Funeral of Dreams von PenAmour (...in the Distance the Tyrant's calling) ================================================================================ Kapitel 3: Problemlöser ----------------------- + When you try your best, but you don't succeed When you get what you want, but not what you need When you feel so tired, but you can't sleep Stuck in reverse. (Coldplay – Fix you) + Knack! Ein hektisches Rascheln riss ihn aus seinem Schlaf und er konnte gerade noch aus den Augenwinkeln erkennen, wie ein Rattenschwanz hinter dem Regal verschwand, in dem sich Ordner und Elektrokram stapelten. Wütend starrte er auf die unberührten Rattenfallen, die er überall ausgelegt hatte, um die Kabel vor den gierigen Nagern zu schützen, doch dieses Exemplar schien gänzlich unbeeindruckt und hatte die Fallen gekonnt ignoriert. Müde rieb er sich über den schmerzenden Abdruck, den die Tastatur auf seinem Gesicht hinterlassen hatte und nun auf seinem Haut brannte. Seine Augen tränten, während das Flimmern des Bildschirms seine Aufmerksamkeit erneut auf sich zog. Kleine Lichter am surrenden Laufwerk blinkten auf und das Gehäuse des Computers thronten auf dem Schreibtisch und arbeitete auf Hochtouren, während das Notstromaggregat ein lautes Grummeln von sich gab und ihn mit Elektrizität versorgte. Er hatte die gesamte Nacht mit einer wilden Suche im Netz verbracht und musste irgendwann vor Erschöpfung eingenickt sein. Sein Büro breitete sich im Halbdunklen vor ihm aus, unter der Erdoberfläche direkt an den Fahrstuhlschächten gelegen, die vor langer Zeit einmal die Gäste vom unterirdischen Parkdeck in die Lobby geleitet hatten, doch nun still schweigend in der Tiefe warteten. Es war ein absoluter Glücksgriff gewesen, dass sie in diesem Hotel einen Unterschlupf gefunden hatten. Das Grand Hyatt Tokio war mit einer eigenen Notstromersorgung ausgestattet, die den ganzen gesamten Gebäudekomplex über mehrere Tage mit Elektrizität versorgen konnte und nun ihm zu Gute kam und ihm die Möglichkeit verschaffte, von Stromnetz des Kaisers unabhängig zu agieren. Doch ohne Energie waren Steckdosen und Kabel nutzlos. Aus diesem Grunde verbrachten Taichi und die anderen oft Tage damit, Treibstoff aus den verbliebenen Autowracks und Tankern zu sammeln, die den Motor des Aggregats antrieben, um dadurch den Zugang zur Digiwelt und den Kontakt zu den anderen aufrecht zu erhalten. Seit nunmehr einem Monat hatte er allerdings kein Lebenszeichen von ihnen erhalten und die Angst, dass sie es wohlmöglich nicht geschafft hatten, nagte an ihm, während er durch das was vom Internet übrig geblieben war streifte, mit der Gefahr im Nacken, ihre Tarnung auffliegen zu lassen. Die Spezialisten und Hacker des Kaisers waren Experten auf ihrem Gebiet und der Kaiser erpicht darauf, ihren Aufenthaltsort zu erfahren. Bis jetzt war er ihnen immer einen Schritt voraus gewesen, hatte Fallen und falsche Fährten ausgelegt, um seine Spuren zu verwischen, dennoch war die Gefahr allgegenwärtig. Er schüttelte die Müdigkeit aus seinen Gliedern und rückte den Kragen seines Wollpullovers zurecht, bevor seine Fingerspitzen die ausgeblichenen Tasten der Tastatur berührten. Ihr sanfter Widerstand ließ ihn wieder klar denken. Das hier war schließlich sein Terrain und die anderen verließen sich auf sein Können. Er war ihre Verbindung zur Außenwelt und zum Untergrund gleichermaßen. „Es ist mir egal, wie du es anstellst, Koushiro, aber sorg’ dafür, dass wir einen sicheren Kontakt herstellen können!