Funeral of Dreams von PenAmour (...in the Distance the Tyrant's calling) ================================================================================ Prolog: Armageddon ------------------ Nach den Ereignissen der letzten Wochen erreichter der Konflikt in den vergangenen Stunden seinen Höhepunkt. Laut einer Pressemitteilung des japanischen Verteidigungsministeriums steckt die gleiche Gruppe hinter den Attacken, die für die weltweiten Weihnachtsanschläge verantwortlich ist – die so genannten Digimon… It has been confirmed that digital monsters - the so called Digimon - are responsible for these recent attacks in Minato, one of the 23 wards of Tokyo. Eyewitnesses reported the collapsing of the Fuji Tower, one of the town’s popular landmarks... Un jour triste pour les Japonais. Après qu'une armée de monstres digitaux est entrée dans la capitale Tokyo, la cité est une ruine. Il n'est pas certain combien de victimes la guerre a fait... Das japanische Militär wappnet sich, um gegen die rotäugigen Truppen, die sich über das ganze Land ausbreiten, in den Krieg zu ziehen. Der Verteidigungsminister sprach von einer Entscheidung auf Leben und Tod… Madad! Samāja Namaste… „We will not allow this monster to claim any leadership of our own!” This statement of the Pentagon was released while the president sent his troops to New York City to save the citizens from “an apocolypse of biblical dimensions” El rey nuevo del mundo? Roma è in fiamme. Ira di Dio? Человеческое крушение Der UNO-Generalsekretär hat die Bevölkerung dazu aufgefordert, die besetzten Gebiete so schnell wie möglich zu verlassen, um weitere Opfer zu vermeiden. Die Welt befinde sich im Wandel und der Mensch müsse neue Wege finden, sein Überleben zu sichern. Regarding to the worldwide fallout, we are no longer capable of broadcasting anymore. Good luck to all of us… Ô mon Dieu, appuyé sur ta puissance infinie et sur tes promesses, j'espère avec une ferme confiance obtenir le pardon de mes péchés, l'assistance de ta grâce et la vie éternelle, par les mérites de Jésus Christ mon Sauveur. Tatsukete! [Dreams are locked...] _____________________________ A/N: Mit diesem Prolog begrüße ich alle Alt- und Neuleser. FoD bekommt einen Neuanstrich. Kapitel 1: Traumfänger ---------------------- + I'm miles from where you are, I lay down on the cold ground, I pray that something picks me up And sets me down in your warm arms. (Snow Patrol – Set the Fire to the Third Bar) + Der Wind rauschte über die Grashalme hinweg und ließ die Wildblumen fröhlich auf und ab wippen. Sie neigten ihre bunten Köpfchen, als die erwartungsvoll klopfenden Fußschritte sich ihnen näherten und ein dunkler Haarschopf am Kopfe des Hügels auftauchte. Ein kleiner Junge tollte über die Wiese, dicht gefolgt von einer Horde weiterer Kinder, die ihn schon bald einholte, während der Wind sie johlend begrüßte. Vom Getümmel aufgeschreckt erhoben sich schillernde Schmetterlinge und schlugen verwundert mir ihren leuchtenden Flügeln, während sie die bunte Truppe umkreisten. Es wirkte wie das wohlverdiente Happy End einer langen Geschichte, voller Kämpfe und Abenteuer. Und dann blieb die Zeit stehen und fror den Moment der Glückseeligkeit ein. Der kleine Junge, dem das Haar zu Berge stand, hing bewegungslos in der Luft, mit einem ewig währenden, lautlosen Lachen auf den Lippen, bevor das Bild langsam verschwamm und der Sommerhimmel sich mit einem bedrohlichen Donnergrollen verdunkelte. Blitze durchzogen das Firmament und schwarze Wolken schoben sich vor die Sonne. Der Boden schien zu verdorren und das saftige Grün der Blumenwiese wich einem fauligen Braun. Das geschäftige Treiben der Schmetterlinge schien beendet, als er sie mit den Flügeln zuckend und zitternd auf dem leblosen Boden wieder fand, und er spürte, wie eine kalte blubbernde Masse seine Fußknöchel umfasste. Als er an sich herunterblickte, sah er blutrote Wellen auf sich zurollen. Er wollte schreien, doch kein Ton entwich seinen Lippen. Seine Beine gehorchten ihm nicht mehr, während das Blut ihm mittlerweile bis an die Hüfte reichte. Halt suchend tasteten seine Finger durch die rote Flut, über ihm brodelte der Himmel und Blitze entluden sich im Wolkenmeer, als seine Finger gegen etwas hartes, steiniges stießen. Die dunklen Augenhöhlen des stummen Totenkopfes starrten ihn eindringlich an. Schweißtropfen brannten in seinen Augen als er sich mühsam aufrichtete. Sein Brustkorb hob und senkte sich panisch, während er einen hastigen Blick durch den Raum warf und mit zittrigen Händen nach der Bettdecke griff, die er im Schlaf weggetreten hatte. Es war nicht das erste Mal, dass ihn dieser Traum heimgesucht hatte und er befürchtete, es würde auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Das unbeschwerte Lachen des Jungen hallte in seinen Ohren nach, während seine Füße den kalten Steinboden berührten und die Bettfedern leise quietschten. Jede Nacht kam er dem kleinen Jungen mit der Igelfrisur und seinen Gefährten ein Stückchen näher, konnte neue Details erkennen und sich die Gesichter einprägen, die ihn verfolgten mit ihrer Unbeschwertheit, sobald er die Augen schloss. Doch Nacht für Nacht gefror das Bild vor seinen Augen und der Traum wandelte sich in einen Albtraum. Der unerfüllte Wunsch wurde zur Folter und das Glück wirkte wie blanker Hohn. Vorsichtig tastete er sich in der Dunkelheit voran und bekam die Kerze auf dem kleinen Nachttisch zu fassen. Zischend flackerte das Feuer auf und züngelte am Streichholz, bevor der Funke auf den Docht der Kerze übergehen konnte. Die Hitze der kleinen Flamme wärmte seine Fingerspitzen, während das schwache Licht müde Schattenspiele an die graue Steinmauer warf und er langsam den dunklen Gang entlang schritt. Leise Atemzüge waren aus den Kammern der anderen zu vernehmen, hier und da ein Grunzen oder Schnarchen, als er sich durch die Dunkelheit kämpfte und die Träume zu verdrängen versuchte. Ein pochender Schmerz hinter seiner Stirn verlangte seine Aufmerksamkeit, so dass er beinahe die Pfütze übersah, die sich am Boden gesammelt hatte. Über seinem Kopf verlief ein dunkles Rohr das leckte. Die Wassertropfen platschten auf dem Boden und vermischten sich mit dem Steinstaub der Jahre. Das Kerzenlicht flackerte freudig auf, als es einen dünnen Lufthauch spürte, der sich in das Gemäuer geschlichen hatte, während er zwei Treppenstufen auf einmal nehmend, schließlich im größten Raum ihrer Unterkunft landete. Die abgewetzten Polster der Stühle, die sich an einem runden, massiven Tisch drängten, waren im Lichtschein zu erkennen. Eine Schrankreihe, die notdürftig zusammen gestellt worden war, tauchte vor ihm auf und er öffnete einen der Schränke mit quietschenden Scharnieren. Vorsichtig horchte er in die nächtliche Stille. Der Gemeinschaftsraum lag näher an der Erdoberfläche, die Luft wirkte frischer und ließ die engen Räume in der Tiefe vergessen, in denen er sich auch nach all den Jahren unwohl fühlte. Aber sie schützten ihn vor gefährlichen Blicken und unter dem steinernen Deckmantel war es ihnen möglich gewesen in der Dunkelheit zu überleben. Das Glas in seiner Hand füllte sich langsam mit Wasser aus einer abgenutzten PET-Flasche. Missmutig blickte er auf den fingerbreiten Rest, der noch übrig geblieben war, während er das Glas an die Lippen setzte und das kühle Nass seine Kehle hinab rannte. Der Schmerz in seinen Schläfen ebbte langsam ab und schärfte seine Sinne. Nachdenklich blickte er auf die Wasservorräte der anderen. Elf Flaschen reihten sich vor ihm auf, alle kaum noch bis zur Hälfte gefüllt. Im Regal zu seiner Linken türmten sich Dosen und Büchsen, die sie hatten auftreiben können. Doch die Vorräte neigten sich dem Ende entgegen, und die Ausbeute, die Taichi und sein Bruder auf ihren Ausflügen mitbrachten, fielen in letzter Zeit immer geringer aus. Dabei hatten die beiden viele Quellen auftun können, wie sie wieder und wieder betonten, in denen sich noch genügend Lebensmittelkonserven und Arzneien befanden. Doch er bezweifelte nicht, dass auch diese Quellen irgendwann versiegten und was dann aus ihnen würde, wollte er sich lieber nicht ausmalen. Hin und wieder plünderten sie eines der Lager des Kaisers, sofern sie die Sicherheitsvorkehrungen überwinden konnten, doch die Risiken waren zu groß, als dass Taichi beliebig viele Aktionen dieser Art billigte. Dabei wusste er nur zu gut, dass sich in den Lagern und auf den Feldern des Kaisers kostbare Nahrungsmittel befanden, die das Überleben der menschlichen Sklaven sicherten. Schließlich nutzten sie dem Kaiser nur etwas, wenn sie stark und gesund waren. Zitternd ließ er das Glas auf den Tisch krachen und versuchte die Gedanken an all die Unfreien dort draußen zu vergessen. Er hatte gelernt, die Situation zu akzeptieren, dennoch fiel es ihm nach wie vor schwer, über die Geschehnisse in der Welt nachzudenken. Sie schnürten ihm die Kehle zu und stachen schmerzend in sein Herz. Wie die Träume… Die glücklichen Träume, die ihm seine Sehnsüchte zuflüsterten und seine Ängste und Erinnerungen spöttisch vor Augen hielten. Er sehnte sich nach Freiheit und Gewissheit, dass nach alledem etwas Gutes auf ihn wartete. Eine Familie, bei der er sich geborgen fühlte, die ihn brauchte, Freunde, denen er blind vertrauen konnte, mit denen er die schönen Seiten des Lebens genoss. Freunde, die von Kämpfen und Kriegen keine Ahnung hatten und noch nie in ihrem Leben jemanden töten mussten. Frieden. Doch die Träume gingen weiter. Immer und immer und immer verschwand der Glücksmoment bevor er ihn greifen konnte und das Blut und der Tod holten ihn ein. Und wenn er erwachte, verängstigt und erschüttert zugleich, brach die Realität über ihn herein, wie ein zusammenkrachendes Kartenhaus. Die kalten Keller, die tropfenden Rohre und nur ein schwacher Lichtschein, das war nun sein Leben. Sie versteckten sich vor der Dunkelheit in der Finsternis, mit den Erinnerungen an diesen einen Tag im Nacken. Dieser eine Tag, der alles veränderte. „Sei kein Narr, Takeru“, murmelte er und schüttelte den Gedanken ab, so dass flüssiger Kerzenwachs auf den runden Eichentisch topfte. Er verbot sich, zurück zublicken, die Vergangenheit war nicht mehr zu ändern und die Erinnerungen an schöne Tage, machten das Leben in der Gegenwart nur noch schwerer. Die blutroten Wachstropfen waren getrocknet und er schritt die Stufen wieder herab, die ihn in sein selbst gewähltes Gefängnis leiteten, welches sein Stückchen Freiheit beschützte, das noch etwas in dieser Welt zählte. Ein flackernder Lichtstrahl drang aus Soras und Yamatos Kammer zu ihm hindurch, die sie mit dunklen Bettlaken und Tüchern abgetrennt hatten. Wahrscheinlich wartete Sora wieder einmal sorgenvoll auf die Rückkehr seines Bruders, der zusammen mit Taichi unter dem Deckmantel der Nacht die Lage des Feindes erkundete und ihre Wasservorräte auffüllte. Er selbst duckte sich vor einem roten