Der Malar von TilyaDraug (Die Jagd nach der Kreatur der Untiefen) ================================================================================ Kapitel 23: Aufbruch - Tag 19 ----------------------------- Ich wachte auf, mit dem Klang der Brandung und dem verliebten Gezirp miteinander balzenden Flugechsen in den Ohren. Es war ein herrlicher junger Morgen. Die Luft schmeckte frisch und salzig, die Kälte der vergangenen Nacht wirkte belebend auf meiner Haut und ich überlegte mir ernsthaft, ein morgendliches Bad im sicherlich klirrend eisigen Meerwasser zu nehmen. Doch leider war Greyan auch schon wach und ich genierte mich, meine Echsenhaut vor ihm zu entblößen. Zu viert bauten wir das Lager ab, Mirlien sammelte Feuerholz und ich bereitete an diesem Tag den Nolmengrieß zu, da der aufgewühlte Vilthon irgendwo elendig zwischen einigen Korallenbaumgerippen hing, und sich dort seiner Übelkeit ergab. Dementsprechend widerlich schmeckten die Nolmen. Ich hatte erst zu viel Wasser hinein gekippt, und es danach wohl etwas mit den Gewürzen übertrieben. Mirlien und ich würgten den Fraß tapfer hinunter, Vilthon war momentan sowie nicht in der Lage dazu, etwas zu Essen, und Greyan kostete nur einen einzigen Löffel von meinem Gericht. Ohne eine Miene zu verziehen, erhob er sich geschmeidig, drehte sich in aller Seelenruhe um, und schleuderte den matschigen Inhalt seiner Schüssel in hohem Bogen ins Meer. Mit einem unappetitlichen Platschen versank der ekelhafte Brei in den Fluten. „Die armen Fische…“ bemerkte Mirlien nüchtern. Ich starrte meinen sanftmütigen Freund voller Entsetzen an. So abgebrüht hatte ich ihn bisher noch nicht erlebt. Er bemerkte meinen entgeisterten Blick sofort und versuchte schnell, sich zu erklären. „Oh, Tilya, entschuldige bitte. Ich wollte dich damit nicht verletzen! Es war einfach nur die traurige Vorstellung von den ahnungslosen Meerestieren, die sich unvermittelt einem Regen aus, nun…“ „…völlig versalzenem, widerlichen Nolmenschleim konfrontiert sehen.“ vollendete ich resigniert seinen angefangenen Satz. „Schon gut, Mirlien. Ich bin dir ja gar nicht böse. Im Gegenteil. Ich finde es sogar ziemlich bemerkenswert, dass du dich überhaupt dazu überwinden konntest, das ganze Zeug hinunter zu schlucken.“ Ich schielte etwas vorwurfsvoll zu Greyan hinüber, der diese Art von Respekt nicht unter Beweis gestellt hatte. Doch der dunkelhäutige Alverliek verzog nur süffisant seinen Mund. „Tja, Federkopf, diesen Burschen würde ich mir warmhalten, an deiner Stelle! Es kann sich nur um ein Zeichen größter Zuneigung handeln, wenn sich jemand dir zu Liebe opfert und diesen Schlangenfraß seine Kehle hinunter wandern lässt.“ Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. „Wissen Sie, Mirlien besitzt eben den Anstand, zu würdigen, was eine Dame mit Liebe und Sorgfalt zubereitet hat!“ schnauzte ich Greyan an. Einen Moment lang hörte man nur das Rauschen der Wellen und das Prasseln des Feuers. Dann einen Laut, der, obwohl ich gerade ziemlich verärgert war, einen imaginären Schwarm Silberfinken in meinem Leib zum Flattern brachte. Es war Greyans Lachen. Laut, rau, bellend und nicht frei von Spott. Aber es klang herrlich gelöst und unbeherrscht. „Eine Dame bist du also, Federkopf, so, so!“ schnarrte er höhnisch. „Gut, dass ich das jetzt auch auf diesem Wege erfahren durfte! Aber wenn du dieses Gericht tatsächlich mit eben der Sorgfalt gewürzt hast, die du in Vilthons Labor erlernt und perfektioniert hast, dann wirft das nun kein besonders gutes Licht auf deinen Lehrmeister!