“ Das hatte Taichi zu ihm gesagt und ihm eine Fuhre Benzin ins Notstromaggregat gekippt. Er brauchte seine Fähigkeiten um diesen Krieg zu gewinnen, nur deshalb ließ ihm Taichi so viel Freiraum. Auch wenn die Ungeduld des jungen Mannes mit jedem weiteren Tag zunahm. Seine Augen glühten manchmal vor Wut, wenn er ihm berichten musste, dass seine Spur wieder einmal ins Leere gegangen war und die Antwort auf die Frage nach einem Befreiungsschlag unbeantwortet blieb, und doch nickte Taichi dann immer nur und wendete sich erneut dem Kampftraining zu, in einem Teil des Untergeschosses, den er selbst nur sehr selten aufsuchte. Seine Trainingseinheiten waren lächerlich gering, im Gegensatz zu Ioris oder Daisukes, die ihre komplette Energie in ihre Kampftechniken investierten und sich sehr wohl zu verteidigen wussten, ungeachtet ob der Gegner ein Digimon oder Mensch war. Er selbst hatte in all den Jahren wenig gekämpft. Taichi hatte ihm und seinen Computern grundsätzlich den Rücken frei gehalten, damit er das machen konnte, worin er am besten war: Eine Lösung für das Problem finden. Der Zeiger der Maus schwirrte über den Bildschirm, Fenster öffneten sich, Seiten wurden geladen und die Hektik auf den Bildschirm ließ seine Müdigkeit endgültig von ihm abfallen. Bis ein lautes Piepsen ihn innehalten ließ. Ein Briefumschlag in der Menüleiste leuchtete drängend auf. Er spürte, wie sein Herz sich gegen seine Rippen drängte währen der Cursor der Maus auf den Umschlag zusteuerte und die elektronische Post langsam entfaltete. Ein Klicken und ein weiteres Fenster öffnete sich in dem sich mehrere Zeichen formierten. Es dauerte einen Augenblick, ehe die Bedeutung der Worte in seinen Verstand sickerte, während er lautlos die Nachricht wiederholte. Haltet noch einen Augenblick durch… Alles wird gut. Bald, bald… Verwirrt überflog er die Zeilen noch mal und noch mal, doch der Sinn hinter den Zeichen wollte sich ihm augenscheinlich nicht offenbaren. Beunruhigt warf er einen Blick auf den Absender: Unbekannt. Er versuchte die Nachricht zurück zu verfolgen, doch der Absender schien alles dafür getan zu haben, dass er ihm nicht folgen konnte. Ein lautes Rauschen unterbrach seine Nachforschungen und ein weiteres Fenster öffnete sich auf dem Bildschirm. Das Bild wurde für einen Moment schwarz und wirkte verzerrt, als störte eine Schneewehe den Kontakt. Nur langsam waren schemenhafte Umrisse zwischen den zuckenden und ruckenden Bildern zu erkennen, die langsam schärfer wurden, bis ihn zwei meerblaue Augen anstarrten, eingerahmt von hellen Engelslocken. Sie gehörte zu den Menschen, die selbst im Augenblick der schlimmsten Katastrophe noch wunderhübsch aussahen, ohne sich dafür besonders anstrengen zu müssen. Nicht einmal die schlechte Übertragung war ihrer Schönheit abträglich, stellte er fest und spürte die Hitze, die seinen Hals hinauf kroch. Ihr Blick wanderte über den Bildschirm und sie lächelte, als sie ihn erkannte. „Koushiro! Endlich! Ich ´abe schon seit Tagen versucht eine sichere Verbindung zu finden, um mit dir zu sprechen.“, begrüßte sie ihn förmlich in fehlerfreiem Japanisch. Er lächelte. „Du machst Fortschritte, Catherine…“ Er konnte erkennen, wie sie die Schultern zuckte. „Irgendwas muss man ja mit seiner Freizeit anfangen.“ Doch ihr Blick verhärtete sich in Sekundenschnelle und verriet, dass ihr nicht sonderlich nach Scherzen zumute war. Ohne weitere Umschweife, Erklärungen oder Floskeln öffnete sie abermals den Mund: „Wir ´aben ein Problem, Koushiro. Un grand probléme merdique…“ Die Worte der Französin hallten für einen kurzen Augenblick nach, während er schweigend in die blauen Augen blickte und sich nicht sicher war, ob er noch ein weiteres Problem händeln konnte. Doch das schien Catherine nicht weiter zu interessieren. Unbeirrt fuhr sie fort: „Einer meiner Leute ist von der Saat befallen.“ „Ja und?“, er zuckte mit den Schultern, das war in diesen Zeiten keine Seltenheit mehr. Gleichzeitig erschreckte ihn seine eigene Reaktion insgeheim und ein kalter Schauer rannte über seinen Rücken, während Catherines klare Stimme zu ihm hindurch drang und seine Zögern ignorierte. „Wir ´aben ihn gestellt, bevor er unseren derzeitigen Standort verraten konnte, und versucht in Erfahrung zu bringen, wie er in Kontakt mit der Saat gekommen ist. Und vor allem wer ihm die Saat verabreicht hat, aber es war nichts aus ihm herauszubekommen…“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und räusperte sich. „Nun, in der Regel reagieren die Saatträger verstärkt auf Schmerz… habt ihr es damit schon mal probiert?