Verkehrsschild, das von der Decke hing und bereits rostete und steuerte auf die Parknische zu, die seinen Schlafplatz hinter den dunklen Vorhängen der Hotelzimmer beherbergte. Vorsichtig schob er den dichten Stoff beiseite und ließ sich zurück auf die Matratze fallen, die an der Steinmauer lag und spürte eine Feder, die sich ihm in den Rücken presste. Er drehte sich auf die Seite und der Druck der Feder nahm ab. Sie lag mit dem Gesicht zur Wand und ihre schmalen Schultern hoben und senkten sich langsam. Heute schlief sie ruhig, keine Schreckensschreie oder unruhigen Tritte unter der Bettdecke, die ihr in diesem Augenblick nur bis zur Hüfte reichte. Unter ihrem grauen T-Shirt zeichnete sich ihre Wirbelsäule ab und durch die kleinen Löcher am Saum des Stoffes, schimmerte ihre blasse Haut hindurch. Sanft strich er ihr über den Rücken, schob ihr die Bettdecke über die Schulter und blies die Kerze auf dem kleinen Nachttisch aus. Sogleich wurde es schwarz und er spürte nur noch ihren vertrauten Körper ganz nah an seinem. Seine Arme umschlangen die schmalen Schultern, während sie leise seufzte und ihre Haarsträhnen sein Gesicht streiften. Dies war einer der seltenen Augenblicke, in denen sie beide noch so freimütig und unbefangen miteinander umgehen konnten. Wenn sie schlief, war all das Leid, das sich in ihren Augen angesammelt hatte und ihn mit jedem ihrer Blicke niederzustechen drohte, nicht mehr zu sehen, die Wut und die Verzweiflung, die kaum ein anderer zu bemerken schien, fielen von ihr ab und für wenige Minuten war es ihm gestattet, die Gefühle, die er für sie hegte, zu spüren. Manchmal. Und dann gab es Momente in denen es so schien, als hätten sie die Liebe füreinander vergessen und ihre Blicke trugen lautlose Gefechte gegeneinander aus. Dann schauten ihre Augen durch ihn hindurch und verloren jeglichen Glanz, als habe sich eine dünne Staubschicht auf sie gelegt und ihr Herz obendrein. Ihre Gleichgültigkeit ließ ihn umso wütender werden. Ihre Kaltschnäuzigkeit machte ihn sprachlos. Und doch konnten sie einander nicht loslassen. Vielleicht aus Angst. Möglicherweise aus Gewohnheit, oder wegen der kleinen lichten Momente, in denen sie lachten, wenn auch leiser, küssten, wenn auch härter, sprachen, wenn auch banaler. Wenn sie so dalagen, vergaß er für einen Augenblick den Schmerz der Welt, seine Angst und die anderen, die auf seine Kraft zählten. In diesen Augenblicken hatte er ein bisschen Hoffnung. In diesen Augenblicken glaubte er, dass er ein Hoffnungsträger war. Aber in diesen Augenblicken gab es auch nur sie beide. Und selbst das war nicht einmal gewiss. „Takeru?“ Er blinzelte in die Dunkelheit und spürte, wie sich der Körper in seinen Armen versteifte, während sie sich aus seiner Umklammerung befreite und sich die Matratze unter seinem Körper gegen ihn bäumte. „Was ist mit dir?“, hörte er sie. Ihre Stimme klang besorgt und argwöhnisch zugleich. Ihre Hände waren eiskalt als sie sich auf seine Brust legten und tastend nach ihm suchten. „Nichts…“ Er fing die Eisfinger vor seinem Hals ab. „Ein Traum… nur ein Traum“, murmelte er und rückte die Bettdecke zurecht, während sie in der Dunkelheit unschlüssig schwieg. „Lass uns schlafen“, seufzte er leise und ihre Finger schüttelten seine Hand ab. Zwar konnte er sie nicht sehen, aber er wusste, dass sie ihm den Rücken zukehrte, während sie einander vorgaukelten friedlich zu schlafen. Just if you don’t see a future (Ephemere - Hopelessly) _______________ Author’s Note: Willkommen zum ersten Kapitel von Funeral of Dreams. Für einige ist es der erste Moment in diesem Universum, für andere eine Wiederholungstat. :D Ich wollte das Ende der Serie – dieses große glückliche Ende – als Sprungbrett benutzen, um in die Geschichte einzutauchen. Da Takeru der Erzähler der Adventure-Staffeln ist, wie sich ja letztendlich herausstellt, war er natürlich zum Träumer prädestiniert. Was seine Beziehung zu dem Mädchen betrifft – sagen wir so, sie ist ebenfalls vorbestimmt, aber ganz furchtbar schwierig. Da einige von euch etwas erschrocken waren, die erste Version nun nicht mehr vorzufinden, habe ich für euch diese als Download eingerichtet, den ich im Profil der Fanfic verlinke. Aber seid davor gewarnt, dass die Version natürlich Spoiler für die aktuelle Geschichte enthält, drum überlegt es euch gut. Das war es erst mal an dieser Stelle von mir – zu den Änderungen, die ich vorgenommen habe, werde ich sicherlich im späteren Verlauf noch einiges erläutern, bis dahin PenAmour Kapitel 2: Asphaltkrieger ------------------------- + I walked the avenue till my legs felt like stone I heard the voices of friends vanished and gone At night I could hear the blood in my veins Black and whispering as the rain On the streets of philadelphia (Bruce Springsteen – Streets of Philadelphia) + Die Schatten der Nacht verschwanden langsam, während er seinen Rucksack schulterte und das Rolltor des rostigen Kleintransporters mit einem Ruck auf den Boden rattern ließ. Das Blech schepperte und Yamato warf ihm einen wütenden Blick zu, während das Heulen der Sirenen über ihren Köpfen schwirrte und ein schmerzgetränktes Stöhnen aus der Fahrerkabine drang. Hastig riss er die Fahrertür auf und feuerte einen zielsicheren Schuss ab, woraufhin das Stöhnen verstummte und nur das Rauschen der Sprechanlage übrig blieb. Mit einer Handbewegung riss er das Funkgerät aus dem Armaturenbrett und richtete seinen Blick gen Himmel. Doch es war bereits zu spät, der Hilferuf des Fahrers war erhört worden und die Sucheinheiten rückten unter dem Heulen der Sirenen aus. Über ihren Köpfen brodelte es verdächtig und der Wind fegte unruhig über die Stadt. Die grauen Regenwolken drängten sich dicht aneinander, so dass die Morgendämmerung im trüben Grau verloren ging und nur ein matter Hauch von Tageslicht durch die dicken Wolken hindurchsickern konnte. Zusammen huschten sie, dicht gefolgt vom Sirenenlärm, durch die enge Gasse, die sich zwischen den Ruinen gebildet hatte, und ließen das rauchende Fahrzeug zurück. Schutt rieselte auf sie herab, als regnete es dicke Regentropfen. Doch die Wahrheit war, es regnete nie. Der friedliche Eindruck, den die Stadt bei schwindender Dunkelheit, mit ihrer stoischen Ruhe bot, war trügerisch. Die Luft blieb staubig trocken und der Wind wirbelte den Dreck der Jahre nur auf, während die Wolken dort oben still schweigend die Welt beobachteten. Sie hatten sich die besten Plätze für diese Tragödie gesichert und trugen ihr Trauergewand bereits vorsorglich. Sie gelangten an die Überreste einer Kreuzung. Autowracks flankierten den Straßenrand, Risse durchkreuzten den Boden und tiefe Krater wucherten im Asphalt. Vorsichtig setzte er einen Fuß auf eine marode Steinplatte und testete ob sie ihn tragen würde. Sie war vielleicht einmal eine Wand gewesen und diente nun als Brücke über ein metertiefes Loch, das sich vor ihnen auftat und die Stadt an dieser Stelle in zwei Hälften teilte. Der Asphalt hatte sich aufgebäumt, als die Attacken auf ihn eingedroschen waren und die schützenden Wolkenkratzer, die den Tokioter Bezirk Minato einmal ausgemacht hatten, nach und nach in sich zusammenfielen. Die Tonnen von Beton und Metal hatten ihr Übriges getan und eine sechsspurige Straße in einen brodelnden Hexenkessel verwandelt. Warme, stickige Luft stieg aus den Kratern, immer wieder spieen sie kleine Rauchwolken gespickt mit Staub und Asche aus. Das Brodeln der Kanalisation, die sich zu einem unkontrollierbaren Strom in der Tiefe entwickelt hatte, ließ einige Steinchen auf der Platte nervös beben und tanzen. Mit einem Sprung hatte er den Krater hinter sich gelassen und kam auf einem verblassten Zebrastreifen zum Stehen, der nur noch schwach zu erkennen war. Er stieg über die zusammengebrochene Ampelanlage und rückte den Rucksack zurecht. Aus der Ferne war das bedrohliche Grollen der Hubschrauber zu vernehmen, die zur Flotte des Kaisers zählten und ständig auf der Suche nach ihnen waren. Yamato war neben ihm zum Stehen gekommen, stellte die beiden Benzinkanister ab und fuhr sich mit der Hand durch das sandblonde Haar, welches er zu einem Zopf zusammen gebunden hatte. Das Heulen der Sirenen bedeutete, dass ihnen ihr kleiner Besuch nicht entgangen war und sie die Stadt nun nach ihnen durchforsteten. Das bedrohliche Stampfen rückte ihnen auf den Leib, doch sie hatten so lange auf eine Gelegenheit warten müssen und die Wasservorräte wurden knapp. Ihnen war keine Wahl geblieben, als sich ihnen die Chance in dieser Nacht geboten hatte und der Transporter, der die kaiserliche Armee mit Lebensmitteln versorgte, ihren Weg kreuzte. Die zwei rotäugigen Galgomon, die zur Überwachung des Transportes herangezogen worden waren, hatten sie durch einige wohl platzierte Handgranaten außer Gefecht setzen können, bevor sie ihre Maschinenartigen Pranken zum Einsatz bringen konnten. Die Verwunderung hatte ihnen auf den hasenähnlichen Gesichtern gestanden, als die Granaten in die Luft gingen. Der Menschentrupp stellte kein Hindernis mehr für sie dar. Die fünf bewaffneten Männer waren schnell ausgeschaltet gewesen, nur den Fahrer hatte er sträflich vernachlässigt, so dass sie sich nun sputen mussten, um den Häschern des Kaisers zu entkommen. „Sehen wir zu, dass wir hier verschwinden“, knurrte Yamato und wollte zum Spurt ansetzen, doch er packte seinen Freund am Arm und hielt ihn zurück. „Warte“, raunte er eindringlich und die Miene des jungen Mannes verfinsterte sich. „Wir müssen vorsichtig sein. Der Kaiser höchstpersönlich hat wahrscheinlich schon längst von unserem Angriff erfahren. In seiner Wut wird er die ganze Stadt auf den Kopf stellen, da wäre es sehr gefährlich, ihn direkt auf die Spur unseres Verstecks zu führen…“ Yamato runzelte zweifelnd die Stirn und klopfte sich ungeduldig den Staub von seiner Armeejacke. „Ich hab dir ja gesagt, wir sollten Agumon und Gabumon mitnehmen. Mehr Schlagkraft…“ „…und mehr Aufmerksamkeit!“, kopfschüttelnd schnitt er ihm das Wort ab, während die suchenden Lichtkegel über die Stadt streiften. „Zwei Menschen mit Digimonpartnern… Du weißt genauso gut wie ich, dass so ein Auftreten viel zu riskant ist. Menschen die mit Digimon zu tun haben, gehören zur kaiserlichen Armee… oder zu uns…“ Er deutete auf die Ruinen. Zwischen all dem Geröll und Gestein hatten sich kleine Nischen gebildet, in denen hin und wieder Feuer aufblitzten und Flammen züngelten, und er wusste, dass sie da waren. Die Überlebenden, die noch einen freien Willen besaßen, trotz der Angriffe und des Regimes. Sie gehörten keiner Seite an, waren weder Freund noch Feind, doch wenn es darauf ankam, wählten die Freien den Weg des geringeren Widerstands, um zu überleben. Und diese Seite konnte herbe Verluste für ihn bedeuten. Seine Hände bekamen das Blatt Papier zu fassen, welches überall in der Stadt verteilt worden war. Es knisterte, während der Wind am Papier zerrte und sein Gesicht ihm entgegenstarrte. Er kannte die Plakate nur zu gut, auf denen in Großbuchstaben „Tod oder lebendig“ stand und darunter der Junge mit den dunklen Augenbrauen und der wuchtigen Haarmähne zu sehen war. Jedem, der ihn ausliefern konnte, wurden Nahrung und Immunität versprochen. Die Büchsen klapperten und die Schnallen des Rucksacks drückten auf seine Schultern, während er seine Munition überprüfte. Yamatos Gesicht verzog sich zu einem wissenden Grinsen. „Ein Ablenkungsmanöver?