Kaltherzig von P-Chi (Kronenmord) ================================================================================ Kapitel 1: Blutpakt ------------------- Der Himmel färbte sich rot, als die Sonne, das Verderben meines Volkes, am Horizont seine letzten Lichtstrahlen auf das Schloss warf. Die dicken Vorhänge aus schwarzem Samt, waren alle fest zugezogen und schützten mich vor den todbringenden Strahlen. Müde strich ich mir eine meiner ewig langen Haarsträhnen aus dem Gesicht und schwang mich mit gewohnter Leichtfüßigkeit aus dem Bett. Sobald der letzte Funken Licht aus dem Zimmer wich, erfüllte mich tiefe Wachsamkeit. Zwar war mein Zimmer leer und unfassbar still, doch der Schein konnte trügen, in diesen Gemäuern. Ich zog mir ein tiefrotes Kleid an und schlüpfte dann in einen noch dunkleren Mantel, von derselben Unheil bringenden Farbe, mit der bereits die Hände meiner Rasse beschmutzt waren. Nicht, als ob uns das etwas ausmachen würde. Es klopfte leise an der Tür. „Eintreten“, flüsterte ich und ließ mich vor dem Spiegeltisch sinken. Ich konnte mir nicht vorstellen, woher diese dummen Menschen das Gerücht hervorbrachten, man könne uns Bluttrinker, oder auch Vampire genannt, nicht im Spiegel sehen. Alles Irrsinn, was sich die Menschen einbildeten. Ein Mädchen, mit kurz geschnittenen blonden Haaren und tiefschwarzen Augen, schlich ins Zimmer und schloss lautlos die Türe. Ihre blütenweiße Stirn zeigte besorgte Falten. Sie wagte es nicht mir in die Augen zu blicken und richtete ihren Blick stattdessen auf die schwarzen Vorhänge. „Mylady“, flüsterte sie und bewegte dabei kaum ihre blassrosa Lippen. Wir unterließen es laut zu sprechen, weil uns Lärm in den Ohren schmerzte, immerhin konnten wir aus ziemlich weiter Entfernung Tiere atmen hören. „Seid Ihr durstig?“ Ich wandte mich meinem Spiegelbild zu, das mir mit einem erschreckend nichts sagendem Gesicht, entgegenschaute. Meine Porzellanhaut war beinahe schneeweiß, meine schwarzen Augen hatten jeglichen Ausdruck verloren. Die Leblosigkeit die mir entgegenblickte konnte unmöglich die meine sein. Wann hatte ich aufgehört mein Dasein zu genießen? „Nein“, antwortete ich, wusste aber, dass dies nicht der einzige Grund sein konnte, weshalb meine Dienerin, der einzige Mensch, den ich jemals gewandelt hatte, mich so früh besuchen kam. Gründe gab es in diesen schweren Zeiten genügend, aber ich weigerte mich seit geraumer Zeit mein Schlafgemach zu verlassen, und bezweifelte deshalb, das gute Neuigkeiten auf mich warteten. Sollte sich doch meine Schwester darum kümmern. Diese schien ihren Platz auf dem Thron, als Königin der Vampire, sichtlich zu genießen. „Die Königin wünscht Euch zu sprechen, Mylady. Sie schien aufgebracht.“ Ich strich mir mit einer silberverzierten Bürste durch meine schneeweißen Haare und bedachte die junge Vampirin mit gelangweiltem Blick. „Meine liebste Schwester ist aufgebracht? Welch Neuigkeit“, erwiderte ich gelangweilt, nicht in der Stimmung für lästige Gespräche mit meiner Schwester, der ich ohnehin seit langer Zeit nicht mehr in die Augen geblickt hatte. Das Schloss war gewaltig, wenn man ein gewöhnlicher Mensch wäre, so würde man sich niemals zurechtfinden und stundenlang, in lediglich einem Flügel, herumirren. Und da meine Schwester, Leonore ohnehin ihre ganze Zeit entweder im Thronsaal oder in ihrem Schlafgemach verbrachte, ging ich ihr grundlegend aus dem Weg. „Geh, Oleen.“ „Es ist wichtig“, erwiderte sie, aufgebrachter. „Ihr sagt immer, es sei wichtig. Doch letztendlich geht es immer um die Werwölfe, die meiner Schwester Schwierigkeiten bereiten. Stets musste ich sie in Schach halten, damit diese nicht über die Ostgrenze angriffen, doch seit den letzten Zweihundert Jahren hat selbst diese Aufgabe keinen Reiz mehr für mich.