Bora, Stein der Winde von Scarla ================================================================================ Kapitel 35: Im Silberwald ------------------------- Sie brauchten etwa zwei Tage bis sie beim Elfenwald ankamen. Alleine Shadow sah diesen Wald nicht zum ersten Mal und so staunten sie allesamt über die Schönheit des Waldes. Die Blätter an den Bäumen waren golden und saftig grün, die Stämme waren silbern und braun, überall glitzerte und glänzte es als würde überall Goldstaub zu Boden fallen. Mitten durch die Bäume führte ein Pfad, diesen ritten sie entlang während sie die Bäume bestaunten. „Hört ihr das auch?”, wollte Timo nach einer Weile wissen. „Wenn du mir sagst, was du meinst, kann ich dir sagen, ob ich es auch höre”, antwortete Justin. „Das Lachen, Gekicher, das Geflüster”, erklärte Timo. Justin löste mühsam seinen Blick von dem Wald und schaute seinen Kumpel an. „Jetzt wo du es sagst höre ich es auch. Was ist es nur?” „Das sind die Feen die hier leben”, erklärte Shadow, „aber ignoriert sie besser vorerst, sonst werden wir sie nicht mehr so schnell los. Feen sind sehr anhängliche kleine Biester. Und wenn sie euch jemals fragen, ob ihr ihre Freunde seid, dann sagt in jedem fall ja, eine Fee kennt nämlich nur Freund und Feind und so klein sie auch sind, ihr Feind wollt ihr sicher trotzdem nicht sein. Es ist zumindest nicht ratsam.” „Wieso, was können die Wesen denn schon tun, wenn sie so klein sind, wie du sagst?”, wollte Falko wissen. „Sie beherrschen Zauber und sie sind Waldgeister, sie können den Wald selbst gegen dich aufhetzen. Außerdem sind sie gute Freunde der Waldnymphen und der Elfen und mit solchen Wesen ist nicht zu spaßen”, erklärte nun Moritz weiter. „Na dann”, Falko hatte sichtlich wenig Lust, dieses Gespräch weiter zu führen und auch die anderen nicht und so ritten sie bis zum Herz des Waldes ohne das einer von ihnen auch nur ein weiteres Wort sagte. Dann kamen sie an. Eine Höhle auf einer Lichtung im Elfenwald. Justin sprang von Thunders Rücken. „Shadow, Timo, Melody, kommt mit”, forderte er, „Moritz, Falko, bleibt ihr hier. Ich möchte, dass der Fluchtweg frei bleibt. Ich traue dem Todesgott nicht.” Moritz nickte. „Ich auch nicht. Beeilt euch aber bitte trotzdem, mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, euch alleine gehen zu lassen”, erklärte er ernst. Justin nickte, dann ging er in die Höhle, die beiden Mädchen und Timo folgten ihm. „Shadow?”, fragte Justin nach einer Weile. „Ja?”, antwortete die. „Kannst du noch irgendetwas sehen? Oder du Melody? Ich sehe nämlich nichts mehr, nur noch Schatten, die sich hier um mich herum bewegen”, erklärte er. „Okay, dann gehe ich vor, ich brauche nichts zu sehen, um mich zurechtzufinden. Die Finsternis selbst zeigt mir den Weg”, antwortete sie und Justin spürte, wie etwas an ihm vorbei ging, ohne das er sah, was es war, mehr noch, ohne das er überhaupt sah, das dort etwas ging. Das verwirrte ihn, denn er sah Timo und Melody sehr wohl, wenn sie sich bewegten. Shadow dagegen war vollkommen unsichtbar für ihn. „Shadow, ich sehe nicht, wo du dich hinbewegst, sag mir bitte den Weg”, bat er darum. „Du siehst mich nicht?”, fragte sie und ein Anflug von Verwirrung schwang in ihrer Stimme. „Nein, nicht einmal einen Schatten”, antwortete er. Plötzlich nahm etwas seine Hand, ein stück