Funeral of Dreams von PenAmour (...in the Distance the Tyrant's calling) ================================================================================ Kapitel 15: Pfadfinder ---------------------- + Sing to me the song of the stars Of your galaxy dancing and laughing and laughing again When it feels like my dreams are so far Sing to me all the plans that you have for me over again. (Switchfoot – Only Hope) + Es war nur ein Traum – das wusste er, als er die blutroten Wellen sah, die auf ihn zurollten und ihn begrüßten wie einen alten Freund, während sie sich heimtückisch um seine Knöchel schlängelten. Es musste ein Traum sein, dachte er bei sich, und die blutige Suppe gluckerte und waberte zustimmend, als sie die matten Flügel der zuckenden Schmetterlinge mit sich riss, die sich zuvor aus den saftig grünen Gräsern erhoben hatten und schillernde Abdrücke in der Luft hinterließen. Ihre Anmut konnte ihn längst nicht mehr täuschen, es war der gleiche Traum, der ihn in jeder Nacht heimgesucht hatte. Die trügerische Hoffung eines guten Ausgangs und einer freundlichen Zukunft. Er war der Bilder überdrüssig und auch der Wünsche. Deshalb wartete er darauf, dass das Blut sich um seinen Körper schloss, ihm die Aussichtslosigkeit vor Augen hielt und er mit einer nagenden Angst in seinem Bett aufwachte. Doch stattdessen wurde alles still, kein Blubbern, kein Getöse. Und wie auf einen lautlosen Befehl hin, versickerte das Blut im verdorrten Boden, der sich wie ein Flickenteppich vor ihm ausbreitete. Jeder Flicken dunkler als der andere. Er war allein, so allein wie er es noch nie zuvor gewesen war. Und für einen kurzen Augenblick genoss er es, ganz bei sich zu sein – für sich zu sein. Schließlich war alles nur ein Traum – ein Appell seines Unterbewusstseins, das alles zur Sprache brachte, was er sich im wachen Zustand verbot. Der Augenblick ging vorbei und die Einsamkeit umschlang sein Herz mit eisiger Härte und die Dunkelheit drückte und ziepte. Probeweise öffnete er den Mund, doch jedes Wort wurde von der Dunkelheit verschlungen und zurück blieb nur ein fernes Echo, kaum hörbar und bedeutungslos. Seine Füße tapsten durch die Schwärze, die zwischen seine Zehen kroch und deren Kanten ihm ins Fleiß schnitten. Vorsichtig streckte er seine Arme aus, aber seine Fingerspitzen verharrten in der Leere, unfähig etwas Haltgebendes zu finden. Blindlings stolperte er voran, während sein Herz sich gegen seine Rippen auflehnte und ihm aus der Brust zu springen drohte. Er versuchte sich und sein Herz zu beruhigen, doch der Traum ließ sich nicht beirren und schickte ihn weiter auf seine Reise durch die Finsternis. Sein Fuß stieß plötzlich gegen etwas Hölzernes, das protestierend über die Schwärze rumpelte und beinahe zwischen seinen Händen hindurch glitt, die sich rasch danach reckten und es schließlich einfangen konnten. Es war ein kleines Kästchen, so viel konnte er ertasten. Seine Finger strichen behutsam über die Maserung und die kühlen metallenen Ornamente, die sich über das Holz reckten. Langsam schüttelte er das Kästchen. Es gab keinen Laut von sich, kein Hinweis darauf, was sich in ihm befand, doch er fühlte eine gewisse Schwere. Mit einer Handbewegung öffnete er es und tastete mit den Fingern nach etwas Brauchbarem. Doch die Kiste, so schwer sie auch zu wiegen schien, war vollkommen leer. Einzig der hölzerne Boden begrüßte seine suchenden Fingerspitzen. Er spürte tiefe Furchen im Holz, geschwungene Unebenheiten. Ohne Vorwarnung flackerte ein Lichthauch in seinen Händen auf. Kleine feine Linien durchzogen den pechschwarzen Stein zu seinen Füßen und wanderten durch die Dunkelheit, als wollten sie ihm den Weg zeigen. Verwundert blickte er auf die schemenhaften Umrisse des Kästchens, welches der Dunkelheit mit seinem Licht entgegenzutreten vermochte. Er warf einen weiteren Blick in das Kästchen, um zu erfahren, was die Quelle war, die der Finsternis Einhalt bot und den Boden mit einer hellen Maserung durchzog. Doch das Kästchen verriet sein Geheimnis nicht, einzig die Furchen im Boden lüfteten einen geschwungenen Schriftzug: ἐλπίς. