Bora, Stein der Winde von Scarla ================================================================================ Kapitel 30: Kayla ----------------- „Wo sind wir den hier?”, wollte Justin wissen. „Das Dorf unter der Elbenfeste. Warst du nicht schon einmal hier?”, erkundigte sich Moritz. „Kann sein, ich weiß es nicht mehr”, erklärte der Rotschopf und auch Timo zuckte nur mit den Schultern, Charly fragte erst keiner. „Wann werden wir bei der Elbenfeste ankommen?”, fragte Falko. „Morgen Mittag, ich denke nämlich, dass wir die Nacht hier bleiben sollten und morgen früh wieder Weiterreiten”, meinte Moritz, traf damit aber nicht nur auf Zustimmung. Timo und Justin wäre es am liebsten gewesen, wenn sie gleich weiter geritten wären, aber sie fügten sich der Mehrheit. Sie gingen in ein Gasthaus um dort zu essen und über Nacht zu bleiben. Während des gesamten Abends jedoch waren beide Jungen, vor allem aber Justin, nicht in der Lage, einfach nur still zu sitzen. Auch den Abend über ging er jedem auf die Nerven und die ganze Nacht über konnte er nicht schlafen. Früh am nächsten Morgen stand er auf und schlich sich aus dem Gasthaus. Trotz der frühen Stunde war schon ein reger Betrieb auf den schmalen Straßen der kleinen Stadt. Es hieß zwar Dorf, aber es war keines, wie Justin schnell festgestellt hatte und zwar schon am voran gegangenen Abend Er schlenderte durch die Straßen und schaute sich die Stände an, die um ihn herum aufgebaut waren. Einer erregte seine Aufmerksamkeit ganz besonders. Es war ein Stand, an dem Schmuck verkauft wurde. Neugierig und aufmerksam betrachtete er die ausgestellten Stücke. „Sind die Edelsteine echt?”, wollte er wissen. Der Verkäufer lachte: „Echt? Die hier? Ganz gewiss nicht, die hätte mir schneller jemand gestohlen, als ich sie hinlegen könnte. Nein, nein, das sind keine echten. Die sind wertlos, nur dazu gedacht, den Leuten zu zeigen, was für Stücke ich habe. Die echten bekommen meine Kunden, nachdem sie bezahlt haben.” Justin zuckte mit den Achseln. „Hätte ja sein können”, grinste er, dann schaute er sich die Schmuckstücke weiter ganz genau an. Besonders ein Ring gefiel ihm. Er nahm ihn hoch und betrachtete ihn ganz genau. Es war ein Silberring in dem ein dunkelblauer Stein eingearbeitet war, der, her nachdem, wie die Sonne darauf fiel, in vielen verschiedenen Blautönen schimmerte. „Wundervoll”, murmelte er, „sieht der Echte auch nur halb so wundervoll aus, wie dieses Schmuckstück?“ „Sicher doch, sogar noch tausend mal schöner, würdig, alleine einer Königin. Es ist mein bestes Stück. Willst du ihn haben?”, fragte der Mann. „Kommt drauf an, wie viel willst du?” Der Verkäufer dachte kurz nach, dann sagte er: „Acht Goldlinge und vier Silberlinge.” „Mächtig teuer“, murmelte Justin. „Der Stein ist den Preis wert“, erklärte der Verkäufer. „Okay, sagen wir sechs Goldlinge und acht Silberlinge”, feilschte Justin. „Sieben Goldlinge und fünf Silberlinge”, forderte der Verkäufer. Justin dachte kurz nach, dann nickte er. „Bin gleich wieder da”, erklärte der Verkäufer und ging. Nach kurzer Zeit kam er wieder und Justin gab ihm das Geld, erhielt dafür den Ring. Der Verkäufer hatte nicht zuviel versprochen, der Ring war wirklich ungleich schöner, als das Ausstellungsstück, denn im hellen sonnenlicht schimmerte er in mehr Blautönen, als Justin jemals gesehen hatte, ja mehr, als er sich bisher hatte vorstellen können. Es reichte von einem eisigen weißblau bis hin zu einem samtenen schwarz in der Farbe des Nachthimmels und das Silber war so blank poliert, das es funkelte, wie silbernes Mondlicht. Wahrlich einzig einer Königin würdig. Oder