“ „Ihr wisst von den Angriffen?“ Oleen schien nicht im Geringsten Überrascht. Solche Neuigkeiten verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Und trotz meiner Anweisung, den Westflügel für mich leer zu räumen, schlichen viele neugewandelte Vampire an meinen Gemächern vorbei und hofften einen Blick auf ein Kind königlichen Blutes und reinblütiger Abstammung zu werfen. Viele erzählten mir abenteuerliche Geschichten, oder von ihren Verwandlungen, und versuchten mit aller Macht Eindruck auf mich zu schinden. Vergeblich. Ich hatte weder Interesse an Freunden, noch an Gefährten. Ich blieb gerne alleine und nur eine Handvoll Vampire durften mich besuchen. Man konnte diese sogar an nur vier Fingern abzählen. Oleen, die bestimmte Rechte hatte, da ich sie eher unfreiwillig gebissen hatte. Leonore, die nur selten kam und kaum ein Wort mit mir wechselte. Und schließlich meine beiden Wächter, Lucius und Frederique, die mich mit gewissen Blutquellen versorgten, damit ich nicht den Verstand verlor, wie die armen Geschöpfe, die im Kerker ihr Leben aushauchten. Falls diese überhaupt atmeten. Es kam nicht selten vor, dass sich Außenseiter unserer Rasse gegen uns wandten und die Königin sie dementsprechend bestrafen musste. Oleen trat näher heran, aber nicht nah genug, dass ich sie mit ausgestrecktem Arm hätte berühren können. Aber kein Vampir sehnte sich nach Berührung. Wir blieben kalt. Unsere Emotionen stumpften ab, wenn wir nicht unter Menschen kamen, doch leider hatten sich die meisten nicht im Griff oder hatten sich, so wie meine Wenigkeit, von der lebenden Zivilisation abgeschnitten. „Könnt Ihr keine Ausnahme machen? Gestern, zu Sonnenaufgang, wurde der Südflügel angegriffen. Drei Werwölfe haben sich Zugang verschafft, als die Sonne noch schien.“ „Wie viele Tote?“, fragte ich und legte die Bürste fort. Stattdessen stand ich von dem kleinen Hocker auf und schob die Vorhänge zur Seite. Silbernes Mondlicht beleuchtete den Raum und legte sich wie ein Schleier auf mein Gesicht. Draußen herrschte allgemeine Dunkelheit. Hier und Da, huschte ein Schatten vorbei und störte somit die Ruhe, die normalerweise hätte sein sollen. „Es sind Vierzehn, doch wir konnten nicht alle Körperteile richtig zusammenfügen. Einige sind auch im Sonnenlicht verbrannt ...“ „Konnten die Wölfe fliehen?“ Oleen schüttelte den Kopf. Es schien die Vampirin mit den wirren Haaren zu verunsichern, dass nur ein paar Zimmer weiter, ein Massaker stattgefunden hatte. Ich presste die Lippen aufeinander. Möglicherweise eskalierte der Krieg zwischen den beiden Rassen tatsächlich. Die Werwölfe hatten einen Vorteil erreicht und zeigten uns vor aller Augen, wie leicht sie in das Herz des Schlosses eindringen konnten. Sie verspotteten uns. Mich und meine Familie. „Nun gut, ich bin bereit mich mit meiner Schwester zu treffen. Aber nicht im Thronsaal“, fügte ich hinzu, bevor Oleen auch nur einen Ton von sich geben konnte. „Die Bibliothek. Und trage Sorge dafür, dass sich niemand währenddessen dort aufhält. Ich kann keine Störenfriede gebrauchen.“ Die schwarzen Augen, der gewandelten Vampirin, blitzten für einen kurzen Moment stechend Blau auf und versanken dann wieder in tiefer Dunkelheit. „Natürlich, Mylady“, flüsterte Oleen, mit einem ergebenen Lächeln auf den Lippen, und verschwand durch die Tür. Die Bibliothek, die sich im zweiten Stock des Schlosses befand, war unglaublich gewaltig und bestimmt dreimal so groß wie mein Zimmer. An allen Wänden, standen riesige Kästen, voll geräumt mit den ältesten Büchern der Geschichte und größte Informationsquelle der Vampire. In der Mitte des Marmorfußbodens, stand ein langer Eichenholztisch, deren Tischbeine zu engelsgleichen