“ Mirlien hatte sich inzwischen mit gesenktem Kopf vom Lagerfeuer entfernt und erkundigte sich augenblicklich fürsorglich nach dem Befinden des eben zitierten ahnungslosen Lehrmeisters, der in einiger Entfernung von uns bei unserem Gepäck verharrte, da ihm der Geruch der garenden Nolmen noch nicht gut bekam. So stand ich Greyan gegenüber. Auf seinen Mundwinkeln lag noch die Spur seines Lächelns. Ich fühlte mich von ihm beleidigt, gedemütigt, nicht für voll genommen. Trotzdem hätte ich ihn in diesem Moment fast aus einem irrsinnigen Impuls heraus geküsst. Verstört wandte ich mich schnell von ihm ab. „Spülen…“ presste ich hervor und sammelte hektisch die Schüsseln und das Besteck ein, schnappte mir den kaum geleerten Kessel und verzog mich damit an den Strand. Mit mir selber schimpfend wusch ich mit einer völlig unnötigen Brutalität das Geschirr. Was war nur in mich gefahren? Was hatte ich für quere Gedanken? Greyan musste gut und gerne siebzehn Jahre älter sein als ich, er behandelte mich wie ein dummes, lästiges Kind, hatte eine seltsame Einstellung zu Frauen, und verhielt sich überhaupt ziemlich abweisend und griesgrämig. Und er war zu allem Überfluss auch noch Myroons Halbbruder. Warum, verdammt noch mal, wollte ich ihn küssen? Ich sollte jetzt wirklich andere Dinge im Kopf haben! Waren das vielleicht die Hormone, die da gerade mit mir durchgingen? Wenig später hatten wir vier uns an einem ebenen Abschnitt der Küste eingefunden, von wo aus man einen guten Überblick über das ganze Meer hatte. Gespannt blickten wir auf die diffuse Linie des Horizontes und warteten auf unser Fährboot. Sie waren spät dran. Eigentlich hätte man uns am frühen Morgen abholen sollen, aber inzwischen war die Sonne schon ein ganzes Stück über den hellblauen, wolkenlosen Himmel gewandert. Ob sie schon längst an uns vorbei gezogen waren? Hatten sie uns nicht bemerkt, oder hatten wir sie übersehen? Ungeduldig lief ich den Strand auf und ab. Dann endlich tauchte das Schiff auf. Ein kleiner Punkt in der Ferne, der rasch immer größer wurde. „Sie kommen!“ jubelte ich, und wedelte wild mit meinen Armen. Vilthon pfiff anerkennend durch die Zähne. „Da müssen sich hochtalentierte Alwen an Bord befinden. Seht nur, wie schnell das Schiff durch die Wogen gleitet! Ein perfektes Zusammenspiel von Wind und Wasser!“ Ich kniete mich auf den samtweichen Boden und ließ eine Handvoll Sand durch meine Finger rieseln. „Auf bald, liebe Insel.“ flüsterte ich bewegt. „Beim Bart der Zaronne, jetzt dramatisiere die Geschichte doch nicht unnötig, Weib!“ ätzte Greyan genervt. Innerhalb weniger Minuten waren die Seeleute angekommen und warfen den schweren Anker in das Meer. „Traute Sterne! Verzeiht die Verspätung!“ rief uns ein alter Dunkelalwe entgegen, der uns in dem kleinen Beiboot entgegenkam. Ganz ohne Ruder natürlich. „Wir haben zwischendurch noch einen Zwischenstopp einlegen müssen, um den Verlieken einzusammeln.“ „Keine Ursache. Wir danken recht herzlich für die Überfahrt.“ erwiderte Vilthon höflich wie eh und je, während wir uns mehr oder weniger geschickt in den Kahn hievten. Mirlien half mir dabei wie ein wahrer Kavalier. „Nichts zu danken, das ist unser Job. Wir alle wünschen euch viel Erfolg bei eurem ehrenwerten Einsatz.“ „Äh, danke.“ murmelte ich verschämt und mit einem ziemlich schlechten Gewissen. Als ich die schmale Strickleiter hinauf ins Boot kletterte, packten mich auf den letzten Ellen zwei kräftige Hände und beförderten mich schwungvoll an Deck. „Traute Sterne…“ säuselte eine mir wohlbekannte, klangvolle Stimme. Ich blickte in bernsteinfarbene Verliekenaugen, vernahm den unverwechselbaren Duft nach Wollspinne. „Thyllos?“ hauchte ich entsetzt. „In den Augen der schönen Fremden heißt das, Schätzchen.“ korrigierte mich der Verliek und drückte mich voller Inbrunst an sich. „Hast du mich vermisst? Ich schätze schon, sonst wäre ich jetzt ja wohl kaum an Bord dieses Schiffes.