einem Engel. „Danke”, sagte er und ging weiter. Er steckte den Ring in seine Tasche und freute sich darauf, ihn derjenigen zu geben, für den er bestimmt war. Und wer das war, für den hatte er schon ganz konkrete Vorstellungen. Er war noch nicht lange gegangen, als vor ihm eine erboste Stimme zu hören war: „Haltet die Diebin!” Ohne lange darüber nachzudenken machte er einen Schritt zur Seite, hinein in eine Gasse und als ein junges Mädchen vorbei sprang, zog er sie zu sich in die Gasse. Er hielt ihr den Mund zu, damit sie nicht schrie. Ein Mann rannte vorbei, er hatte das Mädchen wohl verfolgt und im dichten treiben auf den Straßen nicht mitbekommen, dass sie in der Gasse verschwunden war. Justin war damit beschäftigt zu schauen, ob jemand ihn gesehen hatte, aber es nahm keiner Notiz von ihm. Keiner außer dem Mädchen. Und der schien es nicht zu gefallen, das Justin sie noch immer festhielt, obwohl das schon nicht mehr nötig war, sie biss fest zu. Justin schrie laut auf und ließ das Mädchen los, diese machte gleich einen Sprung weg von ihm und fauchte. „Ja, gern geschehen, dass ich dich gerettet habe”, knurrte der Rotschopf. Das Mädchen fauchte neuerlich und der Junge nutzte die Gelegenheit, um sie genauer zu betrachten. Sie hatte sehr langes, struppiges, braun-schwarzes gestromtes Haar und leuchtend Smaragdgrüne Augen. Sie war fast zwei Köpfe kleiner als er obwohl sie ebenso alt schien. Als sie ihre Zähne bleckte wie ein Hund sah Justin, dass ihre Schneidezähne länger waren, als bei normalen Menschen und weiß wie Schnee. Ihre Finger waren bewehr mit langen, scharfen Klauen. Sie war Barfuss und ihre Kleidung halb zerfetzt, unzählige blaue Flecken und Schrammen verunstalteten ihre sonnengebräunte Haut. „Okay, ich gehe, wenn es das ist, was du willst”, zickte er das Mädchen an, drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort. Er war schon wieder ein ganzes Stück gelaufen, als er über die Schulter nach hinten blickte und sah, dass das Mädchen ihm folgte. Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Na, willst du mitkommen oder was?”, fragte er sie. Er sah, wie ihren Ohren zuckten und sie nachdenklich den Kopf wog. Dann gab sie einen Laut von sich, das einem miauen glich. Sie war anscheinend eine art Katzenmädchen. „Komm her, ich mag es nicht, wenn man mir hinterher läuft, wie ein Hund. Geh neben mir oder verschwinde”, meinte er. Sie schaute sich abschätzend um, suchte augenscheinlich nach eine art Fluchtweg aus der Situation, doch dann schaute sie mit ihren Smaragdaugen direkt in seine Meerblauen und kam angesprungen. Wie eine Katze schmiegte sie sich an ihn und rieb ihren Kopf an seiner Brust. Justin wollte ausweichen, ihm war die Geste unangenehm, aber er wusste, dass sie das als Ablehnung angesehen hätte, deswegen tat er es nicht. „Können wir gehen?”, fragte er nach einer Weile, woraufhin das Mädchen schnurrend nickte. Während sie sich in Bewegung setzten, versuchte der Rotschopf ein wenig über das Mädchen herauszubekommen, indem er sie befragte, doch sie antwortete lediglich mit Gesten, einem Fauchen, Schnurren oder anderen, tierischen Lauten, die für Justin jedoch keinen Sinn ergaben. Er verstand sie zwar, aber die Anordnung der Worte hatte keinen Sinn, seiner Ansicht nach zumindest. Das Mädchen schien nie das Sprechen gelernt zu haben, war wohl auch sonst sehr vernachlässigt worden. Sie hätte eine wahre Schönheit sein können, wenn man sie nur einmal ordentlich abschrubbte, bürstete und ihr saubere Sachen zum anziehen gab. Es war schon fast Mittag, als er wieder im Wirtshaus ankam. Moritz wartete schon auf ihn. „Wo um alles