Bora, Stein der Winde von Scarla ================================================================================ Kapitel 36: Gespräch am Morgen ------------------------------ Es war früher morgen, als Timo aufstand. Alle anderen schliefen noch, aber er hatte einen Albtraum gehabt. Denn hatte er schon seid Monaten jede Nacht. Er verlief immer gleich und er wachte immer an der gleichen Stelle auf. Er ist in seinem Traum noch ein Baby, kaum älter als ein paar Tage. Ein Chito hält ihn im Arm. Sie lief vor etwas davon, aber Timo erfuhr nie, vor wem oder wohin, oder warum. Die rannte einfach nur und drückte dabei ihr Baby schützend an sich. Er sah um sich herum das flackern von Feuer und er glaubte die Hitze zu spüren, die sich um ihn herum ausweitete. Und er spürte, wie etwas Feuchtes auf ihn niederprasselte. Er wusste nicht, ob es Regen war, oder aber die Tränen der Chito. Dann, plötzlich, brach ein Inferno von Flammen um ihn herum aus, sie beide wurde von schwarzem und rotem Feuern eingeschlossen, ein weißer schatten, der gespenstisch vom Feuer erleuchtet wurde, senkte sich nieder und an dieser Stelle wachte er immer schweißgebadet auf. Er hatte noch niemanden von diesem Traum erzählt. Er wusste, dass es etwas bedeuten musste, da der Traum immer wieder kehrte, aber er wusste nicht, was es war. Timo ging in den Stall. Er begann damit, eines der Pferde zu striegeln und das mehr, als eine Stunde, bis das Fell des Tieres so sehr glänzte, das man meinte, sich in ihm spiegeln zu können. „Bald hat das arme Wesen kein Fell mehr, wenn du es weiterhin so striegelst”, erklärte eine Stimme hinter ihm. Es war die sanfte Stimme einer Elfe und bevor er sich noch herumgedreht hatte, wusste er auch, welche es war. „Wie lange seid ihr schon hier und beobachtet mich, Lady Layla?”, wollte er wissen. „Lange genug um zu wissen, dass euch etwas beschäftigt. Prinz Dragonwing, wollt ihr mir nicht erzählen, was es ist? Ich kann euch vielleicht helfen”, antwortete Layla. Timo schaute sie verblüfft an, den am Abend zuvor, als sie ankamen hatte Layla ihn mit Timo angesprochen und seinen anderen, seinen richtigen Namen, den hatte niemand verwandt. Woher kannte ihn also Layla? Seine Frage musste sich deutlich auf seinem Gesicht widerspiegeln, denn die Hochelfe lächelte. „Ihr seht eurem Vater fast schon unheimlich ähnlich. Night hat auch nachtendes Haar, aber ging es doch mehr ins braune, als das eure. Und auch er hat braune Augen, aber eher die einer Katze, während eure mich an ein Kitz erinnern. Aber eure Gesichtszüge sind die eurer Mutter ähnlich, ebenso eure Stimme. Man sieht eure Verwandtschaft zu den beiden nur allzu deutlich, mein Prinz. Ich müsste schon von Blindheit und Taubheit geschlagen sein, um nicht zu wissen, wer ihr seid, zumal Moon eine meiner besten Freundinnen war. Also, wollt ihr mir nicht erzählen, was euch bedrückt?”, fragte Layla noch einmal. Timo dachte einen Moment lang nach, dann nickte er und erzählte Layla von dem Traum. Diese schwieg erst eine Weile und betrachtete ihn nachdenklich. „Meint ihr, das der Traum etwas bedeutet?”, fragte Timo, als ihn das Schweigen schier zu erdrücken schien. Layla zögerte noch einem Moment, dann verneinte sie. „Nein. Es ist deine Vergangenheit, die du siehst, mehr nicht. Die Chito, das müsste Moon sein, und das Inferno um sie herum zeigt mir, das es sich um ihren Todestag handelt. In deinem Traum siehst du, was sich zugetragen hatte. Ich war dabei, soll ich es dir erzählen, was ich sah?”, fragte Layla. Timo nickte und nach einem wink der Elfe setze er sich zu Boden, ebenso wie Layla selbst. „Nun, es war so, zu der Zeit deiner Geburt gab es auf diesem Kontinent Krieg. Der Reichsherr, wie ihr diesen Stand nennt, der war gestorben, ohne einen Erben zu hinterlassen. So begannen die mächtigen