Ajax - Victis Romanis von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 16: Kapitel 16 ---------------------- Kapitel 16 Die Lage im Orbit war angespannt, das wussten sowohl Colonel Sheppard, als auch Praefectus Castrorum Demetrius, als auch Major Evan Lorne und Centurio Armorum Hephaistos. Und trotzdem konnten sie kaum etwas anderes tun, als es allen anderen Soldaten auf der Oberfläche gleichtun und sich entspannen – bevor der große Sturm begann. Sie hatten noch ihre 'alten' Verteidigungsstellungen, ihre alten MG-Nester und Alarmposten, also war in sofern keine Arbeit mehr nötig. Das einzige, was sie noch eingerichtet hatten, waren mehrere FlaRak-Einheiten am Basiscamp – die Wraith würden garantiert nicht auf Lufthoheit und Luftnahunterstützung oder Bombardements verzichten und ihnen damit versuchen, einen beinahe schon tödlichen Schlag zu versetzten. Doch nicht mit diesen Kommandanten – das konnten die Wraith vergessen! Vor wenigen Minuten war die Nachricht eingetroffen, dass die letzten Gefallenen der Apollo geborgen waren und die Soldaten, die sie weggebracht hatten, bald zurück kamen. Sie verteidigten auf dem ganzen Planeten nur eine Position – das Basiscamp. Pioniere verschlossen gerade mit Schweißbrennern den Bacheingang und verminten die kleine künstliche Höhle. Sie wollten nicht den Hauptcomputer wieder in Betrieb nehmen – Gott alleine wusste, was danach passieren würde. Dieses Risiko konnten und wollten sie nicht eingehen, egal, wie viel Unterstützung es ihnen gegeben hätte. Egal was kam – sie wussten eines: Wenn sie sich von unten zurückzogen und sie – wider erwarten – die Raumschlacht, die sicher folgen würde, verloren, dann wären sie auf der Ajax oder dieser Lantea ziemlich im Eimer. Die Wraith würden unter Garantie keine Gefangenen machen. Und wenn sie es doch taten, dann kannten sie keine Genfer Konventionen, keine Menschenrechte und erstrecht keinen Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten – wie man es eigentlich von einer so hoch entwickelten Rasse erwarten konnte. Es war die Ruhe vor dem Sturm – trügerisch, erwartungsvoll und jederzeit bereit, sehr, sehr ernst zu werden... Der finale Scan lag vor – im Orbit tummelten sich auf Seiten der Wraith sieben Basisschiffe, fünfunddreißig Kreuzer, zwanzig Zerstörer und drei Korvetten. In Anbetracht dessen, dass ein Basisschiff alleine schon über fünfhundert Jäger trug, sah es nicht gut aus, für die beiden Schiffe der Antikerflotte – ein Typ-5-Schlachtschiff und ein Typ-7-Träger, zusätzlich noch ein paar leicht angeschlagene Jäger, Jagdbomber und Bomber. Kurz – es sah nicht gut aus. Sie waren hoffnungslos in der Unterzahl, die Magazine der Lantea waren alles, nur nicht voll, ebenso wie die der Ajax. Zwar war letztere von Haus aus robust, aber zwanzig Jahre ohne ein anständiges Trockendock in einer anständigen Werft gingen auch nicht spurlos an den äußerst robusten Schlachtschiffen der Aurora-Klasse vorbei. Und die Lantea war ein Prototyp – ihre Systeme waren nicht ausgereift, ihre Struktur nicht optimiert und ihre Unterstützungssysteme waren auch 'neu', ebenso wie die Zusatzmaschinen. Zwar war das Schiff schon fast zehntausend Jahre alt – nach den Aufzeichnungen, die Éva und Chuck gesichtet hatten, war sie kurz vor der Schlacht um das Tal der Sterne im Geheimen vom Stapel gelaufen, vier Tage nach Salamis war