Via Inquisitoris von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 14: London: Besucher in der Nacht ----------------------------------------- Sarah ist ein bisschen in der Klemme, da habt ihr recht. Aber sie hat eben noch viel zu lernen... 14. London: Besucher in der Nacht „Inspektor Cuillin!“ Sarah war erschrocken und bemühte sich, hastig und genau nachzudenken. Hoffentlich bemerkte er nicht, was sie da in den drei Bechern buchstäblich auf dem Silbertablett vor sich trug. Das konnte fatal werden, noch dazu mit zwei Ratsmitgliedern im Haus. Zum Glück kaschierte Thomas ihm wohl etwas die Sicht, auch, wenn er sie sicher entdeckt hatte. So blieb sie vor der Tür des Arbeitszimmers stehen und rief nur zum offenen Eingang: „Guten Abend. Einen kleinen Moment, bitte. Ich bringe nur noch meinem Vater und seinen Gästen eine Erfrischung. – Thomas, begleiten Sie Inspektor Cuillin bitte in das Kaminzimmer?“ Der Butler verneigte sich ein wenig – ob vor der Lady oder dem Besuch ließ er dabei taktvoll unentschieden: „Sehr wohl, Mylady. Wenn Sie mir folgen würden, Inspektor?“ Er wartete allerdings, bis Sarah die Tür zum Arbeitszimmer des Hausherrn wieder hinter sich geschlossen hatte, ehe er sich umdrehte. Dieser tat das Gewünschte und ging hinter Thomas durch die große Halle. Recht viktorianisch, dachte er unwillkürlich, alles altmodisch eingerichtet – und wahrscheinlich wirklich so alt wie das Haus. Wie sich eine junge Frau wie Sarah hier wohl fühlen mochte? Im nächsten Moment revidierte er seine Ansicht, als der Butler vor ihm die Tür öffnete und er den modernen Flachbildschirmfernseher dort an der Wand entdeckte. Echtes Feuer brannte dagegen altertümlich im Kamin. „Nehmen Sie Platz“, meinte Thomas höflich: „Ihre Ladyschaft wird sofort zu Ihnen kommen. Darf ich Ihnen inzwischen einen Tee anbieten?“ Er hatte in seiner Küche stets einen Vorrat für allfällige menschliche Besucher, wie Handwerker oder Postboten. Schließlich wäre Lord John nicht angetan, würde man Gäste unfreundlich behandeln – oder gar Menschen Blut aufdrängen. „Danke, nein.“ Der Inspektor hörte, wie hinter ihm die Tür geschlossen wurde, und blickte sich unwillkürlich rasch im Raum um. Eine Fernsehzeitung lag neben der Fernbedienung auf einem Tischchen, im Regal an der Wand standen Bücher in Ledereinbänden, manche davon in ihm unbekannten Schriftzeichen. Alles war aufgeräumt – nun, der Butler schien seine Arbeit zu verstehen. Sarah hatte unterdessen das Arbeitszimmer betreten, wo sich Lord John und seine beiden Gäste auf den Ledersesseln vor dem Kamin niedergelassen hatten. Sie stellte das Tablett auf dem Tischchen ab, ehe sie abbittend zum Hausherrn blickte: „Darf ich mich entschuldigen? Es kam unerwartet ein Freund aus Brüssel…“ Lord John verstand die Andeutung, hatte sie ihm doch ein wenig von Inspektor Cuillin erzählt – und verstand auch, dass sie in ihrer doch manchmal recht zwiespältigen Lage nicht gerade vor Ratsmitgliedern ausposaunen wollte, dass sie zu einem menschlichen Polizisten Kontakt hatte. „Natürlich, mein Kind. Deine Freunde sind willkommen in meinem Haus.“ „Ein Freund?“ fragte Ikol prompt. Sie lächelte ein wenig traurig: „Selbst ich habe Freunde…“ „Verzeihen Sie“, beteuerte der eilig: „Ich …ich wollte Sie nicht beleidigen.“ „Im Gegenteil“, ergänzte Kai: „Ich finde es schön für Sie, dass Ihre Freunde nicht zurückzuckten, als sie von Ihrer Berufung erfahren haben. Bei mir waren einige schon weg, als ich nur Ratsmitglied wurde….