“ „Ein Ablenkungsmanöver!“ Die letzte verbliebene Handgrante wog schwer in seiner Hand und sein Blick wanderte erneut auf das offene Feld vor ihnen. Mittlerweile konnten sie die Schritte der Infanterie vernehmen, die unvermittelt auf den Platz zumarschierten und eine Staubwolke hinter sich herzogen. Oh ja, der Kaiser war wütend. Es war nicht das erste mal, dass sie seine Transporter angegriffen hatten, manchmal waren sogar eines seiner Lager oder eine seiner Plantagen. Er musste wissen, dass sie noch da waren, lebten und ihn immer noch bekämpften, auch wenn er sie damals besiegt hatte. Und sie brauchten die Lebensmittel und Arzneien. Seine Sklaven am Leben zu erhalten, war ein natürliches Bedürfnis des Kaisers, schließlich nützten sie ihm nur dann etwas. Die Felder des Kaisers außerhalb Tokios in den ländlichen Regionen, bargen wertvolle Schätze. Obst, Gemüse und Reis. Genau das richtige um auch eine zwölfköpfige Gruppe zu versorgen… Doch in der letzten Zeit war es wesentlich schwieriger geworden, einen Teil der kaiserlichen Ernte habhaft zu werden. Augenscheinlich schien sich der Kaiser nicht länger auf seine menschlichen Lakaien verlassen zu wollen und hatte zum Schutz weitere Digimon beordert, die die Lager und Transporte überwachen sollten. Sie hatten zu schweren Geschützen greifen müssen, um ihren heutigen Angriff ausführen zu können. Doch die Tatsache, dass Menschenhände Digimon tatsächlich verletzten konnten, dürfte dem Kaiser gehörig Angst einjagen, dachte er bei sich und spürte einen warmen Strudel der Genugtuung in sich aufkeimen. Vielleicht war er deshalb nicht sonderlich verwundert über das Aufgebot an Suchtrupps, die binnen kurzer Zeit Tokio durchstreiften. „Wir haben nur eine Chance…“, erklärte er und umklammerte die Granate fest. „Über den Midtown-Komplex, damit wir die Roppongi-Straße möglichst weitläufig umgehen.“ Mehr brauchte er nicht zu sagen. Yamato verstand ihn ohne viele Worte, während die Feuer in den Nischen erloschen und Hektik sich ausbreitete. Immer wieder huschten Gestalten über das Kraterfeld, einige verloren sich auf dem Asphalt und sie wurden in die Tiefe gerissen, wo ein Strom aus Kloake und heißem Wasser sie empfangen würde. Yamato war bereits losgerannt, als er die Handgranate im hohen Bogen auf die Straße schleuderte. Die Freien reckten ihre Hälse und strichen sich verfilzte Haarsträhne aus den ausgemergelten Gesicherten, als die Granate über sie hinweg flog und schließlich auf der Straßenmitte landete. Binnen weniger Sekunden explodierte das Geschoss und zerriss die Bodendecke. Asphaltfetzen wirbelten durch die Luft und die Lichtkegel wanderten hastig zum Explosionsort. Seine Schritte hallten auf dem Stein wider, während er die Schreckensschreie und das Feuer hinter sich ließ und zwischen den eingeknickten Wolkenkratzern verschwand. Schutt rieselte wie Schnee auf ihn herab und die Betonpfeiler ächzten. Sein Herz raste und seine Lungenflügel brannten, als würden sie zerbersten. Das Gezeter der Sirenen kreischte abermals durch die Gassen. Er vermutete, dass die Bodentruppen nun Unterstützung erhielten und es sich nur um wenige Minuten handeln konnte, die sie von ihnen trennte. Yamato schwang sich in einiger Entfernung über eine Absperrung, sein Haar wirbelte wild im Wind, während er eine Kreuzung hinter sich ließ und in einem Hinterhof verschwand. Sie kannten diese Stadt wie ihre Westentasche, hatten jeden Winkel durchsucht, jeden Unterschlupf ausprobiert und sichere Wege auf ihren heiklen Entdeckungstouren gelegt. Er folgte seinem besten Freund, als plötzlich ein Dachziegel auf ihn herunterraste und vor ihm in tausend Teile zersprang. Mit der Hand am Abzug blickte er hinauf. Eine kleine, schwarze Katze hangelte sich an einer Mauer entlang und schien sich nur noch mit Mühe und Not an den Backsteinen festhalten zu können. Ihr wütendes Mauzen ließ ihn zögern. Sein Blick wanderte zu ihrem matten Fell, dessen Farbe von all dem Dreck ganz verblichen war. Ihre giftgrünen Augen hefteten sich an ihn und durchbohrten ihn förmlich. Wie von selbst strichen seine Finger durch das borstige Fell und bekamen die fauchende Katze am Nacken zu fassen. Sie bestand fast nur noch aus Haut und Knochen und die Pfoten wirkten wie übergroße Clownschuhe an ihren knochigen, dünnen Beinen. In ihrem Fell leuchtete eine fleischige Wunde auf, die über dem Bauch verlief. Er wunderte sich, dass sie so lange überlebt hatte. „Taichi!“ Ungeduldig kniff Yamato die eisblauen Augen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir haben nicht viel Zeit, die Bodentruppen haben Verstärkung bekommen und… was hast du mit dem Vieh vor?“ Verwirrt starrte der junge Mann auf die Katze, die unterdessen versuchte sich aus seinem Griff zu winden und empört fauchte. Ihm fiel keine Antwort darauf ein, während er am Reißverschluss seiner Jacke zerrte und das Tier unter den grauen Stoff schob. Vielleicht imponierte ihn ihre Beharrlichkeit, vielleicht war es auch einfach ein Wunder, dass dieses kleine Fellbündel trotz des Chaos noch lebte. Auf jeden Fall konnte er sie nicht einfach zurücklassen, auch wenn sie kratzend und beißend Widerstand leistete. Rasch knöpfte er die Jacke wieder zu und setzte sich erneut in Bewegung, während Yamato bereits in die nächste Gasse abbog und verschwand. Geschwind duckte er sich unter einem heranrauschenden Lichtkegel hinweg und folgte seinem besten Freund, während die Katze unter seiner Jacke zappelte und an seinem Nervenkostüm zerrte. Seine Beine folgten seinen Befehlen ohne Umschweife, als wären sie schon immer auf der Flucht gewesen. Die Betonmassen um ihn herum verschwammen zu dichten Grauflächen und seine Füße streiften kaum den Boden, so schnell war er. Sie spielten dieses Spiel schon so lange. Er kannte ihre Fluchtwege inn- und auswendig, wusste wie er Hindernisse überwinden konnte und welche Pfade sie vor den Augen und Ohren des Kaisers schützten. Bis ihr Versteck, ihr Zufluchtsort endlich in Sichtweite kam und der Sirenenlärm langsam verblich, verging eine Weile, vielleicht auch nur ein kurzer Moment. Von außen machte das Grand Hyatt Tokio nicht mehr viel her. Der gläserne Gebäudekomplex wirkte verlassen und das Mauerwerk marode. Die ehemals prachtvollen Glasfronten waren einzelnen Glassplittern und Fetzen gewichen, die sich noch müde in den Fensterrahmen hielten. Der vordere Teil des Gebäudes war in sich zusammengesackt und hatte die Lobby mit dem Marmorboden unter sich begraben. Und aus eben diesem Grund war das Hotel zu ihrem neuen Zuhause geworden, denn was an der Erdoberfläche wie eine baufällige Ruine mit Einsturzgefahr wirkte, barg unter der Erde ein lebensrettendes Kellergewölbe. Yamato hatte sich bereits zum Dienstboteneingang geschlichen, der unscheinbar am Fuße einer Treppe eingefasst war und hinter riesigen Müllcontainern im Verborgenen lag. Er griff nach dem klappernden Schlüsselbund, während Yamato die Container von der schweren Eisentür weg schob, die sich anschließend knarrend und quietschend öffnete. Dabei war es pures Glück gewesen, als sie auf dieses Versteck stießen. Er und Yamato hatten den anderen nie erzählt, unter welchen Umständen sie es gefunden hatten. Damals, unmittelbar nach der Machtergreifung des Kaisers hatten sie in ihrer alten Grundschule gehaust. Doch die Lebensmittel wurden zunehmend knapper und Odaiba immer gefährlicher. Er schlüpfte durch einen schmalen Spalt in die Dunkelheit des Boteneingangs, während Yamato an den Müllcontainern rüttelte, bevor er die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel und nur der Schein seiner Taschenlampe ihnen den Weg leuchtete. Vor ihnen erstreckte sich ein dämmriger Flur, in dem sich Tür an Tür reihte. Die Tür zur Hotelküche war aus den Angeln gehoben worden und die verchromten Küchengeräte leuchteten im Schein der Taschenlampe auf. Doch hier endete ihr Weg noch nicht, denn hinter den Kulissen des Hotels zog sich der Weg weiter, vorbei an den Aufzugschächten, bis Treppenstufen im Lichtschein der Lampe zum Vorschein kamen, die sie beide mit geübten Schritten hinabsprinteten, wo sich ihr Aufenthaltsraum hinter abgehängten Vorhängen befand. Ihre Schlafkammern waren im Parkhaustrakt des Hotels untergebracht, weiter unter der Erde. Dadurch, dass das erste Parkdeck nicht mehr begehbar und der eigentliche Eingang unter Beton und Stahl verschüttet war, hatte es sich zu einem perfekten Versteck für sie gemausert. „Lange geht das nicht mehr gut.“ Yamatos schwere Atemzügen hallten durch die dunkle Halle. Zu oft waren sie nur haarscharf an der Katastrophe vorbei geschlittert. Zu oft hatte er dem Tod ins Auge blicken müssen. Und doch antwortete er nicht. Sie näherten sich dem Lichtschein der durch einen Spalt drang. Das war der falsche Zeitpunkt. Die anderen mussten davon nichts erfahren. Yamato nickte, verstand ihn ohne Worte und schob den Vorhang beiseite, so dass geschäftiges Geschirrklappern zu ihnen hindurch drang. Die Katze hatte sich zu seinem Kragen hervor gekämpft und schmunzelnd ließ er sie frei. Nervös trippelte sie mit ihren Pfoten über den dunklen Steinboden und suchte mit ihren leuchtenden Augen die Umgebung ab. „Sie wird uns unnötige Arbeit machen“, ermahnte Yamato ihn verständnislos, bevor er den schweren Rucksack auf den Tisch stemmte und sich an eine junge Frau heranschlich, die ihnen den Rücken zugedreht hatte und geschäftig mit Messern hantierte. Yamato schlang die Arme um sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange, woraufhin sie erschrocken herum fuhr. Ihr rostrotes Haar umrahmte das müde Gesicht, das sich merklich aufhellte, als sie die beiden erblickte. „Und?“, fragte sie besorgt und besah sich Yamatos Gesicht, während sie ihm mit den Fingern über die Wangen strich. Er fixierte die Teetassen auf der Arbeitsfläche, als ein kleiner Schatten zwischen seinen Beinen hindurch huschte. „Oh ist die süß!“ Lächelnd hob Sora die schwarzfellige Katze auf und kraulte sie zwischen den Ohren. „Ich hab sie in den Trümmern gefunden“, beantwortete er ihre stumme Frage und zwängte sich aus der Armeejacke. „Das Vieh wird uns die Haare vom Kopf fressen“, knurrte Yamato und verstaute einige Wasserflaschen in den Schränken. „Hast du schon einen Namen für sie, Taichi?