sie 'offiziell' in den Flottendienst übergeben worden – aber trotzdem war während der gesamten Zeit nicht ein einziges System modernisiert worden. Sie standen also vor einer schier unüberwindbaren Aufgabe – aber jeder auf den beiden Schiffen der Antiker hatte seine Begründung, warum er überleben wollte – Chucks zum Beispiel war, dass er noch einmal seine Freundin sehen wollte, vielleicht mit der Aussicht, ihr sagen zu können, das nur der Gedanke an sie des öfteren seine einzige Motivation in der härtesten Krisenregion zweier Galaxien war. Er wusste, es hörte sich extrem schnulzig an, aber so war es nunmal und er schämte sich nicht dafür. „Registriere Start von Darts!“, meldete er mit einer gewissen Dringlichkeit, aber auch Ruhe in der Stimme auf der Brücke der Lantea. „Bisher sind es etwas über vierhundert in loser Formation.“ Er blickte über die linke Schulter – zu Éva und dem taktischen Hologramm vor ihr, auf dem die Wraith-Schiffe in giftigem Grün, die der Antiker allerdings in einem beruhigenden Braunton dargestellt wurden. Auch die Trümmer waren verzeichnet, teils gigantische schwarze Objekte warfen ihre Sensorschatten, die durch die passiven Sensoren einiger Sensordrohnen leicht gelichtet wurden – doch wie sollte man eine gigantische Lagerhalle, in der locker die US-Pazifikflotte Platz gefunden hätte, mit einigen Taschenlampen ausleuchten? Die vorläufige Kommandantin des Trägers jedoch blieb bei dem Anblick – obwohl sie nach ihrem Gesicht zu urteilen einen sehr ähnlichen Gedanken wie der Kanadier hatte – ruhig, mehr noch, sie atmete durch und befahl mit ruhiger Stimme: „Ata, Jäger raus, sie sollen sich zu einem Schild formieren, Jagdbomber ebenso, die Bomber bleiben in Reserve. Private, halten sie die Punktverteidiger bereit, maximale Energiezufuhr. Sergeant, geben sie mir bitte die Ajax.“ „Jawohl.“, kam es aus drei Kehlen, die sich sofort an die Arbeit machten. Zusätzlich meldete Chuck noch: „Kanal ist offen, sie können sprechen!“ „Praefecta, hier Éva, Jäger im Anflug – wir geben ihnen eine Art Eskorte. Schlage vor, erstmal die Korvetten zu eliminieren, dann können die Bomber der Lantea angreifen!“, schlug sie vor und wartete gespannt. Der Plan entstand nicht auf die schnelle, bei weitem nicht – im Endeffekt war es genau der gleiche Plan wie über dem Planeten der Banshee, nur ohne den Hyperraumsprung. „Was?!“, fragte die Ranghöchste der kleinen, aber schlagkräftigen Flotte. Es war nicht weiter verwunderlich, dass sie verwirrt war – bisher war die Lantea nur einmal im regulären Flottendienst eingesetzt worden, kurz nach ihrem verschwinden und dann auch noch ohne, dass es reguläre Aufzeichnungen gab. „Eine lange Geschichte, Praefecta, vertrauen sie uns – wir glauben zu wissen, was wir tun!“, bemerkte sie schmunzelnd. Sie war sich sicher, dass es bei ihrer Kommandantin ein ebensolches auslöste. „Verstanden – sie führen die Formation!