Funeral of Dreams von PenAmour (...in the Distance the Tyrant's calling) ================================================================================ Kapitel 6: Bienenkönigin ------------------------ + I look into your eyes Diving into the ocean I look into your eyes Falling! Like a wall of stars. (M83 – Too Late) + Elegant schlüpfte Yamato unter Takerus ausgestreckten Armen hindurch, so dass sein Bruder ins Leere taumelte, drehte sich geschwind und griff mit seinen langen Fingern nach Takerus Hals. „Und wieder tot!“, grinste er und strich sich eine aschblonde Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus seinem Zopf gelöst hatte, während sein Bruder sich aus der Umklammerung befreite, die in der Realität tödlich gewesen wäre. „Du hättest mir aber auch einmal eine Chance geben können“, keuchte er mit gespielter Empörung und rieb sich über den geröteten Nacken. Sein Haar, das etwas dunkler und kürzer war, als das seines Bruders, klebte ihm im Gesicht und Schweißperlen tropften von seiner Nasenspitze. Doch Yamato schüttelte bestimmt den Kopf. „Keine Vorteile für Familienangehörige.“ Er warf dem Jungen mit den schmuddelblonden Haaren eine Wasserflasche zu und griff selbst nach dem schneeweißen Handtuch mit dem goldenen Hotelemblem, das sie in der Hand hielt. „Danke“, murmelte er und strich ihr flüchtig über den Rücken. Sie versuchte ein Lächeln, bevor er sich wieder seinem Bruder zuwandte und die spielerisch ernste Trainingseinheit fortsetzte. „Das ganze noch mal!“, befahl er und seine Augen glänzten, wie das Meer, das von der Sonne beschienen wurde. „Und dieses Mal versuche meine nächsten Schritte zu erahnen, bevor du mich angreifst… Sei schnell und präzise.“ Takeru holte tief Luft, während der Schweiß auf seinem Gesicht schimmerte und die Sehnen seiner Muskeln sich auf seinen Armen abzeichneten. „Auf drei! Eins…zwei…“ Doch bevor Yamato fortfahren konnte, war Takeru bereits losgesprintet, riss sein Bein in die Luft und donnerte seinen Fuß gegen den Brustkorb, so dass Yamato wankte und die Überraschung auf seinem Gesicht deutlich zu erkennen war. Ohne zu zögern ging Takeru in die Hocke, stemmte sich mit den Armen auf dem Boden ab und fegte seinen Bruder mit einer raschen Beinbewegung um, so dass dieser mit einem dumpfen Aufprall auf der Trainingsmatte landete. „Nicht schlecht.“ Lachend richtete Yamato sich auf und ergriff die ausgestreckte Hand seines Bruders. „Unverfroren, aber wirkungsvoll.“ Nicht ohne Stolz klopfte er seinem Bruder auf die Schulter und für einen Augenblick waren sie wieder die Jungen von früher. Sie schluckte… …ihre Augen suchten den dunklen Schulflur ab, ihre Stimme hallte von den Wänden wider, an denen bunte Zeichnungen von Kinderhänden hingen. Das Atmen viel schwer, während sie die Angst aus ihren Gedanken verbannte. Wo war er nur? Sie hatte noch keine Chance gehabt, mit ihm darüber zu sprechen, zu erfahren, was in ihm vorging. Und nun verbarrikadierten sie sich hier, in der Grundschule, in der sie so viel Zeit mit Unbeschwertsein und Banalitäten verbracht hatten. Und dann war er einfach verschwunden, hatte sie in einem der Klassenzimmer zurück gelassen, ohne ein weiteres Wort… Die Türen zur Schulbibliothek waren einen Spalt geöffnet und ein flackernder Lichtstreif drang auf den dämmrigen Flur, den sie so oft auf- und abgeschritten war. Die Regale bauten sich bedrohlich vor ihr auf, während sie den Raum betrat, der nur von einer Kerze beleuchtet wurde, die auf einem der Tische stand, die zwischen den vielen Regalen platziert waren Sie konnte seine Umrisse im flackernden Kerzenschein erkennen, während er vor der kleinen Flamme hockte und sein Gesicht unter den verschränkten Armen verbarg. Ihr Schatten fiel auf ihn herab und erschrocken zuckte er zusammen. Schützend legte er die Arme vor die geröteten Augen und versuchte sie mit fahrigen Gesten davon zu scheuchen. Er wirkte hilflos und verloren, wie ein kleiner Junge. Ein Junge, der sich schon so lange vor ihr versteckt hatte und den sie so sehr vermisste. Der Junge, der sie zum Lachen und Weinen gleichermaßen brachte. Der Junge, der sie rettete und Katastrophen heraufbeschwor. Der Junge, den sie geliebt hatte. Sie ließ sich vor ihm auf die Knie sinken. „Ach, Tai…“ „…komm schon!