in der Welt bist du gewesen?!”, rief er schon vom Weitem, Justin antwortete aber erst, als er vor seinem Vater stand. „Ich konnte nicht schlafen, also bin ich ein wenig durch die Stadt gelaufen, und da ist mir das Mädchen entgegen gekommen”, erklärte er. Moritz blickte zu dem Mädchen und sein Blick verfinsterte sich. „Was ist?”, fragte Justin sogleich, den ihm war Moritz’ Blick nicht entgangen, doch der hielt sich nicht lange mit einer Antwort auf, sondern ging barsch auf das Mädchen zu und holte die Hand aus, um sie zu schlagen, doch sie war schneller. Bevor Moritz ganz ausholen konnte, war sie schon zur Seite gesprungen und rannte nun zu Justin um sich hinter ihm zu verstecken und Moritz anzufauchen. „Was soll das denn?!”, rief Justin wütend. „Verscheuch sie, Kayla bringt uns nur unnötige Schwierigkeiten!”, antwortete Moritz und schaute das Mädchen so feindselig an, wie es irgend ging. Justin verstand das nicht. „Warum soll ich sie verscheuchen, sie hat doch nichts getan! Okay, sie ist eine kleine Diebin, aber sonst hat sie nichts gemacht”, widersprach er. „Das mag sein, aber sie muss trotzdem weg von hier, bevor irgendjemand mitbekommt, das sie hier ist”, knurrte Moritz. „Aber warum, was hat sie dir getan, warum soll sie uns Schwierigkeiten machen, ich verstehe nicht, wie du darauf kommst”, jammerte Justin. „Ja, das merke ich. Wenn sie weg ist, dann erkläre ich es dir, ich will nämlich nichts mit ihr zu tun haben, ich habe keine Lust auf Ärger, also mach was du willst, aber bring sie nicht in unsere Nähe”, befahl sein Vater und ging wieder ins Gasthaus. Justin war verwirrt über diese heftige Reaktion, dann wandte er sich dem Mädchen zu. „Verstehst du das? Ich nicht...”, meinte er, doch das Mädchen sah ein wenig traurig aus. Sie gab Justin durch Laute und Gesten zu verstehen, dass es ihr Leid tat, was geschehen war und bevor er etwas sagen konnte, war sie schon weg gesprungen. Der Rotschopf blieb verwirrt zurück. Dann ging er ins Wirtshaus, um seinen Vater zur Rede zu stellen. „Ich erkläre es dir”, seufzte der. „Dann mach mal, wo sind eigentlich die Anderen?”, Justin fiel auf, das sie ganz allein waren, vom Wirt selbst abgesehen. „Na ja, wir können dich nicht einfach hier lassen und eigentlich wollten wir ja schon am Morgen los, und da du nicht da warst und wir nicht wussten, wo du warst, haben wir beschlossen, erst Morgen weiterzureisen. Aber nun zu Kayla. Hab ich dir schon mal erklärt, wie das hier mit der Regierung abläuft?” Als Justin verneinte, fuhr er fort: „Also, das ist so. Es gibt hier drei Kontinente und in jedem Kontinent gibt es so etwas wie einen Alleinherrscher, den Reichsherren. Der ist so was wie der Vorsitzende der normalen Landesherren, so was wie Melody. Die herrschen halt über ihre Reiche, dürfen aber keine neuen Gesetze erlassen oder höhere Abgaben fordern oder ähnliches, ohne die Einverständniserklärung des Reichsherrn. Die drei Reichsherren bilden eine art Rat, auch sie dürfen keine neuen Gesetzte machen, ohne die Einverständniserklärung der anderen Beiden.” „Und was hat das jetzt alles mit dem Mädchen zu tun?”, wollte er wissen. „Dazu wollte ich gerade kommen”, meinte Moritz, „es ist nämlich so, das der Reichsherr natürlich, wie so ziemlich jeder andere Mann hier, die eine oder andere Geliebte hat. Kayla ist die Geliebte des Reichsherren und es gibt Gerüchte, das er sie heiraten wird, wenn er Melody nicht haben kann. Weist du, was er mit einem Mann gemacht hat, der Kayla nur einmal schräg angeschaut hat?” Justin konnte es sich denken: „Die Augen ausgestochen?” „Ja, und dazu wurde den armen Kerl heißes Wachs in die Ohren