Haut, warm und weich, schmiegte sich in seine Handfläche. Plötzlich spürte er, das diese Hand, die nun die seine hielten, wie geschaffen dafür waren, zu töten, und zwar so langsam und grausam, wie eine Katze ihre Beute erlegte. Zum ersten mal wurde ihm bewusst, wie gefährlich Shadow eigentlich war und wie glücklich er sich schätzen konnte, sie nicht zur Feindin zu haben, denn diese Hände würden jeden Feind erbarmungslos auslöschen, der ihr auch nur entfernt unterlegen war. Doch sie war nicht seine Feindin und das Chitomädchen führte ihn sicher durch die Finsternis und das so schnell, das er bald spürte, wie Melody und Timo hinter ihnen zurückblieben. „Shadow, warte kurz, die anderen Beiden bleiben hinter uns zurück”, machte Justin sie darauf aufmerksam. „Ich weiß, aber wir haben sowieso bald die ganze Höhle durch, wenn wir zurückgehen können wir sie einsammeln”, erklärte sie. „Aber gibt es hier keine Abzweigungen, wo sie sich verirren könnten?”, fragte er verwundert. „Nein und selbst wenn, ich kann sie hier jederzeit finden, denn die Dunkelheit und die Schatten sind meine Verbündeten so wie deine die Tiere sind. Sie helfen mir, wenn ich sie um Hilfe bitte und wenn ich versuche, ihnen meinen Willen aufzuzwingen, dann wehren sie sich dagegen, ebenso wie es bei dir und deinen Verbündeten ist“, antwortete sie „Sicher? Ich meine, es muss nicht sein, das wir sie hier drinnen verlieren”, fand Justin. Er spürte, das Shadow vor ihm nickte. „Da hast du recht, aber sei unbesorgt, und wie gesagt, wir sind sowieso fast da”, erklärte sie. In just diesem Augenblick traten sie in eine Art Halle. Hier herrschte leichtes Dämmerlicht, sodass Justin sehen konnte, dass er vor einem riesigen See stand. Das schwarze Wasser bewegte sich leicht, obwohl kein Windhauch wehte. „So, das ist das Ende, das ist der Salzwassersee im Herzen der Schattenhöhle”, erklärte das Chitomädchen. „Aber hier ist niemand”, murrte Justin. „Stimmt. Nichts, absolut gar nichts. Niemand hier, meinst du, wie haben das Rätsel doch falsch verstanden?” „Ja, so wie es scheint schon, also lass uns zurückgehen”, fand Justin und drehte sich um. Shadow nickte und nahm ihn wieder an die Hand. Genauso sicher, wie sie ihn auf den Hinweg geführt hatte, brachte sie ihn nun zurück. Unterwegs sammelten sie Timo und Melody ein. Sie brauchten nicht ganz so lang nach draußen, wie sie zum See gebraucht hatten, denn nun hielten sie einander die Hände und kamen schneller voran. Kaum eine Stunde später traten sie aus der Höhle heraus. „Und?”, fragte Moritz sogleich. „Hier sind wir falsch, es war niemand da. Wir haben das Rätsel nicht richtig gelöst”, erklärte Shadow. „Aber was war der Denkfehler?”, fragte sich Falko. „Das mit dem Feuer bestimmt. Wir hätten in der Höhle auch eine Fackel entzünden können und sie hätte gebrannt, es hieß aber, dass nur kaltes Feuer dort brennen kann“, antwortete Justin. „Aber was soll kaltes Feuer sein? Ich meine, Feuer ist doch immer heiß”, warf Timo ein. „Das wissen wir selber”, fuhr Shadow ihn an. Timo zickte kurz zurück aber ein mahnender Blick Moritz’ ließ beide still werden. „Kaltes Feuer, kaltes Feuer”, Justin dachte angestrengt nach, „es kommt mir bekannt vor, wenn mir doch nur einfallen würde, woher.