“ „Ich musste lernen, dass auch Vampire bedauerlicherweise nicht perfekt sind“, meinte Ikol: „Wie sie sich noch verbessern können, dafür ist Lady Sarah ja durchaus ein Beispiel.“ „Danke“, murmelte sie unwillkürlich, unangenehm berührt, dass er noch immer auf ihren besonderen Fähigkeiten herumritt: „Ich wünsche Ihnen noch eine angenehme Nacht. – Vater…“ Sie zog sich höflich zurück. Warum um alles auf der Welt war er hier nach London gekommen? So lauteten auch ihre ersten Worte, als sie das Kaminzimmer betrat: „Welch unerwartete Überraschung, Inspektor.“ Er drehte sich um: „Unerwartet, Lady Sarah? Nach dem, was Sie mir in Brüssel erzählt hatten und ich noch so herausfand?“ „Nun, sagen wir, ich bin ein wenig erstaunt, dass Sie meine Adresse fanden, aber natürlich….Computer. Bitte, setzen Sie sich. Haben Sie denn etwas so Wichtiges herausgefunden, dass Sie den Weg nach London auf sich nahmen?“ „Es ist eine Dienstreise. - Warum so überrascht? Die mexikanischen Kollegen waren sowieso auf der Suche nach Ihnen.“ „Oh.“ Sie hatte es sich doch gedacht. Nun, da musste sie aufpassen, was sie ihm erzählte. Kenneth Cuillin war alles andere als ein Trottel. Am besten blieb sie bei der Wahrheit, so gut es ging. „Wegen dieser Hacienda?“ „Natürlich. Haben Sie erwartet, dass bei sieben Toten nicht nachgefragt wird?“ „Sieben?“ Sie war ehrlich erstaunt, ehe sie bedachte, dass kein Mensch eine Spur von Don Fernando hatte finden können. Dem Inspektor war ihre Überraschung nicht entgangen: „Wie viele dachten Sie denn?“ „Sechs?“ Das war keine Lüge, nur eine Frage: „Sie wollen sicher alles wissen, oder?“ „Ja, zumal Sie doch etwas von einem Gespräch erzählten, dass Sie mithörten.“ Er hatte bestimmt von der mexikanischen Polizei die Aussage von Monica und den anderen bekommen. Das musste sie berücksichtigen: „Ich ….nun ja, ich hatte einen etwas peinlichen Reitunfall und lief auf der Suche nach einem Telefon durch das Tal. So kam ich zu dieser Hacienda. Eine Frau namens Monica war sehr freundlich, meinte jedoch, sie wisse nicht, ob ich telefonieren dürfe. Das Telefon sei im Haupthaus und der Meister hätte verboten, dass dort jemand hingehe. Sie werde aber mit Don Fernando reden, der sich um die weltlichen Sachen kümmere. Der kam dann auch zu mir und meinte, er würde mit dem Meister reden. Da wurde mir schon klar, dass es sich wohl um eine Sekte handelte, aber ehrlich gesagt war mir das zu diesem Zeitpunkt relativ gleich.“ Sarah zuckte ein wenig die Schultern: „Jeder soll doch nach seiner Facon selig werden.“ „Und Sie konnten mit dem Meister sprechen?“ „Ja, allerdings erst abends.“ Jetzt musste sie aufpassen: „Als mich Don Fernando zu ihm brachte, ließ er mich vor der Tür warten. Ich hörte nur Stimmen, aber nicht, was sie sagten. Dann jedoch öffnete er ein wenig die Tür und ich hörte noch wie jemand, also, der Meister meinte: …noch haben wir nicht alles Geld. Und Don Fernando antwortete: Wenn du alles hast, übernehme ich. Wie immer, bestätigte der Meister und Don Fernando sagte: Wie immer. Der Plan läuft doch gut“ Sarah nickte. Das war nur knapp an der Wahrheit vorbei: „Zu diesem Zeitpunkt dachte ich mir freilich nichts dabei, erst auf dem Rückflug von Mexiko, als ich zur Ruhe kam.“ „Aber Sie unterhielten sich später mit dem Meister?“ „Ja. Er…nun, er versuchte, mir seine Sekte schmackhaft zu machen. Und ich muss zugeben, dass es ihm um ein Haar gelungen wäre. Er war so überzeugend, solch eine Persönlichkeit, wie ich sie noch nie erlebt habe.