Bora, Stein der Winde von Scarla ================================================================================ Kapitel 17: Shadow ------------------ Der Morgen, an dem sie aufbrechen wollten war verregnet. Es hatte Monate gedauert, den Drachen ausfindig zu machen und mittlerweile war es Frühling. Sie saßen alle beisammen im Elbenfestsaal und seid geraumer Weile saß Timo über ein Stück Papier gebeugt da und schrieb irgendetwas, strich wieder etwas durch, schrieb von neuem. Justin trat neugierig zu ihm hin. „Was rechnest du denn die ganze Zeit?”, fragte er. „Ich rechen aus, den wievielten wir haben”, antwortete der Schwarzhaarige. Er machte ein paar Striche auf einem Blatt Papier. „Hast du es?”, fragte Sally neugierig. „Ja, der neunzehnte April, wenn ich mich nicht verrechnet habe”, meinte er. „Ist doch eigentlich egal”, fand Justin. „Ja, solange wir jetzt endlich mal los können ist es wirklich egal. Wann kommt denn dieser Drache endlich?”, fragte Moritz Melody. „Er wollte heute ankommen”, konnte sie nur antworten. In diesem Augenblick kam der Elb Jack herein. „Cloud ist da”, sagte er lediglich. Melody, Moritz, Justin, Janne, Sally und Timo gingen in den Hof, wo ein weißer Drache stand. Jedoch sah er anders aus, als die Drachen, denen sie bisher begegnet waren. „Hallo Cloud”, begrüßte Melody ihn. „Seid gegrüßt, Herrin der Elben”, grüßte auch der Drache. „Der hat ja Fell!”, stellte Timo begeistert fest. „Ja, irgendwie schon”, stimmte Sally zu. „Also mir ist es so bei weitem lieber, als wenn er Schuppen hätte, mit geschuppten Weißen habe ich so meine schlechten Erfahrungen”, meinte Justin. „Ich finde, dass er trotzdem merkwürdig ausschaut, mit dem ganzen Fell überall”, erklärte Sally. Der Drache schaute die drei verwundert an. „Wer sind sie?”, wollte er wissen. „Das sind Bekannte. Aus der anderen Welt, deswegen nimm ihnen bitte nicht übel, dass sie leicht verwundert sind, über dein Aussehen, sie sind bisher nur geschuppten Drachen begegnet”, erklärte Melody. Sally trat zu dem Drachen. „Also irgendwie siehst du aus, wie Fuchur”, meinte sie. „Wie wer?”, erkundigte sich Cloud. „Fuchur. Das ist eine Gestalt aus einem Buch, das es in unserer Welt gibt. Es heißt „Die unendliche Geschichte” “, erklärte Justin. „Aja? Und ich sehe so aus, wie dieser Fuchur, meinst du?” Sally nickte: „Ja! Fuchur hat auch so ein wuscheliges Fell und ist auch weiß. Er ist ein Glücksdrache.” „Ein was?”, Melody sah sichtlich verwirrt aus. „Das ist ein Drache, der Glück bringt, wenn er über das Land fliegt. So steht es in der Geschichte”, erklärte Justin. „Lassen wir das, das führt sowieso zu nichts. Außerdem ist viel Zeit vergangen, vielleicht zu viel, wir sollten los”, mahnte Moritz. „Da hast du recht. Cloud, können wir gleich aufbrechen?”, wollte Melody wissen. „Wir? Heißt das, du willst mitkommen?”, wollte Justin wissen. „Ja, aber nur, wenn ihr nichts dagegen habt”, antwortete sie. „Nein, natürlich nicht!”, war die einstimmige Antwort. „Gut, aber lasst uns endlich aufbrechen!”, mahnte Moritz abermals. „Ja, bleib locker”, fand Sally. Moritz knurrte etwas unverständliches. Er brauchte nur eine Kopfbewegung machen und sofort gehorchten alle und kletterten auf die Rücken der Greifen, die ebenfalls schon im Hof standen. Alle, außer Janne, die wie immer auf ihrem Wolf flog. Der Weg war weit, jedoch deutlich kürzer, als sie alle