“ „Und wenn kein Feuer gemeint war, sondern bloß Licht?”, überlegte Melody laut. Sie alle schauten die Elbe an. „Glaube ich nicht”, fand Moritz, sein Blick war missbilligend, doch hinter Justins Stirn arbeitete es sichtlich. Er schaute Melody lange einfach nur an, ohne ein Wort zu sagen und auch ohne sie wirklich zu sehen und dann, plötzlich, stieß er mit einem zischen die Luft aus. „Was ist? Ist dir etwas eingefallen?”, fragte Shadow sogleich. „Ja. Melody, ich finde, du hast vollkommen recht. Es ist kein Feuer gemeint, sondern bloß Licht. Ich weiß nicht, wie es hier ist, aber in unseren Meeren gibt es Fische die in sehr großer tiefe leben und auch dort unten brauchen sie Licht, weswegen sie so etwas wie Lampen an ihrem Körper haben. Sie leuchten, aber sie werden nicht heiß dabei. Vielleicht könnte das so gemeint sein? Das er uns in großer Tiefe eines Salzwassersees erwartet?” „Das könnte sein, dann wart ihr mit der Höhle aber doch gar nicht so falsch, dann müsst ihr einfach ein wenig schwimmen gehen”, fand Falko. „Nein, nein, nein, ich denke nicht, dass sich der See in einer Höhle befinden soll, sondern es ist einfach so, das in großer tiefe auch kein Licht da ist. Ich denke, dass es mehr so gemeint ist. Das heißt, wir brauchen einen tiefen Salzwassersee”, meinte Justin. „Das kann dann doch nur der Nachtsee sein, oder?”, vermutete Moritz. „Sehe ich genauso, aber ich denke, wir sollten erst einmal hier bleiben, bei den Elfen”, fand Shadow. „Da gebe ich dir uneingeschränkt recht, ich bin Hundemüde”, erklärte Justin. „Dann kommt mit, kommt mit! Wir werden euch führen, werden euch führen!”, rief ein Stimmchen und eine kleine Fee schwirrte aus dem Unterholz hervor. Justin hatte noch nie zuvor eine Fee gesehen, doch er hatte sie sich anders vorgestellt. Er hatte gewusst, dass Feen klein und feingliedrig sind, doch diese hier sah aus, wie eine zarte Blume die bei dem geringsten Luftstoß regelrecht zerfetzt werden würde. Die Flügel des kleinen Wesens waren nicht die einer Libelle, wie oft gesagt wird, sondern die eines Schmetterlings. Sie schillerten in den schönsten Farben und bei jedem schlag entfachten sie einen funkelnden Wirbel aus Goldstaub. Die Haare der Fee waren Grünlich-Silber und etwa taillienlang. Die kleinen Augen des Wesens waren von einem saftigen grün mit ein wenig schwarz was sie aussehen ließ, wie zwei kleine, von innerem Feuer lodernde Smaragde. „Warum willst du uns führen? Wir finden den Weg auch alleine”, fand Shadow. „Nein, werdet ihr nicht, werdet ihr nicht. Die Elfen haben sich ins das Herz des Silberwaldes zurückgezogen, ihr werdet sie nicht finden, im Herz des Waldes werdet ihr sie nicht finden. Aber ihr müsst, ihr müsst, denn der Weltenretter muss die Legende von Layla selbst erfahren, von Layla selbst hören”, erklärte die kleine Fee. „Dann führe uns, wir werden dir folgen”, beschloss Moritz. Das schillernde und funkelnde Wesen flog an Justins Seite durch den Wald und erklärte ihnen den Weg. Justin beobachtete sie dabei ununterbrochen, hatte ihr Anblick ihn doch sofort in seinen Bann gezogen. Die Fee lachte. „Habt ihr noch nie eine wie mich gesehen?”, fragte sie, den ihr war keineswegs entgangen, das sie unentwegt beobachtet wurde, bei jedem Flügelschlag, bei jedem Atemzug. „Nein, so etwas wie dich sah ich noch nie”, antwortete der. Wieder lachte die Fee. „Warum nicht? Beobachtest du die Natur nur so wenig? Wir sind überall, überall wo die