Herren der Reiche Krieg zu führen, jeder gegen jeden, alle Bündnisse wurden nichtig erklärt und Freundschaften oder Blutverwandtschaft bedeuteten nichts mehr. Ein Reich war mächtiger als die anderen und riss die Macht an sich. Eine Weile herrschte so Frieden im Reich, wobei herrschte das falsche Wort ist, denn Frieden ist da, doch er herrscht nicht. Doch der neue Herr des Landes herrschte nicht gut über sein Volk und so beschlossen einige Völker, sich zu verbünden und ihn zu stürzen und dann sollten sie abstimmen, welche Familie als nächstes regieren dürfte. Jede Stimme sollte gleichwertig zählen, die eines armen Bauers ebensoviel, wie die eines reichen Herren. Nun, einer der wichtigsten Widerständler damals war dein Vater, Night. Es war fast schon klar, dass er die Wahl gewinnen würde, denn Night verstand sich gut, mit jedem der Herrscher der verschiedenen Reiche, nicht nur mit ihren Herrschern, sondern auch mit dem einfachen Volk, denn er war unparteiisch und er würde niemanden bevorzugen. Deswegen wurde gejagt, von dem Mann, der damals herrschte, gejagt in die entlegensten Winkel der Welt, über alle Kontinente hinweg. In dieser Zeit wurdest du geboren, der einzige Thronerbe der Chito und somit der einzige Erbe Nights. Deswegen begann er, auch dich zu jagen. Moon und Night flüchteten gemeinsam mit dir, sie wollten eine Weile untertauchen, doch ihr wurdet verraten. Der Herrscher schickte Drachen aus, euch zu stellen und zu töten, egal wie. Ich begleitete euch drei damals, als wir plötzlich von einem Drachen angegriffen wurden. Wir liefen in verschiedene Richtungen davon, denn ein einzelner Drache kann uns ja nicht alle verfolgen und das tat er auch nicht, er folgte nur Moon und dir. Als ich das merkte, versuchte ich natürlich, ihr zu helfen, doch als ich bei ihr ankam, da sah ich nur noch, wie ein Flammeninferno sie einschloss. Der Drache hielt euch beide für Tod, und machte sich auf die Jagd nach Night, den er dann später auch zur Strecke brachte, aber in dem Moment war mir das ziemlich egal, ich lief zu Moon. Sie lebte noch, aber sie hatte solche Verbrennungen, dass sicher war, dass sie sterben würde und das wusste ich. Dir jedoch war kaum etwas passiert, sie hatte dich mit ihrem Körper geschützt und mit ihrem letzten Atem bat sie mich, dass ich mich eurer annehmen solle...”, endete Layla. „Und... warum war ich dann in der anderen Welt, wenn ihr euch um mich kümmern solltet?”, fragte Timo sogleich. „Nun... ich bin eine Elfe und Elfen sind anders als andere Wesen. Wir sind fast unsterbliche Wesen und etwas Unsterbliches hat nicht gerne etwas um sich herum, das nur so kurzlebig ist, wie ein Elb oder ein Chito. Sie hätten dich nie geduldet, deswegen bat ich einen jungen Mann, dass er sich um dich kümmern möge, und er tat es mit Freuden. Ich kenne bis heute nicht seinen Namen, doch hege ich die Vermutung, dass es der schwarze Ritter war, der euch zu den Menschen brachte, auch wenn er zu dem Zeitpunkt ungleich jünger aussah”, antwortete Layla. „Moritz? Wie kommt ihr auf Moritz?”, wollte der junge Chito weiter wissen. „Nun, der Mann sah dem Weltenretter unglaublich ähnlich, aber Justin kann zu dem Zeitpunkt kaum älter gewesen sein, als ihr. Also kann er es nicht gewesen sein. Da der schwarze Ritter, als sein Vater, ihm am ähnlichstem sieht, kann es nur er gewesen sein. Oder seht ihr das anders?”, Layla schaute den schwarzhaarigen Jungen fragend an. „Nein... aber ich habe trotzdem noch andere Fragen. Die Feen. Sie leben doch lediglich so lange, wie die Blumen, von der sie geboren wurden. Also auch nicht allzu lange, aber warum duldet ihr sie, aber nicht Wesen, wie mich?”, löcherte er weiter, „und woher wisst ihr überhaupt, dass Moritz Justins Vater ist? Auch dies erwähnte niemand.