Für eine Handvoll One-Shots von _Delacroix_ (eine "Hollows"-Fanfiction) ================================================================================ Rated ----- Rated Ein fauliger Rest Kotelett flog durch die aufgrund der Abfälle beinahe unerträglich stinkende Luft und krachte klirrend in eine weitere Mülltonne, was tausende kleine und kleinste Fliegen zum Anlass nahmen, aufgescheucht durch die Luft zu flattern und den Aufenthalt in der engen, dunklen und stinkenden Gasse noch unerträglicher zu machen. Angewidert blickte Ivy Tamwood auf ihren schwarzen Lederstiefel, auf dem nun ein fettig-fauliger Abdruck des Knochens prangte. 'Ekelhaft!' Lautlos wie eine Raubkatze schlich der lebende Vampir auf die größte der Mülltonnen zu und verharrte. Hier musste es sein. Sie hatte sich zwar bereits den halben Tag gefragt, warum sie dieses Treffen ausgerechnet in einem dreckigen Hinterhof abhalten mussten, aber Rachel, die den Auftrag organisiert hatte, hatte sie mit großen Augen angesehen, so dass sie einfach nicht hatte „Nein“ sagen können. Plötzlich spürte sie etwas kleines, Pelziges an ihrem Bein und wich angewidert gegen den stinkenden Container zurück. Ihre braunen Augen wurden eine Nuance dunkler, während sie der Ratte nachblickte. Sie hasste Ratten. Tierische wie Menschliche. Alleine der Gedanke, dass unter dem Container vielleicht noch weitere Pelztiere saßen, die nur darauf warteten, dass sie einen falschen Schritt machte – Nach einem schnellen Blick in alle Richtungen gestattete sie sich ein Schaudern. Das nächste Mal sollte Rachel ihre dummen Aufträge entweder absagen oder das Treffen bei Piscarys organisieren. Dort würde sie jetzt an einem hübsch gedeckten Tisch sitzen, von Vampirschatten umschwärmt werden und der einzige Geruch der ihr in die Nase steigen würde, wäre der verlockende Duft von frischer, heißer Pizza mit langsam verlaufendem Käse und Tomaten. Verärgert verstärkte sich ihr Griff um den grauen Stoffbeutel. Noch fünf Minuten. Ivy strich sich angewidert durch das schwarze Haar mit den blonden Spitzen. Wenn sie hier umsonst warten würde, würde sie Jemandem die Kehle aufreißen. Entsetzt über sich selbst machte sie einen weiteren Schritt zurück und zuckte überrascht zusammen, als sie das kalte Metall des Müllcontainers in ihrem Rücken spürte. Sie würde stinken wie ein Penner, wenn sie später zu Rachel in die Kirche zurückkehren würde. 'Hoffentlich zerstört sie nicht ausgerechnet heute versehentlich meine Badewanne', fuhr es ihr durch den Kopf und sie konnte ein Fangzahn-zeigendes Lächeln nicht verbergen. Nicht das Ivys Fangzähne schon die beeindruckende Größe eines untoten Vampirs gehabt hätten. Sie würde sie erst bei ihrem Tod erhalten, im Austausch für ihre Seele. Ivy schüttelte den Kopf um die negativen Gedanken zu verscheuchen. Bitte, dann stand sie eben mit beiden Stiefeln im Dreck und dann war ihr langer Mantel eben reif für die Reinigung, weil eben jener Dreck nicht auf dem Boden hatte bleiben wollen. Wenigstens war sie alleine hier. Noch. Alleine die Vorstellung von Jenks Kommentaren, hätte er sie begleitet, lies ihr einen weiteren Schauer über den Rücken laufen. 'Ivy der Drogenkurier', dachte sie scherzhaft und seufzte. Sie würde sich vermutlich wohler fühlen, hätte Rachel ihr gesagt, was genau in dem Paket war, dass sie hier übergeben sollte. Aber die Hexe mit den roten Locken hatte sich geweigert irgendetwas zu sagen. Nicht einmal den Empfänger hatte sie preisgeben wollen. Vielleicht war sie gerade dabei Biodrogen zu schmuggeln ohne es zu wissen. Natürlich hatte sie die Chance genutzt das Paket zu beschnüffeln, als sie sich damit auf ihr Motorrad geschwungen hatte, doch außer Rachels feinem Rotholzduft hatte ihre feine Nase nichts ausmachen können. Vielleicht waren es ja doch Biodrogen. Ivy hätte es Rachel zugetraut in derartigen Situationen zu landen ohne das sie wirklich etwas dafür gekonnt hätte, denn schließlich zog ihre Hexe den Ärger förmlich an. Vorsichtig spähte Ivy ein weiteres Mal in den Beutel, um dort ein kleines, rosa Päckchen mit blauen Teddybären darauf zu sehen. Wenn das Mal nicht nach Ärger stank. Ein plötzliches Rascheln und eine warme Hand auf ihrer Schulter ließen Ivy aufschrecken. Sie hatte nicht damit gerechnet überrascht zu werden und in ihrer Panik brach der Vampir in ihr durch. Mit einer Geschwindigkeit, die nur ein lebender Vampir erreichen konnte, packte sie den vermeintlichen Angreifer und warf ihn ohne größere Anstrengung in den stinkenden Müll. Ein heiserer Schrei war alles, wozu er noch in der Lage war. Mit größter Anstrengung unterdrückte Ivy die Versuchung hinterher zu springen um ihrem Opfer an die Kehle zu gehen. Irgendetwas war hier faul. Selbst für einen Menschen hatte ihr Angreifer faszinierend wenig Gegenwehr geleistet und irgendetwas an dem Geruch nach Müll, Angst und Gasse kam ihr sonderbar vertraut - „Tamwood!