“, meinte Athene noch und gab sie dann weiter an den Navigationsoffizier, einen netten jungen Mann namens Archimedes, der sie bat, die Ajax in ihre Position einzuweisen. Sie wusste nicht warum, aber die Praefecta überließ Éva das Kommando über beide Schiffe – ihre geliebte Ajax und die Lantea. Sie hatte es schon genau im Kopf – die Lantea war mit einem leichten Artillerielaser nachgerüstet worden, eine Waffe, die dem Schiff trotz seines Alters und doch relativ geringen Feuerkraft – im Vergleich zu den schweren der Artilleriekreuzer – gute Dienste geleistet hatte. Sie schätzte, dass es gute zwei Schüsse brauchte, um eine Korvette zu vernichten. Sie hatten aber immer noch die Ajax, die ihnen Deckung geben konnte, ebenso wie die Jäger. Obwohl sie gegen die Darts genauso viel ausrichten konnten, wie die Lantea, wurde sie doch in die Deckungsposition geschoben, hinter das Wracks zweier Wraith-Basisschiffe, die schon vor Jahrhunderten zusammen gekracht waren und sich nun wahrscheinlich erst unter Beschuss lösen würden. Die etwas kürzere Lantea hatte sich hinter einem der ehemaligen Schlachtschiffe der Aurora-Klasse positioniert, welches ihnen durch seine immer noch vorhandene Rumpfstabilität eine gute Deckung bot und in einem niedrigeren Orbit kreiste als die Deckung der Ajax. Die Wraith schienen die Bug-Batterien der Basisschiffe und Kreuzer auf das Trümmerfeld gerichtet, doch die Kapitalen hatten noch keinen Schuss abgegeben. die Korvetten hatten sich etwas davor positioniert, bereit, alles und jeden, der sich zwischen sie wagen würde, mit ihren Plasma-Geschützen ins Kreuzfeuer zu nehmen. Gedeckt auf ihrer etwas exponierten Position wurden sie von den ein paar Zerstörern geschützt, der Rest wartete als taktische Reserve, fast alle Darts, die die Wraith Schiffe in ihren Bäuchen getragen hatten, waren gestartet und auf dem Weg zu der kleinen Antikerflotte. Doch es kam anders, als sie es die Antiker wollten – die Darts formierten sich zu einer einzigen, gigantischen Armada und brachen nach oben aus, zur gleichen Zeit begannen die Wraith-Kapitalen zu feuern. Der einzige Gedanke von Éva, als die Wraith die Deckungen weg schossen, war schlicht: Scheiße! Sie hatte sich verrechnet – jetzt würden die Darts von oberhalb der Lantea kommen und sie auseinander nehmen. Die Ajax würde im Feuersturm der Basisschiffe und Kreuzer untergehen. Doch bevor sie einen Plan fassen konnte und entsprechende Befehle geben konnte, nahm das Schiff Fahrt auf – aus der Deckung. Alle blickten entsetzt zu Hancock, der zurück trat die Hände erhoben. „Ich war`s nicht!“, stellte er mit leichtem entsetzen in der Stimme fest und drehte sich um – seine Kameraden waren mindestens ebenso verblüfft. „Ihr müsst gehen.“, stellte eine weibliche Stimme am Haupteingang zur Brücke fest. Dort wartete die der Schiffs-Avatar. „Bitte. Und schnell. Ihr bekommt eine Eskorte.“ Alle sahen sie an, wie sie flankiert von zwei Azrael-Robotern in der Tür stand und denen die gehen sollten, mehr als genug Platz ließen. Die ersten Schüsse der Wraith trafen auf die Schilde des Trägers, das Feuer auf dieses Ziel verstärkte sich. „Ihr müsst gehen.“, stellte der Avatar in Gestalt der Stammmutter der Pegasus-Antiker noch einmal fest. Éva schluckte schwer. „Ihr habt sie gehört.“, meinte sie mit belegter Stimme. „Schiff evakuieren.“ Hinter ihr liefen die beiden Erdsoldaten zu ihren Rucksäcken und nahmen sie ebenso wie ihre Waffen auf, Atalánte trennte den Datenspeicher mit der Hauptdatenbank der Lantea vom System und packte ihn ebenso ein. Während das kleinen kontrollierte Chaos zum Stillstand kam und alle auf Éva warteten, meinte sie nur einfach zu ihren Kameraden: „Der Captain geht mit seinem Schiff unter.“ Sie lächelte. „Chuck, bringen sie meine Crew in einem Stück raus!