Bora, Stein der Winde von Scarla ================================================================================ Kapitel 37: Ember ----------------- Layla brachte sie alle bis zum Waldrand, doch sie machte nicht einen Schritt weiter. „Weiter werde ich euch nicht begleiten. Ich verlasse meinen Wald nämlich nur, wenn es unbedingt nötig ist”, erkläre die Elfe „Ist gut. Danke für alles, was ihr für uns getan habt, Lady Layla”, verabschiedete sich Justin. Layla nickte freundlich. „Mögen euch die Geister der Elemente immer beistehen. Viel Glück, auf eurem weiterem Weg”, sagte sie und der Trupp wendete die Pferde und sprengte davon. Schon nach kurzer Zeit übernahm Shadow die Führung, denn sie kannte den Weg von allen am besten. Sie war schon oft beim Nachtsee gewesen, ihr Vater hatte sie unzählige male mithin genommen. „Ich glaube nicht, dass wir heute noch ankommen werden”, sagte das Mädchen am Mittag, als die sieben eine kleine Rast einlegten. Justin, der gerade dabei war, Snowflower aus seiner Tasche heraus zusuchen - die Fee hatte nämlich den ganzen Weg über dort drinnen gesessen und forderte nun mit aller Macht ihr Recht, nach frischer Luft - schaute sie fragend an. „Wir sind doch erst seid ein paar Stunden unterwegs, wie willst du das denn jetzt schon wissen?”, fragte er. „Weil wir häufiger von den Elfen her aufgebrochen sind und wir habe es nicht einmal geschafft, rechtzeitig vor Sonnenuntergang am See zu sein. Zumindest nicht, wenn wir gegen Mittag erst hier waren. Und wir kommen ja alleine durch die schiere Größe unserer Gruppe nur recht langsam voran, deswegen bin ich mir sicher, dass wir frühestens morgen ankommen können”, antwortete Shadow. „Und wo wollen wir dann die Nacht verbringen? Ich habe keine Lust, eine ganze Nacht hier draußen zu übernachten, zumal es nach Regen aussieht”, bemerkte Timo und schaute gen Himmel, wo sich langsam aber stetig schwarze Regenwolken sammelten. „Ich weiß nicht, wir haben es mir immer im freien bequem gemacht”, überlegte Shadow. „Ich weiß aber, dass es ein Dorf gibt, das ganz in der Nähe liegt, dort wohnt eine gute Freundin von mir, Ember. Ich denke, bei ihr können wir eine Nacht unterkriechen”, meldete sich Moritz zu Wort. Falko nickte und wandte sich Shadow zu: „Sag mal, warum warst du denn schon so häufig bei diesem Nachtsee, und wer sind wir?” „Wir, das sind mein Vater und ich. Kennst du dich ein wenig mit den Meinigen aus? Nur dann kann ich dir erklären, was wir hier getan haben”, erkundigte sich das Mädchen, als Falko den Kopf schüttelte, seufzte sie. „Nun, dann von Anfang. Also, Chito sind so etwas wie... ein Medium, so würdet ihr es wohl nennen. Nun, die Chito sind vor einigen Jahrtausenden mal einen Bund mit den verschiedenen Geistern eingegangen, was genau der Grund war und was von den Geistern und den Meinigen gefordert wurde das weiß heutzutage keiner mehr, aber es gibt auch heute noch Chito, die sind die Nachfahren der Bünder, wie sie genannt werden und diese Nachfahren haben die Aufgabe, die Bündnisse regelmäßig zu erneuern. Nun, mein Vater war Dark, er hatte die Aufgabe, das Bündnis der Schatten zu erneuern und meine Mutter war Rainbow, sie hatte das Bündnis des Regens und ich bin die Erstgeborene, das erste Kind meiner Eltern und deswegen war von vornherein klar, das ich irgendwann das Bündnis der Schatten weiterführe. Um mich darauf vorzubereiten, hat mich mein Vater oft mitgenommen, zum Nachtsee, denn der See ist der Ort, an dem das Bündnis geschlossen wurde und immer wieder... aufgefrischt wird”, erklärte Shadow. „Und warum das Bündnis der Schatten und nicht das des Regens? Immerhin bist du ein Mädchen, da wäre es doch an sich logischer, wenn du das Bündnis deiner Mutter übernimmst, oder nicht?”, hakte Falko nach. „Das Bündnis der Väter ist das „wichtigere”, stimmt’s Shadow?”, fragte Timo. Shadow nickte: „Genau so ist es. Aber ich denke, wenn du jemanden kennst, der hier lebt, dann solltest du voran reiten, Moritz.