“ Sie senkte den Kopf. Was konnte sie noch ohne Gefahr erzählen – und bei allem anderen: wie? „Ich habe die Aussagen der anderen bekommen. Er scheint wirklich sehr beeindruckend gewesen zu sein. Sie brauchen sich nicht schämen, Lady Sarah. Was geschah dann?“ Sie durfte nicht lügen – aber die Wahrheit konnte sie ihm auch nicht sagen. Nun gut, nur eine modifizierte: „Don Fernando kam zur Tür herein. Sein Blick fiel auf den Schreibtisch des Meisters, dann sagte er, also, der Meister, zu mir: Don Fernando wird Ihnen zeigen, wie schmerzlos das ist…Ich glaube, das bezog sich auf seine Idee, alle Jünger sollten Blut spenden. Jedenfalls ergänzte er noch: es ist gleich vorbei. Don Fernando kam inzwischen nahe zu ihm und meinte: In der Tat, Verräter. Und dann…“ Sarah atmete durch. Den nächsten Dialog sollte sie besser auslassen. „Er packte ihn am Hals und….Es gab so ein ganz eigenartiges Geräusch. Ich habe es nie zuvor gehört, aber ich wusste, dass er ihm das Genick gebrochen hatte.“ Sie sah auf: „Halten Sie mich für einen Feigling, Inspektor, wenn ich Ihnen sage, dass ich zusammenzuckte und mich ein Schauder überlief?“ „Ich denke, dass das vollkommen normal ist, wenn man gerade einen Mord mit angesehen hat. Was geschah dann? Dieser Don Fernando ist ja spurlos verschwunden. Sie sind wohl die Letzte, die ihn noch gesehen hat.“ Da sie ihn getötet hatte, sicher, aber das war auch ein Punkt, der ihn nichts anging. „Ich kann Ihnen nur versichern, dass ich keine Ahnung habe, wohin er verschwand. Er hielt mich wohl für bewusstlos, als er den Meister umbrachte.“ Das war die Wahrheit. Sie empfand es als schwierig, jemanden anlügen zu müssen, der es gut mit ihr meinte. Aber das oberste Gebot für alle Vampire war die Regel der Unauffälligkeit und das galt sicher zweimal für den Inquisitor. „Als ich wieder einigermaßen klar denken konnte, war ich neben dem toten Meister allein im Raum. Draußen schrieen andere Menschen, in dem Hof, meine ich.“ Das stimmte und jetzt konnte sie wieder bei der Wahrheit bleiben: „Ich rannte die Treppe hinunter. Monica, eine andere Frau und ein Mann kamen mir durch die offene Haustür entgegen und erzählten, dass die Wachen durchgedreht wären, sie angreifen würden. Ich meinte, wir sollten hier weg, schleunigst verschwinden….Aber der Mann sagte, dass er noch nach dem Meister sehen wollte und lief die Treppe empor. Wir drei gingen dagegen in den Hof. Ich….ich half einer Frau gegen den Angreifer, der sich abwandte, und Monica übernahm sie. Und dann half ich noch einem anderen Mann.“ Das stimmte mit den Aussagen der anderen beiden Frauen überein, aber das verschwieg ihr der Inspektor: „Warum sind Sie nicht wie die anderen hinausgelaufen?“ „Wegen des einen Mannes. Mir fiel ein – ich gebe zu, das klingt ziemlich dämlich – dass der Meister ja tot wäre. Das musste er doch auch gesehen haben. Wo blieb er? Ich vermutete zu diesem Zeitpunkt, dass er die…die Leiche bergen wollte. Aber er sollte doch ebenso von dieser Hacienda weg wie ich oder die anderen. So rannte ich zurück in das Arbeitszimmer.“ Sie sollte besser nicht erzählen, was sie da genau sah, geschweige denn, getan hatte. Eine Kurzfassung würde es auch tun. „Er lag neben dem Meister am Boden. Und zwei der Wachen.“ „Waren sie alle schon tot?