“, befahl sie mit fester, aber gleichzeitig belegter Stimme. „Aye, aye, Captain!“, bestätigte er und salutierte. Hancock tat es neben ihm gleich. Beide packte Atalánte, die geradezu apathisch ihre Freundin anblickte, unter den Armen und rannten los, wie sie noch nie in ihrem Leben gerannt waren. Fünfhundert Meter waren es von der Brücke bis in den Ventralhangar, wo ihr Jumper stand. Das Feuer verstärkte sich, das Schiff wurde immer mehr erschüttert. Die beiden Soldaten von der Erde liefen aber ohne Gnade mit Atalánte an beiden Armen gepackt durch das Schiff – der letzte Wille eines fühlenden Wesens war heilig. Zu dem Krachen der Einschläge von Wraith-Schiffsartillerie gesellte sich noch ein andres Geräusch, mehr ein dumpfes Röhren, wie von Nashörnern mit Hämorrhoiden – das geschulte Ohr hätte gehört, dass es sich um Artillerielaser der Antikerflotte handelte. Die Lantea schlug endlich zurück und nahm auch gleichzeitig immer mehr Fahrt auf. Vor ihnen öffnete sich die letzte Schotte – Chuck glaubte, dass er mit seiner leichten Flugangst noch nie ein schöneres Luftfahrzeug gesehen hatte, als Jumper 14. Die Heckklappe stand immer noch einladend offen, ihnen direkt zugewandt. Schneller, als man denken konnte, luden sie die Unteroffizierin der Flotteninfanterie auf der Rückbank ab und stellten die Rucksäcke ihr gegenüber. Hancock ging ins Cockpit, er hatte eine kurze Einweisung in den Flug eines Jumpers von Major Lorne erhalten, so wie alle ATA-Gen-Träger, und wärmte die Systeme vor und bereitete auch sonst alles auf den Start vor. Chuck ging vor Atalánte in die Hocke, die mit gesenkten Haupt in die Leere starrte. „Ich kenn` eine Psychologin.“, meinte er und schlug sich selbst dafür – taktloser wäre wirklich nur sein Landsmann McKay gewesen. Trotzdem machte er weiter. „Wenn du mit ihr nicht reden willst – Hancock und ich sind da, sobald wir weg sind...“ Die Soldatin reagierte nicht. Chuck hatte während der ganzen Zeit das Gefühl gehabt, dass die beiden sehr, sehr enge Freunde waren – es war auch logisch. Zwanzig Jahre und man ging sich entweder aus dem Weg oder man freundete sich an. „Wir sind da.“, meinte der Kanadier nur noch einmal, nahm ihr mit einer Handbewegung ihre Pistole ab und ging nach vorne. Mit einer lockeren Handbewegung warf er vorne die Waffe auf das Armaturenbrett des Co-Piloten und sah zum eigentlichen Piloten. Chuck hatte nicht das Gen, weder von Geburt, noch hatte die Therapie gewirkt, Atalánte war nicht in der Lage – also blieb nur noch einer: Hancock. „Also, Private, wie sieht es aus?“. fragte er nervös, während er sich die Kontrollen vor ihm ansah – Sensoren, Anstronavigation, Wahlgerät für das Tor, Schild- und Tarnungsnazeigen. Er hatte so wie jedes andere Expeditionsmitglied ohne Gen eine kleine Einführung in die Anzeigen von Doktor Zelenka bekommen. Sie sollten den Piloten entlasten, die gleichzeitig unter Schirmherrschaft von Major Lorne trainiert wurden – fast sofort nach der Ankunft eines Gen-Trägers teilte er ihn in eines der Trainings ein. Eine Woche in Atlantis – wie oft er wohl schon geflogen ist?, fragte sich Chuck im Stillen mit Blick auf den Piloten. Nicht, dass er ihm nicht vertraute – er hatte nur Zweifel daran, dass sie in einem Stück in Sicherheit ankommen würden. „Gut, Sir. Bereit?