“ Moritz nickte und lies seinen Drachen vor den Reittiere der anderen fliegen. Die Nacht brach schon über das Land herein, als sie in der Ferne ein Dorf ausmachen konnten. Das Wissen, das sie es sich alle nun bequem machen konnten, wenn sie nur endlich da waren, ließ sie alle noch ein wenig schneller reiten und so waren sie auch bald da. „Ich denke, wir sollten den restlichen Weg zu Fuß zurücklegen. Ich glaube kaum, das es allzu viele Leute gibt, die begeistert davon sind, wenn wir mit einem Manticor und einem Drache hierher kommen“, erklärte Moritz und sprang von Logis Rücken, als sie noch eine halbe Stunde Fußweg entfernt waren und so machten sie sich auf den Weg. Während sie durch das Dorf gingen, merkte Justin, dass etwas ihm folgte. Er widerstand der Versuchung, sich umzudrehen, aber er spitzte die Ohren. Er war so damit beschäftigt, nach ihrem Verfolger zu horchen, das er nicht einmal mitbekam, wie Moritz stehen blieb und in ihn hineinlief. „Au! Moritz!“, giftete er los, sein Vater schaute ihn jedoch eher verwirrt an. „Pass doch auf, wo ich hinlaufe!“ knurrte Justin und Moritz wandte sich kopfschüttelnd wieder dem Haus zu, vor dem er stehen geblieben war. „Hier wohnt sie, Ember“, erklärte er. „Dann klopf“, forderte Falko, doch Moritz zögerte, also trat Shadow mit einem Seufzer an ihm vorbei und pochte mehrmals laut gegen die Tür. Eine hübsche, junge Frau öffnete. Mit einem unwilligen Zucken ihrer Katzenohren musterte sie die Ankömmlinge kurz aber genau. An Moritz’ Gestallt blieb ihr Blick hängen und ihre Augen verengten sich. „Moritz, du hier? Hätte ich nicht gedacht“, erklärte sie eiskalt. „Bevor du anfängst hier herum zu jammern, Ember, ich hatte meine Gründe. Ebenso wie ich Gründe habe, jetzt hier zu sein“, erklärte dieser, schaute Ember jedoch nicht, sondern sein Blick war zu Boden gerichtet. „Ja, das hab ich mir gedacht“, brummte die Chitofrau unwillig, machte dann aber Platz und deutete ihnen, ins Haus zu kommen. Justin nutzte die Gelegenheit, einen Blick über die Schulter zu werfen, ohne das es auffiel, doch was er sah ließ ihn einen Moment lang den Atem stocken. Vollkommen fassungslos drehte er sich um und atmete fast im selben Moment erleichtert auf. Er hatte für einen Augenblick gedacht, hinter ihm stünde der Ritter seiner Visionen, doch er hatte sich geirrt. Nicht der Ritter, der ihm so sehr ähnelte stand dort, sondern ein Junge. Ein Chito mit flammendrotem Haar und eisblauen Augen. Er schien rein körperlich noch nicht alt zu sein, doch in seinem Blick lag etwas, was mit seinem jungen, kindlichen Körper so krass im Widerspruch stand, wie es nur irgend möglich war und obwohl sein Ausdruck so unglaublich erwachsen wirkte, sah Justin auch ein glitzern in seinen Augen, das kindliche Neugierde verriet und auch die reine Lebensfreude. Der Kleine lehnte den Kopf schief und ging dann selbstbewusst an ihnen vorbei ins Haus hinein, ohne auch nur ein Wort gesagt zu haben und mit einem lächeln folgte Justin. Melody schaute ihn verwundert an, sie war an der Tür stehen geblieben, durch die die anderen gegangen waren. Justin ging zu ihr, doch als sie etwas fragen wollte, schüttelte er fast unmerklich den Kopf und sie beide gingen zu den anderen und setzten sich. Der Junge saß ebenfalls schon da und flüsterte seiner Mutter etwas zu, was der Rotschopf nicht verstand und so wie Shadow guckte, verstand sie es auch nicht, trotz ihrer scharfen Katzenohren. Dann setzte er sich wieder hin und musterte jeden einzelnen der Gruppe mehr als nur eingehend. „So, dann schieß mal los, Moritz, warum bist du wieder hier?