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Aber da es sich nur um einen Traum handelte, erwartete er gar nicht, einen tieferen Sinn zu finden, während er über die fremde Schrift strich und die Buchstaben nachmalte. Der Boden vibrierte und die marmorartige Maserung im dunklen Stein lockte ihn. Seine Füße folgten den weißen Linien, die so zerbrechlich wirkten zwischen all dem Schwarz, obwohl sie mit jedem weiteren seiner Schritte mutiger zu werden schienen. Der weiße Schimmer kämpfte sich durch die Dunkelheit und markierte seinen Weg aus voller Innbrunst, die schmalen Linien verdichteten sich zu dicken Strichen und schließlich zu einem einzelnen Pfad. Er presste das Kästchen gegen seine Brust, während er dem einsamen Pfad folgte und aus der Ferne ein sanftes Rauschen vernehmen konnte. Doch das Holz gab nach und das Kästchen schien sich von einem Augenblick auf den anderen aufzulösen, bis er nur noch die dünnen Ascheblättchen zwischen seinen Fingern spürte bevor auch diese sich tänzelnd von ihm verabschiedeten und ihn auf seinem Weg zurückließen. Der Pfad schlängelte sich hinauf und das Vorankommen wurde beschwerlicher. Harte Felsen zerrissen die Haut unter seinen Füßen und seine Hände rutschten immer wieder an den scharfen Steinen ab, die sich vor ihm aufbauten. Sein Körper ächzte schmerzend und zum ersten Mal war er sich nicht mehr ganz sicher, ob es sich wirklich um einen Traum handelte. Die blutigen Fleischwunden wirkten so real und schmerzten so deutlich, als wollten sie ihn ermahnen, auf sich acht zu geben. Je mehr Felsen er erklomm, desto heller schien es zu werden, als habe er die Grenzen der Dunkelheit erreicht, die ihre Niederlage eingestehen musste und vor den hellen, graumelierten Steinen zurückwich, die sich wie ein Wall vor ihm aufbauten. Schweißperlen rannten über sein Gesicht und ihr salziger Geschmack verbreitete sich auf seiner Zunge und in seinem Gaumen, während das Rauschen immer deutlicher und klarer wurde. Ein Summen, das ihn lockte und antrieb. Er presste die Lippen aufeinander und zog sich an der Felswand hoch. Stück um Stück. Stein um Stein. Und irgendwann erreichte er das Ende. Ein warmes Licht nahm ihn im Empfang, während die Steine nun weniger garstig wirkten. Ihre nun glatte Oberfläche vereinfachte das Vorankommen erheblich. Die Dunkelheit war gänzlich verschwunden, stattdessen erstreckte sich über ihm ein blassblauer, wolkenloser Horizont, der an einem Punkt das türkisfarbene Meer berührte, welches so weit hinausreichte, dass man den Eindruck bekam, die Welt bestünde aus nichts anderem. Ein weißer Sandstrand verlief am Fuße der Bergkette, die er erklommen hatte. Voller Freude stießen Erde und Wasser aufeinander, die Schaumkronen begrüßten die Sandkörner mit einem jubelnden Rauschen, das über die Bucht hinweg hallte, ehe sich Erde und Wasser miteinander vereinten und das Meer neue Wellen entsandte. Es war ein schöner Ort, an den ihn sein Traum geführt hatte, stellte er fest und schloss seine Augen für eine Weile, um sich vom Licht berieseln zu lassen, während die Wellen leise sangen und die warmen Steine sich wärmend an ihn schmiegten. Wie lange würde er wohl noch hier ausharren können, fragte er sich im Stillen, bevor er aufwachte? Könnte er an diesen Ort zurückkehren? Und wenn ja, würde er jemals wieder aufwachen wollen und das mühselige Leben in der Dunkelheit fortsetzen? Seine Augen wanderten über das Meer hin zum Strand. Schatten waren auf die hellen Körner gefallen. Erschrocken richtete er sich auf, als er drei Gestalten zwischen der Gischt erkannte. Vorsichtig robbte er zum Rand des Bergfelsen, um einen genaueren Blick auf die drei Fremden zu werfen, die urplötzlich am Strand aufgetaucht sein mussten. Eine Sommerbrise rauschte vom Meer heran und der Wind verfing sich in blassbraunen Haarsträhnen, so dass er einen Blick auf die makellose Porzellanhaut werfen konnte. Die Erkenntnis durchfuhr ihn wie tausende Blitzschläge, während die Windböen an ihr zerrten und sich in diesem Moment jeder einzelne Lichtstrahl auf sie richtete. Er fiel. Die Bilder