“, meinte der Amerikaner mit fester Stimme. Er hatte das dumme Gefühl, dass sie spät dran waren. Von einem deutschen Expeditionsmitglied, einem Kameraden bei der Pilotenausbildung, mit dem er sich recht gut verstand, hatte er einen netten Spruch, die einzigen Worte auf Deutsch, die er neben diversen Flüchen und Beleidigungen konnte, gelernt: 'Fünf Minuten vor der Zeit, ist des Soldaten Pünktlichkeit – nur der Sanitäter, der kommt zehn Minuten später!' Ein Prinzip, was ihm recht plausibel erschien und nach dem er gut leben konnte – nur die Sanis sollten etwas an sich arbeiten. Der Kanadier währenddessen nickte nur stumm. Was bleibt mir anderes übrig?!, schoss es ihm durch den Kopf, mit einer sehr penetranten, sarkastischen Stimme, die ihn sehr an Doktor McKay erinnerte. „Also dann – festhalten, ich hab das dumme Gefühl, dass ich für den Flug aus jeder Ausbildung geworfen werde!“, meinte er grinsend und ließ den Jumper abheben. Unter ihnen öffneten sich die gewaltigen Hangartore, der Pilot stellte seinen Flieger mehr oder weniger auf die Nase – nur dass vor der Nase ein Kraftfeld war, welches die Atmosphäre und andere Objekte im Hangar und das Vakuum und Feindfeuer außen hielt. „Kotztüte bereit, Sir?“, fragte der Marine lächelnd. „Machen sie schon!“, forderte der Sergeant seinen Kollegen mit gespielter Wut auf. Wenn er ehrlich war – und das würde er diesen Flug betreffend zu niemandem sein, nahm er sich vor – hatte er die Hosen sehr voll. „Geronimo!“, murmelte er nur, erntete einen verwirrten Blick auf sein Profil und schob den gedanklichen Schubregler von null auf hundertzehn Prozent Leistung. Den Satz, den das kleine Schiff machte, als sie aus dem Hangar raus machten, presste sie beide trotz Trägheitsdämpfer in ihre Sitze. Aber das Positivste war – sie hatten ein sehr großes Kriegsschiff als Deckung, die Darts waren noch ein großes Stücke entfernt. Sie hatten also Luft. Schnell zog Hancock den Jumper hoch, auf die letzte Position der Ajax zu, und rief das HUD auf. Was er sah, entzückte ihn absolut nicht – die Lantea hatte die Korvetten und die Begleitzerstörer ausgeschaltet, sie trieben brennend im All, die Schnittkanten der Laser konnte man noch sehr gut erkennen. Doch der Träger war nicht umsonst aus seiner Deckung gebrochen. Unerschütterlich hielt sie weiter und weiter auf die Hauptformation der Wraith zu. Dann machte es auf dem HUD ein Geräusch und sie verstanden – eine Energiespitze baute sich auf, und das nicht mal eine so kleine. Beide Soldaten sahen sich an, in beiden Organen hinter den Augen formte sich ein Gedanke: Weg hier! Hancock zog den Jumper hoch um die Flugbahn des Trägers, von dem sie gestartet waren, nachzufliegen. Es stellte das sicherste dar, denn das Waffenfeuer der Wraith traf zu längst nicht hundert Prozent und die Lantea gab dadurch eine gewisse Deckung. In ihrem Schatten war es also erheblich unwahrscheinlicher, getroffen zu werden, als wenn sie außen rum Hacken schlugen, zumal sie durch solche Manöver nur Zeit verloren. Die Darts indes, so sahen die beiden Menschen auf dem HUD, setzten ihren Anflug unbeirrt fort, die Jägereskorte für die Ajax kam den kleinen Schiffen entgegen entgegen und belegte die absolut präzise Keilformation, die die Wraith gebildet hatten, mit Feuer. „Entfernung wird größer...“, murmelte der Kanadier angespannt. Er wusste, wie sein amerikanischer Untergebener, dass es ein großes – ein wirklich ziemlich großes – Bumm geben würde, wenn die Reaktoren der Lantea detonierten. „...und gleich krachen sie rein...