Bora, Stein der Winde von Scarla ================================================================================ Kapitel 18: Ein Spiel --------------------- „Ist der Weg noch sehr weit?”, wollte Sally wissen. „Ja”, antworteten Shadow und Cloud gleichzeitig. Sally brummte zur Antwort etwas unverständliches und schaute auf ihr schmerzenden Füße. Sie war die viele Bewegung nicht mehr gewohnt, denn in der Elbenfeste hatte sie sich kaum bewegen müssen. „Ach, Jammer nicht, Sal”, fand Justin. Er war noch genauso gut gelaunt wie am Morgen und ging damit allen auf die Nerven. Timo dagegen gähnte kräftig. „Hätten wir nicht noch ein bisschen länger schlafen können?”, wollte er wissen. Moritz schaute ihn an, als wäre Timo nicht mehr ganz richtig im Kopf. „Noch länger?! Das war doch schon viel zu lange!”, rief er entrüstet. Timos neuerliches Gähnen machte deutlich, was er von Moritz’ Antwort hielt. Shadow lachte. „Ihr seid schon ein merkwürdiger Haufen”, fand er. „Ach, wirklich? Findest du?”, hakte Justin nach. „Ja, allerdings.” Justin lachte: „Machen wir echt einen so schrägen Eindruck auf dich? Und das jetzt schon, wo wir noch gar nicht richtig losgelegt haben?” Shadow nickte. Justin grinste frech, doch dann erregte etwas seine Aufmerksamkeit und zum zweiten mal innerhalb kürzester Zeit legte er lauschend den Kopf auf die Seite. „Was ist?”, fragte Moritz sogleich. „Ich dachte, ich hätte einen Schrei gehört”, meinte Justin, „war aber wohl falscher Alarm.” „Nein, war es nicht, da hat jemand geschrieen”, meinte Shadow. „Wieso bist du dir da so sicher?”, wollte Sally wissen. „Chito haben normalerweise sehr gute Ohren”, erklärte er. „Ach so. Die Betonung aber deutlich auf normalerweise”, überlegte Justin mit einem vielsagenden Seitenblick auf Timo, der zum dritten mal gähnte. „Aber ist ja egal, wer auch immer da geschrieen hat, wir müssen ihm helfen”, fand der Rotschopf. „Das wäre Selbstmord, hier in der Gegend hat man nur Grund zum schreien, wenn auch etwas wirklich Gefährliches da ist”, erklärte Shadow. „Ja, gerade deswegen!”, Justin ging ein Stück des Weges zurück und schaute seine Begleiter erwartungsvoll an, doch niemand schien ihm helfen zu wollen. „Hey, Leute, was ist los? Da braucht jemand Hilfe und ihr wollt es einfach so ignorieren?”, versuchte Justin am Gewissen seiner Gefährten zu Appellieren. Shadow seufzte: „Okay, ich helfe dir.” „Ich auch”, meinte Timo und trat zu ihnen. „Und wir warten hier und sammeln später eure Reste auf, aber beeilt euch mit dem Sterben”, knurrte Moritz. Justin steckte ihm die Zunge raus, dann liefen die drei Jungen in die Richtung, aus die der Schrei gekommen war. Schon nach einiger Zeit waren sie am Rande einer Schlucht abgekommen. Sie schauten hinab und sahen Susi und ein junges, braunhaariges Mädchen. Ihre Kleider hingen in Fetzten und ihre Schwingen waren blutverschmiert. „Was ist das denn? Auch eine Elbe?”, fragte Timo, als er sie sah. „Bestimmt. Wohl so was ähnliches wie Melody”, antwortete Justin. „Ist doch egal, was sie ist, sie ist auf jeden Fall verletzt und Susi ist nicht gut gelaunt. Das heißt, sie wird nicht mehr lange zu leben haben”, erklärte Shadow. „Und was tun wir jetzt am besten?”, wollte Timo wissen. „Ganz einfach. Sobald Susi weg ist holt einer von euch Beiden sie dort raus”, antwortete Shadow. Dann stieß er sich ab und flog auf den Drachen zu, bevor einer der anderen Beiden etwas sagen konnte. Wie ein Racheengel stürzte er sich mitten im Flug auf das weiße Ungeheuer. Der war im ersten Moment verwirrt über die plötzliche Störung, aber schon nach wenigen Sekunden stieß er einen Feuerstrahl in Richtung Shadow, aber der Chito wich geschickt aus, stürzte sich dann wieder auf den Drachen. Wie eine nervende Fliege, die einem partout nicht in ruhe lassen möchte So lockte er das Ungetüm nach und nach weg und schon bald waren sie außer Sichtweite. Justin stürzte sofort die Schlucht hinunter. „Hey du”, sagte er zu dem Mädchen, die schaute ihn verwirrt