Funeral of Dreams von PenAmour (...in the Distance the Tyrant's calling) ================================================================================ Kapitel 12: Zufallsvariable --------------------------- + What ghosts exist behind these attic walls? There's got to be a simpler explanation, 'cause I scrimped and I saved just to find that they've been splicing my inventions. (Death Cab for Cutie – Scientist Studies) + „Noch haben sie mein Gesuch nicht abgelehnt“, schnarrte Taichis Stimme durch die Dunkelheit des Raumes, während ein weißes Rauschen über das ernste Gesicht mit den dunklen Augen huschte. Taichi hatte ihm von der eher verhaltenen Reaktion des digitalen Untergrunds berichtet. Wie er sagte, sei dies allerdings keine sonderliche Überraschung, da die Mehrheit des digitalen Untergrunds zu den partnerlosen Digimon zählte, die zwar in der Regel als menschenfreundlich galten, aber sich niemals von einem Menschen führen ließen. „Zögere es bitte nicht bis zur letzten Minute hinaus, Taichi“, mahnte er und musterte den Bildschirm eindringlich, auf dem der junge Mann abgebildet war. „Wenn all unsere Vermutungen stimmen, wenn der Kaiser seinen Sklaven wirklich eine modifizierte oder mutierte Saat injiziert, müssen wir extrem vorsichtig sein! Die schwarzen Türme haben ihre Augen und Ohren überall – vor ihnen kann euch das D-Trace nicht schützen…“ „Ich weiß, Koushiro. All die Dinge sind mir bekannt“, unterbrach ihn der Angesprochene bestimmt. „Erledige du nur deinen Job, dann kann ich meinen ungehindert ausführen!“ Und damit war das Thema für Taichi Yagami offenkundig beendet. Er öffnete den Mund, um noch einmal seine Bedenken zu äußern, doch seine Lippen verharrten in der Stille. Es gab dem nichts entgegenzusetzen. „Derzeit befindet sich eine Einheit am Rande der Wüste, sie ist gut einen halben Tagesmarsch von euch entfernt, soweit ich das herausfinden konnte. Dir bleiben also noch knapp zwölf Stunden – maximal – bevor ich das Tor schließen muss.“ Der Zeiger seiner Maus fuhr hektisch über den Bildschirm und suchte die von ihm digitalen Landkarten ab, die er über die Jahre angefertigt hatte. Jeder ihm bekannte Turm, jeder Stützpunkt, jedes Militärcamp war hier eingezeichnet. Nicht zuletzt dank Wallace Hilfe hatte er ein Schlupfloch im Überwachungssystem des Kaisers entdeckt und die Leitungen anzapfen können. Es war eine waghalsige Mission gewesen, in die der junge Amerikaner damals eingewilligt hatte, als er sich unter die Sklaven des Kaisers mischte und für einige Tage, das System von innen heraus durchleuchten konnte. Wallace zu vertrauen, hatte sie einiges an Überwindung gekostet. Der junge Mann mit den Eisaugen verfolgte grundsätzlich seine eigenen Ziele und barg daher ein unkalkulierbares Risiko. Dennoch hatte kein anderer die digitale Welt in den letzten Jahren so durchwandert wie Wallace. Der rastlose Amerikaner, der auf der ewigen Suche war, seit er ihn kannte. Wallace Preis für seine Dienste war bezahlbar gewesen, wenngleich Taichi ihm nur ungern einen Zugang zu ihrem Waffenarsenal verschafft hatte, bevor dieser sich schließlich dazu bereit erklärt hatte, diese Mission auf sich zu nehmen. „Besser er als wir“, lautete Taichis stummer Befehl – und beinahe hätte Wallace dabei tatsächlich sein Leben gelassen, wäre Taichi ihm nicht zur Hilfe geeilt. Seither hatten sie Wallace nicht mehr zu Gesicht bekommen, der in den Weiten der digitalen Sphären untergetaucht war. Taichi hatte nie wieder ein Wort über den Vorfall verloren, sondern da weiter gemacht, wo er aufgehört hatte – ihr Überleben zu sichern. „Gut, dann sehen wir uns morgen.