“ Tatsächlich steuerte der Träger mit Karacho auf eines der Basisschiffe zu, welches besonders in der Mitte der Formation schwebte, wie das Flaggschiff eines Flottenadmirals. Doch obwohl sie schon viele Löcher in den Rumpf geschossen hatten, hatten sie bisher keine der wichtigsten Systeme zerstört, geschweige denn dem Schiff seine gewaltige kinetische Wirkung geraubt. „Aufschlag in... fünf...“, begann Chuck runter zu zählen, vor ihm baute sich das HUD auf, der braune Punkt der Lantea näherte sich immer mehr dem giftgrünen des Flaggschiffs. „Vier...“Rote Striche, ohne Zweifel Energieentladungen, rasten auf dem HUD von den Wraith-Schiffen auf das Antikerschiff zu, nur vereinzelte Ladungen antworteten ihnen. „Drei...“ Sie hatten den schlimmsten Bereich gerade mit ihrem Jumper verlassen, sie würden also nicht mehr ohne Zweifel von der Druckwelle der Reaktorexplosion zerrissen werden. „Zwei...“ Keiner der beiden wusste warum, aber in diesem Moment lief ihnen ein kalter Schauer über den Rücken. „Eins... Null.“ Chuck sah auf seinen Piloten. Der braune und der grüne Punkt überlagerten sich, die Spitze erhöhte sich weiter. „Reaktorbruch in zwei Sekunden ab... jetzt.“ Der Marine nickte nur und schob den gedanklichen Schubregler weit über die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit für Raumfahrzeuge hinaus. Éva rappelte sich nur mit Mühe von der vordersten Konsole der Brücke hoch. Das Grinsen, welches ihr Gesicht zierte, war mehr als nur fies – selbst der Teufel höchst persönlich würde sich in die Hosen machen. Sie waren mitten in die Struktur eines Basisschiffes Bug voraus geflogen. Die Lantea selbst würde wahrscheinlich nie wieder sich majestätisch in den Himmel erheben können. Ihre Zeit war vorüber – seit fast zehntausend Jahren. Niemand hatte es mitbekommen, aber die Offizierin war immer genau der gleichen Meinung gewesen. Deshalb hatte sie mit der Schiffs-KI und dem Avatar zusammen die Selbstzerstörung vorbereitet. Sie hatten schon lange bevor Chuck verschlafen zu ihnen getorkelt war, gewusst, dass sie verfolgt wurden. Und sie hatten gewusst, wie stark die Flotte war. Sie hätten keine Chance im direkten Gefecht gehabt, selbst nicht zusammen mit der Ajax. Unsere Zeit ist wirklich um..., dachte sich Éva als letzten Gedanken, während das gesamte Schiff von einem lauten Summen erfüllt war – der Reaktor stand kurz vor der Explosion. Die Schiffsgeneratoren der späteren Generationen von Antikerschiffen und ZPMs unterschieden sich nicht sehr – beide zogen ihre Energie aus einer eigenen Subraumzeit. Während ZPMs diese allerdings speicherten, zogen Reaktoren die Energie je nach Bedarf. Das hatte den ein oder anderen Vorteil, unter anderem, dass die Wraith das Schiff nicht in einer Blitz-Aktion entern und das ZPM stehlen konnten. Der wichtigste jedoch war, dass laut Berechnungen ein Basisschiff einen so ausgestatteten Typ-10A-Schlachtkreuzer Jahre lang beschießen konnte, ohne, dass das Antikerschiff größere Schäden davontrug. Der 10A – auch bekannt als Cantus-Vespertinus-Klasse oder schlicht als Abendgesang – war erst sehr spät vom Stapel gelaufen, es waren kaum ein halbes Dutzend Einheiten produziert worden. Sie hatten nicht mehr viel ausrichten können, vor allem, weil die Wraith immer mit ganzen Geschwadern von Jägern die Schiffe