“, wollte Ember wissen und ihr Blick sagte dabei eindeutig, das sie nicht begeistert war, von der Tatsache, das er nun hier saß. „Nun, ich dachte, wir könnten vielleicht eine Nacht hier verbringen. Morgen in aller frühe werden wir weiter ziehen“, erklärte er, doch es war mehr als nur deutlich, das er eigentlich etwas anderes hätte lieber sagen wollen. Ember schien das ebenso zu merken, denn sie schaute ihn einen Augenblick lang fragend an, dann nickte sie, jedoch mehr für sich, als für die anderen. „Das kommt drauf an“, erklärte sie. „Und worauf“, wollte Falko sogleich wissen. „Was du mir noch zu sagen hast“, erklärte sie, ignorierte dabei Falko. „Etwas, was die andern nichts angeht. Sie wissen nichts davon und ich will es ihnen auch nicht erzählen“, erklärte Moritz, schaute dabei zu Boden. Alle anderen schauten ihn verwundert an. Ember nickte abermals, diesmal entschlossener. Sie stand auf und deutete Moritz, mitzukommen. Alle anderen schauten den beiden fragend nach, doch Justin hatte etwas, was ihn mehr interessierte, als die Geheimnisse seines Vaters. Der Junge. Er schaute sofort wieder zu ihm hin. „Wer bist du?“, wollte er wissen. Die eisblauen Augen, bei deren Blick der Rotschopf unwillkürlich fröstelte, schienen sich in ihn hinein zu bohren und alle seine Gedanken lesen zu können. Diese Augen machten Justin Angst, zugleich aber konnte er sich keine schöneren Augen vorstellen, für diesen Jungen. Sie hatten etwas geheimnisvolles an sich, etwas, das an eine eisige Winternacht denken ließ, und an den Tod, der in einer solchen Nacht lauerte, zugleich aber auch etwas aufgeschlossenes, kindliches, das unglaublich anziehend wirkte. Und das machte ihm Angst. „Ich heiße Blizzard“, antwortete der Junge. Blizzard. Ein Name, der besser nicht zu ihm passen könnte, vor allem zu seinen Augen. „Ein interessanter Name. Und ein passender. Ich bin Justin“, nickte der Rotschopf und lächelte dem Jungen zu. Der erwiderte mit einem breiten Grinsen und in seinen Augen blitze der Schalk. Die beiden verstanden sich vom ersten Augenblick an, das sah man deutlich, alleine an der Art und Weise, wie sie einander anschauten. Es schien so, als hätten sie einen Seelenverwandten in dem jeweils anderem gefunden, erkannt, ohne jemals mit ihm gesprochen zu haben, jemals ihm begegnet zu sein und so begannen sie auch sogleich, miteinander zu sprechen, als kannten sie sich schon ewig. „Ich hoffe, ich bekommen nachher keinen Ärger“, begann der Junge. „Wieso?“, fragte Justin sogleich neugierig. „Ach, ich habe ins Gemüsebeet meiner Mutter Schnecken geworfen und vorher ihre Enten eingesperrt, damit sie die Schnecken nicht fressen können“, erklärte Blizzard frech grinsend und Justin lachte auf. „Hast du schon mal eine Herde Schafe oder Ziegen in den Garten geholt? Der Effekt ist ungleich genialer“, erklärte er augenzwinkernd. „Das muss ich echt mal ausprobieren, ich meine, bei den Schnecken kriegt meine Mutter ja schon fast einen Nervenzusammenbruch, aber wenn ich dann mit den Ziegen komme. Vermutlich bringt sie mich dann gleich um, aber wenigstens war es lustig. Weist du, was auch lustig ist? Ich habe mal einen scharfen Wachhund vor der Haustür angebunden und meine Mutter konnte dann nicht mehr rein!