“ Mimis Boxhandschuh prallte an Hikaris ab, die ihre Deckung aufrecht hielt und hochkonzentriert auf ihre Gegnerin stierte. Mit vergnügter Angriffslust forderte Mimi sie heraus und die honigblonden Locken wippten gespannt, während die beiden Mädchen sich umkreisten und die in Boxhandschuhen gehüllten Hände schützend vor das Gesicht hielten. Die Fäuste prallten abermals aufeinander ein und die Handschuhe gaben ein lautes Klatschen von sich. Unterdessen stemmte Jyou mit angestrengter Miene einen Satz Gewichte. Geschmeidig folgten seine Muskeln den Bewegungen. Sie erzählte von körperlichen Erfahrungen, die sie ihm vor vielen Jahren niemals zugetraut hätte. Es war absurd, den lerneifrigen Pedanten mit einer Hantel zu sehen. „Bereit?“ Yamato hatte einen Arm um sie gelegt und schaute sie fragend an, als Takeru das Feld räumte und zur Waffenkammer trottete, wo Iori bereits damit beschäftigt war das Magazin seiner HK MK23 zu füllen. Die 15 Zentimeter lange Pistole wirkte völlig deplatziert in den Händen des Jungen. Doch Iori selbst war ungeachtet seines Alters in seinem Element, während er am Lauf der Schusswaffe einen Schalldämpfer anbrachte und übungshalber auf die Wand zielte. Anders als sie, die sich in diesem Raum nie besonders wohl gefühlt hatte, fügten sich die Waffen unter Ioris strenger Hand seinem Willen. Sie mochte den Raum nicht, der einmal ein Fitnessclub des Hotels gewesen war. Die Küche war ihr da lieber, wo sie Daisuke verbot aus den Kochtöpfen zu naschen, und den Duft von gekochtem Reis einatmete. Sie seufzte, doch er wartete ihre Antwort nicht ab und drückte ihr einen dünnen Gegenstand in die Hand. Unschlüssig… …klebten ihre Finger in der Luft, Zentimeter von seiner Stirn entfernt. Mit einer wirren Bewegung wischte er sie beiseite und versuchte das Zittern zu verbergen, das seinen Körper erschütterte, in dem er sich erhob und sich so weit wie möglich von ihr entfernte. „Was gibt’s?“, fragte er mit gespielter Geschäftigkeit und nahm ein Buch aus einem der Regale. Sie versuchte ihn am Arm zu fassen zukriegen, doch er wich ihrer Berührung aus, als bestünde sie aus einem unheilbaren Gift, dass ihm einen langsamen, qualvollen Tod bescherte. Er schüttelte beinahe flehend den Kopf und die geschwollenen Augen starrten traurig auf das Buch, das er krampfhaft in der Hand hielt. Energisch machte sie einen Schritt auf ihn zu. Der Abstand verringerte sich und ihre Hände fingen sein Gesicht ein. Er versuchte sich zu befreien, doch der Krieger in ihm schien des Kämpfens überdrüssig und so gab er schließlich mit hängenden Schultern nach. „Bleib…“, flüsterte sie ihm sacht ins Ohr und schmiegte ihre Wange an seine. Sie spürte wie sich seine Schultern langsam entspannten und sein warmer Atem ihre Haut streifte. Lautlos schluchzte er und seine Tränen vermischten sich auf ihrer beide Wangen mit den ihrigen, während seine Arme ihren Körper umschlungen… …der helle Griff schmiegte sich an ihre Handfläche und fühlte sich hölzern an, während die Klinge einer größeren Nähnadel glich. „Das ist ein Stilett“, flüsterte er leise und sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut. „Ich habe es schon eine ganze Weile. Eigentlich wollte ich es dir erst zu unserem Jahrestag schenken, aber in Anbetracht der Tatsache, dass wir wohl bald einen großen Kampf erwarten…“ Die Worte hingen unvollendet in der Luft und bedurften keiner weiteren Erklärung. Mit dem Zeigefinger strich sie über die Klinge, die sich zu einem tödlichen Stachel verwandeln konnte. „Der Dolch stammt aus Italien und ist überaus effektiv“, erklärte Yamato weiter und setzte hinzu: „Wenn man ihn richtig einsetzt.