Bora, Stein der Winde von Scarla ================================================================================ Kapitel 45: Die Phönixe ----------------------- Wo kann können sie nur sein, wo denn nur…“, murmelte Melody vor sich hin und schaute sich suchend um, doch abgesehen von einigen Zoobesuchern und einem Löwen, der faul in der Sonne lag, sah sie nichts. Langsam und aufmerksam um sich blickend, ging sie weiter und war bald im Vogelhaus angekommen. Sie schlenderte gelangweilt durch die Gänge, als ihr eine Tür auffiel, auf der ein großes Schild mit der Aufschrift DAS BETRETEN VON UNBEFUGTEN IST STRENGSTENS UNTERSAGT!! hing. Neugierig ging sie näher, schaute sich kurz um und als sie sah, das niemand in der Nähe war, versuchte sie die Tür zu öffnen, doch wie sie nicht anders erwartet hatte, war sie abgeschlossen. Doch Melody grinste nur leicht vor sich hin, legte ihre Hand auf das Schloss und konzentrierte sich. Schon nach wenigen Augenblicken erscholl ein leises Klicken und als sie nun die Klinke hinabdrückte, öffnete sich die Tür. Sie schlüpfte in den dunkeln Raum und nach einer kurzen Suche nach dem Lichtschalter, ließ sie eine Lampe unter der Decke aufflammen. Kurz war sie geblendet von der Helligkeit, dann jedoch erkannte sie, dass sie nicht allein im Raum stand. Justin stand vor ihr und schaute sie halb über die Schulter hin an. Oder nein, es war nicht Justin, der dort stand, den dieser Kerl hatte weit längeres, verfilzteres Haar und trug vollkommen andere Kleider, als der Rotschopf sie vorhin noch getragen hatte. Doch der größte Unterschied zu Justin war wohl sein Blick. Der Kerl schaute nicht einmal besonders böse und dennoch hatte Melody das Gefühl, Luzifer selbst gegenüber zu stehen. Sein Blick war kalt wie Eis und vollkommen mitleidlos. Der Blick eines Menschen, der nie ein nettes Wort zu hören bekommen hat, deren gesamtes Leben nur aus Pein und Angst bestanden hatte. Vollkommen still stand er da und schaute Melody an und versuchte dabei wohl ein wenig zu Lächeln, obwohl es nicht mehr war, als ein bloßes verziehen der Lippen, das einem eher Angst machte, als Mut, wie es ein Lächeln sonst meistens tat. Er sagte nichts und Melody sagte nichts, sie schauten sich beide nur an, dann nickte er. „Ich kenne dich. Du bist die Herrin des Elbenreiches, nicht wahr?“, fragte er und wandte sich Melody nun vollständig zu. Sie nickte. „Ja, ganz recht, die bin ich, aber wer bist du?“, fragte sie bissig. „Das ist nicht von belang. Ich bin euer Verbündeter, jedoch ein Verbündeter des Zwanges. Nimm die Phönixe und bringe sie in ihre Heimat, dann habt ihr auch diese nächst Aufgabe gelöst“, meinte der Kerl. „Ich weiß, aber wieso hilfst du mir… uns?“, wollte Melody wissen. „Ganz einfach, weil ich nur die Wahl habe zwischen zwei Möglichkeiten und egal für welche ich mich entscheide, der Tod wird das sein, was ich dafür bekomme. Doch will ich mit meinem Handeln dem Schaden, dem ich mein erbärmliches Dasein zu verdanken habe, wegen dem ich das bin, was ich bin. Das ist der einzige Grund. Vielleicht treffen wir uns auch bald wieder und dann habe ich andere Gründe, aber bis dahin leb wohl“, antwortete der Kerl, machte einige Schritte und war dann verschwunden. Melody blieb wie erstarrt da, wo sie war, etwa tausend Gedanken wirbelten ihr durch den Kopf. „Melody? Was machst du denn hier?“, fragte die Stimme Justins, „Hast du vergessen, das wir uns treffen wollten, schon vor…“ Anscheinend hatte er die Phönixe gesehen, denn er stockte mitten im Satz, trat vollendens in den Raum und an Melody vorbei zu dem Käfig, indem die Feuervögel saßen, mit ihrem feurigroten und goldenen Gefieder. Auch die anderen, die gesamte Gruppe trat ein und bewunderte die beiden Feuervögel. „Du hast sie ja gefunden!“, rief Timo aus und strahlte dabei sichtlich. „Wie du sehen kannst…“, murmelte Melody sah dabei jedoch noch immer abwesend aus. „Was hast du?“, fragte Moritz, dem dies gleich aufgefallen war, während Justin das Schloss öffnete. „Bis eben, bevor ihr gekommen seid, war hier ein junger Mann und der war merkwürdig“, murmelte sie. „Inwiefern?