“ Verwirrt blickte er auf das knochige Tier, das sich schnurrend von Sora streicheln ließ und gierig auf die Dose stierte, die die junge Frau öffnete und in eine Schale ließ. „Lucky würde doch gut zu ihr passen“, schlug sie vor und ließ die Katze auf den Boden, während sie die Schüssel vor ihr abstellte. „So klein und doch hat sie die letzten Jahre überlebt. Das nenne ich Glück.“ Lächelnd beobachtete sie, wie die Katze sich über ihr Futter hermachte. Er runzelte die Stirn. „Misere“, murmelte er knapp und wandte sich zum Gehen. „Misere passt besser.“ Just if you don’t see a future And your dreams are falling down (Ephemere – Hopelessly) _______________ Author’s Note: Hallo zusammen, wir befinden uns nun mitten im Getümmel Tokios. Taichi und Yamato versuchen eine zwölfköpfige Gruppe zu ernähren und greifen sicherlich auch aus diesen Gründen zu harten Mitteln. Und Waffen. Es ist nur realistisch, dass die Digiritter über fundierte Kampf- und Waffenerfahrung verfügen, wie sonst hätten sie überleben können. Gleichzeitig ist es auch wichtig, dass sie Wege finden, um sich auch gegen Digimon zu behaupten, denn augenscheinlich sind ihre Partner nicht in ihrer Nähe. Und nun erfahrt ihr auch, wo sich ihr neues Versteck befindet, das Grand Hyatt existiert tatsächlich – ob es nun ein Parkhaus hat, weiß ich nicht, aber das ist auch nicht so wichtig, denke ich. Wir befinden uns nach wie vor in Minato, genauer gesagt in Roppongi. Eine Änderung zur ersten Version ist sicherlich, dass ich mich besser mit der Tokioter Geographie auseinandergesetzt habe und nun auch in der Hinsicht deutlicher werden kann. Taichi ist also zu einem wahren Asphaltkrieger geworden, der gejagt und gesucht wird. Warum er so eine gesonderte und herausragende Position einnimmt? Weil er ein wirklich Angsteinflößender Kerl geworden ist – so viel ist klar. Im nächsten Kapitel werde ich sicherlich noch mehr zu meinen Änderungen erklären können, gehabt euch wohl und genießt den Sommer ;-) Bis dahin PenAmour Kapitel 3: Problemlöser ----------------------- + When you try your best, but you don't succeed When you get what you want, but not what you need When you feel so tired, but you can't sleep Stuck in reverse. (Coldplay – Fix you) + Knack! Ein hektisches Rascheln riss ihn aus seinem Schlaf und er konnte gerade noch aus den Augenwinkeln erkennen, wie ein Rattenschwanz hinter dem Regal verschwand, in dem sich Ordner und Elektrokram stapelten. Wütend starrte er auf die unberührten Rattenfallen, die er überall ausgelegt hatte, um die Kabel vor den gierigen Nagern zu schützen, doch dieses Exemplar schien gänzlich unbeeindruckt und hatte die Fallen gekonnt ignoriert. Müde rieb er sich über den schmerzenden Abdruck, den die Tastatur auf seinem Gesicht hinterlassen hatte und nun auf seinem Haut brannte. Seine Augen tränten, während das Flimmern des Bildschirms seine Aufmerksamkeit erneut auf sich zog. Kleine Lichter am surrenden Laufwerk blinkten auf und das Gehäuse des Computers thronten auf dem Schreibtisch und arbeitete auf Hochtouren, während das Notstromaggregat ein lautes Grummeln von sich gab und ihn mit Elektrizität versorgte. Er hatte die gesamte Nacht mit einer wilden Suche im Netz verbracht und musste irgendwann vor Erschöpfung eingenickt sein. Sein Büro breitete sich im Halbdunklen vor ihm aus, unter der Erdoberfläche direkt an den Fahrstuhlschächten gelegen, die vor langer Zeit einmal die Gäste vom unterirdischen Parkdeck in die Lobby geleitet hatten, doch nun still schweigend in der Tiefe warteten. Es war ein absoluter Glücksgriff gewesen, dass sie in diesem Hotel einen Unterschlupf gefunden hatten. Das Grand Hyatt Tokio war mit einer eigenen Notstromersorgung ausgestattet, die den ganzen gesamten Gebäudekomplex über mehrere Tage mit Elektrizität versorgen konnte und nun ihm zu Gute kam und ihm die Möglichkeit verschaffte, von Stromnetz des Kaisers unabhängig zu agieren. Doch ohne Energie waren Steckdosen und Kabel nutzlos. Aus diesem Grunde verbrachten Taichi und die anderen oft Tage damit, Treibstoff aus den verbliebenen Autowracks und Tankern zu sammeln, die den Motor des Aggregats antrieben, um dadurch den Zugang zur Digiwelt und den Kontakt zu den anderen aufrecht zu erhalten. Seit nunmehr einem Monat hatte er allerdings kein Lebenszeichen von ihnen erhalten und die Angst, dass sie es wohlmöglich nicht geschafft hatten, nagte an ihm, während er durch das was vom Internet übrig geblieben war streifte, mit der Gefahr im Nacken, ihre Tarnung auffliegen zu lassen. Die Spezialisten und Hacker des Kaisers waren Experten auf ihrem Gebiet und der Kaiser erpicht darauf, ihren Aufenthaltsort zu erfahren. Bis jetzt war er ihnen immer einen Schritt voraus gewesen, hatte Fallen und falsche Fährten ausgelegt, um seine Spuren zu verwischen, dennoch war die Gefahr allgegenwärtig. Er schüttelte die Müdigkeit aus seinen Gliedern und rückte den Kragen seines Wollpullovers zurecht, bevor seine Fingerspitzen die ausgeblichenen Tasten der Tastatur berührten. Ihr sanfter Widerstand ließ ihn wieder klar denken. Das hier war schließlich sein Terrain und die anderen verließen sich auf sein Können. Er war ihre Verbindung zur Außenwelt und zum Untergrund gleichermaßen. „Es ist mir egal, wie du es anstellst, Koushiro, aber sorg’ dafür, dass wir einen sicheren Kontakt herstellen können!“ Das hatte Taichi zu ihm gesagt und ihm eine Fuhre Benzin ins Notstromaggregat gekippt. Er brauchte seine Fähigkeiten um diesen Krieg zu gewinnen, nur deshalb ließ ihm Taichi so viel Freiraum. Auch wenn die Ungeduld des jungen Mannes mit jedem weiteren Tag zunahm. Seine Augen glühten manchmal vor Wut, wenn er ihm berichten musste, dass seine Spur wieder einmal ins Leere gegangen war und die Antwort auf die Frage nach einem Befreiungsschlag unbeantwortet blieb, und doch nickte Taichi dann immer nur und wendete sich erneut dem Kampftraining zu, in einem Teil des Untergeschosses, den er selbst nur sehr selten aufsuchte. Seine Trainingseinheiten waren lächerlich gering, im Gegensatz zu Ioris oder Daisukes, die ihre komplette Energie in ihre Kampftechniken investierten und sich sehr wohl zu verteidigen wussten, ungeachtet ob der Gegner ein Digimon oder Mensch war. Er selbst hatte in all den Jahren wenig gekämpft. Taichi hatte ihm und seinen Computern grundsätzlich den Rücken frei gehalten, damit er das machen konnte, worin er am besten war: Eine Lösung für das Problem finden. Der Zeiger der Maus schwirrte über den Bildschirm, Fenster öffneten sich, Seiten wurden geladen und die Hektik auf den Bildschirm ließ seine Müdigkeit endgültig von ihm abfallen. Bis ein lautes Piepsen ihn innehalten ließ. Ein Briefumschlag in der Menüleiste leuchtete drängend auf. Er spürte, wie sein Herz sich gegen seine Rippen drängte währen der Cursor der Maus auf den Umschlag zusteuerte und die elektronische Post langsam entfaltete. Ein Klicken und ein weiteres Fenster öffnete sich in dem sich mehrere Zeichen formierten. Es dauerte einen Augenblick, ehe die Bedeutung der Worte in seinen Verstand sickerte, während er lautlos die Nachricht wiederholte. Haltet noch einen Augenblick durch… Alles wird gut. Bald, bald… Verwirrt überflog er die Zeilen noch mal und noch mal, doch der Sinn hinter den Zeichen wollte sich ihm augenscheinlich nicht offenbaren. Beunruhigt warf er einen Blick auf den Absender: Unbekannt. Er versuchte die Nachricht zurück zu verfolgen, doch der Absender schien alles dafür getan zu haben, dass er ihm nicht folgen konnte. Ein lautes Rauschen unterbrach seine Nachforschungen und ein weiteres Fenster öffnete sich auf dem Bildschirm. Das Bild wurde für einen Moment schwarz und wirkte verzerrt, als störte eine Schneewehe den Kontakt. Nur langsam waren schemenhafte Umrisse zwischen den zuckenden und ruckenden Bildern zu erkennen, die langsam schärfer wurden, bis ihn zwei meerblaue Augen anstarrten, eingerahmt von hellen Engelslocken. Sie gehörte zu den Menschen, die selbst im Augenblick der schlimmsten Katastrophe noch wunderhübsch aussahen, ohne sich dafür besonders anstrengen zu müssen. Nicht einmal die schlechte Übertragung war ihrer Schönheit abträglich, stellte er fest und spürte die Hitze, die seinen Hals hinauf kroch. Ihr Blick wanderte über den Bildschirm und sie lächelte, als sie ihn erkannte. „Koushiro! Endlich! Ich ´abe schon seit Tagen versucht eine sichere Verbindung zu finden, um mit dir zu sprechen.“, begrüßte sie ihn förmlich in fehlerfreiem Japanisch. Er lächelte. „Du machst Fortschritte, Catherine…“ Er konnte erkennen, wie sie die Schultern zuckte. „Irgendwas muss man ja mit seiner Freizeit anfangen.“ Doch ihr Blick verhärtete sich in Sekundenschnelle und verriet, dass ihr nicht sonderlich nach Scherzen zumute war. Ohne weitere Umschweife, Erklärungen oder Floskeln öffnete sie abermals den Mund: „Wir ´aben ein Problem, Koushiro. Un grand probléme merdique…“ Die Worte der Französin hallten für einen kurzen Augenblick nach, während er schweigend in die blauen Augen blickte und sich nicht sicher war, ob er noch ein weiteres Problem händeln konnte. Doch das schien Catherine nicht weiter zu interessieren. Unbeirrt fuhr sie fort: „Einer meiner Leute ist von der Saat befallen.“ „Ja und?“, er zuckte mit den Schultern, das war in diesen Zeiten keine Seltenheit mehr. Gleichzeitig erschreckte ihn seine eigene Reaktion insgeheim und ein kalter Schauer rannte über seinen Rücken, während Catherines klare Stimme zu ihm hindurch drang und seine Zögern ignorierte. „Wir ´aben ihn gestellt, bevor er unseren derzeitigen Standort verraten konnte, und versucht in Erfahrung zu bringen, wie er in Kontakt mit der Saat gekommen ist. Und vor allem wer ihm die Saat verabreicht hat, aber es war nichts aus ihm herauszubekommen…“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und räusperte sich. „Nun, in der Regel reagieren die Saatträger verstärkt auf Schmerz… habt ihr es damit schon mal probiert?“ Ihr schönes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, als verspüre sie selbst tiefe Pein und nickte schließlich zögerlich. „Die Methoden schlagen nicht an, Koushiro. Normalerweise sind Saatträger empfänglich für niedere Instinkte, wie den Wunsch nach körperlicher Unversehrtheit, aber in diesem Fall schien es fast so, als würde er die Schmerzen überhaupt nicht spüren.“ Sie holte tief Luft. „Comme une machine. Une humanoide sans sentiments.