stummen Jungen zu versorgen. Hier und da reichte ein Pflaster aus, da das Glas nicht sehr tief hineingeschnitten hatte, aber an vielen Stellen, gerade an den Armen und Beinen, musste Dean kleine Kompressen anlegen, die sich sofort gierig mit hellrotem Blut voll saugten. Rasch wickelte er Verbände um die Gliedmaßen Sams, damit diese den Druck der Kompressen noch verstärkten. Sein Bruder verfolgte das Treiben teilnahmslos, die unverletzte Stirn dabei in solch tiefe Falten gelegt, dass sicherlich der Grand Canyon darin noch Platz gefunden hätte. Selbst jemand, der über mangelhafte Menschenkenntnisse verfügte, konnte erahnen, wie stark es hinter den dichten Fransen des Wuschelkopfes arbeitete. „Also, Sammy“, begann Dean, möglichst darum bemüht, sorglos zu klingen. „Was ist da drin passiert?“ Blaugrüne Augen lösten sich nur mühevoll aus der Starre, die von ihnen Besitz ergriffen hatte und sahen ihn an. Furcht zog über die klare Iris hinweg wie dunkle Wolken an einem soeben noch schönen sonnigen Tag und bestätigten dem älteren Winchester, dass etwas nicht logisch Erklärbares im Bad geschehen sein musste, aber plötzlich kämpfte sich der altbekannte Trotz durch und vertrieb die kürzlich noch vorherrschende Angst ähnlich eines unangekündigten Gewittersturmes, der über das Land hinwegbrauste. Sams Körper nahm eine deutliche Abwehrstellung ein, als seine Lippen sich öffneten, um der Rechtfertigung Platz zu schaffen. Und Dean wusste, noch bevor die Worte seines Bruders ihn erreichten, dass Sam Gefahr lief, immer weiter auf den dunklen Abgrund seiner Seele zuzuwanken, den helfenden Händen, welche verzweifelt nach ihm griffen, blind ausweichend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)