gegossen, seine Zunge herausgeschnitten und ihm wurden beide Hände abgehackt. Weil er das Mädchen angeschaut hat, mehr nicht”, erklärte Moritz. „Dafür, das keiner sich traut, sie auch nur anzuschauen war sie aber ziemlich verwildert und ich denke, als Geliebte eines so mächtigen Mannes, wie es dieser Reichsherr sein muss, war sie ziemlich ärmlich”, fand Justin. „Ja, weil ihr Vater sie nicht sonderlich gut behandelt. Sie ist eben nur ein Mischling und noch dazu ein Mädchen, die braucht man nicht gut zu versorgen”, erklärte Moritz ironisch. „Und warum tut der Reichsherr nichts dagegen, wenn sie doch seine Geliebte ist?”, wollte sein Sohn wissen. „Weil es so ist: niemand Fremdes darf dem Mädchen etwas tun, aber bei ihrem Vater ist das was Anderes. Er bringt ihr ja lediglich gehorsam bei, so redet er sich zumindest heraus.” „Und warum wolltest du sie dann schlagen und warum haben die anderen in der Stadt sie gejagt?“, Justin war leicht verwirrt. „Weil sie die Namen ihrer Peiniger nicht kennt und der Reichsherr eben nicht hier ist. Er hätte mich dafür sofort köpfen lassen und ihre Jäger würden auch schon am Galgen hängen. Es machen einfach die Umstände aus“, erklärte Moritz. „Du sagtest, es gibt Gerüchte, er wolle das Mädchen heiraten, wenn Melody ihn abweist. Darf sie das überhaupt?” „Nein, eigentlich nicht, aber er weiß, das er ihren Körper besitzen kann, aber nicht ihr Herz. Das muss er erobern und nur eine Frau, dessen Herz ihrem Mann auch gehört wird treu bleiben. Das weiß er und er kann es eben nicht durchgehen lassen, wenn seine Frau ihm untreu wird, aber er will sie auch nicht umbringen lassen. Deswegen muss er versuchen, sie so zu erobern. Und sie macht es ihm schwer, er hat ihr nämlich schon einen Antrag gemacht, als sie kaum zwölf Jahre alt war, aber sie hat immer und immer wieder abgelehnt. Übrigens würde ich es keinem Anderen anraten, sie zu begehren, denn er wird vermutlich jeden umbringen lassen, der es schafft, ihr Herz zu erobern. Der Reichsherr selbst, oder keiner”, mischte sich der Wirt auf einmal ein. Moritz blick sprach Bände. Er wandte sich dem Wirt zu. „Eigentlich müsste ich ihnen jetzt die Ohren und die Zunge abschneiden, denn was wir besprechen war nicht für ihre Ohren bestimmt und auch nicht dazu, dass sie es überall herumerzählen”, knurrte er. „Ihr habt so laut gesprochen, dass ich nicht umhin kam, mit anzuhören, was ihr miteinander flüstert und ich habe lediglich meine Meinung zum Besten gegeben. Und wenn ihr mir die Ohren und die Zunge abschneidet, dann werde ich der Herrin selbst berichten, was ihr mir antatet und ihr solltet ihrer fürchten! Seid den letzten Monaten ist sie nämlich erbarmungslos und vollkommen ohne Gewissen, eine regelrechte Tyrannin”, erklärte der Wirt schlagfertig. Moritz wollte etwas erwidern, doch Justin kam ihn zuvor: „Melody, eine Tyrannin? Erbarmungslos und vollkommen ohne Gewissen? Wie kommt ihr denn darauf?” „Weil es so ist. Sie hat Jack, der sich sonst so gut wie alles erlauben kann, fast erhängen lassen, nur weil der ihr erklärte, dass ihre Kleidung unvorteilhaft für ihre Figur war”, erklärte der Wirt. „Aber wieso? Wie kann sie sich in den letzten Monaten so stark verändert haben?”, wollte Justin verwundert wissen. „Nun ja, man munkelt, dass ihr heimlicher Geliebter sie hat sitzen lassen. Ob es stimmt, oder nicht, das weiß keiner so genau.” Justin sog scharf die Luft ein. „Ihr was?”, fragte er scharf. „Ihr heimlicher Liebhaber. Keiner weiß, wer er ist oder sein könnte. Man erzählt verschiedenen Geschichten über ihn. Die einen sagen, es sei ein junger Prinz aus einem fernen Land, andere