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das kurz geschorene Haar und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Es stimmte, der Kaiser hatte viele Menschen in seine Gewalt gebracht und versklavt, indem er ihnen einen Sprössling der Saat der Finsternis implantierte. So konnte er ihnen den freien Willen rauben und sie zu Sklaven ihrer Schlechtigkeit machen. Die Dunkelheit sickerte tief in das Bewusstsein des Betroffenen und ließ ihn förmlich handlungsunfähig werden. Die meisten der Saatträger waren bloße Hüllen, die im Dienste des Kaisers standen und von seinem Willen gelenkt wurden. Andere gingen in der Dunkelheit förmlich auf und gaben sich ganz ihren dunklen Seiten hin. Sie dienten ihm treu und stiegen in der Rangordnung stetig auf. Einzig die tierischen Instinkte ließen sich durch die Saat bei niemandem ausschalten, so dass der Überlebensdrang der Evolution tief in den Sklaven verwurzelt blieb, was wiederum bedeutete, dass sie ihr Überleben sicherten, wo immer es ihnen möglich war. Aus diesem Grund waren Schmerzen so effektiv, da sie den Wunsch nach körperlicher Unversehrtheit der Saatträger weckten, und diese so bereitwillig Auskunft gaben, um der Folter zu entkommen. Dies war ohne Frage eine grausame Methode, aber sie war zugegebenermaßen sehr wirkungsvoll und hatte ihnen schon viele hilfreiche Hinweise eingebracht, die darüber hinaus ihr Leben retten konnten. Wenn der Kaiser aber nun einen Weg gefunden hatte, um diese Instinkte zu unterbinden, dann… Catherine sprach die schrecklichen Gedanken aus, die sich in seinem Kopf formten und Gestalt annahmen. „…wenn es eine modifizierte Saat gibt, ´aben wir es bald mit den loyalsten Untertanen des Kaisers zu tun, dann werden die Sklaven sogar wertvoller als die freiwillige Anhängerschaft des Kaisers“, schlussfolgerte sie und das Bild zuckte und ruckte für einen Moment unruhig. „Das wäre tatsächlich ein ziemlich großes Problem…“ Just if you don’t see a future And your dreams are falling down If pain enters new dimensions (Ephemere – Hopelessly) ____________ Author’s Note: Ausnahmsweise gibt es schon heute das neue Kapitel, da ich morgen wahrscheinlich unpässlich sein werde. Aber das ist eine andere Geschichte… Ihr erfahrt Stück für Stück vom Leben der Digiritter und ihren Lebensumständen. Da die Digimon selber auf Elektrizität angewiesen sind, besteht ein Stromnetz, das vom Kaiser überwacht wird. Ich brauchte also eine unabhängige Stromquelle. Dazu musste ich erst mal recherchieren, wie so ein Notstromaggregat funktioniert. Ich gehe davon aus, dass so ein recht edles Hotel wie das Grand Hyatt über so ein Aggregat verfügen könnte. Eine Alternative dazu wäre noch ein Krankenhaus gewesen, aber Krankenhäuser existieren in der Form in diesem Universum leider nicht mehr oder wurden von den Truppen des Kaisers bereits übernommen und durchsucht. Ein Krankenhaus wäre also zu unsicher gewesen – welch Ironie. Aber auch das Internet selbst ist nicht einfach weg, sondern vom Kaiser kontrolliert und übernommen worden. Frau von der Leyen wäre stolz auf diese Internetzensur. *hüstel* Aber natürlich kennt Koushiro Tricks und Kniffe, um für einen gewissen Zeitraum unbeobachtet das Internet zu durchforsten und es als Kontaktquelle zu anderen wie Catherine zu benutzen. Mehr über den technischen Kram erfahrt ihr später. Den alten Hasen unter euch dürften hier die größten Änderungen auffallen, die von mir eingeführt werden. Ich bitte euch aber mit Spoilern umsichtig zu sein für alle anderen. Wobei mein Postfach natürlich jederzeit für euch offen steht. So und nun muss ich mich mal wieder einer mysteriösen Hochzeit widmen… Bis dahin PenAmour Kapitel 4: Angsthase -------------------- + Some are reaching few are there Wandering from a heros chair Some are scared to fly so high Well this is how we have to try (Joshua Radin – No envy no fear) + Mit der Reinigungsbürste löste er die Pulverrückstände und richtete den Lauf der Handfeuerwaffe gen Boden, um ein Festsetzen der unverbrannten Treibladung am Schlagbolzen zu verhindern. Der schwarze, noch warme Lauf der SIG Sauer P220 glänzte, während er das Öl gleichmäßig auf seiner Waffe verteilte und das Magazin vom Pulverschmauch befreite. Die letzten Stunden hatte er damit verbracht, seine Schießkünste im Nahkampf zu trainieren. Normalerweise vermied er die direkte Konfrontation und versuchte ein Gefecht aus der Distanz abzuschließen – gerade im Kampf gegen Digimon konnte man nicht schnell genug den Einsatz beenden – doch die letzten Wochen hatten gezeigt, dass die Digimon mittlerweile wesentlich offensiver agierten und so seinen Angriffsspielraum verringern konnten. Dem galt es schnellstmöglich entgegenzuwirken. Um Material zu sparen hatte er nur Platzpatronen verwendet und Iori aufgefordert ihn direkt zu attackieren. Der Jüngere bewegte sich mit einer fast vornehmen Geschmeidigkeit, bevor die Klinge seines Jagdmessers die Kehle des Gegners berührte oder sich in dessen Niere bohrte. Im Gegensatz zu ihm, bevorzugte Iori den direkten Kontakt mit dem Gegner und war ein geübter Schwert- und Messerkämpfer, der sich vor Kugeln und Geschossen duckte, um dann zuzuschlagen. Sie ergänzten sich und so verbrachten sie jeden Morgen in geschäftiger Zweisamkeit im ehemaligen Fitnessraum für die Gäste des Hotels, noch bevor die anderen ihre Trainingseinheiten begannen und sich an den Hanteln übten, Kampftechniken auf den Matten ausprobierten und Schießübungen ausführten. „Daisuke!“ Soras tadelnde Stimme drang durch seine morgendliche Routine zu ihm hindurch. „Was habe ich über Waffenreinigung am Esstisch gesagt?“ Missbilligend schüttelte die junge Frau den Kopf und stellte einen Stapel Reisschalen auf dem wuchtigen Eichentisch ab, bevor sie vorwurfsvoll die Hände auf den Hüften abstemmte. Entschuldigend hob er die Schultern und fegte das Häufchen Schießpulver unauffällig vom Tisch, während Sora ihm wieder den Rücken zuwandte und sich über den dampfenden Reiskocher beugte. Ihr rostrotes Haar verdeckte das blasse Gesicht. Iori hatte sich aufgerichtet und sein Jagdmesser unter dem Hosenbein versteckt, um Sora die Essstäbchen aus der Hand zu nehmen und den Tisch zu decken. Früher diente der nah an der Hotelküche liegende Raum als Aufenthaltsort für das Hotelpersonal und verfügte über die nötige Ausstattung, die es ihnen erlaubte einen Gemeinschaftsraum fern des Parkdecks zu nutzen. Mit der nötigen Portion Strom, die das Notstromaggregat ihnen hie und da zur Verfügung stellte, war es ihnen gelungen, eine kleine Kochecke zu betreiben. Außerdem war es einer der wenigen Räume, deren Beleuchtung Taichi gestattet hatte, um so die Stromreserven nicht unnötig zu verschwenden. Es war allemal besser, als in ihren düsteren Kammern zu hocken. Die Lederriemen seines Pistolenhalters drückten gegen seine Brust als er die Handwaffe verstaute und neugierig zum Reiskocher stierte. „Yamato und Taichi haben frischen Reis mitgebracht“, erklärte Sora ihm, als habe sie seinen Blick gespürt, während sie eine Fuhre Mohrrüben und Lauch in einen Topf gab der auf einer der zwei Herdplatten vor sich hin blubberte. Der Duft des frischen Gemüses ließ seinen Magen laut knurren und die Sehnsucht nach einer Mahlzeit übermannte ihn nahezu. Klappernd verteilte Iori unterdessen die Reisschälchen auf dem Tisch, als Miyako den Raum betrat, für einen Augenblick selig die Augen schloss und den Geruch des Gekochten aufsaugte. Ihr kirschrotes Haar war streichholzkurz und stob in alle Richtungen. Die Arme in die Luft reckend ließ sie sich auf einen der abgewetzten Stühle fallen und nickte ihm zur Begrüßung zu. Die dunklen Augenringen zeugten von einer langen Nacht, die sie hatte Wache halten müssen, während Taichi und Yamato unterwegs gewesen waren. Über ihre linke Wange zog sich der schwache Schatten einer alten Narbe, die ein Überbleibsel einer unschönen Begegnung war und sie wie eine wilde Amazone wirken ließ. Als habe sie seine Gedanken gelesen, wandte sie ihr Gesicht von ihm ab, so dass die Narbe aus seinem Blickfeld verschwand, und ließ die Essstäbchen über ihre Finger tanzen. „Morgen…“, murmelte Takeru schlaftrunken und betrat den Raum, dicht gefolgt von einem zierlichen Mädchen mit nussbraunen, unergründlichen Augen, die den Raum abtasteten. Hikaris Blick streifte ihn einen kurzen Moment und sein Magen zog sich zusammen. Rasch senkte er seinen Kopf und rückte die Gurte des Pistolenhalter zurecht. Takeru sog träumerisch die dampfende Luft ein und beugte sich über den Topf, bevor Sora ihn lachend zur Seite drängte, als ein Junge mit mattschwarzem Haar, das die Schultern streifte, sich neben ihn an den Tisch setzte und seinerseits einen guten Morgen wünschte. Lächelnd erwiderte Sora Kens Begrüßung und ließ das Wasser aus dem Kochtopf in einen Eimer laufen. „Hast du deine Einheit schon abgeschlossen?“, fragte Ken leise. Er nickte stumm und Ken wirkte enttäuscht. „Schade, ich wollte noch ein wenig an meiner Schusstechnik arbeiten…“ „Kein Problem…“, warf er hastig ein. „Ich trainiere mit dir…“ Sein bester Freund lächelte erleichtert und entspannte die Schultern. Sie hatten wenig Zeit miteinander verbracht in den letzten Wochen, da Ken immer mal wieder von Taichi in die Digiwelt beordert worden war, um dort den Ausbau der Festung der freien Digimon zu unterstützen. Mittlerweile waren auch Mimi und Jyou eingetroffen und Sora hievte den Topf auf den Tisch. Gierig streckte er seine Stäbchen nach einem Möhrenstückchen aus, doch Sora klopfte ihm mahnend auf die Finger. „Wir fangen erst an, wenn alle da sind“, belehrte sie ihn streng und Miyako lachte laut auf. Das Bild seiner Mutter schob sich vor die Szenerie und ihre gut gemeinten Belehrungen echoten durch die Zeit, so dass es seinem Herzen einen Stich versetzte. Schritte hallten auf den Steinplatten wider und ein Lächeln stahl sich auf Soras Lippen, ihr blasses, sorgenvolles Gesicht wirkte mit einem mal lebhaft und glücklich. Doch ihr Lächeln gefror, als sie Taichis und Yamatos Mienen erblickte, die sich, gefolgt von einem angespannt wirkenden Koushiro, schweigend an den Tisch setzten. Augenblicklich herrschte Stille, bis Koushiro sich räusperte und Taichi nickend sein Einverständnis gab. Er lauschte den Äußerungen des Jungen mit den kastanienfarbenen Haaren, die kaum mehr einen Finger breit waren und das eingefallene Gesicht mit den dunklen Augen nur zu sehr hervorhoben. Taichi hatte seine Arme auf dem Tisch abgestützt, während Yamato sich zurücklehnte und die Augen geschlossen hielt. Er konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie Ken sich langsam aufrichtete und die Haare aus dem Gesicht strich, die ein Vorhang waren, der ihn vor dem Rest der Welt beschützte. „Das heißt also, wenn wir nicht bald etwas unternehmen, haben wir es mit einer Armee von Maschinen zu tun?“ Fasste Jyou Koushiros Schilderungen zusammen und runzelte die Stirn. Der Älteste hatte seine Worte mit Bedacht gewählt und in seinem Kopf schien es wild zu rumoren, während er sein Brillengestell gerade rückte. „Noch schlimmer“, betonte Koushiro und fuhr sich erschöpft über die Augen. „Der Kaiser wird dadurch absolute Loyalität erhalten, weil die Saatträger sich nicht mehr für ihre eigenen Belangen interessieren werden. Dadurch werden sie zu unbesiegbaren Truppen – sterblich zwar, aber dennoch unbesiegbar.