Für eine Handvoll One-Shots von _Delacroix_ (eine "Hollows"-Fanfiction) ================================================================================ Flowers ------- Flowers „Jonathan, fahr in den Blumenladen und kauf mir einen großen Strauß für Ellasbeth“, hatte Trent hinter dem Bildschirm seines neuesten Notebooks hervor gebellt und er war – ganz der vorbildliche Angestellte – gesprungen, um dem Wunsch seines Herrn und Meisters nach zu kommen. Nicht, dass es nicht genügend Grünzeug im Garten gegeben hätte, dass man ohne weiteres ausrupfen und in eine Vase stellen konnte, aber Trent hatte gesprochen und so stand er nun schon seit fünf Minuten in dem winzigen Laden, der bis unter die Decke mit Gewächshausblumen vollgestopft war und wartete. Vor ihm in der Reihe tuschelten zwei männliche Hexen über die Bedeutung der Rosen, die von der schlaksigen Verkäuferin mit der Geschwindigkeit einer Schnecke auf der Rennstrecke zu etwas gesteckt wurden, was wohl Mal ein Strauß werden sollte. Vermutlich hatten die Beiden den Valentinstag genauso vergessen wie Trent. Nicht das Letzterer das jemals zugegeben hätte. Der schwere Geruch nach Pflanzen, die auf engstem Raum standen, lag in der stickigen Luft und ließ ihn deutlich schwerer atmen. Kein normaler Inderländer sollte gezwungen werden in so einem Laden zu stehen, davon war Jonathan überzeugt. Die kleine Glocke oberhalb der hellblau gestrichenen Tür klingelte fröhlich und ein kurzer Schwall an Straßengeräuschen durchflutete zusammen mit einer angenehm kühlen Brise den Verkaufsraum. Ein feiner Schauer glitt über seine Haut, als er den Temperaturabfall spürte, doch er erlaubte es sich nicht sich etwas anmerken zu lassen. Der schwere Geruch nach Sandelholz stieg ihm in die Nase, als sich der nächste Kunde in die kleine Schlange einreihte. Kunde war gut. Hinter ihm stand eine ganz in Schwarz gekleidete Vamp-Gothic-Göre, die mehr Ketten um den Hals trug, als Ellasbeth in ihrer Schmuckschatulle hatte. Misstrauisch musterte er das Mädchen mit den schwarzen Haaren und dem fröhlichen Lächeln. Irgendwie wirkte sie unbeschwert und glücklich, etwas was Jonathan nicht alle Tage zu sehen bekam. Gerade wollte er sich wieder abwenden, als die Kleine den Mund öffnete: „Hi, ich bin Erica und du?“ fragte sie mit einem Lächeln, das Eisberge hätte schmelzen lassen. „Ähm...“ „Ähm? Das ist ein komischer Name. Ist der typisch für Tiermenschen? Du bist doch ein Tiermensch oder? Ich habe noch nie einen richtigen Tiermenschen aus der Nähe gesehen. Ich meine, du könntest auch ein Mensch sein. Ein Pixie bist du jedenfalls sicher nicht, da bin ich mir sicher. Du riechst nur so gar nicht wie ein Tiermensch riechen sollte, oder ein Mensch. Aber vielleicht irre ich mich ja auch. Man, das ist so cool. Meine Schwester Ivy sagt, meine Nase wäre katastrophal schlecht, aber eigentlich sagt sie das nur, weil sie mich ärgern will. Ich rieche nämlich viel, viel besser als sie. Könnte daran liegen, dass meine Freunde nicht so scheußlich viel Parfum tragen. Würde es in meiner Kirche – Ja, Ivy wohnt in einer Kirche. Ist das nicht endgeil? - immer so stark nach Zitrone riechen, würde ich vermutlich bald gar nichts mehr erschnüffeln. Ich meine, nicht das es hier drinnen besser wäre. Ich rieche hier ja auch nur Blumen. Apropos Blumen: Findest du die nicht auch wunderschön? Es ist so gemein, dass heute jeder Blumen bekommt, nur ich nicht. Wieso schenkt mir nie Jemand Blumen? Am Valentinstag kriegen doch alle Mädchen Blumen, aber da sich niemand traut, muss ich mir meine Blumen selbst schenken. Eine von den großen Gelben da drüben wäre doch cool. Die schicke ich mir dann per Boten wenn meine Freundinnen nachher zum Abhängen kommen und dann sind sie alle neidisch, weil ich so hübsche gelbe Blumen habe und Ivy fällt sicher aus allen Wolken, wenn sie nächste Woche Dad besuchen kommt.