“ Vorsichtig griff er nach dem Stilett und richtete es auf einen Sandsack, der von der Decke hing. Mit einer blitzschnellen Handbewegung versenkte er den Stachel waagerecht im Sack. Das Loch, das zurückblieb, war selbst für das bloße Auge kaum erkennbar und ließ nur einige kleine Sandkörner durchsickern. Wäre der Sandsack ein Mensch gewesen, so wäre nicht mal besonders viel Blut aus der Wunde austreten. Das Leiden bliebe unsichtbar. „Ein Stich in die Niere bedeutet den schnellen Tod.“ Seine Hände ruhten auf ihrem Rücken, links und recht von der Wirbelsäule, wo sich die Organe befanden. „Wohingegen ein Stich in die Bauchdecke dazu führt, dass der Gegner langsam verendet und innerlich verblutet…“ Seine Hand wanderte demonstrativ zu ihrem Bauch. Ein Schauer durchfuhr sie und langsam drehte sie sich um und sah ihm ins Gesicht, auf welchem die Faszination für die Stichwaffe deutlich zu erkennen war. Sie vermisste die Wärme, die einmal an seinen Lippen gehangen hatte, wenn er ein Musikinstrument in der Hand gehalten hatte. In diesen Momenten schien er immer ganz bei sich gewesen zu sein. Doch die Wärme war der Härte des Krieges gewichen. Sie wusste um seine Liebe, keine Kälte der Welt könnte daran etwas ändern, aber um seinetwillen sehnte sie sich nach der Gitarre, die ihm… …Trost spendete. Die Welle der Traurigkeit ebbte ab und er löste sich aus ihrer Umarmung. Entschieden und ohne Umschweife. Enttäuscht zog sie die Arme zurück. „Ich muss stark sein“, raunte er leise mit brüchiger Stimme. Die Mauer baute sich wieder zwischen ihnen auf und Panik stieg in ihr auf, während er sich zurück an den Tisch setzte. „Nicht für mich“, murmelte sie und malte die Schrammen im Tisch mit dem Finger nach. Sie wollte nicht, dass er sie ausschloss, sie ertrug es nicht. Ihre Finger wanderten über die Tischplatte, doch er ließ sich nicht darauf ein. „Gerade für dich!“, gab er zurück und Wut blitzte in seinen dunklen Augen auf. „Bitte Tai, tu mir das nicht an.“ Ihre Augen brannten, als er sich erneut erhob und die Bibliothek – sie – verlassen wollte. Seine Faust donnerte gegen eines der Regale und eine Buchlawine prasselte auf ihn herab. „Was willst du eigentlich von mir Sora?“, zischte er und fegte einen weiteren Bücherstapel von einem Regalboden. „Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“ Schwer atmend starrte er sie an, mit so viel Hass, dass es ihr die Kehle zuschnürte. „Nein“, antwortete sie leise und wischte die brennenden Tränen beiseite. „Warum nicht?“ Erschöpft ließ er sich mit dem Rücken gegen das Regal fallen und fuhr sich durch das zerzauste Haar. „Warum zum Teufel nicht?!“ Langsam bahnte sie sich einen Weg durch die Bücherberge. „Weil du mein bester Freund bist und du mich brauchst. Mehr als zuvor. Und egal was du jetzt sagen willst, um mich vom Gegenteil zu überzeugen, es wird nicht funktionieren. Weil du mich brauchst. Also spar dir deinen Heldentum, Taichi Yagami. Ich weiß es besser!“ Sie hatte eine weitere Wutlawine erwartet, doch er seufzte nur und strich ihr mit dem Zeigefinger flüchtig über den Nasenrücken. „Du solltest dich von mir fern halten, wenn du es besser weißt“ Sein durchdringender Blick ließ sie erstarren. „Hast du nicht gesehen, was passiert?“ Er hatte sich nun direkt vor ihr aufgebaut und stützte die Hände auf den Regalböden ab, während ihr Rücken sich gegen das Regal drückte. „Die, die mir wichtig sind wird er suchen, bis er mich gebrochen hat.“ Energisch schüttelte sie den Kopf, doch bevor sie etwas erwidern konnte, packten seine Hände ihren Kopf und hielten ihn still. „Sei nicht so dumm.“ Die Härte verschwand aus seinem Gesicht so schnell wie sie gekommen war. „Ich will dich nicht verlieren“, schnaufte er, ohne sie loszulassen. Sein warmer Atem hinterließ ein Prickeln auf ihrer Haut und seine Knie streiften ihre. „Deshalb musst du dich von mir fernhalten. Ich bin nicht sicher!