sagen, er sei aus ihrer Gefolgschaft. Die Dritten behaupten, sie hätte keinen, aber ich bin mir sicher, irgendeinen wird sie bestimmt haben. Sonst hätte sie den Antrag des Reichsherren sicherlich schon angenommen”, erklärt der Wirt mit einem Achselzucken und ging wieder seiner Arbeit nach. Moritz grinste breit. „Sie bedeutet dir etwas, hab ich Recht?”, fragte er. Justin schaute weg. „Und wenn? Ist das jetzt noch von Bedeutung?”, fragte Justin. „Wieso soll es nicht von Bedeutung sein? Es ist ein Gerücht, Justin, ein Gerücht. Nicht mehr, nicht weniger. Es musst nicht so sein, und selbst wenn: Was macht das schon? Wenn sie dir etwas bedeutet, dann wirst du weiter um sie buhlen, auch wenn sie einen Anderen hat. So wie es alle Männer tun und immer getan haben. Und wer weiß, wer der Geliebte von ihr ist, wenn es ihn überhaupt gibt”, erklärte Moritz. „Ist es eher so, das die Gerüchte hier wahr sind oder sind sie eher unwahr?”, wollte Justin noch wissen. „Es kommt immer auf die Sache als solche an. Aber bei so etwas ist meistens etwas Wahres dran. Wenn es um die Herrscherhäuser geht wird in der Regel sehr gut recherchiert und die Herrscher vergessen nur zu gerne einmal, dass ihre Zofen und Diener anwesend sind und zudem auch noch gerne tratschen”, erklärte sein Vater. Justin blick wurde finster. Er stand auf und ging zur Tür. „Wo willst du denn jetzt schon wieder hin?”, fragte Moritz. „Kayla suchen. Ich will es nicht zulassen, dass sie von jedem nur ausgenutzt wird”, erklärte der Angesprochene. „Und was genau willst du dagegen tun?”, wollte sein Vater wissen. „Na, sie mitnehmen. Dieser Reichsherr braucht ja nicht wissen, dass sie bei uns ist”, fand Justin. Moritz’ Augen verdunkelten sich. „Bist du Wahnsinnig? Wenn er wieder im Dorf ist und sein Freudenmädchen nicht mehr da ist, dann wird er das gesamte Land absuche lassen, um sie zu finden und früher oder später wird er sie finden! Er wird es als Beleidigung auffassen, dass wir sie mitgenommen haben und dementsprechend auch handeln! Außerdem kannst du ihn nicht beide ausspannen!”, rief er. Justin setzte sich ihm gegenüber wieder hin, sah ihm tief in die Augen. „Na und? Ist mir doch egal! Ich will nicht, dass sie von allen immer nur ausgenutzt wird! Und wenn ich wirklich dieser Weltenretter bin, wie ihr alle glaubt, obwohl ich euch tausendmal schon sagte, das ich es nicht bin, dann wird er es nicht wagen, seine Hand gegen mich zu erheben, weil ich doch der Einzige bin, der die Welt retten kann, oder nicht? Ich denke, auch so ein mächtiger Mann wird an seinem Leben hängen. Und ich habe nicht vor, ihm Kayla auszuspannen, ich will sie nur mitnehmen, mehr nicht”, erklärte Justin. „Schon möglich, aber selbst von dir wird er sich so etwas nicht gefallen lassen, es ist, als würdest du ihm einen Schlag ins Gesicht verpassen und wenn er dir das durchgehen lässt, dann verliert er sein Gesicht und es gibt kaum etwas schrecklicheres für einen solche mächtigen Mann. Niemand würde ihn mehr ernst nehmen”, versuchte Moritz noch einmal seinen Sohn zur Besinnung zu rufen. „Pech gehabt”, war jedoch der einzige Kommentar von Justin. Er stand auf und wollte gehen, doch ein plötzlicher Schwindelanfall ließ ihn noch einmal auf den Stuhl sinken. Er wartete einen Moment, in dem Moritz ihn verwundert musterte, aber nichts sagte, dann stand er abermals auf und stand ein weiteres mal nicht dort, wo er eigentlich hätte stehen müssen. Er stand in einer großen Halle mit vielen Fenstern, die aber gebaut war aus großen, groben Steinquadern. Vor ihm stand der junge Mann, den er ein Jahr zuvor an jenem Tag im Wald sah, damals auf dem Schlachtfeld, getragen von seinem nachtschwarzen Teufelspferd. Ein Stück weiter, direkt an der Wand stand ein Thron auf dem ein junger, schwarzhaariger Mann saß. „Was führt dich zu mir?