“ Strahlend blickte das junge Mädchen Jonathan an und klimperte ein wenig, als sie sich mit beinahe vampirischer Schnelligkeit durch die Vasen mit den verschiedenen Blumensorten bewegte. Gerade öffnete sie den Mund um ihren Monolog fortzuführen, als sich die beiden Hexen panisch an Jonathan vorbei in Richtung Tür schoben. Offensichtlich hatte Ericas Gequassel die Beiden endgültig verschreckt. Die Verkäuferin warf dem jungen Vamp einen bösen Blick zu, bevor sie sich ihrem letzten, normalen Kunden zu wandte und sich zu einem Lächeln zwang. Anscheinend glaubte sie, das Mädchen würde zu ihm gehören. „Die Blumen für Mr. Kalamack“, knurrte Jonathan und schon wirkte das Lächeln der Frau wieder echter. Den Effekt hatte Trents Name in der Öffentlichkeit häufiger. „Einen Augenblick bitte. Ich bin gleich wieder bei Ihnen“, flötete sie übertrieben hilfsbereit und stöckelte auf ihren roten Pumps laut über den hellblauen Boden in ein Hinterzimmer davon. Eine Sekunde lang herrschte so etwas wie wohltuende Stille in dem Raum, dann spürte Jonathan ein leichtes Zupfen an seinem Ärmel und blickte in Ericas blitzende Augen. „Ähm? Sag Mal, wie ist es für Mr. Kalamack zu arbeiten? Das macht doch sicher Spaß. Daddy will, dass ich mir auch einen Nebenjob suche, aber das ist ja so langweilig. Weißt du wenn, dann will ich in einen richtig coolen Laden, was mit Mode, oder Piercings oder so und Daddy denkt viel mehr an eine Fastfoodkette. Ich und fettige Pommes. Ihh!“ Das Mädchen zog die Nase kraus und quietschte auf einer Frequenz, die einem Pixie Konkurrenz gemacht hätte. „So ein Blumenladen“, nahm sie den Faden augenblicklich wieder auf und Jonathan begann sich zu fragen, ob das Mädchen überhaupt Luft holte, „würde ihm sicher auch gefallen, aber ganz ehrlich. Hier zu arbeiten muss doch scheiße sein. Da hast du nie Zeit für ein kleines Schwätzchen und musst ständig rein stürmenden Leuten Blumen zurecht binden. Das ist doch kein Job, der abwechs-“ „Ihre Blumen!“ unterbrach die Stimme der Verkäuferin den jungen Vampir. Vermutlich hatte sie Ericas Kommentar über den Laden gehört, denn sie kniff wütend die Lippen zusammen und bedachte sie mit einem „Geh-Sterben-Blick“, der Jonathan ein fieses Grinsen entlockte, als er nach den feuchten Stängeln griff. „Oh, die sind aber hübsch“, quietschte Erica entzückt. „So ein großer Strauß. Da wird sich aber Jemand sehr freuen. Ich finde große Sträuße toll und ich glaube, es gibt keine Frau auf der Welt, die nicht meiner Meinung wäre. Schau dir nur die Farben an. Hinreißend!“ Jonathan stöhnte leise, als er seine Kreditkarte über den Tresen schob, stets bemüht sie nicht in irgendwelche Pflanzenreste oder Wasserpfützen zu schieben. Mit einem Ohr hörte er Erica schon wieder zu einem Vortrag über Blumen ansetzen. Wie konnte man nur so ein großes Mitteilungsbedürfnis haben? Die quatschte einem ja die Haare grau. Dennoch, irgendetwas in ihrer Art hielt ihn davon ab, wie die Hexen einfach aus dem Laden zu flüchten und die unglückliche Verkäuferin mit dem kleinen Plappermaul zurück zulassen. Seufzend fuhr er sich mit der Hand durch das Gesicht. Morgen würde er sich für das hassen, was er im Begriff war zu tun, besonders wenn es die halbe Stadt erfahren würde und das war im Anbetracht seiner neuen „Freundin“ irgendwie ziemlich wahrscheinlich. Mit einer langsamen Bewegung verschwand seine Hand in dem bunten Strauß aus Rosen, Lilien, und anderen Blümchen, die er nicht näher benennen konnte und zog eine etwa handtellergroße, dotterblumengelbe Blüte hervor, an deren Stängel sich ein schmaler Blumendraht schmiegte. Er betrachtete die Blume einen Augenblick lang nachdenklich. Sollte er das wirklich tun? Ellasbeth würde sicher nicht auffallen, dass eine ihrer Blumen fehlte. Vermutlich würde sie den Strauß eh nie richtig wahrnehmen. Doch da war es schon zu spät. Seine Hand war zu Erica gewandert und hielt ihr das bunte Blümchen entgegen. „Schenk ich dir“, knurrte er dem plötzlich verstummten Vampirmädchen entgegen und machte auf dem Absatz kehrt um mit seinen Blumen aus dem Laden zu fliehen. Als das Glöckchen an der Ladentür fröhlich klingelte, hörte er noch ein fröhliches: „Küsschen, Küsschen“ aus dem Inneren, bevor Ericas Stimme zusammen mit dem Geruch nach Frühling und Blumen im kalten Februarwetter und dem Lärm der Stadt unterging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)