Geschöpfen geschnitzt worden waren. Direkt darauf, saß wohl eine der schönsten Frauen, die die Welt je gesehen hatte. Langes weißes Haar breitete sich in sanften Wellen über das kastanienbraune Holz aus und ließ sie leuchten. Hübsche schwarze Augen, huschten rasend über die Zeilen des Buches, das die Frau mit den schlanken Armen in den Händen hielt und dabei ihre langen Beine, die unter schwarzem Stoff hervor lugten, ausstreckte. Die blutroten Lippen der Königin, verzogen sich boshaft, als sie mich endlich bemerkte. „Schwester! Ich freue mich dich zu sehen.“ Ich verzog leicht den Mund, angesichts dieser unverfrorenen Lüge. Aber immerhin tat sie wenigstens so als ob. Ich sparte mir eine Einleitung und kam zum Punkt. Je eher ich ihrer Gegenwart entfliehen konnte, desto besser würde ich mich fühlen. Ich liebte sie zwar, doch dass sie unsere Eltern getötet hatte, nur damit sie den Thron besteigen konnte, würde ich ihr niemals verzeihen. „Was wollt Ihr?“ Leonore schnaufte und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Ich zuckte zusammen, weil mich diese Geste zu sehr an mich selbst erinnerte. Schlimm genug, das man uns unter Umständen verwechseln konnte. „So freundlich wie eh und je, Rebecca. Hast du mir denn noch immer nicht verziehen?“ Ich antwortete nicht und ließ stattdessen meine Augen rot aufleuchten, um meinem Schweigen Nachdruck zu verleihen. Die Königin, die nicht älter als 18 aussah, verdrehte die Augen und winkte ab. „Lassen wir das. Wir wissen beide, dass dieses Gespräch wohl kaum ein Ende finden würde. Erinnerst du dich noch? Wir haben einmal fünf Jahre lang in einer Höhle verbracht und diskutiert. Grauenhaft!“ „Leonore“, flüsterte ich drohend, „sagt mir endlich was Ihr von mir wollt, oder ich gehe.“ Die in Erinnerung schwelgende Miene meiner Schwester wurde schlagartig ernst. Ihr durchdringender Blick kreuzte sich mit dem Meinen. „Ich möchte, dass du wieder die Ostgrenze bewachst.“ Ich brauchte nicht lange zu überlegen. „Nein.“ „Doch!“, fauchte sie und bleckte die Fangzähne. „Das war ein Befehl deiner Königin, ich dulde keine Absage!“ Ich verschränkte die Arme und verzog meine Lippen zu einem spöttischen Lächeln. „Ihr wollt mir, Euer eigen Fleisch und Blut, Befehle erteilen? Halte mich nicht für eine Närrin, Schwester.“ Ich zischte das letzte Wort. „Ich bin nicht deine Sklavin, und werde mich niemals, niemals, deinem Urteil beugen!“ Die Königin stieß einen bitteren Fluch aus und schlug mit der Faust auf den Tisch. Das Holz barst unter ihrer Kraft. „Also gut, wie wäre es mit einem Schwur?“, versuchte sie mich zu überredeten und sprang wie eine Katze auf den Eichentisch. „Was für einen Schwur?“, fragte ich misstrauisch und schlich an den Regalen vorbei. Ich strich mit den Fingerspitzen über die Buchrücken, als ob diese mich in Sicherheit vor dieser Bestie bringen könnten. „Solltest du die nächsten fünf Jahre die Grenze für mich überwachen, so wirst du für immer aus meinen Diensten entlassen.“ Ein wirklich verlockendes Angebot, dachte ich und schüttelte sogleich den Kopf. Egal ob ich die Schlossgrenze nun fünf oder hundert Jahre lang bewachen würde, dieser Zeitraum dauerte für mich nicht länger als ein Wimpernschlag. Aber mir bereitete Sorge, dass Leonore ihr Versprechen nicht halten würde. Früher oder Später, würde sie mich wieder brauchen, denn ohne mich war sie ungeschützt, hilflos. Und ich könnte mich niemals aus ihren Klauen befreien, egal wie sehr ich es wollte. „Ich will dein Blut darauf.“ „Traust du mir so wenig?