“ „Ganz so ist es nicht, Prinz Dragonwing. Die Feen unterscheiden sich von euch, wenn eine Fee wird, ähnlich einem Phönix, immer und immer wieder geboren. Eine Fee zu töten ist fast unmöglich. Ihr nicht. Wenn ihr stirbt, dann wird eure Seele in das Reich der Hell einkehren. Die Seelen der Feen und auch die der Elfen, die werden sich erneut in den ewigen Kreislauf einfügen, solange, bis es auf Erden keine Pflanzen mehr gibt. Denn Feen werden von Blumen geboren, Elfen von Bäumen und jede andere Pflanze hat ein Wesen, das nur durch sie leben kann. Ich weiß nicht, ob du verstehst, was ich dir damit sagen will, denn es ist schwer etwas jemanden zu erklären, was für einem selbst selbstverständlich ist”, antwortete Layla. „Und die Verwandtschaft zwischen dem baldigem Lehrer und seinem Vater ist mehr als nur offensichtlich, finde ich. Sie gehen miteinander vertrauter um, als sie es tun würden, wären sie lediglich befreundet und…“, die Elfe lachte leise, „eines haben wohl alle Kinder gemein, nämlich die Art und Weise, wie sie sich ihren Eltern gegenüber verteidigen. Außerdem wäre ich eine schlechte Hochelfe, wenn ich Wesen in meinen Wald ließe, über die ich nichts weiß.“ „Okay, wenn ihr meint. Ich kann mir so mehr oder weniger denken, wie ihr das meint, weswegen ich nicht hier bleiben kann, aber noch etwas: warum der baldige Lehrer?“ „Weil ich ihm glaube, was er sagte. Er ist nicht der Weltenretter, aber er wird sein Lehrer sein. Auch ich kenne den wahren Weltenretter, und seine Zeit ist noch nicht gekommen. Nein, Justin wird ihm lediglich die Zeit verschaffen, die er braucht, um zu lernen, auch wenn Justin dabei etwas kostbares verlieren wird.“ „Das verstehe ich nicht so ganz.“ Timo runzelte die Stirn. „Es hätte mich gewundert, wenn es anders gewesen wäre. Ihr seid gewiss nicht dumm, Prinz, aber dies ist etwas, was ihr nicht verstehen dürft, noch nicht. Erst wenn die Zeit reif ist“, erklärte die Elfe. „Warum hängt eigentlich immer so unendlich viel von der Zeit ab?“, wollte Timo leicht genervt wissen. „Weil sie etwas ist, was niemand lenken kann, was seinen eigenen Willen besitzt. Das einzige Element, das keinen Herren hat, außer sich selbst.“ Layla stand unvermittelt auf und ging ohne ein weiteres Wort und Timo schaute ihr nur einen Moment lang nach, überlegte, ob er sie wohl irgendwie gekränkt haben mochte, dann striegelte er jedoch die Pferde weiter. Nach kurzer Zeit trat plötzlich Shadow wortlos neben ihn und streichelte dem Pferd die Nüstern. „Das tut mir leid”, sagte sie, nachdem sie noch ein paar Sekunden hat verstreichen lassen. „Was meinst du?”, wollte Timo wissen und versuchte zu lächeln, doch es misslang kläglich, denn in Gedanken war er wieder zu dem zurückgekehrt, was ihm im Grunde am meisten beschäftigte. „Stell dich nicht dumm, ich weiß ganz genau, wie sehr du hofftest, deine wirklichen Eltern zu treffen, obwohl alle meinten, sie seien Tod. Layla hat deine ganze Hoffnung zunichte gemacht. Ich weiß ganz genau, wie du dich fühlst”, antwortete sie und schaute betroffen zu Boden. „Und warum?”, wollte Timo sogleich wissen. „Weil ich dieselbe Hoffnung hegte, nachdem Susi meine Eltern angriff. Ich hatte bis zuletzt die Hoffnung, das die beiden doch irgendwie überlebt hatten, aber als ich hörte, was ein Wanderer mir erzählte, da war die gesamte Hoffnung zunichte gemacht. Aber, nun, das mag grausam klingen, aber sei froh, das du deine Eltern nicht kennst”, sagte Shadow und man sah ihr dabei nur allzu deutlich an, wie ungern sie dies sagte. „Ja, das klingt wirklich grausam. Warum sagst du es, wenn du weißt, dass es grausam ist?”, wollte Timo wissen. „Gewiss nicht grundlos. Nun, deine Eltern waren die Herrscher der Chito, meinst du wirklich, sie hätten dir freie Wahl gelassen, bei deinen Freunden und bei deinen Beziehungen? Du hättest dich mit Leuten abgeben