angenommen hatten, denn schon nach etwa einem Monat standen sie an der Grenze zum Reich der Drachen. „Ich denke, hier ist es besser, nicht mehr zu fliegen, denn im Flug sehen uns die Drachen zu schnell”, erklärte Moritz und ließ die Greifen frei, nachdem die anderen zugestimmt hatten. „Wollen wir noch ein wenig Wandern, bis es Nacht ist, oder schlagen wir sofort unser Lager auf?”, wollte Sally wissen. „Ich weiß nicht, was ist euch lieber?”, wollte Moritz von der Gruppe wissen. „Wir wandern noch ein Stück”, wollte Justin. „Ich denke, es ist besser, wenn wir jetzt schon unser Lager aufschlagen, dann müssen wir es nicht in der Dunkelheit tun”, war Timos Meinung. „Ich stimme mit Timo überein”, erklärte Melody. „Ich auch, ich denke, ob wir jetzt noch ein paar Stunden früher oder später ankommen macht auch keinen unterschied mehr”, meinte Sally. Und Justin widersprach der Übermacht der Meinungen nicht. So begannen sie damit, ihr Lager auszuschlagen. Es war schon dunkel, als er sich wieder meldete. „Seid mal alle ruhig”, sagt er plötzlich. „Warum? Was ist denn, hast du etwas Verdächtiges gehört?”, fragte Janne und lauschte sofort in die Nacht hinein. „Ich weiß nicht, kann sein, dass es nur der Wind war, der in den Bäumen bläst, aber irgendetwas habe ich gehört”, meinte der Rotschopf zur Antwort und fast schon geisterhafte Stille bildete sich, als die Anderen ebenfalls zu lauschen begannen. Ein leises, kaum hörbares Rascheln durchdrang die Stille. Timo und Justin warfen sich einen Blick zu und deuteten den Anderen, das sie sich nicht rühren sollten, dann gingen beide auf das Geräusch zu. Sie teilten sich auf dem Weg zu einem Busch und jeder kam von einer anderen Seite um das Gestrüpp herum, doch auf halber Höhe wurde Timo von einem schwarzen Schatten angegriffen. Das Wesen, was auch immer es war, warf ihn zu Boden und kratzte und biss auf den armen Jungen ein, als wären die Beiden Todfeinde. Timo war im ersten Moment viel zu verdutzt darüber, um sich zu wehren, denn er hatte nicht mit einem Angriff gerechnet. Auch Justin schaute im ersten Moment einfach nur verblüfft, dann stürzte er sich jedoch mit in das Getümmel und nach kurzer Zeit hatten die Beiden Jungen den Schatten bezwungen, bevor die Anderen eingreifen mussten. Justin verdrehte den Arm des Wesens so, das es sich nicht mehr wehren konnte und schob es hinaus ins Licht des aufgehenden Vollmondes, denn bisher waren sie im Schatten eines großen Baumes gewesen. Das, was er da festhielt war ein Chito. Wie Timo hatte er katzenhafte Ohren und die Flügel einer Fledermaus. Seine Kleider waren wie die von Moritz aus Leder und hatten ihn vor den scharfen Krallen Timos geschützt. Das Haar war kurz und haselnussbraun, die Augen groß und sahen aus, wie die einer Katze. Selbst die Pupillen waren geschlitzt und die Iris leuchteten in einem smaragdenen Grün Der Chito fauchte Justin an. „Wer ist das denn?”, fragte Moritz verwundert. „Na, ein Chito”, antwortete Justin besserwisserisch, aber auch er war verwundert. Wer erwartete auch schon ein solches Wesen in einem Reich voller Drachen? Zumal sie ja alle wussten, das Chito generell alles andere als häufig auftauchende Wesen waren. „Das ist uns schon klar”, gab Sally zur antwort. „Aber was macht sie hier, wie heißt sie und wo kommt sie her?”, fragte Timo. „Sie? Das ist doch ganz klar ein Er”, widersprach