Blumen blühen, denn aus jeder Blume wird auch eine Fee geboren. Sie lebt mit der Blume und stirbt mit ihr, wenn es Zeit ist. So wie die Elfen aus Bäumen geboren werden und mit ihnen sterben. Sie hüten die Bäume, wir die Blumen. Wie ist dein Name?”, wollte das kleine Wesen wissen. „Justin. Habt ihr auch Namen?”, erkundigte er sich. „Aber gewiss doch. Mich nennt man Snowflower. Schneeblume. Ich wurde nämlich aus einer roten Schneeblume geboren. Aber das ist schon annähernd zweihundert Jahre her, meine Blume pflückte nämlich einst ein mächtiger Mann und schenkte sie Layla. Die Blume welkte nie und als er dann starb pflanzte Layla sie auf das Grab des Mannes. Dort blüht sie auch heute noch, tief im Wald, wo nie jemand hinkommt. Wahrscheinlich wird sie ewig blühen, wenn nicht jemand kommt und sie bricht und an jemanden gibt, den er nicht liebt”, antwortete Snowflower. Justin wirkte auf einmal unruhig. Er erinnerte sich noch gut an das, was Melody ihm vor ein paar Monaten erzählte. „Was ist denn mit dir?”, wollte die Fee wissen. Justin flüsterte ihr etwas zu. Das Wesen schaute ihn aus großen Augen an. „Aber natürlich! Aber als erstes musst du zu den Elfen, Layla will dir die Legende erzählen. Das ist wichtig, denn nur die Elfen kennen die wahre Version”, erklärte sie. Justin nickte und lächelte vor sich hin während sie durch den Wald ritten. Nach einigen Stunden hörten sie plötzlich ein Rascheln. „Die Elfen kommen”, erklärte Snowflower und ließ sich auf Justins Schulter nieder. Sie alle schauten sich suchend um und plötzlich sprang ein Wesen aus den Wipfeln der angrenzenden Bäume mitten in die Gruppe rein. Erschrocken machten die Reittiere einen Satz zur Seite, was die Gruppe für einen kurzen Moment ablenkte. Justin merkte, das genau dies der Sinn der Sache war, wären sie Feinde gewesen, wären sie nun binnen Sekunden überwältigt gewesen. Die Elfen schauten sich um. „Snowflower, eine der Feen erzählte uns, das du kommst”, sagte eines der Wesen. Wie er es zuvor mit der Fee tat, betrachtete Justin die Elfen ganz genau. Sie sahen vom Körperlichen her aus, wie die Fee, genauso feingliedrig und zerbrechlich, doch hatten sie keine Flügel. Sie hatten fast weiße Haut, langes, fast weißes Haare und blassblaue Augen. Ihre Kleider waren leicht wie ein Windhauch und fast durchsichtig. Sie hätten genauso gut nackt da stehen können, einen wirklichen Unterschied hätte das nicht gemacht. „Seid gegrüßt”, sagte Moritz förmlich. „Herzlich Willkommen im Silberwald”, sagte eine der Elfen, „Lady Layla erwartet euch schon.” Bevor einer noch etwas sagen konnten, nahmen sie die Tiere an den Trensen und führten sie den restlichen Weg. Im Herz des Waldes, im Dorf der Elfen angekommen, wurden sie von einer Elfe begrüßt, die sich auf unbeschreibliche Weise von den anderen unterschied. Sie sah nicht wirklich anders aus, sie strahlte einfach nur eine gewisse Würde und Weisheit aus. „Seiet gegrüßt, Weltenretter”, begrüßte sie Justin förmlich. Erst danach wandte sie sich den Anderen zu und begrüßte sie, einen nach dem anderen, einem nicht klar erkennbaren Rangfolge folgend, denn anders als bei den Elben, schien Melody keine Sonderstellung zu haben. Nach Justin schien Shadow die Wichtigste zu sein, vielleicht, weil sie den Elfen schon bekannt war. Und auch Timo war wichtiger als sie, ebenso Moritz. Einzig