“, fragte er den Rothaarigen, der schüttelte den Kopf. „Das weist du ganz genau“, antwortete er. „Nein, tue ich nicht, Herr der Dämonen“, war die bissige Antwort. „Mit Dämonen habe ich nichts am Hut, und das wisst ihr“, der Rothaarige schüttelte abermals den Kopf, kniff dabei die Augen zu und verzog das Gesicht. „Was hast du? Ein Schwächeanfall? Kann ein Dämon einen Schwächeanfall haben?“, erkundigte sich der Schwarzhaarige herablassend. „Nein, kein Schwächeanfall. Ich bin ja nicht ihr“, antwortete der Rothaarige verächtlich. „Wenn du meinst… Was wollt ihr also nun von mir? Ich weiß es nämlich nicht“, war die Entgegnung. „Ihr müsst mir nicht beweisen, dass ihr dumm seid, das weiß ich auch so. Du weißt, was ich will, gib es mir freiwillig, oder lass es sein. Bekommen werde ich es in jedem fall, der einzige Unterschied ist der, wie viele Männer du am Ende noch zum Quälen hast. Du weißt sehr genau, das du mir nichts entgegen zusetzen hast, und meinem Heer der Schatten sowieso nicht“, erklärte der Rothaarige. Er maß den Schwarzhaarigen noch einmal mit einem verächtlichen Blick, dann drehte er sich um. „Du verschwindest jetzt schon? Hast wohl doch Angst vor mir!“, rief der ihm nach, doch der Rothaarige machte lediglich einige unsittliche Gesten mit der Hand und zwar, ohne sich noch einmal um zu blicken. Der Schwarzhaarige wurde erst blass, dann rot vor Zorn, doch er schluckte all die Worte, die ihm sichtlich auf der Zunge lagen, hinab und sagte nichts mehr, schaute dem Rothaarigen nur noch hasserfüllt nach. Dieser blieb kurz stehen, als er an Justin vorbeikam und murmelte aus dem Mundwinkel: „So, jetzt kennst du ihn. Ärgere ihn ruhig sosehr du nur kannst, er hat uns nichts entgegen zu setzen.“ Verwirrt schaute Justin den jungen Mann nach, blickte sich dann einmal im Kreis um, doch niemand stand in seiner unmittelbaren Umgebung, und da niemand Notiz von ihm nahm, war er sich auch ziemlich sicher, das er von niemanden gesehen wurde. Er wollte dem Rothaarigen hinterher eilen, um zu sehen, ob die Worte auch wirklich ihm galten, ihn so viele Dinge fragen, falls dies möglicht war, doch er machte einen strauchelnden Schritt und stand wieder im Wirtshaus. Moritz stand neben ihm und schien schon mehrfach auf ihn eingeredet zu haben. „Justin, war ist los, sag es doch endlich!“, rief er gerade und man sah ihm an, das er der Panik nahe war. „Nichts, nichts“, Justin wollte seinem Vater nicht erzählen, was gerade geschehen war, er hatte das Gefühl, das es falsch gewesen wäre. So schüttelte er nur einmal den Kopf und ließ den besorgten Mann stehen, um sich auf die suche nach Kayla zu machen. Er hatte zwar keine Ahnung, wo er sie suchen sollte, doch er wollte sie finden und wenn es sein musste, würde er jeden einzelnen Stein in dieser Stadt umdrehen um sie zu finden. An seine Vision mochte er nicht mehr denken, nur noch an Kayla, und wo sie sein könnte. Doch er brauchte nicht suchen. Er war vielleicht ein paar Meter gegangen, als Moritz ihn hinterher geeilt kam. „Okay, ich merke schon, ich kann dich nicht davon abbringen”, seufzte er, „aber wir müssen bis morgen früh fertig sein, also werde ich dir helfen, damit wir rechtzeitig weiter kommen.” Justin nickte dankbar. Wie sich herausstellte, wusste Moritz ganz genau, wo das Mädchen wohnte, wie ihre familiären Verhältnisse waren und noch unendlich viele andere Informationen. Das Mädchen war nämlich kein normales Mädchen, sie war ein Mischling