“, erzählte Blizzard mit leuchtenden Augen. „Oh, oh, das ich auch nicht schlecht, was aber auch ganz lustig ist, wenn du mit einem Hund dort spielst, wo deine Mutter die saubere Wäsche aufhängt, am besten noch, wenn es besonders heiß und staubig ist oder besonders matschig, weil es zuvor regnete. Wen sie die Sauerei sieht, dann geht sie an die Decke, das sag ich dir…“, nickte Justin und seine Augen leuchteten mit denen Blizzards schier um die Wette. Wahrscheinlich wäre ein solcher Austausch von Streichideen noch eine ganze Weile so weiter gegangen, wenn in dem Moment nicht Moritz und Ember zurückgekommen wären. Moritz schaute nur zu Boden, er schien sich nicht zu trauen, irgendjemanden in die Augen zu sehen, Ember dagegen sah zufrieden aus. „Ihr könnt heute Nacht hier bleiben“, erklärte sie, dann sah sie, wie Blizzards Augen leuchteten und sie runzelte fragend die Stirn. „Was hast du wieder angestellt, Blizzard?“, fragte sie misstrauisch und prompt verengten sich ihre Augen wieder nach Katzenart zu schmalen schlitzen. „Gar nichts!“, rief der Junge. „Und warum siehst du dann so unglaublich zufrieden aus?“, lauerte sie, als sie jedoch sah, das auch Justins Augen so sehr leuchteten, schien sie verunsichert. „Die beiden haben eine höchst interessante Unterhaltung geführt, als ihr nicht da wart“, erklärte Melody, noch immer mit einem verwunderten Ausdruck auf dem Gesicht. Sie hatte anscheinend nicht gedacht, das Justin jemand war, dessen größtes Hobby das Streiche spielen war. Ember runzelte die Stirn, man sah ihr an, dass sie nicht verstand und auch nicht verstehen wollte, was Melody meinte. „Nun, okay. Ich hoffe nur für dich, das du dich gut benimmst, Blizzard, wir wollen unseren Gästen ja nicht zeigen, wie ungezogen du wirklich bist, nicht wahr?“, knurrte sie, woraufhin Justin lachte. „Nun, ich denke, das haben wir während dieser Unterhaltung zu genüge erfahren“, erklärte er augenzwinkernd. „Oh ja“, stimmte Shadow zu und lächelte dabei und auch Falko nickte. Einzig Melody wirkte immer noch geknickt. Ember schien zu dem Schluss zu kommen, dass sie gar nicht weiter wissen wollte, was hier abgegangen war, und setzte sich kommentarlos zu ihnen. „Wer seid ihr eigentlich alle?“, fragte sie dann. „Mein Name ist Justin und das sind Melody, Shadow, Timo, Falko und Snowflower“, stellte der Rotschopf alle vor und zeigte auf die entsprechenden Personen, Snowflower zog er dazu extra aus seiner Tasche, wo sich die Fee hineingekuschelt hatte, um dort zu schlafen. Nun rieb sie sich müde die Augen und schaute sich gähnend um. „Gut. Ich bin Ember und das ist mein Sohn, Blizzard“, erklärte sie, dann wandte sie sich Shadow und Timo zu, den die beiden schienen ihr am meisten aufzufallen, wohl weil sie ihr Artgenossen waren. „Shadow und Timo. Timo ist ein ungewöhnlicher Name, für einen Chito und Shadow. Dein Name lässt mich darauf schließen, das du etwas mit dem Schattenwächter zu tun hast?“, fragte sie. „Da hast du recht, ich habe etwas mit dem Schattenwächter zu tun, ich bin der Schattenwächter“, erklärte Shadow. „In wie fern?“, erkundigte sich Ember. „Dark war mein Vater und ich bin die erstgeborene Nachkomme von ihm, als er starb wurde ich zur Schattenwächterin“, antwortete das Chitomädchen. Embers Blick verdüsterte sich und als wie wieder sprach, war ihre Stimme merklich kühler, als noch zuvor: „Ich wusste nicht, das Dark eine Gefährtin hatte. Wer war sie?“ „Rainbow, meine Mutter“, auch Shadows Stimme war eine Nuance kühler. Während die anderen nicht wussten, was sie von dieser anbahnenden Eiszeit halten sollten, sah man in Timos Augen das aufblitzen von Wut. „Ausgerechnet“, murmelte Ember und ihre Stimme klang auf merkwürdige Art und Weise gehässig, dann jedoch wandte sie sich Timo zu und ihre Stimme wurde wieder neutral. „Und warum hast du einen solch merkwürdigen Namen? Aus welcher Familie stammst du eigentlich?