angegriffen hatten. Die einzigen beiden anderen Schiffe, die mit diesen speziellen Reaktoren des Typ-10A ausgestattet worden waren, waren die Träger gewesen – die Lantea als Prototyp und die Pollux als Vorserienschiff. Sollte es zu einer Überlastung dieser Reaktoren kommen, war wahrscheinlich der einzige Grund, dass man viel zu viel in die Zwischenbatterien geladen hatte, die kleinere Schwankungen auffangen sollten. Die Batterien selbst fassten weit weniger als ein ZPM aber immer noch genug, um ein Schiff mehrere Stunden auf Vollbetrieb laufen zu lassen. Es waren sogar kleinere Hyperraumsprünge drin, wenn man sparsam das Schiff betrieb. Doch sollten die Batterien überlastet werden, ihre Grenzwerte bei weitem überschritten werden, so konnte es einem sehr gut passieren, dass die Batterien ihre Energie einfach wieder abgaben. Genau das passierte jetzt etwa zwei Lichtsekunden von Victis Romanis entfernt. Die Lantea verwandelte sich und das Basisschiff in einen gigantischen Ball expandierende Ionen, einzelne Begleitschiffe versuchten aus der Formation auszubrechen. Es war schon längst zu spät dafür – der Ionenball verschlang neben dem Basisschiff, welches die Lantea gerammt hatte, vier weitere, ebenso wie fünfundzwanzig Kreuzer und alle Zerstörer, von den gestarteten Alarmrotten der Wraith gar nicht angefangen. Alles, was die eigentliche Explosion der Schiffe überlebt haben konnte, verdampfte unter höchsten Qualen in den Bäuchen der Wraith-Schiffe, als sich die Ionenwelle durch ihre Körper fraß. Der Ball expandierte, doch je weiter er kam, desto geringer wurde seine Kraft. Nach einer Lichtsekunde wurde Jumper 14 durchgeschüttelt, alle drei Insassen waren weitesgehend unversehrt. Nur Atalánte stieß sich ziemlich heftig den Kopf. Nach etwa ein dreiviertel Lichtsekunden wurde die Ajax erheblich weniger durchgeschüttelt – für sie war es der Nahkampf mit einem Basisschiff, welches gerade explodierte. Dem Schlachtschiff und den Trümmern im Orbit sowie der Atmosphäre hatte die Victis Romanis-Expeditionsgruppe wohl ihr Leben zu verdanken – wären sie nicht gewesen und die Explosionswolke ungebremst in auf den Planeten getroffen, hätten die Atmosphärentemperatur erheblich zugenommen und der UV-Schutz der Lufthülle wäre zerbrochen. Ultraviolette Strahlen hätten die Expeditionsgruppe gekocht. Auch einige der Darts der auf die Ajax zustrebenden Formation wurden zerrissen, andere wurden durch die Explosionswelle gegeneinander geschleudert. Alles in allem sah es weitaus besser aus, zumal die überlebenden zwei Basisschiffe und zehn Kreuzer alles andere als unbeschädigt waren. Doch es war immer noch ein schier unlösbare Aufgabe. Der Rest, unter anderem die Korvetten, hatte die Lantea schon beim Anflug noch zerstören können oder war von der Ionenexplosion zerrissen worden. Im selben Moment, in dem die Batterien des Trägers jedoch explodierten, stellte jeder Jäger, Jagdbomber oder Bomber im System den Betrieb ein und trudelte führungslos durchs All. Kurz sah es so aus, als wäre eine weitere Sonne im Victis-Romanis-System entstanden, die inzwischen verblasst war. Doch die eigentliche Schlacht war noch nicht geschlagen, vor allem, da jetzt die letzten drei Akteurinnen eintrafen – die BC-304-Schlachtkreuzer USS Daedalus, FS Charles De Gaulle und HMS Britannia... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)