Falko schien ihr dennoch unterlegen zu sein, denn er wurde als letzter begrüßt „Es ist eine Ehre für mich und mein Volk, das ihr hier seid und ich hoffe, dass wir euch die Nacht über beherbergen dürfen.” „Genau deswegen haben wir uns überhaupt auf den Weg hierher gemacht”, erklärte Justin. Die Elfe nickte und deutete ihnen, ihr zu folgen. „Um euere Reittiere werden sich die Anderen kümmern. Ich denke, ihr seid hungrig. Ich werde für euch ein Mahl machen lassen.” Sie führte die die sechs in eine der Hütten, die das Dorf bildeten und verschwand sofort wieder, um alles Wichtige in die Wege zu leiten. Snowflower kicherte unentwegt was ihr den ein oder anderen verwunderten und auch missbilligenden Blick einbrachte. „Warum lachst du?”, fragte Melody schließlich. „Ach, darf ich euch leider nicht erzählen, das habe ich versprochen”, kicherte die Fee. Bei diesen Worten grinste Justin vor sich hin, denn er hatte eine gewisse Ahnung, dass sie ihr kleines, geflüstertes Gespräch meinte. „Hab ich was verpasst?”, fragte Moritz darauf verwirrt. „Nein, Snowflower und ich haben nur etwas besprochen. Unser kleines Geheimnis. Und sie scheint sich ja schon irrsinnig darauf zu freuen, wenn ich es endlich lüfte, was?”, er schaute die Fee an, die nickte. „Aber natürlich!”, Snowflower war ganz begeistert, „ aber nicht nur deswegen lache ich!” „Nicht?”, Justin schaute sie verblüfft an. „Nein, natürlich nicht! Nein, ich finde nur den Blick interessant, den Sassy dir zugeworfen hat, Justin”, lachte sie. „Sassy? Wer ist das denn? Eine Fee, wie du, oder eine Elfe?”, wollte Timo wissen. „Eine Halbelfe”, erklärte das schillernde Wesen und lachte wieder glockenhell auf. „Eine Halbelfe? Wie geht denn das, ich meine, die Elfen werden doch von den Bäumen geboren”, erinnerte sich Justin verwirrt daran, was die Fee selber erzählt hatte. „Da habt ihr Recht, Mylord, aber eine Elfe kann sich auch genauso fortpflanzen, wie die Elben, Menschen, Zauberer und was es hier sonst noch so gibt”, erklärte die Elfe, die gerade wieder zurückkehrte. Sie überlegte kurz. „Aber wir wählen diesen Weg nur selten. Wir können ihn nur selten wählen, es verirren sich nicht allzu oft Menschenwesen in unsere Elfenwälder. Und wenn doch, so haben sie meist zuviel Achtung und Ehrfurcht vor unsereins, als das sie so etwas auch nur zu denken wagten”, fügte sie dann hinzu. „Gibt es denn keine männlichen Elfen?”, fragte Timo. „Nein. Ebenso wie es keine männlichen Feen gibt. Überhaupt sind Waldgeister nur in den seltensten fällen männlichen Geschlechts. Sowie bei den Zentauren nur die wenigsten weiblich sind”, erklärte sie. „Wie heißt ihr überhaupt?”, fragte Moritz. „Mein Name ist Layla, ich bin die Hochelfe der Meinigen und die Wächterin des Silberwaldes”, war die Antwort. „Ach so, so etwas wie die Chefin hier”, stellte Timo fest. „Wenn ihr es so nennen wollt, dann ja”, nickte Layla. Eine weitere Elfe betrat den Raum und brachte eine Platte voll Früchten und Beeren. „Greift zu”, sagte Layla. Das ließen sich die Sechs nicht zweimal sagen und während sie aßen, unterhielten sie sich ein wenig. „Warum nennt ihr den Wald eigentlich Silberwald? Auf mich wirkt er mehr golden und grün, den silbern”, meinte Justin. „Er war silbern. Vor vielen, vielen Jahren, als auch ich noch jung war. Kaum mehr als ein Kind. Er ist erst im laufe der