aus Elb und Chito, eine Mischung, die nur selten zustande kam. Das erklärte ihr katzenhaftes Aussehen und auch ihr Reaktionsvermögen, ihr gutes Gehör und alles andere. Sie konnte kaum sprechen, weil sie es nie gelernt hatte, ihr Mutter war kurz nach ihrer Geburt gestorben und ihr Vater hatte sich nicht darum gekümmert, wie es seiner Tochter ging, das er sie überhaupt in sein Haus aufgenommen hatte war mehr, als die meisten Anderen getan hätten. Deswegen war sie mehr von seinen Haustieren, seiner Hündin und seinen Katzen, aufgezogen wurde. Der Reichsherr hatte sie gesehen, als er einmal auf der Durchreise gewesen war. Er hatte sie zu sich genommen, als sein Freudenmädchen und als er weiter gezogen war, da hatte ihr Vater erst erkannt, was sie für ihn bedeuten konnte: eine wahre Grube der Macht und des Reichtums und so hatte er sie nicht gehen lassen, als sie es wollte, sondern zwang sie immer wieder dazu, zu ihm zurückzukehren. „Du weist aber ziemlich viel über sie”, meinte Justin lauernd, als Moritz geendet hatte. „Ja. Theo hatte mir einmal den Auftrag erteilt, alles über die herauszufinden und ob sie ihn helfen konnte, bei seinen Plänen, aber wie sich herausstellte war sie für ihn absolut nutzlos”, antwortete der. Dann blieb er stehen und deutet auf eine Hütte. „Dort wohnt sie?”, fragte Justin. Moritz nickte. „Ich glaube, es ist am Besten, wenn du mir das Reden überlässt”, meinte er. „Ist okay, solange sie nur mit uns kommen kann”, erklärte Justin. „Das wird sie, sei dir da mal sicher“, antwortete sein Vater. Er klopfte und schon nach einigen Augenblicken machte ein Mann die Tür auf. Er sah aus, wie ein Alkoholiker und roch auch so. Seine Zähne waren schwarz, sein vermutlich hellblondes Elbenhaar war dunkel vor Dreck, außerdem stank er erbärmlich. Justin musste sich stark zusammen nehmen, um sich nicht zu übergeben. „Ist Kayla hier?”, fragte Moritz mit genervter, auch ein wenig gelangweilter Stimme. „Ja, aber was wollt ihr von ihr?”, fragte der Mann frech. „Sie mit uns nehmen”, knurrte Moritz. „Warum?”, der Fremde schien sie nicht herausgeben zu wollen. „Geht dich nichts an, also frag nicht”, erklärte Justins Vater giftig. „Wer ist dein Auftraggeber?”, wollte der Fremde dennoch wissen. „Die Lady Melody. Sie will Kayla sehen, weswegen geht dich nichts an, gib sie raus oder ich nehme sie mir mit Gewalt und das, mein guter, das bedeutet deinen Tod”, Moritz war wieder ganz in seiner Rolle als rücksichtsloser Ritter und Kaylas Vater schien es zu beeindrucken. Zumindest nickte er daraufhin, ging ins Haus und kam mit Kayla wieder. Die sträubte sich gegen den harten Griff ihres Vaters, so sehr, das sie gar nichts mehr um sich herum wahrnahm. Der Mann schubste sie in Richtung Moritz’, schloss dann die Tür, ohne noch ein Wort zu sagen. Kayla fauchte wütend die Tür an, dann schaute sie zu Moritz rauf und machte einen erschrockenen Satz weg von ihm. Knurrend saß sie da, bereit zum Angriff. „Kayla, du brauchst keine Angst haben”, meinte Justin und ging zu dem Mädchen. Die schaute ihn fragend an, dann rieb sie freudig ihren Kopf an seinem Arm. „Na, komm, gehen wir”, meinte Justin freundlich und sofort sprang Kayla auf und folgte ihm. Sie gingen zurück zum Wirtshaus. Dort versuchte Justin, sich auf verschiedene Art und Weise, mit Kayla zu verständigen und langsam aber sicher verstand er, was sie ihm sagen wollte. Es war schon spät, als die Anderen kamen. Moritz erklärte ihnen, was vorgefallen war. Alle nahmen Kayla freudig in die Gruppe auf, auch wenn niemand wirklich verstand, was sie ihnen sagen wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)