“ „Vielleicht ist es an der Zeit unser letztes verbliebenes Ass aus dem Ärmel zu ziehen…“ Yamatos Blick war auf Taichi und nur auf Taichi gerichtet, der teilnahmslos wirkte, während er die Hände ineinander legte und schwieg. Taichi war schon seit langer Zeit dazu in der Lage, seine Gedanken und Gefühle im Verborgenen zu halten, das machte ihn zu einem starken Kämpfer und einem besseren Anführer. Im Gegensatz zu ihm war Taichi Yagami in der Lage unbequeme Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen über Wohl und Wehe. Taichi ließ sich nicht von seiner Angst beherrschen, er diktierte der Angst ihren Weg und nutzte sie, um ein Anführer zu sein, der die Welt beschützen konnte. Im Angesicht dieses unbezwingbaren Mutes fühlte er sich klein und unbedeutend. Er konnte noch so viel trainieren, Taichi war ihm immer einen Schritt voraus, erahnte seine Bewegungen und schlug in Sekundenschnelle zu. Taichi Yagami zögerte nicht, Taichi Yagami hatte keine Angst vor Opfern. „Nein!“ Miyako donnerte ihr Wasserglas auf die Holzplatte und war aufgesprungen. Ihr Stuhl kippte und landete mit einem lauten Krachen auf den gefliesten Steinboden. Die Zornesröte zog sich bedrohlich über ihre Wangen. „Das kann keine Option sein! Es muss einen anderen Weg geben, um den Kaiser zu bezwingen und diese neuartige Saat zu zerstören.“ Ihre Augen funkelten wütend. „Damit zerstören wir alles, wofür wir uns so lange in diesem Loch versteckt haben…“ „Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen…“ Yamato ging ungeduldig dazwischen und seine Zornesfalte zwischen den Augenbrauen blitzte missmutig auf. „Wenn wir dadurch den Kaiser in die Knie zwingen, ist es eine Option, die wir nicht so einfach ignorieren können…“ „Und wozu?“, fauchte Miyako mit Wuttränen, die an den Wimpern klebten. „Es bleibt nichts mehr übrig. Da können wir uns auch gleich die Kugel geben…“ „Erspar mir deine Dramen, Miyako“, zischte Yamato und ballte die Hand zur Faust. „Wir haben keine Zeit für deinen naiven Idealismus. Wir stecken mitten in einem Krieg!“ „Genug!“ Taichis Stimme erhob sich über die Streitenden, bevor Miyako etwas erwidern konnte. Stumm starrte sie auf ihren Anführer, der seelenruhig den frischen Reis probierte. Eine Träne löste sich, schlich lautlos über ihre Wange und versickerte im Stoff ihrer Stoffjacke. „Der Reis ist wirklich köstlich, Sora“, brachte er kauend hervor. Die Angesprochene schwieg und warf einen angespannten Blick in die Runde, während Miyako am Tischende stand und den jungen Mann mit der braunen Löwenmähne mit einer angstvollen Ahnung in den Augen musterte. „Das kannst du nicht machen, Taichi“, flüsterte sie und setzte etwas lauter hinzu, „Du kannst nicht wollen, dass all die Opfer umsonst waren und wir alles mit einem einzigen Knopfdruck auslöschen. Gerade du…“ „Halt den Mund, Miyako!“ Hikari war weiß wie die Steinwände, die sich hinter ihrem Rücken abzeichneten, die schmalen Finger krallten sich in die Tischplatte. „ Benimm dich nicht wie ein kleines Kind und fang endlich an nachzudenken. Wir haben die Zugangscodes und sollten sie in unsere Planung einbauen.“ Hikaris nussbraune Augen trafen auf Miyakos krokusfarbene und eine geladene Spannung lag in der Luft. Geladen vor Wut und Angst und schlechten Erinnerungen. „Was weißt du schon von Opfern“, setzte Hikari hinzu und Miyakos Ohrfeige schellte blitzschnell an ihrer Wange ab, so dass Hikari ins Wanken geriet und sich die Haut an der Stelle dunkel verfärbte. Sein Blick wanderte zwischen den Mädchen hin und her; Miyako, die vor Wut schnaubte, Hikari, die sich zitternd über das Gesicht strich, während ihr Bruder seine Essstäbchen aus der Hand legte. „Ich erwarte von euch, dass ihr euch zusammenreißt, oder ich lasse euch so lange Wache stehen, bis ihr keine Kraft mehr für Streitigkeiten habt.“ Seine Stimme klang völlig gelassen, doch sie duldete keinen Widerspruch. „Ich werde noch heute in die Digiwelt reisen und mich mit Agumon und Catherine treffen, um über unser weiteres Vorgehen zu beraten. Ken wird mich begleiten, für den Fall, dass mir etwas zustößt. Er kennt sich in der Digiwelt hervorragend aus“, fügte er hinzu und wandte sich nun direkt an Yamato der bereits protestieren wollte. „Yamato wird unterdessen das Kommando übernehmen, ihr werdet seinen Befehlen Folge leisten. Sollte sich die Lage in den kommenden Tagen zuspitzen, wird Yamato Gebrauch von den Zugangscodes machen. Bis dahin werden wir abwarten und weiter machen, wie bisher…“ Taichi hatte bereits einen Entschluss gefasst und ihnen die Entscheidung abgenommen, stellte er erleichtert fest. Taichi hatte keine Angst. Mit schnellen Schritten verließ Miyako den Raum. Er folgte ihr. Sie war seine Freundin, seine beste Freundin, er konnte sie nicht so einfach im Stich lassen. Und da Ken ihr nur unschlüssig hinter herblickte, blieb ihm keine andere Wahl. „Miyako, warte!“ Er bekam sie an der Hand zu fassen und ließ sich außer Atem gegen die Wand fallen. „Versuch es nicht“, drohend baute sie sich vor ihm auf, „Denk nicht mal daran, sie in Schutz zu nehmen.“ Um ihren Worten Nachdruck zu verteilen rammte sie ihm ihren Zeigefinger in die Brust. Vor Schmerz zuckte er zusammen und hob seine Arme schützend. „Das hatte ich gar nicht vor“, beteuerte er und legte versöhnlich seine Hand auf ihren Arm. „Wie kann sie es wagen… als ob ich nicht sehr wohl wüsste…“, schnaubte sie und schüttelte seine Hand ab. „Miyako… Hikari ist einfach…“ Er kam nicht weiter, sie schien ihn gar nicht mehr wirklich zu zuhören. „Immer das gleiche. Er spricht, alle hören zu, er geht, alle folgen. Er befielt, alle gehorchen.“, zischte sie wütend und Wuttränen marschierten wie Soldaten über ihr Gesicht, während er für einen Augenblick verdattert mit den Augen blinzelte. Doch bei Miyako ging es nie nur um Hikari, sondern immer um das große Ganze. „Das ist doch sein Job als Anführer“, murmelte er kleinlaut und strich ihr beruhigend über den Rücken, doch sie lachte höhnisch. „Ich habe ihn nicht darum gebeten mich zu führen. Keiner hat das, aber sie sind alle zu feige, um ihm das ins Gesicht zu sagen.“ „Er ist nun mal der Beste, deshalb leben wir noch…“, setzte er an und suchte nach einer Erklärung. „Er weiß, was das Richtige ist. Er hat keine Angst und er beschützt uns.“ „Nein“, sie schnitt ihm ins Wort. „Nein, nein! Ich will nicht beschützt werden, ich will nicht, dass über meinen Kopf hinweg entschieden wird, nur weil es einfacher oder erträglicher ist. Ich will selber entscheiden, was richtig und was falsch ist.“ Ihre Augen blitzten vorwurfsvoll in seine Richtung. „Das ausgerechnet du das nicht siehst…“ Fragend starrte er zurück. „Merkst du es nicht?“ Höhnisch verzog sie das Gesicht zu einem bitteren Lächeln. „Du bist abgemeldet, Daisuke. Er hat dich ausgestochen – verdrängt. Dabei warst du derjenige, der uns angeführt hat, und zwar nicht schlecht. Und von einem Moment auf den anderen kommt Taichi daher, gibt ein paar kluge Anweisungen und alle laufen ihm hinterher. Wie kannst du sagen, er sei der Beste, wo er dich doch so hintergangen hat?“ „Aber er ist der Beste“, raunte er mit kratziger Stimme. Taichi war das personifizierte Überleben. Er repräsentierte das Leid und den Schmerz wie kein anderer. Es war also nicht sonderlich verwunderlich, dass sie ihn als Anführer vorzogen. Denn er, Daisuke Motomiya hatte Angst. In jeder Minute seines Lebens. Damals wie heute… „Wann bist du nur so ein Feigling geworden?“, flüsterte sie enttäuscht und ließ ihn in der Dunkelheit zurück. Just if you don’t see a future And your dreams are falling down If pain enters new dimensions And you feel (Ephemere – Hopelessly) ____________ Author’s Note: Hallo zu einem neuen Kapitel. Diesmal ist es Daisuke, der euch einen kleinen Einblick über das Leben in diesem Alternativen Universum gibt. Ihr erlebt quasi den Aufenthaltsraum bei Tage und das lassen sich andere Dynamiken erkennen, als des Nachts mit Takeru. Außerdem taucht ein weiterer Raum auf: Der ehemalige Fitnessclub für die Hotelgäste, den sie als Trainingsraum nutzen. Für FoD habe ich mich durch so viele Infos gekämpft – darunter viele Waffen und Kampftechniken. Ich habe davon keine Ahnung eigentlich, deshalb habe ich mir zuerst angesehen, wie das japanische Militär mit Waffen bestückt ist. Die SIG Sauer P220 gehört zur Standartausrüstung, daher ist meine Wahl recht schnell auf diese Pistole gefallen – zu den Waffen aber später noch gesondert mehr. Ich mag die Stimmung im Aufenthaltsraum, sie wirkt zum ersten Mal nicht so bedrohlich, Daisuke versucht zu naschen und Sora tadelt ihn. Es hat ein wenig was von Familie, denn offensichtlich sind die Digiritter und ihre Blutsverwandten nicht zusammen. Aber in diesem Kapitel treten erstmalig interne Konflikte zutage, die zeigen, dass die Harmonie zu beginn eben nur ein Strohfeuer ist und wir uns hier wahrlich in einem Krieg befinden – ein Krieg mit ganz unliebsamen Entscheidungen. Warum wer wie reagiert erfahrt ihr dann zu gegebener Zeit. Bis dahin PenAmour Kapitel 5: Bergbauer -------------------- + Turn out the light And what are you left with? Open up my hands And find out they're empty. Press my face to the ground I've gotta find a reason. Just scratching around For something to believe in. (Aqualung –Something to believe in) + „Das werdet ihr brauchen können.“ Koushiro drückte Taichi ein achteckiges Gerät in die Hand, das aussah wie ein Pulsmesser, der am Handgelenk befestigt wude. Fragend schaute Taichi ihn mit seinen haselnussbraunen Augen an, woraufhin der Junge mit dem kurz geschorenen Haaren, die kaum mehr als einen rot-braunen Schimmer auf seine Kopfhaut warfen, zur Erklärung ansetzte. „Es ist ein D-Trace, das ich vor einiger Zeit entwickelt habe, und mit Hilfe von Ken fertig stellen konnte. Es imitiert die elektrischen Impulse des Digivices, und hat gleichzeitig die Funktion, diese Impulse zu verschleiern und zu filtern.“ Er erinnerte sich daran, wie er während seiner Arbeit an der neuen Festung der freien Digimon immer wieder Prototypen dieses Geräts bei sich getragen hatte und Koushiro darüber berichten sollte. „Das heißt im Klartext?“ Taichi runzelte die Stirn, während er das D-Trace in seiner Hand besah und abwog. „Damit seid ihr unauffindbar für Augen und Ohren des Kaisers… Es bildet quasi ein elektronisches Schutzschild, dass die Strömungen der Digivices abfängt oder eindämmt…“ Koushiro deutete auf das kleine Armbanduhrgroße Display. „Zudem habt ihr die Möglichkeit mit mir in Kontakt zu treten, so bald ich euch zurückholen soll.“ Anerkennend schob Taichi das Gerät in seine Hosentasche. „Wir können also endlich wder unsere Vices benutzen“, stellte der junge Mann erleichtert fest und griff nach seiner Armeejacke. Koushiro nickte. „Exakt. Ich habe bereits die Sperren in euren Digivices aufgehoben.“ Er wirbelte einmal um die Achse und öffnete mit einigen kurzen Handgriffen einen kniehohen Spind, der direkt unter seinem Schreibtisch platziert war. Hier bewahrte er die Digivices auf, nachdem er sie mit Sperren und Blockierungen versehen hatte, die dafür sorgten, dass man sie nicht mehr orten konnte. Gleichzeitig hatten die Vices dadurch einen enormen Kraftschwund erlitten, so dass es ihnen gerade einmal möglich war, ihre Digimon auf dem Child-Level zu halten. Er nahm sein Vice entgegen und spürte sogleich das vertraute Gefühl, dass von dem Gerät ausging. Taichi warf ihm einen Blick zu: „Bereit?