“ Taichi nickte ihm zum Abschied zu und der Bildschirm verdunkelte sich, ohne dass er etwas hätte erwidern können. Müde vergrub er den Kopf in seinen Armen und ein Seufzen entfuhr seinen Lippen. Er vertraute dem jungen Mann mit der Löwenmähne, was hätte er auch für eine Wahl gehabt, aber die Risiken dieser Reise waren kaum absehbar. Gerade wo Taichi und Yamato noch am Vortag einen Angriff auf den Kaiser durchgeführt hatten. Die Wut des Kaisers war ihm nur allzu gut im Gedächtnis hängen geblieben, daher war es nicht schwer, sich vorzustellen, mit welchem Ergeiz dieser nun nach ihnen suchen würde. Die Tatsache, dass Taichi und Yamato nicht nur ein Duzend Männer zu Fall gebracht hatten, sondern obendrein einige Digimon töten konnten, war sicherlich Grund genug, um ganz Tokio noch einmal auf den Kopf zu stellen. Und genau deshalb behagte es ihm nicht, den selbst programmierten Eingang zur Digiwelt länger als notwendig geöffnet zu halten. Nur ein unbedachter Schritt und sie waren dem Kaiser wie auf dem Präsentierteller ausgeliefert. So viele Faktoren, die den Lauf der Dinge beeinflussen konnten – zu viele unbekannte Variablen... Ein lautes Piepen riss ihn aus seinen Gedanken und ein Fenster öffnete sich auf seinem Bildschirm. Weises Kind, hilf mir. Die schwarzen Buchstaben brannten sich in das weiße Chatfenster. Mit einem Ruck richtete er sich auf, er spürte, wie sich jede Faser seiner Muskeln anspannte, während er gebannt auf Nachricht starrte. Er konnte nicht ausmachen, von wem sie stammte und das ängstigte ihn. Wer bist du??? Seine Finger zitterten, als er die Antwort tippte und gleichzeitig versuchte, den Unbekannten zu orten. Doch es schien, als seien die Nachrichten aus dem Nichts aufgetaucht, ohne irgendeinen Sendungspunkt zu besitzen. Jemand, der deine Hilfe braucht, weises Kind. Seine Knöchel knackten vor Anstrengung. Der Cursor kreiste über der geöffneten Nachricht, die verheißungsvoll auf seinem Bildschirm aufblinkte und auf eine Reaktion seinerseits wartete. Warum sollte ich dir helfen? Für einen Moment befürchte, hoffte er, dass der Unbekannte aufgegeben hatte. Damit wir die Welt retten können. „Was zur Hölle…“, seine Stimme glich einem kränklichen Krächzen, während er in seinen Gedanken alle Möglichkeiten durchrechnete, alle Personen ausschloss, die sein Sicherheitssystem durchbrochen haben konnten. Wie kann ich sicher sein, dass dies keine Falle ist? Atemlos wartete er auf eine Antwort, während das Laufwerk gemächlich brummte. Das kannst du nicht. Du musst mir einfach vertrauen, weises Kind. Weises Kind. Es gab nur eine Person, die ihn jemals so genannt hatte. Nur eine einzige Person, die die Bedeutung seines Rufnamens so wörtlich genommen hatte und gleichzeitig so viel Liebe in die Worte gelegt hatte. Mein liebes, weises Kind, mein Frühling, versprich mir, dass du trotz der Abenteuer und deinem Wissensdurst immer wieder zurückkommst. Zurück nach Haus – zu mir. Versprichst du mir das, mein weises Kind? Wie war das möglich? Seine Fingerspitzen bebten, während sie nervös über die matte, abgenutzte Fläche des Mausrückens strichen und die Erinnerungen von einer Ecke seines Verstandes zur anderen hallten. Sein Innerstes zog sich schmerzvoll zusammen. Wie ein schwerer Stein im Magen fühlte sich der Schmerz der Vergangenheit an. Folge der Katze, sie wird dich zu mir führen. Er runzelte die Stirn und fand sich plötzlich in der Gegenwart wieder. Welche Katze? Wer auch immer auf der anderen Seite des Chats auf ihn wartete, um ihn in eine Falle zu locken, er würde sich nicht darauf einlassen und der Sehnsucht nachgeben. Ein Rascheln lenkte seine Aufmerksamkeit auf die kalten, staubigen Fließen, die mit zerknülltem Papier übersät waren. Grünleuchtende Augen starrten ihn heißungsvoll an, bevor das schwarzfellige Geschöpf zu einem Sprung ansetzte und auf seinem Schoß landete. Die Katze rollte sich auf seinen Beinen zusammen und schmiegte ihren kleinen Kopf an seine Brust, als wollte sie ihn aufmuntern und ihm Mut zusprechen. Ihr Name ist Misere. Erneut blinkte das Nachrichtenfenster auf, während sein Blick ungläubig zwischen Katze und Bildschirm hin und her wanderte. Sie miaute leise und ein gleißender Lichtstrahl drang durch die Bildschirmoberfläche in den Raum, als die Tür aufgerissen wurde und das gerötete Gesicht von Mimi Tachikawa auftauchte. „Misere?“, keuchte sie und warf einen suchenden Blick durch das Zimmer, bis er an seinem Gesicht hängen blieb. „Koushiro, hast du eine Katz…e….