Janne. „Nein, das ist ein Mädel, da bin ich ganz sicher”, antwortete Timo. „Und wieso?”, wollte Justin wissen, „ich hätte ihn jetzt auch als Kerl eingeordnet. So wie er zuschlagen kann…” „Nein, es ist eine sie, das hab ich gespürt”, gab Timo zurück. „Also wirklich, Timo, da grapscht man doch nicht!”, tadelte Sally entrüstet. „Durch das Leder würde er gar nichts spüren”, verteidigte Moritz den Chito. „Aber wie hat er es dann gespürt?”, wollte Janne wissen. „Na ja... ich weiß es einfach...”, Timo zuckte mit den Schultern, „so wie Justin den Weg hierher kannte, obwohl er ihn niemals zuvor gegangen war.“ „Wie wäre es, wenn ihr einfach fragt?”, knurrte der Chito und versuchte sich aus Justins Griff zu winden. „Oh, genau, gute Idee”, lobte Justin, packte dabei noch fester zu. „Na dann, bist du ein Junge oder ein Mädchen?”, erkundigte sich Sally. „Natürlich ein Kerl, oder hört sich ein Mädel so an, wie ich?”, brummte er. „Stimmt, das muss man zugeben, er hört sich echt an, wie ein Kerl...”, stimmte Justin zu. „Ja, okay, dann habe ich mich halt getäuscht, kann doch jedem mal passieren”, murrte Timo. „Bleiben trotzdem noch genug Fragen offen. Wer bist du und was machst du hier?”, fragte Moritz. „Ich wohne hier”, fauchte der Chito, „was dagegen?“ „Hier? Im Drachenland? Wie soll denn das gehen?”, erkundigte sich Janne. „Es geht gut. Ich bin hier aufgewachsen, ich kenn mich hier aus und die Drachen tun mir nichts”, antwortete er. „Und wie heißt du?”, fragte Justin. „Shadow”, antwortete der Chito. „Shadow? Der Name hört sich geil an!”, fand Sally begeistert. „Kann sein. Nur, was machen wir jetzt mit ihm, ich kann ihn nicht ewig so festhalten, er ist stark”, erklärte Justin. „Kannst mich ja auch los lassen”, meinte Shadow. „Nein, das geht ja nicht, weil wir damit rechnen müssen, dass du dann wahrscheinlich gleich wieder tobst”, überlegte Janne. „Genau, nächste Fragen, warum hast du die Beiden überhaupt angegriffen?”, wollte Moritz wissen. „Weil ihr Feinde seid! Alle, die mit den Drachen zu tun haben sind böse, sie sind meine Feinde”, knurrte Shadow. „Aber wir haben doch nichts mit den Drachen zu schaffen, Cloud ist eine Ausnahme, er bringt uns zu Susi, damit wir Bora wieder bekommen”, erklärte Justin. „Ihr steckt mit den Drachen nicht unter einer Decke und sie haben den Windstein?”, hakte Shadow nach. „Du hast es kapiert”, lobte Sally. „Kann ich euch das auch glauben?”, murmelte Shadow. „Kannst du“, antwortete Justin und der Chito schaute ihn mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an. „Ich kenne dich, aber das kann nicht sein. Du bist zu jung, er müsste jetzt schon viel älter sein“, murmelte er vor sich hin und Justin schaute ihn fragend an. „Nun, ich vertraue darauf, dass ihr die Wahrheit sagt, entschuldigt mein Handeln. Es diente nur der Selbstverteidigung, hatte nichts mit euch zu tun“, sagte der Chito dann laut. „Gerade eben hast du noch gesagt, das die Drachen dich in ruhe lassen“, bemerkte Janne. „Tun sie auch im großen und ganzen, aber Ausnahmen bestätigen eben die Regel“, antwortete Shadow bissig. „Ich glaube, du kannst ihn loslassen, Justin”, überlegte Moritz. Der Rotschopf tat wie ihm geheißen und der Chito begann damit, seine Handgelenke zu massieren. Durch das Training hatte Justin mittlerweile einen harten Griff drauf „Ich glaube, du kannst uns sogar helfen, Shadow”, meinte Janne, „das heißt, wenn du uns helfen willst.