“ Er nickte stumm und schluckte, während er seine Ausrüstung ein letztes Mal überprüfte. Jede Reise in die Digiwelt barg Risiken, die es zu minimieren galt. Unter seinem khakifarbenen Armeehemd trug er eine schusssichere Weste und hielt für den Notfall eine Gasmaske bereit, die bei einer Curse Crimson Attacke eines felsigen Golemons durchaus nützlich sein konnte. Die übergroßen Gnome mit den dicken Fäusten waren in der Lage ein hochgiftiges Gas abzusondern, mit welchem die Digimon einen Menschen in Windeseile außer Gefecht setzen konnten, oder schlimmer. „Na dann…“ Koushiro ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken und drosch mit einer gewissen Vorfreude auf die Tastatur ein. „…ich werde nun eine Umprogrammierung vornehmen und euch durch ein eigens erbautes Digitor in die andere Welt schicken. Bedenkt aber, dass ihr nur vierundzwanzig Stunden Zeit habt, bis das System den Fremdkörper bemerkt und nur weitere drei Stunden, bis es ihn lokalisiert. Ich werde noch einen Trojaner als Datei dranhängen, so dass euch maximal dreißig Stunden bleiben, ehe ich das Tor löschen muss. Ich habe die Spanne im D-Trace eingespeichert. Es wird euch stündlich über die verbleibende Zeit informieren. Mehr kann ich nicht für euch tun. Verpasst ihr das Tor, seid ihr auf euch allein gestellt…“ Doch Taichi winkte nur ab und schulterte seine Howa vom Typ 89. Das Sturmgewehr gehörte auch zu seiner Ausrüstung und drückte ihm gegen die Wirbelsäule. Sora und Yamato traten in das Büro Koushiros, er hatte den Arm um ihre Schulter gelegt, doch die Sorge war ihr unverkennbar auf das Gesicht geschrieben. Während die drei sich voneinander verabschiedeten, hielt er heimlich Ausschau, doch Daisuke und Miyako tauchten nicht auf. Das Licht sog sie in sich auf und schleuderte sie durch die digitalen Sphären, bis sie wieder festen Boden unter den Füßen zu fassen bekamen und der Wind erbarmungslos an ihnen zerrte und ihnen die Sandkörner ins Gesicht schleuderte. Über ihren Köpfen ragten die schwarzen Türme wie Damoklesschwerter in den Himmel. Er konnte die Umrisse Taichis schemenhaft erkennen, der sich vor den Peitschenhieben des Windes duckte und zu ihm herüberstapfte. Unaufhörlich pumpte sein Herz das Blut durch seinen Körper, während er diesen unter schweren Atemzügen vorwärts bewegte und die Schweißperlen in seine Augen tropften. Er konnte das Ächzen der Erde unter seinen Füßen spüren. Überall war Dunkelheit und Wüste. Die Wälder waren verschwunden, die prunkvollen, lebensfreudigen Städte dem Erdboden gleich gemacht. Der Kaiser hatte nur wenige Tage gebraucht, um den Schrecken von der Menschenwelt auf diese Welt auszuweiten. Dies hatte dazu geführt, dass beide Welten unaufhörlich miteinander verbunden waren. Die Schreie der Digiwelt hallten auch heute noch in seinen Ohren nach und er konnte sich ihrer nicht erwehren, als habe die Saat ihn auf Ewig an diese andere Welt gekettet. Sie war zu einem Teil seines Körpers geworden, als er sich zu ihrem ersten Kaiser erklärt hatte. Wenn er an die Zeit zurückdachte, waren die Erinnerungen kaum mehr als vage Schatten auf seiner Seele, die er seit jeher gutmachen wollte. Taichi hatte sein Sturmgewehr entsichert, während sie sich an den Felsen vorbei kämpften. Die Digimon hatten sich vor dem Kaiser verstecken müssen, denn selbst der Tod würde sie nicht vor dem Sklaventum schützen. Und so blieb ihnen nur dann die Freiheit, wenn sie überlebten und sich in den hintersten Winkeln verkrochen. Andernfalls hätten sich ihre Augen unter dem Einfluss der dunklen Türme und dem Schattenserum blutrot verfärbt. Sein Nachfolger hatte seine Erfindungen von damals ausgeweitet und bis zur Grausamkeit perfektioniert. Die Teufelsspirale und die dunklen Ringe waren Geschichte. Der Kaiser benutzte vielmehr ein Serum, das injiziert wurde und auf die schwarzen Türme reagierte. Im Gegensatz zu den Ringen und Spiralen war das Schattenserum nicht sichtbar und deshalb auch äußerlich unzerstörbar. Gleichzeitig schwächten die Türme die freien Digimon und waren wiederum eine Energiequelle für die infizierten Digimon. Sie hatten bereits herausgefunden, dass ein Bestandteil des Serums das Wasser des Meeres der Dunkelheit war, doch viel weiter waren die Forschungen nicht gegangen, da die Digiritter hier in der Digiwelt weitaus weniger Überlebenschancen besaßen, als in ihrer Welt. Er hatte Wochen mit den Digimon verbracht und ihnen beim Bau ihrer Festung geholfen. Er hatte die Baupläne entworfen und zusammen mit Koushiro an der Technik und Tarnung gebastelt. „Ken, beeil dich.“ Taichi winkte ihm ungeduldig zu und wich dem Wind aus, indem er sich dicht an die Felswand drückte. „Entschuldige“, murmelte er und schob die Gedanken beiseite. Suchend wanderte sein Blick über die Dünen, die sich im Wüstenmeer gebildet hatten und die Felsen mit Sandkörnern und Staub bedeckten. Die Rodung der Wälder und die Zerstörung der freien Dörfer hatte nicht viel übrig gelassen außer Sand und Dreck und der Wind tat sein übriges, um alles in einen körnigen Nebel zu hüllen. Hier in der Wüste war nichts mehr zu holen, der Kaiser hatte den Sand hinter sich gelassen und seine Zerstörungswut in anderen Teilen der Welten ausgelebt, immer auf der Suche nach verbliebenen freien Seelen, die es zu unterjochen galt. Der Kaiser blickte nicht zurück, kannte keine Reue – und er unterschätzte sie gewaltig, sein größter Fehler vielleicht. Das Versteck der freien Digimon war kaum zu erkennen. Für jeden Unbeteiligten wirkte das Gestein wie ein stoischer Berg, der nicht nachgeben wollte und sich in den Himmel reckte. Die Fahrende Festung konnte verschnaufen. Vorsichtig robbte er auf einen kleinen Felsvorsprung zu tastete die scharfen Kanten des Steins ab, während der Lauf der Howa in Taichis Hand seinen Rücken deckte. Mit den Fingern schob er eine Klappe beiseite und ein Tastenfeld kam zum Vorschein. Eilig tippte er den sechsstelligen Zugangscode ein und schnaufend hob sich die vermeintliche Steinwand und gab den Weg in das Innere des Berges frei. Unsanft stieß Taichi ihn in die Felsspalte und der Eingang verschloss sich wieder und um sie herum wurde alles dunkel. Das Licht einer Taschenlampe flackerte auf, die ihm Taichi in die Hand rückte, während er selbst seine Waffe im Position rückte. „Man kann nie wissen“, raunte er und deutete ihm an mit der Lampe den Weg zu leuchten. Der Lichtkegel wanderte über die Steinmauer und verlor sich in der Finsternis des Tunnels, den er selbst so konstruiert hatte. Bereits die erste Festung, die er erbauen ließ, hatte sich durch so ein Tunnellabyrinth ausgezeichnet. Unwillkommene Eindringlinge konnten so zumindest eine Zeit lang aufgehalten werden, oder sie verloren sich in den Gängen, bis Hunger und Angst die Zügel übernahmen. Er hielt Taichi am Arm zurück, als dieser beinahe in eine der Fallen tappte, die zusätzlich angebracht worden waren. Dies hier war sein Sicherheitssystem und seine tödlichen Fallen. Erneut gab er einen Code in ein Zahlenfeld ein und deaktivierte so den Mechanismus, der sonst dazu geführt hätte, dass tausende der giftigen Kunemon-Stachel auf sie niederprasselten. Aus heiterem Himmel spürte er den eisigen Griff Taichis auf seinem Schulterblatt. Seine Finger drückten ins Fleisch, während er auf einen Schatten deutete, der sich im Schein der Taschenlampe langsam näherte. Hastig löschte er das Licht. Schritte hallten auf den Steinböden wider und die eisige Felswand biss ihn in den Rücken, als er sich panisch an sie drückte. Mit einem Klicken entsicherte Taichi die Howa, während seine eigenen Beine drohten nachzugeben. Seine Kiefer drückten aufeinander und die Muskeln in seinem Körper schienen vor Spannung zu zerbersten. Mit zitternden Händen griff er nach der Handfeuerwaffe an seinem Gürtel. Das kalte Metall brannte auf seiner Haut und die Schritte kamen unmittelbar vor ihm zum Stehen. Just if you dont see a future And your dreams are falling down If pain enters new dimensions And you feel like you would drown (Ephemere – Hopelessly) ____________ Author’s Note: Ein neues Kapitel aus der Sicht von Ken, denn dieser hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Digimon-Widerstand noch lebt – ironischerweise in dem er dafür die Technik aus seiner Fahrenden Burg, mit der er als Digimonkaiser unterwegs war, übernommen hat. Ansonsten haben wir ein neues kleines Gadget – das D-Trace, das sehr hilfreich ist, um unsichtbar bleiben zu können. Ihr haltet einen weiteren Einblick in die Ausrüstung der Digiritter, die zeigt, dass sie sich durchaus vor Digimonattacken wappnen und schützen können. Hinzu kommt die Digiwelt selbst. Die schwarzen Türme sind wieder da, nur dass sie diesmal keine Spiralen und Ringe kontrollieren, sondern das Innerste der infizierten Digimon – das Schattenserum macht’s möglich! Die Howa vom Typ 89 gehört ebenfalls zur Ausrüstung des japanischen Militärs und ist ein Gewehr. Und nun lasse ich euch mit dem Cliffhanger zurück ;P Bis dahin PenAmour Kapitel 6: Bienenkönigin ------------------------ + I look into your eyes Diving into the ocean I look into your eyes Falling! Like a wall of stars. (M83 – Too Late) + Elegant schlüpfte Yamato unter Takerus ausgestreckten Armen hindurch, so dass sein Bruder ins Leere taumelte, drehte sich geschwind und griff mit seinen langen Fingern nach Takerus Hals. „Und wieder tot!“, grinste er und strich sich eine aschblonde Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus seinem Zopf gelöst hatte, während sein Bruder sich aus der Umklammerung befreite, die in der Realität tödlich gewesen wäre. „Du hättest mir aber auch einmal eine Chance geben können“, keuchte er mit gespielter Empörung und rieb sich über den geröteten Nacken. Sein Haar, das etwas dunkler und kürzer war, als das seines Bruders, klebte ihm im Gesicht und Schweißperlen tropften von seiner Nasenspitze. Doch Yamato schüttelte bestimmt den Kopf. „Keine Vorteile für Familienangehörige.“ Er warf dem Jungen mit den schmuddelblonden Haaren eine Wasserflasche zu und griff selbst nach dem schneeweißen Handtuch mit dem goldenen Hotelemblem, das sie in der Hand hielt. „Danke“, murmelte er und strich ihr flüchtig über den Rücken. Sie versuchte ein Lächeln, bevor er sich wieder seinem Bruder zuwandte und die spielerisch ernste Trainingseinheit fortsetzte. „Das ganze noch mal!“, befahl er und seine Augen glänzten, wie das Meer, das von der Sonne beschienen wurde. „Und dieses Mal versuche meine nächsten Schritte zu erahnen, bevor du mich angreifst… Sei schnell und präzise.