“, fragte Leonore zuckersüß und klimperte mit ihren langen schwarzen Wimpern. Ich konnte erkennen, wie ein Muskel in ihrem rechten Augenwinkel zuckte. Musste ich auf diese Frage antworten? Nein, ich würde es nicht tun. Ich sollte sie mir nicht zur Feindin machen, obwohl ich ohnehin nur noch einen Schritt davon entfernt war. „Ruf deine Dienerin“, sagte ich ruhig und deutete auf die massive Holztüre, zu meiner Rechten. Leonore presste ihre scharlachroten Lippen so fest aufeinander, dass sich diese hellrosa färbten und rief dann mit bissigem Unterton nach ihrer Sklavin. Wenn zwei Vampire untereinander einen Pakt abschlossen, so war es Gesetz dass man jeweils eine Person aufrief die oder der als Zeuge dienen sollte, damit niemand behaupten konnte, es hätte diesen Pakt nicht gegeben, oder jemand habe ihn gebrochen. „Evelyn! Komm her!“ Ein kleines Mädchen, ungefähr sieben – plus/minus fünfzig Jahre –, schlüpfte durch den Türspalt und marschierte in fließender Bewegung auf uns zu. Mit grimmigem Gesichtsausdruck stellte sie sich neben die Königin und musterte mich mit unverhohlenem Hass. Ihre eisblauen Augen hinterließen beinahe Brandlöcher in meiner Haut. Evelyn Firewall wirkte beinahe schon unschuldig, mit ihren purpurrotem lockigem Haar und den Stirnfransen die fast ihre großen Kinderaugen verdeckten. Kein Mensch würde jemals dahinter kommen, dass es sich hier um das personifizierte Böse handelte; in Form einer kleinen, süßen Siebenjährigen, die meine Schwester während der Pest verwandelt hatte. Seitdem wich dieses kleine Monster nicht mehr von ihrer Seite. „Meine Königin“, flüsterte die ergebene Sklavin der Königin und verbeugte sich leicht. „wie kann ich Euch dienen?“ Auch Oleen hatte es sich bereits zu uns verschlagen und hatte sich so leise wie ein Windhauch hinter mich gestellt. „Mylady?“, hauchte sie so leise, dass es selbst die guten Ohren der beiden Vampirinnen vor uns nicht mitbekamen. „Gibt es Probleme?“ Ich schüttelte den Kopf. „Wir brauchen euch als Zeugen.“ Die Blonde schüttelte denn Kopf und ihre zackigen Strähnen wirbelten in der Luft. Ihr musste wohl klar sein, dass wenn es jemals zu einer Auseinandersetzung kommen sollte, sie sich entweder für ihre Königin oder ihre Schöpferin würde entscheiden müssen. Eine schwere Last bürdete ich ihr auf, doch ich wusste, es gab niemanden dem ich mehr vertraute als ihr. „Bereit?“, fragte ich die Beteiligten und erntete nur ungeduldiges Schweigen. Ich biss mir mit meinen spitzen Fangzähnen in die Pulsader und streckte der Königin meine blutige Hand entgegen, Leonore tat es mir gleich und verschränkte ihre Finger mit meinen. „Besiegelt“, sagten wir gleichzeitig und blickten abwechselnd zu Oleen und Evelyn, die beide nickten. Eveyln zitterte am ganzen Leib. Ein kleiner Nachteil, als Kind verwandelt worden zu sein. Man konnte sich nicht sonderlich gut beherrschen, in Gegenwart von Blut. Ich entzog mich meiner Schwester und wischte das Blut an meinem Mantel ab. „Fünf Jahre“, wiederholte ich, „nicht mehr und nicht weniger.“ Oleen führte mich hinaus, in ihren Fingern zuckte es vor unterdrückter Wut. „Lass dich nicht von den Wölfen beißen!“, hörte ich mir Leonore nachrufen und schloss die Tür absichtlich laut. Auf dem Weg in mein Zimmer, leckte ich das Blut von meiner Hand und ergab mich den nervtötenden Fragen meines Schützlings. Ich musste all meine Überredungskünste einsetzten, um sie davon zu überzeugen, mir nicht an die Grenze zu folgen. Immerhin konnte ich selbst auf mich aufpassen. Außerdem traute ich Leonore zu, irgendwelche hinterlistigen Spielchen zu planen, deshalb wollte ich, dass die kluge Messerwerferin, die Oleen einmal war, ein Auge auf sie behielt. Und natürlich auf ihre Spione. Sie lauerten in jeder Ecke, deshalb nannten wir sie auch ‚die Ohren des Schlosses’. Eine einzige falsche Handlung, und es ginge sofort zur Exekutierung. Hosted by Animexx e.V. 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