“ Energisch zappelte ich mich aus seinen Armen frei. Ich hatte vollkommen verdrängt, dass Greyan die Suche nach Thyllos veranlasst hatte, um ihn zu bitten, uns zum Kontinent zu begleiten. Wie durch einen dämmenden Schleier hindurch registrierte ich die Begrüßung zwischen meinen Gefährten, dem fuchsäugigen Malarenhalbling und den freundlichen Seeleuten. „Hat sich eure Kleine also doch dazu entschlossen, mir zu vertrauen?“ hörte ich Thyllos, der sich nun Vilthon zu wandte. „Ja, ich denke, sie hat eingesehen, wie bedeutsam deine Gesellschaft auf dem Kontinent für unser Vorhaben ist. Wir sind sehr erleichtert, dass du dich trotz der Differenzen zwischen euch beiden dazu bewegen lassen konntest, uns zu begleiten.“ Thyllos lehnte sich vertraulich in meine Richtung und grinste bis über beide Ohren. „Differenzen? Ich weiß wirklich nicht, was dein alwischer Freund damit meint, meine Liebe. Du etwa?“ „Nein, Thyllos. Keinen Schimmer.“ erwiderte ich gedehnt. Ich wollte mich nicht mehr von ihm aus der Fassung bringen lassen, einfach gute Miene zum bösen Spiel machen. Stocksteif ließ ich es über mich ergehen, seine warme Pranke über meine Wange streichen zu lassen. Am liebsten hätte ich mich kopfüber vom Boot gestürzt und wäre zurück zur Insel geschwommen. Noch war es ja nicht zu spät dafür. Thyllos begrüßte Mirlien. Dabei bemerkte ich nur allzu deutlich den unterdrückten Argwohn in Thyllos gesamter Gestik und Mimik, während Mirlien die Ausgeglichenheit in Person verkörperte und sein Blick die gewohnte Unvoreingenommenheit und Freundlichkeit ausdrückte, die er jeder Person entgegenbrachte. „Sie sind also der Nachkomme der sagenumwobenen Fuchsfrau.“ stellte Greyan leise fest. Ich las eine wilde Neugier in seinen blitzenden Augen. „Doch nicht so förmlich! Für dich bin ich Thyllos!“ tönte der Rotschopf. Wie war er mir doch zuwider° „Greyan. Erfreut, dich endlich kennenzulernen. Und das hört man selten aus meinem Mund. Es gibt da eine ganze Menge Fragen, die ich dir gerne stellen würde.“ Thyllos nickte grinsend. „Kann ich mir denken. Vielleicht nicht unbedingt hier an Deck zwischen all den feinen alwischen Spitzohren.“ „Natürlich. Verstehe.“ Ich beobachtete die beiden ungleichen Männer voller Besorgnis. Ob es Thyllos auch gelang, jemanden, der so misstrauisch und so schwer zu beeindrucken war wie Greyan, um den Finger zu wickeln? Ich hoffte es nicht! Andererseits war Greyan so fixiert darauf, dem Malarensohn seine Geheimnisse zu entlocken, dass Thyllos ihn in gewisser Hinsicht ja jetzt schon an der Angel hatte. Verzagt starrte ich auf die Seeschlangen, die unserem Boot folgten und wohl auf Fischabfälle warteten. Mirlien gesellte sich zu mir. Gemeinsam sahen wir zu, wie das Festland vor unseren Augen immer kleiner wurde, immer mehr verblasste, bis die Insel irgendwann nicht mehr zu erkennen war. Wehmütig seufzte ich auf. Mirlien streichelte mir durch die Federn und als ich seinem aufmunternden, beruhigenden Blick begegnete, ging es mir schon wieder besser. Weniger gut ging es allerdings dem armen Vilthon. Jämmerlich hing er über der Reling und fütterte, wie es ein junger verliekischer Seemann durch die Blume ausdrückte, die Fische. „Schäm dich, Vilthon.“ neckte ich meinen Freund. „Und so was will ein Alwe sein?“ Vilthon antwortete mir nicht. Nicht wirklich. Mirlien tätschelte dem erbarmungswürdigen Freund den Rücken. „Das muss an der Aufregung liegen.