und ängstlich an. „Komm mit, solange Susi nicht da ist”, forderte Timo sie auf, denn auch er war die Schlucht hinab gelaufen. „Aber ihr gehört doch auch zu den Drachen!”, rief die Brünette ängstlich. „Nein, im Gegenteil, wir arbeiten gegen die Drachen, deswegen hat Shadow ihn auch weggelockt, damit wir dich befreien können”, erklärte Justin knapp. Das Mädchen schaute ihn noch kurz unsicher an, dann folgte sie den beiden Jungen. Sie liefen aber nur ins Unterholz zurück, um dort auf Shadows Rückkehr zu warten. Sie befürchteten schon, dass der Chito gefangen wurde, doch bevor sie sich auf die Suche nach ihm begeben konnten, kam er aus dem Dickicht hervor. „Weg hier”, waren seine einzigen Worte und die anderen sprangen sofort darauf an, sodass sie nun zu viert zu ihrer Gruppe zurückkehrten. Die wartete schon gelangweilt auf die Rückkehr der drei Jungen, Sorgen hatte sich augenscheinlich keiner gemacht „Na, Rettungsaktion erfolgreich verlaufen?”, fragte Moritz schon von weitem. Das Mädchen blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Ihre Augen wurden immer größer. „Melody!”, rief sie und sprang der schwarzhaarigen Elbe in die Arme. Die sah verwirrt aus und schob das Mädchen ein Stück von sich weg und betrachtete sie. „Kennen wir uns?”, fragte sie dann. Die Jungen warfen sich untereinander einen fragenden Blick zu. Das Mädchen schaute verwundert. „Erkennst du mich denn nicht mehr? Okay, ist schon eine ganze Zeit her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben, aber du musst dich doch an mich erinnern!”, fand sie. „Aber ich weiß nicht, wer du bist. Überhaupt habe ich mit so gut wie niemanden der außerhalb der Elbenfeste lebt, überhaupt etwas zu tun”, erklärte Melody. „Aber ich bin es doch! Melody! Du kannst doch mich nicht einfach vergessen! Das geht einfach nicht!”, rief das Mädchen. „Wie heißt du denn eigentlich?”, wollte Sally wissen. „Na, Kit natürlich!”, war die Antwort des Mädchens. Auf Melodys Gesicht machte sich verblüffen breit. „Kitty? Bist das wirklich du?”, fragte sie ungläubig. „Ja, wer denn sonst?”, Kit schaute die Elbe mit strahlenden Augen an. Melody umarmte das Mädchen stürmisch. „Was ist denn jetzt kaputt?”, fragte Justin verwundert über diese plötzliche Begeisterung, aber er erhielt nur ein Schulterzucken zur Antwort. „Wer ist sie?”, wollte nun auch Timo wissen. Melody ließ Kit los. „Meine kleine Schwester”, antwortete sie, dabei sah sie so glücklich aus, wie noch nie. „Du hast eine Schwester?”, nicht nur Sally war verblüfft über diese Nachricht. Melody nickte. „Ich unterbreche das glückliche Beisammensein nur ungern, aber wir sollten vielleicht weiter”, mischte sich Shadow ein und auch der Drache Cloud gab ein zustimmendes Brummen von sich. „Da hast du recht, euer Beisammensein tun wir besser feiern, wenn es genug Zeit dazu gibt, also Abmarsch”, kommandierte Moritz. Brav, aber dennoch mit sichtlichem Widerwillen, gingen alle weiter. Es dämmerte schon, als Shadow ihnen deutete, stehen zu bleiben. „Wir sind gleich da”, erklärte er. „Schon?”, fragte Timo verblüfft. Keiner antwortete ihm. Sie traten aus dem Unterholz und vor ihnen erhob sich die Burg der Drachen. „Okay, wie soll es jetzt weitergehen?”, fragte Janne. „Einfach gehen”, antwortete Shadow. „Genau, damit sie uns einfangen”, meinte Sally sarkastisch. „Was wollt ihr sonst machen? Hier warten und hoffen, das der Todesgott selbst herkommt und euch den Stein freiwillig gibt? Ich glaube kaum, dass er das tun wird”, erklärte der Chito aggressiv. „Ich muss sagen, da hast du recht, aber wir können da doch schlecht einfach reingehen, ohne Plan und alles. Das wäre meinem Erachten nach nicht sonderlich intelligent”, fand Melody. „Genau, also was tun wir jetzt”, Moritz wandte sich der Truppe zu. Alle dachten sichtlich angestrengt nach „Ich glaube das erledigt sich gerade von selbst”, sagte Justin dann nach einer Weile und deutete in Richtung der Burg. Ein junger Mann, etwas im Alter von Justin und Timo, ritt