“ „Das kann ich nicht“, flüsterte sie. „Du bist ein Teil meines Lebens.“ „Und du liebst Yamato.“ „Aber dich brauche ich auch!“ Tränen rannten über ihre Wangen und tropften auf seine Hände. Sie wollte sie wegwischen, doch er kam ihr zuvor. „Das hättest du nicht sagen sollen.“ Seine Stimme schien zu bersten, während sein Gesicht sich ihrem näherte. Sein Gesicht näherte sich ihrem und sie verlor sich in den nussbraunen Augen. Seine eisig blauen Augen ließen von der Klinge ab und fanden ihr Gesicht. Abermals versuchte sie ein Lächeln, doch es verrutschte und er runzelte die Stirn. Sie konnte ihm selten etwas vormachen. Ihr Herz schlug immer noch für ihn. Das Klopfen in ihrer Brust hatte nicht nachgelassen. Nie. Doch manchmal schien es, als schlügen dort zwei Herzen. Das eine gehörte genau hier her, zu ihm, mit der Klinge in der Hand. Aber das andere rief nach dem haselnussbraunen Haar, das in alle Richtungen stob und in ihr ein warmes Gefühl von Sehnsucht wachrief. Doch auch er hatte den Krieg in sein Herz gelassen. Und manchmal wusste sie nicht, um wen von ihnen sie mehr bangte. Wer ihr die größeren Sorgen bereitete, und sich selbst im Strudel der Gewalt verlor. „Sora“, murmelte er mit einem Kratzen in der dunklen Stimme. „Ich muss wissen, dass du im Falle eines Kampfes gerüstet bist… Muss wissen, dass du sicher bist…“ Seine Finger ruhten auf ihren Wangen, ihr Herz – das eine von zweien – presste sich wild gegen die Brust und ihr Magen zog sich zusammen. „Es ist mir lieber, dass du hundert Männer tötest, als dass auch nur einer von ihnen dir ein Haar krümmt.“ Das Gesagte ließ einen panischen Schatten über seine Augen flattern und die Angst kroch bis in seine zitternden Fingerspitzen. Langsam umschloss sie seine Hände mit ihren und presste ihre Lippen gegen die Handflächen. Wenn ihn das beruhigte, während er seine Kriege bestritt und sein Leben aufs Spiel setzte, dann würde sie sich mit dem tödlichen Stachel anfreunden. Just if you don`t see a future And your dreams are falling down If pain enters new dimensions And you feel like you would drown Take your broken bird and fly (Ephemere – Hopelessly) ____________ Author’s Note: Einen schönen Sonntag (oder anderen Tag) allen miteinander! Da bin ich wieder mit einem weiteren recht trainingslastigem Kapitel. Es war eine kleine Herausforderung das Brüderliche zwischen Takeru und Yamato herauszuarbeiten – aber ich empfinde es als einen wichtigen zwischenmenschlichen Teil. Zwischenmenschlich passiert in diesem Kapitel so einiges, wie ihr sicherlich gesehen habt. Dabei waren die Übergänge zwischen den Zeiten total spannend. Lange wusste ich nicht, wie ich es am besten gestalte. Aber dieses fließende Ineinandergreifen schien mir so symbolisch und vor allem spiegelt es Sora wider. Versteht mich nicht falsch, es ist nicht so, als würde sie Yamato fortwährend betrügen, nein, dies war ein einmaliger Ausrutscher- körperlicher Natur. Auf der emotionalen Ebene betrügt Sora Yamato, Taichi und sich selbst, ohne Frage – aber ihre Gefühle bleiben. Was soll sie also machen? Es liegt in ihrer Natur sich zu sorgen, befürchte ich, und Yamato und Taichi geben ihr allen Grund dazu, dass sie sich sorgt. Dieses Stilett ist eine Waffe auf die ich zufällig gestoßen bin – Yamato erklärt das meiste schon. Das Stilett ist sehr hinterhältig, denn der kleinste Stich führt schon zum Tode, ohne dass man äußerlich etwas sieht – perfekt für all die Intrigen, die wir in der Geschichte finden. Außerdem sind haben wir hier einen weiteren Raum kennengelernt. Den Trainingsraum, von dem Daisuke schon berichtete. Und eine weitere Waffenform tritt auf – die MK23 ist eine besonders für den Kampf geeignete Pistole. Je mehr von ihnen auftauchen, desto mehr werde ich wohl dazu erklären müssen.^^ Aber nun denn, das war die Bienenkönigin – der Kapitelname kam im gleichen Atemzug, wie das Stilett. Bis dahin PenAmour Hosted by Animexx e.V. 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