“ vermutete er mit einem hilflosen Zucken seiner schmalen Schultern. Vilthon tat mir zwar unendlich leid, aber wenn ich in seiner Nähe geblieben wäre, hätte ich auf alle Fälle schnell mit ihm zusammen die Fische gefüttert. Ich bewunderte Mirlien dafür, dass es ihm anscheinend vor gar nichts graute und er Vilthon auch in diesem unangenehmen Momenten bei stand. Er hätte sich gut im Haus der Gesundheit gemacht. Oder noch besser im Krankenhort. Mit den sehnsuchtsvollen Gedanken bei unserem Haus der Gesundheit im Hügeldorf schlenderte ich über das Deck. Doch bald wurde es mir dort zu warm und ich folgte einer braungebrannten Alverliekin in die Schiffsinnenräume, wo ich ihr zunächst dabei zu helfen versuchte, die gerissenen Fangnetze zu flicken. Aber kurze Zeit später stellte sich heraus, dass es wohl besser wäre, wenn ich schon mal Patutt für das Mittagessen schälte. Mitten auf offener See mit einem bunten Haufen Seefahrer und seinen mehr oder minder geliebten Gefährten frischen Fisch und in Xeraatöl goldbraun gebratene Patutt zu verzehren, fand ich ziemlich eindrucksvoll. Das Schiff schaukelte kaum, denn das Meer war ruhig und friedlich, Seevögel flogen dicht an unsere Tische heran und schnappten sich die übriggebliebenen Fischköpfe, die Mirlien und ich ihnen zu warfen. Vilthon fand das nicht sehr appetitlich, also ließen wir es fürs Erste bleiben, da wir sehr froh waren, dass unser Freund endlich mal wieder etwas im Magen behielt. Kaum aber, dass die Mahlzeit für beendet erklärt war, riss ich mir den Eimer mit den Fischabfällen unter der Nagel, den sich die gierigen Seevögel nun aber mit den geduldig ausharrenden Seeschlangen teilen mussten. Sogar der empfindliche Vilthon ließ es sich nicht nehmen, diesem Schauspiel beizuwohnen, und gesellte sich doch noch zu uns. Ich aber schaute mich um, wohin Greyan wieder entschwunden war. Entgegen meiner Vermutung fand ich ihn nicht in Thyllos unangenehmer Gesellschaft, sondern bei dem alten Dunkelalwen, dem er dabei half, die Fangnetze zu reinigen und zu entknoten. Manchmal schien also sogar ein Greyan seine hilfsbereiten, zuvorkommenden Momente zu erleben. Ich erfreute mich noch einige Sekunden an diesem netten Anblick, dann begab ich mich unter Deck, um der Alverliekin von vorhin beim Spülen zur Hand zu gehen. Doch nicht die Alverliekin erwartete mich in der Kombüse, sondern ein gutgelaunter Thyllos. Ich schrak zurück, als ich seine wilde, dunkelrote Mähne erkannte. „Ich wusste, dass du gleich zu mir herunter kommst, um mir beim Abtrocknen zu helfen, glaubst du mir das?“ fragte er mich vergnügt und blinzelte mir verschwörerisch zu. Ich dachte ein meinen guten Vorsatz und verzichtete auf eine Antwort. Stattdessen griff ich nach dem trockenen Handtuch auf dem Korbstuhl und baute mich betont selbstsicher neben meinen neuen Gefährten auf. „Hast du denn keine Angst, dass ich euch absichtlich zum Kontinent locke, damit meine liebe Verwandtschaft freies Spiel auf der Insel hat?“ raunte er mir ins Ohr. Ich ignorierte sein Gelaber diszipliniert. „Dein Malar könnte während eurer Abwesenheit anderen Malaren den Weg ebnen, die Herrschaft über alle Träume zu erlangen, jedes Totemtier zu vernichten und damit auch jedes Talent. Und dann könnte es bald ein ganzes Heer freier Malare geben, die freudig eure Rückkehr erwarten und sich über eure überraschten Gesichter amüsieren.“ „Thyllos, was willst du mir jetzt damit sagen? Dass du mich für paranoid hältst?“ forderte ich zu erfahren. Ich hatte keine Lust auf seine Spielchen. „Nur, dass ich dein Vertrauen in mich als ein großes Kompliment betrachte, Liebling. Und als einen Fortschritt, was unsere etwas schwierige Beziehung angeht.“ Nun riss langsam mein Geduldsfaden. So ließ ich nicht mit mir reden! „Wir haben überhaupt gar keine Beziehung, ich bin auch nicht dein Liebling, und wenn du das, was ich dir entgegenbringe, unbedingt Vertrauen nennen willst, dann arbeite doch zur Abwechslung mal darauf hin, dass du es nicht zu weit treibst und es damit gleich wieder zerstörst, klar?