auf sie zu. Er kam Justin unbeschreiblich bekannt vor, aber er konnte das Gesicht trotzdem nicht einordnen. Das nachtschwarze Haar war lang, aber nicht so lang wie das des rothaarigen Jungen, die Augen glänzten kalt und silbern wie der Vollmond. Bora trug er um den Hals, der Windstein hob sich stark von der schwarzen Kleidung ab. Er ließ sein schwarzes Pferd anhalten und stieg ab. „Der Todesgott”, flüsterte Shadow, doch er hätte es nicht sagen müssen, alle hatten instinktiv gespürt, wer dort vor ihnen stand. „Ich habe euch erwartet”, sprach der junge Mann, kaum war er bei ihnen Angleangt Justin ging ihm ein paar Schritte entgegen. „Ach, wirklich? Sicher weist du dann auch, weswegen wir hier sind, oder?”, fragte er. Der Todesgott nickte. „Natürlich, Justin. Du willst Bora. Glaube mir, ich würde dir den Stein sofort geben, aber dann kann ich mein Vorhaben nicht mehr beenden. Deswegen wirst du warten müssen, bis ich Bora nicht mehr benötige. Du kannst mir natürlich auch helfen, dann geht es schneller”, bot er an. „Helfen? Wobei denn?”, Justin wirkte selbstsicher, dabei bebte er innerlich vor Angst. „Na, dabei, aus dieser unfreundlichen Welt voll Leid und Tod ein Spiel zu machen. Jeder hier soll glücklich sein. Und wer ist glücklicher als beim Spiel mit einem guten Freund?” Justin schaute nachdenklich zu Boden. „Wie?”, fragte er dann. „Mithilfe der Elemente. Dir zu erklären, wie das geht wäre viel zu kompliziert, ein Mensch wie du würde es niemals begreifen” „Schön und gut, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, aber was ist mit denen, die mit der jetzigen Welt zufrieden sind, so wie sie ist? Die, die nicht wollen, dass sie zu einem Spiel wird? Was tust du mit denen?” „Die dürfen sich dann in der Totenwelt ihre Wünsche erfüllen.” Justin lachte bitter. „Vergiss es. Mal ganz davon abgesehen, dass ich einer der wäre, die du dann umbringen würdest, finde ich, dass man der Evolution nicht ins Handwerk pfuschen darf. Sie hat die Welt bestimmt nicht Grundlos so gemacht, wie sie ist. Also werde ich dich gewiss nicht machen lassen, was du willst. Gib mir Bora wieder”, forderte er. „Das kann ich aber nicht so ohne weiteres tun, aber ich habe eine Idee, machen wir ein Spiel daraus! Wir spielen um den Windstein.” „Aber ich will nicht spielen! Ich will den Stein haben!”, Justin wurde wütend. „Du hast aber keine andere Wahl, mein Lieber. Entweder spielen wir, oder du wirst Bora nicht mehr wieder sehen”, meinte der Todesgott. Justin knurrte etwas unverständliches. „Okay, ich habe anscheinend keine andere Wahl. Was für ein Spiel willst du spielen?” Der junge Mann lachte. „Du und deine Freunde, ihr sollt einfach alle meine Aufgaben lösen. Mehr nicht. Wenn ihr es schafft, dann bin ich so etwas wie der Endboss. Sieh es als eines der Rollenspiele, die du so gerne spielst”, meinte er mit einem lächeln um die Mundwinkel. Man sah Justin deutlich an, dass es hinter seiner Stirn arbeitete. „Was passiert, wenn ich sozusagen „Game Over” gehe?”, fragte er. „Dann bist du Tod, du hast keine Ersatzleben und speichern kannst du auch nicht. Aber ich mache es dir auch nicht allzu schwer. Ich muss jetzt leider wieder gehen, aber wenn du willst, dann tritt ein”, forderte der Todesgott den Rotschopf auf und trat einen Schritt zur Seite. An der Stelle, wo er gestanden hatte, erschien ein schwarzes Loch in der Luft. „Wenn du dort durchgehst, dann gelangst du in den ersten Level und das ist wirklich nicht schwer, aber du kannst danach nicht mehr zurück. Ebenso wenig, wie deine Freunde, sollten sie dich begleiten. Sobald sich jemand dir anschließt, gibt es kein entkommen mehr vor unserem Spiel, außer dem Ende, und das kann bitter enden. Du hast nur eine Stunde Bedenkzeit, dann schließt sich das Tor”, erklärte er. „Was tust du, wenn ich nicht durchgehe?”, wollte Justin noch wissen. „Meinen Heeresführer erschlagen und glaube mir, das wird auch dir nicht gut bekommen. Außerdem müssen dann auch noch deine Freunde