“, sie stockte, während sie in das Licht starrte und langsam auf ihn zutrat. Hinter ihr tauchte ein weiteres Mädchen auf, das sich eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht stieß. Hikari Yagami wirkte völlig gelassen wirkte, als sie das unwirkliche Geschehen bemerkte und lehnte sich abwartend gegen den Türrahmen. „Was hast du getan, Koushiro?!“ Entsetzt schlug Mimi die Hände vor dem Mund zusammen und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf das Licht, dass ihre Iris mandelgold aufblitzen ließ und ihre Honigblonden Locken sich nervös um ihr Gesicht kringelten. Unterdessen hatte sich die Katze aufgerichtet und ihre Pfoten drückten sich in seine Oberschenkelmuskeln. Er verzog das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse, als ihre Krallen sich durch seine Hose bohrten. Sie miaute erwartungsvoll, doch bevor er etwas sagen konnte, hechtete sie über den Schreibtisch und verschwand im Bündel des Lichts. Mit einem Aufschrei preschte Mimi an ihm vorbei, sodass er gegen das Tischbein stieß und sie über seine Füße stolperte, die verwirrt in der Luft hingen. Ihre Finger pflügten durch das Licht, während sie in voller Fahrt auf den Bildschirm zuraste und mit einem Kreischen durch die Oberfläche hindurch fiel und wie die Katze zuvor dahinter verschwand. „Mimi!“ Panisch hatte er sich von seinem Stuhl erhoben, der nun über die Fließen rollte und mit einem lauten Knall gegen eines der Regale stieß. Papierbögen segelten zu Boden, während seine Hände auf die Tastatur einhämmerten. Was hast du getan??? Na los antworte, wo hast du sie hingebracht??!! Du verdammtes… Doch das Chatfenster hatte sich geschlossen und der Unbekannte war verschwunden. Seine Fragen verhallten in der Leere des virtuellen Raumes und verpufften an einer Mauer des Schweigens. „Was sollen wir tun?“, murmelte er hektisch und fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. Er rechnete die Möglichkeiten durch, die ihm blieben – die Mimi blieben. Eine Hand schnellte an seinem rechten Ohr vorbei. Blasse, dünne Finger streichelten über die Lichtstrahlen und sein Blick wanderte zu Hikari, die sich über ihn gebeugt hatte und gebannt auf den Bildschirm starrte. Erschrocken stellte er fest, dass das Licht bereits von ihr Besitz ergriffen hatte und sie langsam aufsog. Seine Hände fischten nach ihren Handgelenken, die vollends in das Licht eintauchten und ein wohlbekannter Strudel riss an seinen Fingernägeln und hinterließ ein warmes Kribbeln auf der Haut. Hastig setzte er einen Schritt zurück, während Hikaris Körper vollkommen in Licht getaucht wurde und sie einen Blick zurück über ihre rechte Schulter warf. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, das sich in den letzten Jahren rar gemacht hatte. „Bereit für ein Abenteuer?“ All I needed was this one To get me back on my way (Athlete – If I found) ____________ Author’s Note: Und seid ihr bereit für ein Abenteuer?! Wie versprochen begehe ich mit dem neuen Arc neues Terrain für alle. Selbst für die Leser, die bereits die alte Version sehr gut kennen. Nun seid ihr alle auf dem gleichen Stand der Dinge und seid mir und meinen kruden Ideen ausgeliefert. Muhaha und so… Koushiro Izumi bedeutet übersetzt wohl soviel wie Kluges/Gescheites/Weises Kind des Frühlings (in etwa, im englischen würde ich es mit bright child übersetzen, oder eben light child). Ich habe mich für weises Kind entschieden, weil ich den Widerspruch mag – das ist untertrieben, ich stehe auf solche Widersprüche. YEAH. So ein kleines Rätsel für euch: Wer hat Koushiro wohl immer „ weises Kind“ genannt? Das Ende ist natürlich sehr Badass-Hikari-mäßig. Ursprünglich wollte ich was anderes für dieses Ende schreiben, aber Badass-Hikari hat mir keine Wahl gelassen. Und auch Wallace wird noch mal erwähnt – was genau vorgefallen ist, als er auf dieser Mission war, wird eine ToF-Geschichte, aber euch ist sicherlich aufgefallen, dass Wallace nur noch neun Finger hat – nun der zehnte fiel dieser Mission zum Opfer, so viel kann ich verraten.^^ Und die Katze wieder – immer diese Katzen :D Ansonsten kann ich verraten, dass der Herbst kommt… Bis dahin PenAmour Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)