“ Thyllos legte langsam den Spüllappen und den Teller, den er gerade mit diesem bearbeitete, aus den Händen und wandte sich zu mir um. In seinem Blick lag etwas, was mir nicht gefiel. Ich ahnte Schlimmes. Da ich es nicht drauf anlegte, in Erfahrung zu bringen, was er gleich sagen oder tun würde, sondern sah zu, dass ich schleunigst Land gewann. Atemlos pfefferte ich das Handtuch auf Thyllos Rotschopf und ergriff die Flucht. Hinter mir her schallte sein dröhnendes, dunkles Lachen. Ich brauchte mir nichts vor zu machen. Ich hatte einfach unheimliche Angst vor diesem Typen. Um mich abzuregen suchte ich Mirliens heilsame Nähe und die vertraute Gegenwart meines Lieblingsalwen Vilthon. Greyan brauchte ich nicht aus dem Weg zu gehen, denn er war an meiner Gesellschaft ohnehin nicht sonderlich interessiert, wie mir schien. Das war wahrscheinlich auch besser so, denn er machte mich mindestens genauso nervös wie Thyllos es tat, wenn auch, auf eine völlig andere Art und Weise. Gelenkt durch das Talent der Alwen und gesteuert von einem bärtigen jungen Verlieken schnitt unser Schiff die Meeresoberfläche entlang, wie ein scharfes Messer durch zimmerwarmen Zaronnenrahm. Wir flogen nur so dahin, der Fahrtwind rauschte in unseren Ohren und übertönte das Schlagen der Wellen an den Bug. Ich würde mich an Thyllos gewöhnen müssen. Der Gruppe und den gemeinsamen Zielen, die wir verfolgten, zu Liebe. Es wurde Zeit, den Tatsachen ins Auge zu blicken und ihn als Teil unseres Teams anzuerkennen. Doch ich würde ständig auf der Hut bleiben. Am frühen Abend endlich vernahmen wir den ersehnten Ausruf der dunkelhäutigen Alverliekin. „Land in Sicht!“ Sofort stürmte ich zum Geländer des Buges. Vilthons Hände legten sich von hinten auf meine Schultern. „So, Küken, nun ist es tatsächlich so weit.“ Ich lächelte. „Ja, das ist es. Geht es dir gut, Vilthon?“ „Ja, es geht mir gut. Wir beide sind ja jetzt eigentlich genau da, wo wir immer hinwollten, oder?“ „Könnte man fast so sagen.“ kicherte ich. „Aber für den Fall, dass wir Zhannya auf dem Kontinent über den Weg laufen, rate ich dir, dich mal wieder zu rasieren, Vilthon.“ Der Alwe lachte und wuschelte mir durch die gefiederten Haare. „Kämme dir erst mal deine Federn, bevor du mir solche Ratschläge erteilst, mein lieber Wuschelkopf!“ Mirlien hatte sich zu uns gesellt. Zuversichtlich hatte sich sein klarer Blick auf den kleinen Landstreifen gerichtet, der rasch immer näher kam. Ich berührte seine knochige Hand, die weiß und kalt auf dem Geländer ruhte. Das warme Lächeln, das er uns daraufhin schenkte, tat gut, wie warme Sonnenstrahlen. Es waren jetzt keine Worte nötig, um zu bestätigen, dass wir füreinander einstehen würden, ganz gleich, was uns nun erwarten würde. Ich hatte nur wahnsinnige Angst, Mirlien an diesen Ort, den das unergründliche Wesen Mensch bevölkerte, zu verlieren. „Wird das hier jetzt eine fröhliche Kuschelstunde, oder was?“ knurrte Greyan, der plötzlich direkt neben Vilthon aufgetaucht war. „Da bin ich doch gern mit von der Partie!“ Thyllos, der ebenfalls wie aus dem Nichts erschienen war, hatte sich zwischen Mirlien und mich gedrängt und uns die Arme um die Schultern geschlungen. Ich ertrug es tapfer und zähneknirschend. Dieser Schmierfink. Er sollte bloß gut aufpassen, was er tat, wenn er sich nicht wieder einen elektrischen Schlag holen wollte. Das Schiff ließ seine Anker hinunter. Bald kamen wir zum Stehen. Wir schulterten unser Gepäck, verabschiedeten uns von den freundlichen Seefahrern und ließen uns vom alten Dunkelalwen mit dem Beiboot durch das seichtere Gewässer befördern. „Viel Glück, euch allen! Passt gut auf einander auf!“ rief er uns zu, als er uns auf dem unscheinbaren Landstreifen absetzte, der gar nicht danach aussah, als gehöre er zum riesigen, gefährlichen, wundersamen Kontinent der Menschen. Wir winkten dem Schiff hinterher, als es in den jungen Abend verschwand, heim fuhr, zurück zu unserer Insel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)