“ Ihr schönes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, als verspüre sie selbst tiefe Pein und nickte schließlich zögerlich. „Die Methoden schlagen nicht an, Koushiro. Normalerweise sind Saatträger empfänglich für niedere Instinkte, wie den Wunsch nach körperlicher Unversehrtheit, aber in diesem Fall schien es fast so, als würde er die Schmerzen überhaupt nicht spüren.“ Sie holte tief Luft. „Comme une machine. Une humanoide sans sentiments.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das kurz geschorene Haar und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Es stimmte, der Kaiser hatte viele Menschen in seine Gewalt gebracht und versklavt, indem er ihnen einen Sprössling der Saat der Finsternis implantierte. So konnte er ihnen den freien Willen rauben und sie zu Sklaven ihrer Schlechtigkeit machen. Die Dunkelheit sickerte tief in das Bewusstsein des Betroffenen und ließ ihn förmlich handlungsunfähig werden. Die meisten der Saatträger waren bloße Hüllen, die im Dienste des Kaisers standen und von seinem Willen gelenkt wurden. Andere gingen in der Dunkelheit förmlich auf und gaben sich ganz ihren dunklen Seiten hin. Sie dienten ihm treu und stiegen in der Rangordnung stetig auf. Einzig die tierischen Instinkte ließen sich durch die Saat bei niemandem ausschalten, so dass der Überlebensdrang der Evolution tief in den Sklaven verwurzelt blieb, was wiederum bedeutete, dass sie ihr Überleben sicherten, wo immer es ihnen möglich war. Aus diesem Grund waren Schmerzen so effektiv, da sie den Wunsch nach körperlicher Unversehrtheit der Saatträger weckten, und diese so bereitwillig Auskunft gaben, um der Folter zu entkommen. Dies war ohne Frage eine grausame Methode, aber sie war zugegebenermaßen sehr wirkungsvoll und hatte ihnen schon viele hilfreiche Hinweise eingebracht, die darüber hinaus ihr Leben retten konnten. Wenn der Kaiser aber nun einen Weg gefunden hatte, um diese Instinkte zu unterbinden, dann… Catherine sprach die schrecklichen Gedanken aus, die sich in seinem Kopf formten und Gestalt annahmen. „…wenn es eine modifizierte Saat gibt, ´aben wir es bald mit den loyalsten Untertanen des Kaisers zu tun, dann werden die Sklaven sogar wertvoller als die freiwillige Anhängerschaft des Kaisers“, schlussfolgerte sie und das Bild zuckte und ruckte für einen Moment unruhig. „Das wäre tatsächlich ein ziemlich großes Problem…“ Just if you don’t see a future And your dreams are falling down If pain enters new dimensions (Ephemere – Hopelessly) ____________ Author’s Note: Ausnahmsweise gibt es schon heute das neue Kapitel, da ich morgen wahrscheinlich unpässlich sein werde. Aber das ist eine andere Geschichte… Ihr erfahrt Stück für Stück vom Leben der Digiritter und ihren Lebensumständen. Da die Digimon selber auf Elektrizität angewiesen sind, besteht ein Stromnetz, das vom Kaiser überwacht wird. Ich brauchte also eine unabhängige Stromquelle. Dazu musste ich erst mal recherchieren, wie so ein Notstromaggregat funktioniert. Ich gehe davon aus, dass so ein recht edles Hotel wie das Grand Hyatt über so ein Aggregat verfügen könnte. Eine Alternative dazu wäre noch ein Krankenhaus gewesen, aber Krankenhäuser existieren in der Form in diesem Universum leider nicht mehr oder wurden von den Truppen des Kaisers bereits übernommen und durchsucht. Ein Krankenhaus wäre also zu unsicher gewesen – welch Ironie. Aber auch das Internet selbst ist nicht einfach weg, sondern vom Kaiser kontrolliert und übernommen worden. Frau von der Leyen wäre stolz auf diese Internetzensur. *hüstel* Aber natürlich kennt Koushiro Tricks und Kniffe, um für einen gewissen Zeitraum unbeobachtet das Internet zu durchforsten und es als Kontaktquelle zu anderen wie Catherine zu benutzen. Mehr über den technischen Kram erfahrt ihr später. Den alten Hasen unter euch dürften hier die größten Änderungen auffallen, die von mir eingeführt werden. Ich bitte euch aber mit Spoilern umsichtig zu sein für alle anderen. Wobei mein Postfach natürlich jederzeit für euch offen steht. So und nun muss ich mich mal wieder einer mysteriösen Hochzeit widmen… Bis dahin PenAmour Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)