“, erkundigte sie sich weiter, doch Timo antwortete nicht, sondern schaute Ember ebenso kalt an, wie sie zuvor Shadow. Das schien Ember zu irritieren, denn sie schaute Hilfe suchend zu Moritz, der jedoch wich ihrem Blick wieder aus, was Justin mehr als alles andere zeigte, das sein Vater aus irgendeinem Grund ein schlechtes Gewissen hatte. Dann schaute sie wieder zu Timo, der immer noch nicht antwortete. Justin warf ihm einen fragenden Blick zu, denn so etwas war eigentlich gar nicht seine Art, mit Fremden umzugehen. Timo fing den Blick auf. „Ich muss mal kurz raus, mir geht es nicht so gut“, erklärte er mit zitternder Stimme, stand auf und beim vorbeigehen stand auch Justin auf, den er den Wink verstanden hatte, und folgte Timo. Zu seiner Verwunderung sprang auch Blizzard auf und folgte ihnen nach draußen. Timo sah darüber nicht gerade glücklich aus, aber er sagte nichts. „Was ist den los, warum bist du Ember gegenüber so abweisend?“, fragte Justin gleich, kaum hatte Blizzard die Tür geschlossen. „Weil sie Shadow gegenüber so ist“, brummte der. „Und warum ist sie Shadow gegenüber so?“, wollte Justin ungeduldig wissen, doch es war nicht Timo, der antwortete, sondern Blizzard. „Weil sie die Erstgeborene ist und ein Mädchen“, erklärte er. Justin schaute ihn nur verständnislos an, woraufhin der Junge fort fuhr. „Unter Chito ist es so, das es praktisch das Grausamste ist, was es gibt, wenn das erstgeborene Kind ein Mädchen ist. Mädchen können nicht die Aufgaben der Väter übernehmen und die brauchen eben einen Erben. Deswegen hat es sich so eingebürgert, das es als große Schmach gilt, als erstgeborenes Kind ein Mädchen zu haben“, erklärte er. „Shadow hat erzählt, das es sogar Chitofrauen gibt, die ihre Töchter ertränken, nur weil sie die Ersten waren“, fügte Timo hinzu. „Und Mama ist auch ein Chito, deswegen sieht sie eure Freundin wahrscheinlich auch als… minderwertig an. Ein Geschöpf, das gar keine Existenzberechtigung hat“, erklärte Blizzard in einem fast beiläufigem Ton. „Dann müssen wir etwas tun, das sie sieht, das sie Shadow genauso zu behandeln hat, wie andere Mädchen auch“, fand Justin. „Hast du auch schon eine Idee, wie das gehen soll?“, erkundigte sich Timo woraufhin Justin langsam nickte. „Ja und nein. Du könntest deine Stellung, die du innehast ausnutzen, um ihr klar zu machen, das du das nicht gerne siehst“, überlegte der Rotschopf. „Schieß los“, forderte Timo. „Nun, sie wird höchstwahrscheinlich dir gegenüber sehr viel Achtung und Respekt entgegenbringen, wenn sie erfährt, wer du bist. Das musst du ihr sagen und am besten gleich darauf deutlich machen, wie du Shadow gegenüber stehst. Vielleicht sogar ein wenig übertrieben, also ein wenig zu nahe an ihr sitzen, als das es als gute Freundschaft durchgehen könnte, ihr gegenüber ein bisschen zu zuvorkommend sein oder so. Dann denke ich, wird sie es sich zweimal überlegen, Shadow gegenüber wieder so giftig zu sein“, erklärte Justin und wandte sich Blizzard zu. „Du wirst es deiner Mutter doch nicht sagen, oder?“ Der kleine Junge verneinte. „Dann sollten wir wieder zurückgehen“, fand Justin und sie gingen wieder rein. Das Bild hatte sich geändert, als sie wiederkamen. Ember sah zufrieden aus, während Shadow fast zu kochen schien, vor Wut, die sie jedoch mühsam zu unterdrücken versuchte. Einzig ihre Augen machten klar, wie es in ihrem Inneren wirklich aussah. Timo setzte sich dorthin, wo er zuvor auch gesessen hatte, neben Shadow und auch Blizzard nahm seinen ursprünglichen Platz zwischen Timo und Melody wieder ein. „Entschuldigen sie, aber mir ging es nicht so gut“, erklärte Timo formell. „Aber jetzt ist wieder alles okay?