“, hakte Timo nach und sie alle ringten sich um Melody und vor allem Justin sah sie mit einem sonderbarem Blick an, denn er ahnte schon, was sie sagen würde. „Na ja, er sah Justin unglaublich ähnlich, also nein, er sah ihm nicht nur ähnlich, sondern die beiden sind… waren… na ja, absolut identisch, von Kleinigkeiten mal abgesehen. Nur war er anders, auf schwer zu beschriebene weise“, fand sie. „Das war wahrscheinlich der gleiche Kerl, den ich in meinen Visionen gesehen habe, mehrfach“, überlegte Justin und Melody nickte zustimmend, während die anderen eher ratlose Gesichter zeigten. Nur Moritz nicht, der sah eher nachdenklich aus, wie schon zuvor immer, wenn Justin den Fremden beschrieben hatte. „Moritz, wer ist es?“, wollte der Rotschopf darum wissen. „Das…“, begann Moritz, doch Justin schnitt ihm mit einer Geste den Satz ab: „Nein, sag lieber nichts, bevor wieder so etwas kommt wie „Das kann ich euch aber nicht sagen“.“ Moritz nickte: „Okay, ich wollte aber eigentlich sagen, das ich es dir erzählen werde, Justin, aber nur dir, und nicht hier, sondern zu hause. Wenn ich denke, das es an der Zeit ist, es dir zu erzählen, wenn ich es dir zumuten kann. Außerdem will ich zuvor noch mit Ginny sprechen, denn sie betrifft das genauso sehr, wie dich, nur auf andere weise.“ Justin schaute seinen Vater einige Sekunden wortlos und forschend an, dann nickte er. „Ist okay. Aber da wir die beiden Phönixe jetzt haben, sollten wir verschwinden, bevor jemand herkommt und unangenehme Fragen stellt. Dann können wir auch besprechen, was wir als nächstes tun.“ Sie nickten alle wie auf Knopfdruck und gingen einer nach dem anderen hinaus, aus dem Raum, während Justin und Timo die Phönixe in ihren Rucksäcken versteckten. Nachdem ersterer den beiden erklärte hatte, was sie vorhatten, ließen die alles widerstandslos über sich ergehen und die Rucksäcke waren groß genug, das die beiden ausreichend Platz hatten. Sie waren kaum größer, als ein Mäusebussard. Möglichst unauffällig und dennoch so schnell, wie es irgendwie ging, verließen sie den Zoo und saßen schon kurze Zeit später auf einem alten Spielplatz mitten im Wald. Timo und Justin ließen die beiden Phönixe hinaus. „Ich hoffe, es war euch nicht zu unangenehm, in den Rucksäcken?“, erkundigte sich der Rotschopf. »Nein, da sie uns die Freiheit brachten, würden wir beide dies auch ein zweites mal über uns ergehen lassen, aber es wäre schön, wenn wir das vermeiden könnten«, erklärte einer der beiden Feuervögel. „Unwahrscheinlich, dass ihr noch ein zweites mal hinein müsst, zumindest, wenn ihr euch die Nacht über hier im Wald verstecken könnt. Morgen werden wir dann wieder in eure Welt zurückreisen und euch zurück zum Feuerberg bringen“, erklärte Justin. „Morgen werdet ihr schon wieder gehen?“, fragte Nadja fast schon entsetzt. „Desto eher, desto besser ist es und wir können uns überlegen, was wir hiernach endgültig tun wollen. Wer hat euch eigentlich verletzt und hergebracht?“, wollte Justin weiter wissen. »Der Todesgott selbst hat uns gefangen und unsere Schwingen verstümmelt, damit wir ihm nicht davon fliegen können«, antwortete der andere Phönix. „Dachte ich mir. Egal, versteckt euch hier und lasst euch nicht fangen, wir werden morgen wieder herkommen um euch abzuholen“, erklärte Justin. »Und wie sollen wir jemanden entkommen, wenn wir nicht fliegen können?« „Phönixe können doch heilen oder nicht? Eine Phönixträne soll selbst die grässlichsten Wunden heilen können“, bemerkte der Rotschopf. »Ja, das stimmt schon, nur können wir uns selbst nicht heilen«, widersprach einer der Feuervögel. „Ach so. Das habe ich nicht gewusst, aber was machen wir denn dann? Ich meine, wenn eure eigenen Zauber bei euch versagen, wie sollen es dann andere Zauber schaffen?“, Justin runzelte die Stirn. „Was ist denn das Problem?“, fragte Moritz. „Sie können nicht fliegen, ihrer Flügel wegen und sie können sich auch nicht selbst heilen, aber irgendwie müssen sie doch hier bleiben oder nicht?“ „Kein Zauber der Welt kann einen Phönix heilen, wir werden sie wohl mitnehmen müssen“, fand Melody. „Dann müsst ihr doch wieder in die Rucksäcke und morgen früh auch noch einmal, ist das in Ordnung, für euch?“, wollte Justin von den Phönixen wissen. »Ja, ist es. Wenn wir dafür wieder zurückkommen, dann würden wir fast alles tun«, erklärte der andere der Phönixe. „Gut, dann wieder hinein, in die Rucksäcke, Melody, du nimmst bitte einen der beiden, okay?“, bat der Rotschopf. Melody nickte. „Gut, gehen wir nach Hause“, fand Timo und deutete Marie, dass sie mitkommen soll. Langsam aber sicher verstreute sich die Gruppe. Sie alle gingen nach Hause, voller Vorfreude auf ein warmes Bett, das sie erwartete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)