dran glauben, aber ich bin dann noch so gnädig, das du zuerst sterben wirst und den Tod deiner Freunde nicht mehr miterleben musst”, antwortete der Todesgott, während er auf den Rücken seines Pferdes kletterte und dann im gestrecktem Galopp davon fegte. Justin ging wieder zu seinen Begleitern. „Habt ihr alles gehört?”, fragte er bloß. „Natürlich. So weit weg ward ihr ja nicht und laut genug habt ihr auch gesprochen. Aber dir schien nicht ganz klar gewesen zu sein, dass du mit einem Gott gesprochen hast”, fand Moritz. „Doch. Das war mir jede Sekunde über klar, aber irgendwie habe ich gewusst, dass er mir nichts tun würde, egal, was ich getan hätte”, antwortete Justin. „Sei froh, dass es auch so war”, fand Timo. „Bin ich, das kannst du mir glauben. Aber da ihr alles gehört habt, helft mir. Was soll ich tun?”, Justin ließ sich zu Boden fallen, landete mit einem dumpfen Laut im Gras. „Ich an deiner Stelle würde das Spiel auf Leben und Tod spielen”, antwortete Moritz. „Ja, so hast du wenigstens die Chance, zu überleben”, stimmte Timo zu. Justin nickte. „So ähnlich habe ich auch gedacht...”, murmelte er. „Warum redet ihr nur darüber, was Justin tun soll, was wollt ihr denn tun?”, mischte sich Melody ein. „Da hat sie Recht”, fand auch Shadow, „und deswegen will ich euch verraten, was ich tun werde.” Die Blicke richteten sich auf den Chito. „Ich werde dich begleiten, Justin. Egal, was du tun wirst, ich werde dich begleiten”, meinte er. „Aber du kennst ihn doch kaum, warum willst du dein Leben aufs Spiel setzen für jemanden, den du nicht einmal kennst?”, erkundigte sich Sally misstrauisch. „Nun, er sieht jemandem unglaublich ähnlich, den ich mal gekannt habe. Vor allem die Augen, aber es ist schon mehr als zehn Jahre her. Der Mann damals war schon älter als du jetzt, Justin, also kannst du es nicht sein, aber du siehst ihm so unglaublich ähnlich und deswegen will ich dich begleiten und dich als eine art Stellvertreter für den Mann vor ein paar Jahren ansehen. Er hat mir das Leben gerettet und ich will mich Revangieren. Außerdem will ich mein Schicksaal alleine bestimmen, und es nicht vom Erfolg oder Misserfolg einer einzigen Person abhängig machen”, erklärte Shadow. Justin warf einen kurzen Blick zu Moritz, der bemerkte ihn aber sofort. „Ich muss dich enttäuschen, Justin, ich bin nicht der Kerl, von dem Shadow spricht. Ich kann es nicht sein, denn Shadow sagte, vor mehr als zehn Jahren, ich weiß aber seid gerade mal zehn Jahren von diesem Ort”, meinte der sofort. Justin zuckte mit den Schultern. „An sich ist es mir egal, war ja auch nur ein flüchtiger Gedankensprung. Aber ich find es gut, dass du mich begleiten willst, Shadow”, erklärte er. „Justin, das, was du mir vor einiger Zeit sagtest, das will ich dir nun zurückgeben”, erklärte Melody plötzlich. Justin lächelte wissend, die anderen sahen verwirrt aus. „Was hat er denn zu dir gesagt?”, wollte Sally wissen und deutlich schwang die Eifersucht in ihrer Stimme mit. Justin schüttelte den Kopf und deutete der Elbe mit einer Geste, nichts zu verraten. „Das ist und bleibt unser kleines Geheimnis. Auf jeden Fall wären wir somit schon zu dritt”, meinte er. „Zu viert. Ich werde dich nämlich auch begleiten”, korrigierte Moritz. Sally und Timo warfen sich einen kurzen Blick zu. „Wir sind auch dabei”, erklärten sie. Janne und Kit schauten in die Runde. „Okay, wir sind dann wohl zwangsläufig auch mit von der Partie”, erklärten die Beiden, sahen aber nicht allzu begeistert aus. „Auf mich werdet ihr verzichten müssen, ich habe anderweitig zu tun, aber ich bin mir sicher, dass ihr alle Abenteuer überstehen werdet”, erklärte Cloud, der die ganze Unterhaltung still mitverfolgt hatte. Nachdem er kurz zum Abschied genickt hatte, stieß er sich von der Erde ab und flog davon „Okay, dann lasst uns gehen”, sagte Justin. Sie standen auf und traten nacheinander durch das Tor, nicht wissend, was sie erwarten würde… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)