“, erkundigte sich Ember. „Ja, ist es“, nickte Timo, „aber ich habe ihre Fragen noch nicht beantwortet. Nun, Timo ist nur der Name, den mir meine Zieheltern gaben. Mein richtiger Name ist Dragonwing und ich bin der Sohn von Moon und Night.“ Embers Blick veränderte sich, ohne dass Justin sagen konnte, was es war, das dort erschien. „Und das soll ich dir glauben, ja?“, wollte sie wissen. „Mir ist egal, ob sie es mir glauben oder nicht. Layla selbst bestätigte es mir und ich wüsste keinen Grund, dass sie mich anlügen sollte. Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber ich glaube der Hochelfe“, erklärte Timo. „Ja, das merke ich. Nun, dann kannst du mir dich sicher auch sagen, in was für Tiere sich die beiden verwandeln?“, erkundigte sich Ember lauernd. Timo schaute sie verwirrt an. „Wie, verwandeln?“, er hatte sichtlich keine Ahnung, wovon die Chitofrau sprach. Hilfe suchend schaute er zu Justin, Melody und zu Shadow. „Chito haben die Fähigkeit, ihr äußeres einem Tier anzugleichen. Jeder Chito kann sich in eine Tier verwandeln, das ihren Eigenschaften am meisten entsprich, wer zum Beispiel gut fliegt, der wird zum Vogel, wer schnell läuft, der wird eine schnelle Raubkatze und so weiter. Es gibt praktisch niemanden, der weiß, was Moon und Night wurden, wenn sie Tieren waren. Nur sehr enge Vertraute wissen es, obwohl die meisten von denen auch schon Tod sind. Es war ihnen zu gefährlich“, erklärte Shadow sofort. „Genau. Ich weiß es, aber ich bezweifle, das du es weist, Timo“, sie sprach den Namen so verächtlich aus, das er fast schon einer Beleidigung gleichkam. „Aber Timo kann das gar nicht wissen, seine Eltern wurden umgebracht, als er noch ganz klein war!“, ereiferte sich Melody. „Das ist sein Problem, wenn er es weiß, dann glaube ich ihn, wenn nicht, dann glaube ich ihm nicht“, erklärte Ember gehässig. Timo schaute sie an, dann schloss er die Augen und dachte nach. Er versuchte, seinen Traum in allen Einzelheiten in sein Gedächtnis zu rufen und es vergingen sicherlich zehn Minuten, wenn nicht mehr, in denen Timo einfach nur still dasaß und alle anderen ihn fragend anschauten. „Du weist es nicht“, stellte Ember fest und klang dabei ausgesprochen zufrieden. „Ein Falke“, war Timos Antwort. „Wie?“, Embers Ohren zuckten und sie legte fragend den Kopf auf die Seite. „Meine Mutter wurde ein Falke. Ein Wanderfalke um es genau zu machen. Ein ausgesprochen schönes Tier, das jedoch ein wenig kleiner war, als andere Wanderfalken“, erklärte er und schaute dabei Ember direkt an, in ihrem Gesicht konnte man jedoch nicht ablesen, ob er recht hatte, oder nicht. „Und mein Vater wurde zu einem Hirsch. Ein nachtschwarzer Hirsch mit einem silbernen Geweih. Mutter saß meistens auf seiner silbernen Krone“, Timo und Ember schauten sich eine Weile einfach nur an, ohne das es jemandem möglich war, in ihren Gesichtern zu lesen, dann nickte Ember. „Entschuldigt, dass ich an eurem Wort gezweifelt habe, Prinz Dragonwing“, sagte sie und senkte dabei den Blick zu Boden. „Woher hast du das gewusst?“, fragte Falko verblüfft. „Ich habe es vor langer Zeit in meinem Traum gesehen“, erklärte der Junge und ließ dabei seine Pinselohren hängen. „Kein Traum, sondern dein Unterbewusstsein erzählte dir die Geschichte deiner Vergangenheit“, meldete sich Justin zu Wort. Timo zuckte mit den Achseln: „Es kommt dasselbe bei raus.