“ „Wenn es den Drachen schadet bin ich dabei”, gab der zurück. „Das ist gut. Du kannst doch bestimmt die Drachenzauber, oder?”, erkundigte sich Moritz. „Ja, aber nicht sehr gut, die Drachen töteten meinen Vater, bevor er mir alles beibringen konnte”, erklärte er. „Welche kannst du denn?”, wollte Janne wissen. „Den Fänger und den Töter”, war die Antwort. Janne und Moritz schauten ihn verblüfft an. „Die Beiden Schwersten kannst du, aber die ganz leichten nicht, oder wie?”, fragte letzteres. „Ja und? Warum braucht ihr eigentlich mich für die Zauber, ihr habt doch auch einen Chito”, Shadow deutete auf Timo. „Ja, schon, aber der kann noch nicht mal richtig fliegen, also mit den Zaubern lassen wir da besser”, fand Sally. „Hey, ich kann sehr wohl richtig fliegen!”, widersprach Timo sofort entrüstet. „Genau, und ich bin der Osterhase”, grinste Justin. „Danke, fallt mir doch alle gleich in den Rücken”, knurrte Timo. „Sei doch nicht gleich beleidigt”, fand der Rotschopf. Timo streckte ihm die Zunge raus. „Okay, jetzt habt euch wieder alle lieb und lasst uns weiterfragen”, unterbrach Moritz die Beiden. „Ja, okay, dann frag mal”, gab Justin zurück. Moritz warf Justin einen mahnenden Blick zu, dann gehörte seine ganze Aufmerksamkeit wieder Shadow. „Also, wir wollen einfach nur Bora wieder zurückbekommen Hast du eine Idee, wo Susi es hingebracht hat?” „Also Susi hat es wohl seinem Herren gebracht”, war Shadows antwort. „Wie, welchen Herren?”, Janne war sichtlich verwundert. „Na, der Todesgott”, antwortete Shadow in einem Ton, als würde das schon alles erklären. „Welcher Todesgott?”, erkundigte sich Justin. „Genau, welcher Todsgott?”, wollte Moritz wissen. „Ihr habt noch nie etwas vom Todesgott gehört?”, Shadow war erstaunt. „Nein, wer oder was ist das?”, fragte Janne. „Er ist der, den die Herrin sich als Gemahl auserkoren hat. Ein Mensch aus der anderen Welt. Sie hat ihn unvorstellbare Macht gegeben und er ist ihr erlegen. Er nutzt seine Macht, um die Drachen zu befehligen, doch das reicht ihm nicht. Er will die Elemente beherrschen, deswegen lässt er seine Drachen überall nach den Schwertern und den Steinen suchen. Meines Wissens nach ist Bora aber erst der erste Stein, den er hat und von den Schwertern hat er gar keines”, erklärte der Chito. „Ich weiß gerade nicht, ob ich jubeln oder in Tränen ausbrechen soll...”, war Moritz Kommentar. „Geht mir genauso...”, antwortete Janne. „Dann brecht lieber in Tränen aus, einem Gott den Stein abnehmen ist fast unmöglich”, Shadow zuckte mit den Schultern. „Weist du, wo der Gott sich aufhält?”, fragte Moritz. „Klar. Wenn er nicht bei der Herrin ist, dann ist er bei den Drachen im Schloss”, erklärte Shadow. „Okay, dann nichts wie hin, zum Schloss”, meinte Janne. „Aber die Nacht sollten wir uns ausruhen”, fand Moritz. Die anderen nickten. „Shadow?”, wandte sich Janne noch mal an den Chito. „Ja?”, fragte er. „Wirst du uns begleiten?” Er nickte. „Ja und sei es nur, um einen meiner Artgenossen zu schützen”, erklärte er und deutete auf Timo, „auch Unfähigkeit muss bewahrt werden.“ Abgesehen von Timo entlockte dieser eine Satz allen einen riesigen Lacher. „Das war jetzt so richtig fies“, griente Justin und die anderen nickten zustimmen, was jedoch keinen davon abhielt, noch breiter zu grinsen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)