Jahre golden geworden, doch seinen Namen behielt er immer bei, ebenso wie er ihn immer behalten wird. Der Name beschreibt sein wahres Wesen.” „Aha…“, machte Justin verwirrt. Er verstand nicht, was die Elfe damit sagen wollte. „In einem einzigen Namen steckt mehr Macht, als den meisten bewusst ist. Selbst der größte Schrecken verliert seine Wirkung, wenn man nur seinen wahren Namen weiß. Oder er verstärkt ihn ins unermessliche, das kommt immer darauf an“, erklärte Melody, „deswegen ändern wir Elben unsere Namen auch, wir nehmen einen an, der nicht mehr unser wahres Wesen beschreibt, einer, der nicht jedem sagt, was wir wirklich sind, sondern der nur das sagt, was er auch sagen soll. Wir nutzen unseren Namen, um uns selbst zu etwas anderem zu machen, um uns anders wirken zu lassen. Wer unseren richtigen Namen kennt, der kennt auch unser wahres Wesen und das kann unser verderben sein. Jeder von Rang und Macht ändert seinen Namen, um nicht angreifbar zu sein. Jeder, außer den Wesen, deren wahre Namen ihre Macht steigern, ihr Ansehen erhöhen und nicht schwächen.“ „Ach so…“, Justin sah immer noch leicht verunsichert aus, denn er verstand nicht, wie ein Name, nichts anderes als ein Wort, jemanden Macht, in welcher Weise auch immer, verschaffen konnte. Shadow schien ihm anzusehen, das er es nicht verstand und so erklärte sie, was Melody versucht hat, auf ihre unverständliche Weise auszudrücken. „Stell dir mal vor, du bist ein herzensguter Mensch, willst aber von anderen Respekt, Ansehen und Gehorsam haben, ohne jedoch viel dafür tun zu müssen. Dann gib dir einfach einen Namen, der Schrecken verbreitet, nimm einen Namen, der den Leuten Angst macht, wenn sie ihn nur hören, einfach weil der Klang selbst Unheil verkündend ist. Du wirst in jedem fall mehr Angst vor jemandem haben, der den Namen Dark hat, als vor jemanden, der auf den Namen Sunny hört, einfach weil du mit dem Namen Dark einen finsteren, fiesen Charakter verbindest, mit Sunny jedoch eher einen Charakter, der fröhlich ist. Es sind Psychotricks, mehr nicht“, erklärte sie. Plötzlich räusperte sich Moritz, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Wolltet ihr uns nicht die wahre Legende vom Weltenretter erzählen?”, fragte er. „Ja, aber ich habe gedacht, ihr wollt erst essen, aber wenn ich zugleich erzählen soll, werde ich das natürlich tun”, bot Layla an. „Da hab ich aber vorweg noch eine Frage, woher habt ihr diese Legende? Wer hat sie euch erzählt?”, erkundigte sich Justin. „Das weiß keiner mehr. Die Legende des Weltenretters ist schon so alt wie der Wald, so alt, wie der Mond, so alt wie das Meer… so alt, wie die Welt selbst. Keiner weiß mehr, wer sie uns erzählte und auch nicht, warum. Vielleicht war es ja auch ein anderer Weltenretter”, antwortete eine Elfe, die herein getreten war. Auch sie unterschied sich von den anderen, sie war nicht ganz so blass, ihre Kleider waren die eine Elbe und ihr Haar und ihre Augen hatten einen kräftigen Ton. „Wie, es gab schon einmal einen Weltenretter?”, fragte Justin verblüfft. „Natürlich. Das Weltgeschehen wiederholt sich. Die Prophezeiungen sind auch zugleich die Geschichten der Vergangenheit. Natürlich, etwas ändert sich bei den Geschichten, aber es sind eher Kleinigkeiten. Man erzählt sich zum Beispiel, dass der alte Weltenretter eine junge Frau war. Ein