“ „Da hast du recht, es kommt dasselbe bei raus“, stimmte der Rotschopf zu. „Aber ich möchte nicht, dass du mich siezt, Ember. Ich bin nicht wichtiger, als jeder andere hier, in diesem Raum“, wandte sich Timo wieder der Gastgeberin zu. „Nun, es gibt Leute in diesem Raum, die schon unwichtiger sind, als ihr, nein, als du“, fand Ember und ihr Blick huschte kurz hinüber, zu Shadow, doch Timo verneinte. Er rutschte ein Stück zu Shadow und legte seinen Arm um sie, was sich das Mädchen gefallen ließ, wie die anderen fast schon erstaunt zur Kenntnis nahmen, mehr noch, sie drückte sich ein wenig an Timo, bemüht, das es möglichst niemandem auffiel. „Nein. Nein, es gibt keinen hier im Raum, der unter mir stehen würde, vor allem nicht Shadow, im Gegenteil! Wenn sie nicht wäre, dann wüsste ich praktisch nichts über das Volk der Chito, allenfalls, dass es existiert. Sie hat mir alles beigebracht und ich wüsste nicht, was wir alle ohne sie tun sollten, also egal, was du gegen sie hast: Vergiss es, behandle Shadow genauso, wie du mich behandelst, oder Justin, oder Melody, oder irgendeinen anderen, vielleicht nicht besser, aber auf keinen fall schlechter“, erklärte der und drückte Shadow fest an sich, was Justin wohl mehr als alle vertrauten Gesten der beiden untereinander deutlich machte, wie die beiden wirklich zueinander standen und selbst wenn Justin nach jener Begrüßung an dem Tag, als sie aus der Menschenwelt zum zweiten mal nach Lävia kamen noch auch nur den geringsten Zweifel gehabt, so wäre er hiermit vollkommen und unwiderruflich ausgemerzt gewesen. Und auch jeder andere hier sah mit solcher Deutlichkeit, das die beiden weit mehr wahren als lediglich Artgenossen oder gute Freunde, als sie es alle wohl je vermutete hatten. Auch Ember schien das nun zu begreifen und sie sah nun alles andere als zufrieden aus, sondern man sah ihr Unbehagen deutlich an. Sie schien nicht zu wissen, wie sie damit umgehen sollte und am Ende stand sie auf, nuschelte etwas und verdrückte sich. Timo hielt Shadow noch einen Moment lang fest, dann wandte sie sich aus seinem Griff und ging nach draußen, Timo folgte ihr nach einem kurzem zögern. Falko sah von einem zum anderen, sagte jedoch nichts und Moritz sah noch immer teilnahmslos zu Boden. Nach einer Weile des Schweigens stand er dann auf und ging wortlos aus dem Raum. Er war wohl nur deshalb noch einige Momente sitzen geblieben, um Timo und Shadow die Möglichkeit zu geben, ihm aus dem Weg zu gehen. Blizzard stand auch auf, erklärte, er wolle seiner Mutter helfen und ging auch und als Falko merkte, wie fehl er im Moment am Platz war, verzog auch er sich irgendwohin. „Hast du es gewusst?“, wollte Melody nach einigen Minuten wissen. „Was, das die beiden sich unheimlich gern haben, oder das sie praktisch schon ein Paar sind?“, fragte Justin zurück. „Wie die beiden zueinander stehen“, meinte Melody. „Ja. Das hab ich gewusst. Lange schon“, antwortete er und starrte dabei vor sich hin. Melody rückte zu ihm hin: „Willst du mir auch sagen, woher?“ „An jenem Tag, als wir wieder hierher kamen, da ist er runter in den Stall, um Shadow zu begrüßen und ich bin ihm nach. Da ist ziemlich deutlich geworden, wie sie zueinander stehen“, erklärte er. „Ah ja? Interessant. Wenn ich mir vorstelle…“, überlegte Melody, doch sie sprach nicht aus, was sie sich vorstellte und Justin hakte auch nicht nach. Er legte seinen Arm und die Elbe und zog sie ganz nah an sich heran, wie Timo es zuvor mit Shadow getan hat. Er sagte nichts und sie sagte auch nichts, während sie sich an ihn lehnte. So saßen sie eine ganze Weile da, bis Blizzard schließlich zurückkehrte, erst dann brachten sie wieder ein wenig Abstand zueinander. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)