“ „Ich…ich denke ja. Aber ich habe sie nicht angefasst. Das war dann doch ein bisschen viel. Ich lief einfach los, aus dem Tor. Von den anderen Menschen sah ich niemanden mehr, bis ich die Strasse erreichte. Ein LKW-Fahrer war dann so nett, mich nach Mexiko-City mitzunehmen. Und ich nahm das nächste Flugzeug.“ „Sie dachten nicht an die Polizei?“ „Nein. Ich kam erst im Flugzeug wieder einigermaßen zur Ruhe. Und da dachte ich nach. – Das war dann ja auch der Grund, warum ich Sie in Brüssel aufsuchte.“ „Ja. – Ihnen ist klar, falls dieser Don Fernando aufgegriffen wird, wird es zu einer Anklage gegen ihn kommen. Da sind Sie dann die Hauptzeugin.“ „Ja, das ist mir inzwischen klar.“ Immerhin konnte sie sicher sein, dass der nie gefangen werden würde: „Ich werde in diesem Fall auch meine Aussage wiederholen.“ „Gut. Ich schreibe die Niederschrift Ihrer jetzigen Aussage in meinem Hotel und bringe Sie Ihnen morgen zur Unterschrift vorbei.“ „Danke. Darf ich Ihnen jetzt auch eine Frage stellen?“ „Hm? Oh, wo die anderen Sekten waren, die solche Blutopfer verlangten?“ „Ja. Und wann.“ „Immerhin scheint dieser Meister nur ein altes Muster aufgenommen zu haben. Die ersten Hinweise dieser Art stammen aus den Dreißigern des letzten Jahrhunderts, Indien, zu Ehren der Göttin Kali. Dann gab es einen Vorfall im damaligen Rhodesien in den Vierzigern. Aber dann geschah lange nichts – oder die Polizei bekam es nicht mit. Erst 1985 passierte erneut ein derartiger Sektenmord in Brasilien. Und dann in den letzten zwanzig Jahren waren es vier, zumeist in Süd- und Mittelamerika, aber auch einer in Indonesien. Das waren dann wohl dieser Meister und Don Fernando. Wie alt war der Meister, sagten Sie?“ „Äh, ich sagte gar nichts dazu, weil ich ihn nicht abschätzen konnte. Anfang Vierzig oder Ende Fünfzig, sicher. Aber vielleicht auch jünger…Tut mir Leid.“ „Wenn er früh angefangen hat, warum nicht. Schade, dass niemand seinen Namen sagen kann. Die mexikanischen Kollegen haben seine Bankkonten, genauer, das Bankkonto der „Gemeinschaft der Gläubigen des Blutes“ überprüfen lassen. Er hat das Geld seiner Jünger nicht lange auf diesem mexikanischen Konto gelassen, sondern gleich weiter überwiesen.“ „Und an wen?“ „Ein Nummernkonto auf den Bahamas. Und das ist etwas, wo wir nicht weiterkommen. Die Banken dort nehmen das Bankgeheimnis sehr wörtlich. Wer ein Nummernkonto eröffnet, muss sich nicht einmal ausweisen. Die USA sind zwar wegen Steuer- und Terrorfahndung dauernd dran, dass sie das ändern sollen, aber noch haben sie es nicht getan.“ Sarah nickte: „Also war der Meister sehr vorsichtig.“ „Ich denke, sonst hätte er es nicht so durchziehen können. Aber ich sorge dafür, dass die Polizei von Nassau ein Auge auf das Nummernkonto hält. Wer dort abheben will, dürfte Don Fernando sein. Und bei mehrfachem Mord hört auch auf den Bahamas der Spaß auf.“ „Zu Recht. Danke, Mr. Cuillin. Halten Sie mich ein wenig auf dem Laufenden?“ „Ein wenig. Ich kann mir nicht erlauben, Dienstgeheimnisse in der Zeitung lesen.“ „Das ist keine Story für mich. Das ist mir passiert, wissen Sie.“ „Ich verstehe, Lady Sarah. Danke für Ihre Aussage. Jetzt werde ich Sie nicht länger aufhalten.“ Sie hoffte inständig, dass die Ratsmitglieder nicht ausgerechnet diesen Moment wählen würden, um Lord John zu verlassen, als sie den Polizisten zur Tür begleitete: „Wann werden Sie morgen kommen?“ „Sagen wir, um elf?“ „Ja, gut. Bis morgen, Inspektor.“ Frances sah fragend auf, als sie hereinkam: „Ärger, Sarah?“ „Nein. Ich hätte daran denken müssen, dass die menschliche Polizei nicht schläft. – Eine Frage, Frances. Sie haben sich doch schon in andere Computer…wie nennt man das? In die Blutbank und so?