rothaariges Mädchen, in eurem alter, als die Hell selbst sie zu sich holte”, antwortete die Halbelfe. „Das ist Sassy, meine Tochter”, stellte Layla das Mädchen vor. Die setzte sich zu ihnen. Das Mädchen schaute nacheinander alle an, bei Justin blieb ihr Blick länger hängen und ein seltsamer Glanz trat in ihre Augen. Und sie lächelte. Melodys Blick durchlöcherte die Halbelfe dabei fast. Sassy schaute fast schon beschämt zu Boden. „Nun, wir werden euch zuhören, Layla. Ich denke auch, dass es nicht nur mich interessieren wird, wie die Legende bei eurem Volke lautet”, fand Moritz. „Nun gut, dann hört zu... Das Schicksaal selbst wird die Welten in Gefahr bringen und sie zugleich auch wieder abwenden. Am Tag der Frühjahrstagundnachtgleiche wird der baldige Todesgott geboren werden und er wird mit dem Lehrer, Freund und mächtigsten Verbündeten des Weltenretters aufwachsen, wie mit einem Bruder. Doch die Herrin selbst wird ihn zum Gott erheben und er wird der Versuchung der Macht erliegen, die ihm gegeben ist. Er wird ein Heer aus Finsternis schaffen, ein Heer, in dem alles böse der Welt vereint ist. Ein Heer, das für Tod und Leid stehen wird, das selbst die Götter fürchten werden, denn ein Feind, für den der Tod etwas gutes ist, trauert nicht um den Verlust eines Lebens, auch dann nicht, wenn es sein eigenes ist und jemand der nichts mehr zu verlieren hat, ist der schlimmste Feind, den man sich nur denken kann. Diesen Heer, geführt vom wahr gewordenem Bösen, wird die Welt über Jahre hinweg tyrannisieren, bis zum Tag, an dem das Nordlicht, die Aurora, besonders hell erstrahlt, denn an diesem Tag wird der Weltenretter selbst geboren. Sein Lehrer wird ihm fast zwanzig Winter über alles beibringen, was er wissen muss und dann wird er sich dem Heer des Todesgottes stellen, doch nicht alleine. Der Weltenretter wird Verbündete haben. Aus acht Völkern wird sein eigenes Heer bestehen, wenn er in die Schlacht zieht, ums Schicksaal der Welt. Das Volk der Einhörner wird seine Verbündeten tragen und mit ihren Hörnern unendlich vielen Wesen das Leben nehmen, die Mantica und ihre Reiter werden aus der Luft den Angriff führen. Die Elfen werden die Verletzungen der Verwundeten heilen, die Drachen werden den Himmel mit ihrem Feuer unüberwindlich machen. Die Minotauren werden dem Heer den Weg weisen, durch die großen Labyrinthe, die letzten Chito werden dem Retter nicht von der Seite weichen und das Volk der Elben wird der mächtigste Verbündete sein. Doch wie der Kampf ausgehen wird, das kann allein das Schicksaal entscheiden. Eines jedoch hat jeder Ausgang der entscheidenden Schlacht gemein: ihm, dem Weltenretter, wird die wichtigste Person genommen, die es in seinem Leben gibt und sie wird ihm für immer genommen.” Layla beobachtete jeden einzelnen der Gruppe genau und nahm jedes noch so kleine zucken wahr, während das Ende wie ein unheil verkündendes Omen im Raum stand. „Ich bin es nicht”, sagte Justin dann nach einigen Minuten des Stillschweigens. „Was bist du nicht?”, wollte Layla wissen. „Der Weltenretter. Ich kann es nicht sein, es gibt einfach kaum parallelen. Eigentlich gar keine. Ich kann es nicht sein...”, antwortete er und schaute der Elfe dabei unverwandt in die Augen. Diese hielt seinem Blick nur einige Sekunden lang stand. „Du bist es dennoch, Justin, es kann nicht anders