“ krächzte es in dem Müllcontainer und Ivy wurde schlagartig blasser als der toteste Untote. Sie kannte diese Stimme. „Glenn?!“ Sie hatte sich offensichtlich verschätzt und Glenn als potenzielle Gefahr eingestuft. Verunsichert und mit brennenden Wangen blickte sie in den Container, aus dem nach einem leisen Stöhnen diverse Essensreste flogen. „Ist alles in Ordnung?!“ fragte Ivy, nicht sicher ob sie die Antwort wirklich hören wollte. Wenn er das Rachel erzählen würde, würden sie und Jenks sicher noch in drei Jahren über sie lachen, weil sie sich hatte von Glenn überraschen lassen. Wäre es wenigstens David gewesen, hätte sie damit leben können. Aber ein Mensch? Ein Mensch wie Glenn? Ihre Haltung versteifte sich augenblicklich noch mehr, während sie versuchte nicht von alten Lebensmitteln getroffen zu werden, die der Detective bei dem Versuch aus dem Müll zu kommen, durch die Gegend warf. Schuldbewusst streckte sie ihre Hand in den Container. So ganz konnte sie das alles noch nicht glauben. Sie hatte Glenn in den Müll befördert. Sie hatte ihn als Gefahr eingestuft. Wenn sie ganz ehrlich war, konnte er froh sein, dass er noch lebte. Seine Hand griff nach der ihren und der Druck verstärkte sich, als sich der FIB-Detective mit ihrer Hilfe aus dem Müll zog. Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte der sonst so steife junge Mann einfach nur lächerlich, wie er in seinen jetzt völlig verdreckten Klamotten auf dem Rand des Müllcontainers hing, bevor er wenig elegant nach vorne in ihre Richtung fiel. Skeptisch beobachtete sie, wie er, um einen Rest Würde bemüht, aufsprang und begann den Müll von seiner Kleidung zu sammeln. „Du bist der Empfänger?“ fragte sie leise, während sie mit zwei Fingerspitzen nach einer Bananenschale griff, die auf seiner Schulter prangte. Sie würde Rachel etwas erzählen, wenn sie zurück in der Kirche war. Beinahe hätte sie Glenn umgebracht! „Ich dachte Rachel würde kommen“, antwortete ihr Gegenüber nervös und wirkte plötzlich sehr an seinen Schuhen und Ivys Beutel interessiert. „Ihr ist eine Kleinigkeit dazwischen gekommen“, erklärte Ivy und überlegte ob ein Dämonenangriff wirklich so eine Kleinigkeit war. Aber sie würde Glenn sicher nichts erzählen, was ihn unter Umständen misstrauisch stimmen würde. Apropos misstrauisch - „Was tut ihr hier eigentlich?“ Eine feine Augenbraue wanderte in die Höhe, während Ivy das Wasser im Mund zusammen lief. Glenn roch noch immer verdächtig stark nach Angst. Nein, sie würde sich beherrschen. Glenn war schließlich nur ein Mensch und eine Existenz als Schatten konnte und wollte sie ihm nicht zumuten. Inzwischen schien er sich trotz des Geruchs einigermaßen gefangen zu haben und griff nach Ivys Tüte. „Nur ein kleines Geschäft unter Freunden“, versuchte er zu versichern, doch Ivy dachte nicht daran sich mit dieser Antwort abspeisen zu lassen. „Verkauf mich nicht für dumm, Glenn!“ Sie konnte spüren, wie der Vampir in ihr wieder stärker wurde, als sie die Oberlippe ein wenig anhob um ihm ihre kleinen Reißzähne zu präsentieren. Hielt er sie wirklich für so blöd? Dann hatte er sie mächtig falsch eingeschätzt. Wütend verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und betrachtete den reichlich verunsicherten jungen Mann, der gerade zu überlegen schien ob die Sache es wert war ein paar gebrochene Knochen zu riskieren und wie erwartet versteifte sich seine Haltung, als er nachgab. „Ich will nur nicht, dass mein Vater etwas davon mitbekommt“, murmelte er deprimiert und fuhr leise fort: „Es sind nur ein paar Tomatensamen.“ Für den Bruchteil einer Sekunde starrte ihn Ivy einfach nur wortlos an. 'Tomatensamen?! Ich mache mir die ganze Mühe wegen ein paar Tomatensamen?!' dachte sie, während ihre Augen vor Wut immer dunkler wurden. Nein! Dieses Mal würde sie sich nicht von ihrem inneren Monster beherrschen lassen. Sie würde Rachel nicht erklären, dass sie Glenn umgebracht hatte. Mit all ihrer verbliebenen Selbstbeherrschung sah sie ihn an: „Vergessen wir diesen Tag“, schlug sie leise vor und atmete erleichtert auf, als sie ihn nicken sah. 'Vielleicht habe ich mich doch in ihm getäuscht', ging ihr durch den Kopf, während sie auf dem Absatz umdrehte und durch die stinkende Gasse zu ihrem Motorrad ging. Vielleicht war Glenn ja doch ein ganz netter Kerl. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)