“ „Eingehackt? Ja.“ „Wäre das – nur theoretisch – bei jedem System möglich?“ „Theoretisch ja. Praktisch gibt es natürlich Sicherungen.“ „Banken sind sicher sehr gesichert.“ „Ja.“ Frances legte den Kopf schief: „Vielleicht sagen Sie mir, was Sie suchen, Inquisitor. Und ich werde sehen, was ich tun kann. Ich verspreche Ihnen auch, dass nicht einmal Sir Angus etwas darüber erfahren wird.“ „Auch, wenn das womöglich Ärger bedeutet?“ „Im Auftrag des Kadash? – Bei meinem Blut und dem aller Vampire“ Das war der bindendste Schwur, den ein Vampir nur aussprechen konnte. Die junge Inquisitorin war beeindruckt: „Danke. Dann erzähle ich Ihnen einmal die Angelegenheit.“ Eine halbe Stunde später war Sarah klar, dass sich Frances weniger für Sektenmorde als das Problem interessierte, wie man die Geldströme verfolgen könnte. „Der Besitzer eines Nummernkontos...hm. Natürlich kennt ihn die Bank auch nicht, wenn er sich nicht ausweisen muss. Vielleicht hat er das nur dort als Altersvorsorge eingezahlt, aber das glaube ich nicht. Er muss einfach auch Ausgaben für die Hacienda gehabt haben: Strom, Wasser, Kaufpreis... Sind die von dem mexikanischen Konto weggegangen?“ „Ja, vermutlich. Wenngleich ich doch annehme, dass Wasser und Strom dort selbst hergestellt wurden. Es war ja mitten in der Einöde.“ „Ich werde darüber nachdenken. Ohne Internetanschluss komme ich hier so nicht weiter. Hoffentlich sind die Menschen schnell und schalten ihn in drei Tagen wirklich frei. Bis dahin werde ich mir so einiges überlegen. Schließlich werden Sie keinen Wert darauf legen, dass meine Hackversuche zu Ihnen nachverfolgt werden können.“ „Sicher nicht. Gibt es da Mittel?“ „Es gibt immer Wege, Lady Sarah.“ Frances lächelte, sichtlich schon in Gedanken: „Dann würde ich mich jetzt einmal zurückziehen und nachdenken. Die Nacht ist zwar noch nicht vorüber, aber…“ „Natürlich. Danke für Ihre Hilfe, Frances.“ Die beiden Vampirinnen verließen das Zimmer. Als sie in die Halle traten, taten dies auf der anderen Seite auch soeben Lord John und seine beiden Gäste. Alle neigten höflich die Köpfe. „Ah, meine Damen, “ meinte der Hausherr freundlich: „Gute Jagd.“ „Gute Jagd“, gab Frances zurück, ein wenig erstaunt, dass die ihr unbekannten Vampire sie interessiert betrachteten. Sarah bemerkte es. Sie müsste da wohl noch etwas erklären – später, wenn die Ratsmitglieder gegangen waren. Ganz sicher prüften die beiden, ob sie ein Vampir war. Das hätte peinlich werden können, in der Tat, wären die beiden Kenneth Cuillin begegnet. Sie würde da irgendwie künftig besser aufpassen müssen. Nur wie? So meinte sie formgewandt: „Ich hoffe, die Bibliothek meines Vaters konnte Ihnen weiterhelfen.“ „Oh, ja, danke, Lady Sarah.“ Kai war ehrlich erfreut: „Ich glaube, umfangreicher ist nur die des Rates selbst. Und was dieses Gebiet betrifft, nicht einmal das.“ „Sie machen Komplimente, mein Freund.“ Lord John klang geschmeichelt: „Ich habe nur eben schon mit Sammeln begonnen, als ich auf diese Insel kam.“ „Was vor meiner Zeit war.“ Der Kelte lachte ein wenig: „Danke jedenfalls für das Rezept. Ich werde es in meiner privaten Schmiede ein wenig ausprobieren. Aber derart rot leuchtende Bronze scheint mir im Moment wirklich eine Herausforderung zu sein. Gute Jagd, Lord John, Lady Sarah…“ Er neigte vor Frances als ihm Unbekannter nur den Kopf. Ikol tat das Gleiche: „Gute Jagd.