sein“, widersprach Moritz. „Ach, und wo bitteschön findest du irgendetwas, das auf ich deutet? Kanntest du jemals den Todesgott? Ich meine, du bist mein Lehrer, also müsstest du ihn eigentlich kennen, tust du aber nicht. Der Todesgott herrscht auch nicht seid annährend zwanzig Jahren über sein Heer, er selbst lebt nicht einmal so lange, da bin ich mir sicher. Der Tag, an dem die Aurora besonders hell leuchtet, von Melody weiß ich, das dies nur an ihrem Geburtstag, also an Weihnachten der Fall ist, ich habe aber sechs Monate früher Geburtstag. Und mein „tolles“ Heer, das besteht aus einem einzelnem Einhorn, ein paar Mantica, einer Elbe und zwei Chito. Ein sehr schlagkräftiges Heer, wirklich”, erklärte Justin sarkastisch. Moritz schüttelte den Kopf: „Da magst du recht haben, aber nicht alle Prophezeiungen erfüllen sich so, wie man sie sich erzählt. Auch dieses mal kann es so sein. Justin, füge dich doch einfach seinem Schicksaal und… ach!“ Genervt stand er auf und ging einfach, bevor jemand etwas sagen konnte. Justin schaute ihn nach, wurde langsam auch wütend, weil ihm einfach niemand glauben wollte, dabei hatte dieses Geschichte nun wirklich keinerlei parallelen zu seinem Leben oder irgendwelche Andeutungen, die auf ihn wiesen. Nachdenklich nahm er einen Apfel der rot und golden schimmert. „Golden wie der Tag und Rot wie das Blut”, murmelte er, „doch auf dem Tag folgt die Nacht, und auf das Blut der Tod.” Seine Freunde schauten ihn verwundert an, ebenso wie Layla. Sie sagten nichts zu seiner Meinungsverschiedenheit mit seinem Vater, was sollten sie auch sagen? Sie waren alle der gleichen Meinung, wie Moritz, das sah man ihnen deutlich an. „Was meinst du?”, fragte Shadow schließlich. „Ich weiß, was mich erwartet... ich muss es nicht tun, aber ich habe beschlossen, mein Schicksaal anzunehmen, um das ihre zu schützen”, sagte er und schaute dabei tief in Gedanken versunken auf den Apfel. „Wie meinst du das?”, wollte Timo verwirrt wissen, doch Justin schüttelte den Kopf. „Du wirst es verstehen. Ihr werdet es alle verstehen... aber nicht jetzt... nicht heute, nicht morgen. Vielleicht in einem Jahr, vielleicht aber auch in zehn... nein, ich bin nicht der Weltenretter, aber ich weiß, wer es ist... wie ich euch schon mehrfach sagte”, antwortete Justin und biss in den Apfel. Mit einem grinsen fügte er hinzu: „Aber ich werde euch nicht sagen, wer es ist.” Niemand außer ihm grinste, oder lächelte auch nur. Seine Worte hatten sie alle verstört. Sie wussten, dass er die Wahrheit sagte, und es erschreckte sie, es machte ihnen Angst, dabei konnte nicht einer genau sagen, was ihn an seinen Worten so sehr verstörte. „Wir sollten schlafen”, fand Falko nach einer Weile des Schweigens. Ihnen allen lief ein kalter Schauer über den Rücken, bei den Gedanken an die finstere Nacht, in der Justin Worte unheilschwanger im Raum stehen würden und doch gaben sie ihm recht. Es war Zeit zum schlafen und so stand Layla auf, nickte ihnen noch einmal zu und ging, Sassy im Schlepptau. Nur einen Moment später kamen wieder zwei Elfen und brachten ihnen Decken. Sie legten sich hin und waren binnen weniger Minuten eingeschlafen. Sie merkten nicht einmal, dass es schon weit nach Mitternacht was, als auch Moritz endlich wiederkam und sich schlafen legte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)