verschwammen und einzig und allein sein Atem war zu vernehmen. Er schnaufte wie ein Ertrinkender, während er sich aufrichtete. Die Bettfedern quietschten und alles um ihn drehte sich. Bunte Flecken wirbelten vor seinem inneren Auge auf und ab und er musste ein Würgen unterdrücken, das einen bitteren, leicht säuerlichen Geschmack hinterließ. Kalter Angstschweiß perlte auf seinen Oberarmen und hinterließ einen klebrigen Schauer, während er zitternd nach der Kerze tastete und das Flackern des kleinen Feuers, das am Docht züngelte, den Raum in ein schattiges Licht tauchte. Gerade gut genug, um die wichtigen Dinge zu erkennen. Seine Hände stießen die Bettdecke beiseite und er starrte auf die leere Matratze vor ihm. Sie war nicht da, hämmerte es in ihm. Wie auch, wenn sie… Er unterdrückte die leise Stimme, die ihm von Unmöglichem erzählen wollte. Die Vorhänge stoben auseinander, während er ihre Schlafnische verließ und über das dämmrige Parkdeck eilte. Vorbei an Laken und Gardinen, die ihn von den Schlafplätzen der anderen abschotteten. Ein stechender Schmerz durchzuckte seine Füße, während er die Treppenstufen erklomm und als er an sich hinunterblickte, sah er klaffende Fleischwunden die sich über seine Fußsohlen zogen. „Nein“, verbot er sich jede Idee und trat mit bangender Angst auf den Gemeinschaftsraum zu. Doch wie er befürchtet hatte, fand sich dort niemand. „Yamato!“, zischte er und rüttelte an der Schulter seines Bruders, der sich grummelnd auf die andere Seite drehte und flüchtig über Soras Rücken strich. „Wach auf“, wiederholte er, nun etwas lauter. Sein ganzer Körper fühlte sich taub an und zitterte zugleich wie Espenlaub. Mürrisch wischte Yamato sich die zerzausten blonden Haare aus dem Gesicht und musterte ihn mit einer Mischung aus Verwunderung und der Empörung eines älteren Bruders, der gerade aus seinem Schlaf gerissen worden war. Noch bevor Yamato etwas sagen konnte, sprudelten die Worte schon aus ihm heraus. Er hatte alles abgesucht. Sie war nicht da. Und er wusste nicht, was er tun sollte. Nun stand er hier, vor seinem Bruder und fühlte sich wie der kleine Junge vor so vielen Ewigkeiten, der glaubte, dass Yamato alles regeln könnte, dass Yamato das Problem lösen würde. Ein wenig schämte er sich dafür, doch Yamato lauschte ihm und seinen wirren Vermutungen und Ängsten. Er trug ein löchriges Shirt und Shorts. Seine Miene blieb unergründlich, während er ihn am Arm packte und ihn aus der Schlafnische zerrte. Weg von der schlafenden Sora. „Bist du dir ganz sicher?“, er runzelte die Stirn. „Ich weiß, dass sich das ganze total bescheuert anhört.“, gab er zurück und versuchte sich zu erklären, doch wie sollte er seinem Bruder verständlich machen, was nicht mal er selbst in Worte fassen konnte. „Bist du dir sicher?“, wiederholte Yamato stattdessen und musterte ihn mit seinen sturmblauen Augen. „Ja“, antwortete er, ohne Umschweife, ohne Erklärungen. Und erleichtert stellte er fest, dass sein Bruder ihm Glauben schenkte. All I needed was this one To get me back on my way It wasn't long before I realised There was no time to waste There was soul all around me (Athlete – If I found) ____________ Author’s Note: Da soll noch einer sagen, Träume wären Schäume... Takeru träumt mal wieder, von der Wiese und den Kindern und dem Meer aus Blut, doch der Traum ändert sich und dann passiert so etwas. Ich wollte ein wenig Selbstfindung in das doch etwas mysteriöse Kapitel einbauen. Takerus Name bedeutet ja so viel wie großer Berg – die Vorstellung, dass er einen Berg erklimmen muss, war daher recht verlockend. Und erneut finden wir ein weiteres Symbol. Ich will noch nicht zu viel darüber verraten, aber ich tippe mal darauf, dass eure Abenteuerlust den ein oder anderen Hinweis aufspüren kann, während ich erst mal gar nichts erkläre. Am Ende ist es Yamato, dem Takeru sich anvertraut – so wie es immer Yamato war und auch immer sein wird. Es ist doch sehr beruhigend, dass, obwohl sich so vieles ändert, manche Dinge einfach Bestand haben. So, bis dahin PenAmour Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)