“ Als die Ratsmitglieder gegangen waren und der Hausherr hinter ihnen die Tür schloss, fragte Sarah: „Kai kam, um sich ein Rezept für Bronze zu holen? Ich dachte, er sei sowieso der Spezialist für Schmiedesachen.“ „In der Tat. Aber es gibt auch Dinge, die vor seiner Zeit erfunden wurden – und manchmal auch bereits wieder vergessen wurden.“ Lord John nickte ein wenig. Sarah fiel wieder ein, dass er die Berufung in den Hohen Rat abgelehnt hatte. Er war älter als Kai – und damit sicher auch mächtiger in der Magie. Warum nur hatte er diese Ehre und diese Macht abgelehnt? Um abzulenken meinte sie nur: „Ich bin froh, dass du ihm helfen konntest. – Morgen Vormittag kommt Inspektor Cuillin noch einmal, er will dann meine Aussage unterschreiben lassen. Wegen der Sache in Mexiko war natürlich auch die menschliche Polizei alarmiert.“ „Das ist selbstverständlich allein deine Sache. - Kommt ihr mit dem Computer voran?“ „Ja, danke. Lady Sarah stellt sich recht geschickt an, “ erwiderte Frances nicht nur höflich sondern ehrlich. Sie hatte es schlimmer befürchtet. Die meisten Vampire wehrten sich gegen die moderne Technik und sie war froh gewesen, bei dem, wenn auch unfreiwilligen, Treffen in Edinburgh mit Gordon MacGregor und dessen Schülern Mitglieder ihres Volkes getroffen zu haben, die sich der Entwicklung angepasst hatten, ja, sie für ihre Zwecke nutzten: Schifffahrt, Meeresbiologie, Tauchen….Und der neue Inquisitor und ihr Vater schienen ebenfalls aufgeschlossen zu sein. „Ich darf mich zurückziehen, Lord John?“ „Selbstverständlich, liebe Frances. Fühlen Sie sich wie zuhause.“ Und da die Schottin die Treppe emporging: „Was hast du noch vor, Sarah?“ „Magst du mir eine Geschichte erzählen?“ Frances lächelte ein wenig. Eine Geschichte erzählen…wie oft hatte sie ihren Meister schon darum gebeten: Dinge von früher, über Vampire. Es war eine recht gemütliche Sache – natürlich auch lehrreich, aber vor allem gab es das Gefühl, eine Familie zu sein. Es war nett, wenn der Inquisitor ähnlich dachte. Dann jedoch schloss sie ihre Zimmertür. Es gab viel, worüber sie nachdenken musste, wollte sie sich nicht blamieren. Lord John dagegen war ein wenig erstaunt und sah rasch zum Treppenhaus, ehe er die Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete: „Komm und setz dich an den Kamin.“ Sarah gehorchte. Als er ihr gegenüber Platz genommen hatte, meinte er: „Du neigst seit langen Jahren nicht mehr zu Märchenerzählungen. Was willst du über wen wissen?“ „Donna Innana erwähnte, du hast die Berufung in den Hohen Rat abgelehnt. Kai ist jünger als du, und ich vermute, auch weniger mächtig in der Magie. Was hat dich dazu bewogen?“ „Also nicht der Kadash sondern Sarah?“ Er lächelte etwas: „Natürlich muss ich mich vor dir nicht rechtfertigen.“ „Verzeih, das…wenn das so geklungen haben sollte, tut es mit Leid. Und wenn du nicht darüber reden willst, lass es. Bitte. Ich habe mich nur gewundert.“ „Verständlich. Es dürfte nicht oft vorkommen. Die gute Innana plaudert allerdings. Es wird gut, wenn sie wieder nach Hause kann und sich um die Ausgrabungen kümmert. – Es ist aber eine etwas längere Geschichte, ich warne dich.“ Sarah lächelte und kuschelte sich bequem auf den Sessel. ********************************** Im nächsten Kapitel berichtet Lord John aus seiner Vergangenheit, Sarah versucht, gegenüber Mr. Cuillin ihre Fehler wieder gut zu machen und Frances ermittelt... bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)