müssen, die dir von Grund auf zuwider sind und du hättest irgendein Chitomädchen heiraten müssen, das du unter umständen nicht mal ausstehen kannst, sie hätten dich gezwungen. Du hättest keine Wahl treffen können, dafür gibt es einfach zu wenig Chito. Sie hätte von hohem Ansehen sein müssen und du hättest nichts mehr zu lachen gehabt. So hast du freie Auswahl, sie braucht nicht einmal ein Chito sein. Es hat nämlich sowieso keinen Sinn, wenn du dich jetzt regelrecht opferst, um unsere Art zu erhalten. Wir sind nur noch sehr wenige, die Chito werden aussterben. Zumindest in ihrer reinen form, Mischlinge wird es wohl immer geben, doch es ist ein Unterschied. Wir sind zwei der letzen reinblütigen unserer Art. Wir sind einfach zu wenige, als das es uns wieder in solch großer Zahl geben würde, wie einst”, antwortete sie. „Nicht unbedingt. In meiner Welt ist es so, dass es nur drei gefangene Hamster gab und die haben sich so gut vermehrt, dass es nun in tausenden Haushalten einen Hamster gibt”, antwortete Timo. Shadow lachte schnaubend. „Ja, das kann schon sein, aber das ist dennoch ein himmelhoher Unterschied. Ein Hamster hat ein anderes Bewusstsein, als wir. Ein Hamster sucht sich nicht endlos lange aus, mit welchem Artgenossen es seine Nachkommen hat, oder wie viele. Wir tun das schon und genau das ist unser Verhängnis, verstehst du? Nur das allein. Deswegen ist es nun vollkommen egal, mir wem du dich einlässt, die Chito wird es so oder so nie wieder geben. Zumindest nicht in der Popularität, wie einst. Deine Eltern hätte dies nicht wahrhaben wollen und dich einfach gezwungen. Sei froh, dass es sie nicht mehr gibt”, fand das Mädchen. „Das kann ja sein, aber wie kommst du darauf, dass sie mich bei der Wahl meiner Freunde hätten manipulieren wollen? Wen von ihnen wäre denn nicht gut genug gewesen?“, fragte er aggressiv „Ich“, antwortete Shadow. „Wie kommst du denn darauf? Ausgerechnet dich hätten sie nicht gemocht? Einen der wenigen Artgenossen? Ich glaube, deine Phantasie geht mit dir durch“, knurrte er abfällig. „Nein, tut sie nicht. Die Herrscherhäuser, mein lieber, sind immer gleich. Geduldet ist nur, wer ihre Etikette beherrscht, wer selber von hohen Ansehen ist, wer in praktisch jeder Hinsicht perfekt ist. Bin ich aber nicht, im Gegenteil. Ich bin ein Mädchen und dazu noch die Älteste. Das allein reicht schon aus, um als größte Schande in der Geschichte der Chito zu gelten. Meinst du wirklich, sie hätten dich, als Prinz, mit jemandem wie mir befreundet sein lassen? Moritz hätten sie begrüßt, Melody mit Handkuss aufgenommen, Justin wahrscheinlich vergöttert! Mich hätten sie davon gejagt, wenn ich nicht schnell genug gewesen wäre, vermutlich sogar noch einmal eingefangen um mich im nächsten Bach zu ertränkt…“, Shadows Stimme, anfangs im sachlichem Ton, hatte immer mehr angefangen, vor Bitterkeit und unterdrücktem Hass zu zittern und erst jetzt viel Timo auf, was für ein Los das Mädchen mit ihrem Leben eigentlich gezogen hat. Sie tat ihm Leid und obwohl es ihn störte, das sie so über seine Elter sprach, die sie ebenso wenig kannte, wie er, war ihm dennoch klar, das sie die Wahrheit sagte, und das er im Grunde seines Herzens eigentlich gar nicht mehr wollte, die beiden jemals zu treffen. Shadow war ihm ungleich wichtiger, als zwei Wesen, die schon seid Jahren Tod waren, die er nie würde kennen lernen, und mit denen er lediglich zwei dinge gemein hatte. Zum einen die Rasse, zum anderen das, was er als „Familie“ bezeichnet hätte müssen, wäre er bei ihnen aufgewachsen. Shadow strich dem Pferd noch einmal über die Nüstern, ihre Hand zitterte dabei und obwohl sie versuchte, nicht in Timos Richtung zu sehen, sah er dennoch, das sie weinte, dann ging sie ohne ein weiteres Wort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)