“ Takeru holte tief Luft, während der Schweiß auf seinem Gesicht schimmerte und die Sehnen seiner Muskeln sich auf seinen Armen abzeichneten. „Auf drei! Eins…zwei…“ Doch bevor Yamato fortfahren konnte, war Takeru bereits losgesprintet, riss sein Bein in die Luft und donnerte seinen Fuß gegen den Brustkorb, so dass Yamato wankte und die Überraschung auf seinem Gesicht deutlich zu erkennen war. Ohne zu zögern ging Takeru in die Hocke, stemmte sich mit den Armen auf dem Boden ab und fegte seinen Bruder mit einer raschen Beinbewegung um, so dass dieser mit einem dumpfen Aufprall auf der Trainingsmatte landete. „Nicht schlecht.“ Lachend richtete Yamato sich auf und ergriff die ausgestreckte Hand seines Bruders. „Unverfroren, aber wirkungsvoll.“ Nicht ohne Stolz klopfte er seinem Bruder auf die Schulter und für einen Augenblick waren sie wieder die Jungen von früher. Sie schluckte… …ihre Augen suchten den dunklen Schulflur ab, ihre Stimme hallte von den Wänden wider, an denen bunte Zeichnungen von Kinderhänden hingen. Das Atmen viel schwer, während sie die Angst aus ihren Gedanken verbannte. Wo war er nur? Sie hatte noch keine Chance gehabt, mit ihm darüber zu sprechen, zu erfahren, was in ihm vorging. Und nun verbarrikadierten sie sich hier, in der Grundschule, in der sie so viel Zeit mit Unbeschwertsein und Banalitäten verbracht hatten. Und dann war er einfach verschwunden, hatte sie in einem der Klassenzimmer zurück gelassen, ohne ein weiteres Wort… Die Türen zur Schulbibliothek waren einen Spalt geöffnet und ein flackernder Lichtstreif drang auf den dämmrigen Flur, den sie so oft auf- und abgeschritten war. Die Regale bauten sich bedrohlich vor ihr auf, während sie den Raum betrat, der nur von einer Kerze beleuchtet wurde, die auf einem der Tische stand, die zwischen den vielen Regalen platziert waren Sie konnte seine Umrisse im flackernden Kerzenschein erkennen, während er vor der kleinen Flamme hockte und sein Gesicht unter den verschränkten Armen verbarg. Ihr Schatten fiel auf ihn herab und erschrocken zuckte er zusammen. Schützend legte er die Arme vor die geröteten Augen und versuchte sie mit fahrigen Gesten davon zu scheuchen. Er wirkte hilflos und verloren, wie ein kleiner Junge. Ein Junge, der sich schon so lange vor ihr versteckt hatte und den sie so sehr vermisste. Der Junge, der sie zum Lachen und Weinen gleichermaßen brachte. Der Junge, der sie rettete und Katastrophen heraufbeschwor. Der Junge, den sie geliebt hatte. Sie ließ sich vor ihm auf die Knie sinken. „Ach, Tai…“ „…komm schon!“ Mimis Boxhandschuh prallte an Hikaris ab, die ihre Deckung aufrecht hielt und hochkonzentriert auf ihre Gegnerin stierte. Mit vergnügter Angriffslust forderte Mimi sie heraus und die honigblonden Locken wippten gespannt, während die beiden Mädchen sich umkreisten und die in Boxhandschuhen gehüllten Hände schützend vor das Gesicht hielten. Die Fäuste prallten abermals aufeinander ein und die Handschuhe gaben ein lautes Klatschen von sich. Unterdessen stemmte Jyou mit angestrengter Miene einen Satz Gewichte. Geschmeidig folgten seine Muskeln den Bewegungen. Sie erzählte von körperlichen Erfahrungen, die sie ihm vor vielen Jahren niemals zugetraut hätte. Es war absurd, den lerneifrigen Pedanten mit einer Hantel zu sehen. „Bereit?“ Yamato hatte einen Arm um sie gelegt und schaute sie fragend an, als Takeru das Feld räumte und zur Waffenkammer trottete, wo Iori bereits damit beschäftigt war das Magazin seiner HK MK23 zu füllen. Die 15 Zentimeter lange Pistole wirkte völlig deplatziert in den Händen des Jungen. Doch Iori selbst war ungeachtet seines Alters in seinem Element, während er am Lauf der Schusswaffe einen Schalldämpfer anbrachte und übungshalber auf die Wand zielte. Anders als sie, die sich in diesem Raum nie besonders wohl gefühlt hatte, fügten sich die Waffen unter Ioris strenger Hand seinem Willen. Sie mochte den Raum nicht, der einmal ein Fitnessclub des Hotels gewesen war. Die Küche war ihr da lieber, wo sie Daisuke verbot aus den Kochtöpfen zu naschen, und den Duft von gekochtem Reis einatmete. Sie seufzte, doch er wartete ihre Antwort nicht ab und drückte ihr einen dünnen Gegenstand in die Hand. Unschlüssig… …klebten ihre Finger in der Luft, Zentimeter von seiner Stirn entfernt. Mit einer wirren Bewegung wischte er sie beiseite und versuchte das Zittern zu verbergen, das seinen Körper erschütterte, in dem er sich erhob und sich so weit wie möglich von ihr entfernte. „Was gibt’s?“, fragte er mit gespielter Geschäftigkeit und nahm ein Buch aus einem der Regale. Sie versuchte ihn am Arm zu fassen zukriegen, doch er wich ihrer Berührung aus, als bestünde sie aus einem unheilbaren Gift, dass ihm einen langsamen, qualvollen Tod bescherte. Er schüttelte beinahe flehend den Kopf und die geschwollenen Augen starrten traurig auf das Buch, das er krampfhaft in der Hand hielt. Energisch machte sie einen Schritt auf ihn zu. Der Abstand verringerte sich und ihre Hände fingen sein Gesicht ein. Er versuchte sich zu befreien, doch der Krieger in ihm schien des Kämpfens überdrüssig und so gab er schließlich mit hängenden Schultern nach. „Bleib…“, flüsterte sie ihm sacht ins Ohr und schmiegte ihre Wange an seine. Sie spürte wie sich seine Schultern langsam entspannten und sein warmer Atem ihre Haut streifte. Lautlos schluchzte er und seine Tränen vermischten sich auf ihrer beide Wangen mit den ihrigen, während seine Arme ihren Körper umschlungen… …der helle Griff schmiegte sich an ihre Handfläche und fühlte sich hölzern an, während die Klinge einer größeren Nähnadel glich. „Das ist ein Stilett“, flüsterte er leise und sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut. „Ich habe es schon eine ganze Weile. Eigentlich wollte ich es dir erst zu unserem Jahrestag schenken, aber in Anbetracht der Tatsache, dass wir wohl bald einen großen Kampf erwarten…“ Die Worte hingen unvollendet in der Luft und bedurften keiner weiteren Erklärung. Mit dem Zeigefinger strich sie über die Klinge, die sich zu einem tödlichen Stachel verwandeln konnte. „Der Dolch stammt aus Italien und ist überaus effektiv“, erklärte Yamato weiter und setzte hinzu: „Wenn man ihn richtig einsetzt.“ Vorsichtig griff er nach dem Stilett und richtete es auf einen Sandsack, der von der Decke hing. Mit einer blitzschnellen Handbewegung versenkte er den Stachel waagerecht im Sack. Das Loch, das zurückblieb, war selbst für das bloße Auge kaum erkennbar und ließ nur einige kleine Sandkörner durchsickern. Wäre der Sandsack ein Mensch gewesen, so wäre nicht mal besonders viel Blut aus der Wunde austreten. Das Leiden bliebe unsichtbar. „Ein Stich in die Niere bedeutet den schnellen Tod.“ Seine Hände ruhten auf ihrem Rücken, links und recht von der Wirbelsäule, wo sich die Organe befanden. „Wohingegen ein Stich in die Bauchdecke dazu führt, dass der Gegner langsam verendet und innerlich verblutet…“ Seine Hand wanderte demonstrativ zu ihrem Bauch. Ein Schauer durchfuhr sie und langsam drehte sie sich um und sah ihm ins Gesicht, auf welchem die Faszination für die Stichwaffe deutlich zu erkennen war. Sie vermisste die Wärme, die einmal an seinen Lippen gehangen hatte, wenn er ein Musikinstrument in der Hand gehalten hatte. In diesen Momenten schien er immer ganz bei sich gewesen zu sein. Doch die Wärme war der Härte des Krieges gewichen. Sie wusste um seine Liebe, keine Kälte der Welt könnte daran etwas ändern, aber um seinetwillen sehnte sie sich nach der Gitarre, die ihm… …Trost spendete. Die Welle der Traurigkeit ebbte ab und er löste sich aus ihrer Umarmung. Entschieden und ohne Umschweife. Enttäuscht zog sie die Arme zurück. „Ich muss stark sein“, raunte er leise mit brüchiger Stimme. Die Mauer baute sich wieder zwischen ihnen auf und Panik stieg in ihr auf, während er sich zurück an den Tisch setzte. „Nicht für mich“, murmelte sie und malte die Schrammen im Tisch mit dem Finger nach. Sie wollte nicht, dass er sie ausschloss, sie ertrug es nicht. Ihre Finger wanderten über die Tischplatte, doch er ließ sich nicht darauf ein. „Gerade für dich!“, gab er zurück und Wut blitzte in seinen dunklen Augen auf. „Bitte Tai, tu mir das nicht an.“ Ihre Augen brannten, als er sich erneut erhob und die Bibliothek – sie – verlassen wollte. Seine Faust donnerte gegen eines der Regale und eine Buchlawine prasselte auf ihn herab. „Was willst du eigentlich von mir Sora?“, zischte er und fegte einen weiteren Bücherstapel von einem Regalboden. „Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“ Schwer atmend starrte er sie an, mit so viel Hass, dass es ihr die Kehle zuschnürte. „Nein“, antwortete sie leise und wischte die brennenden Tränen beiseite. „Warum nicht?“ Erschöpft ließ er sich mit dem Rücken gegen das Regal fallen und fuhr sich durch das zerzauste Haar. „Warum zum Teufel nicht?!“ Langsam bahnte sie sich einen Weg durch die Bücherberge. „Weil du mein bester Freund bist und du mich brauchst. Mehr als zuvor. Und egal was du jetzt sagen willst, um mich vom Gegenteil zu überzeugen, es wird nicht funktionieren. Weil du mich brauchst. Also spar dir deinen Heldentum, Taichi Yagami. Ich weiß es besser!“ Sie hatte eine weitere Wutlawine erwartet, doch er seufzte nur und strich ihr mit dem Zeigefinger flüchtig über den Nasenrücken. „Du solltest dich von mir fern halten, wenn du es besser weißt“ Sein durchdringender Blick ließ sie erstarren. „Hast du nicht gesehen, was passiert?“ Er hatte sich nun direkt vor ihr aufgebaut und stützte die Hände auf den Regalböden ab, während ihr Rücken sich gegen das Regal drückte. „Die, die mir wichtig sind wird er suchen, bis er mich gebrochen hat.“ Energisch schüttelte sie den Kopf, doch bevor sie etwas erwidern konnte, packten seine Hände ihren Kopf und hielten ihn still. „Sei nicht so dumm.“ Die Härte verschwand aus seinem Gesicht so schnell wie sie gekommen war. „Ich will dich nicht verlieren“, schnaufte er, ohne sie loszulassen. Sein warmer Atem hinterließ ein Prickeln auf ihrer Haut und seine Knie streiften ihre. „Deshalb musst du dich von mir fernhalten. Ich bin nicht sicher!“ „Das kann ich nicht“, flüsterte sie. „Du bist ein Teil meines Lebens.“ „Und du liebst Yamato.“ „Aber dich brauche ich auch!“ Tränen rannten über ihre Wangen und tropften auf seine Hände. Sie wollte sie wegwischen, doch er kam ihr zuvor. „Das hättest du nicht sagen sollen.“ Seine Stimme schien zu bersten, während sein Gesicht sich ihrem näherte. Sein Gesicht näherte sich ihrem und sie verlor sich in den nussbraunen Augen. Seine eisig blauen Augen ließen von der Klinge ab und fanden ihr Gesicht. Abermals versuchte sie ein Lächeln, doch es verrutschte und er runzelte die Stirn. Sie konnte ihm selten etwas vormachen. Ihr Herz schlug immer noch für ihn. Das Klopfen in ihrer Brust hatte nicht nachgelassen. Nie. Doch manchmal schien es, als schlügen dort zwei Herzen. Das eine gehörte genau hier her, zu ihm, mit der Klinge in der Hand. Aber das andere rief nach dem haselnussbraunen Haar, das in alle Richtungen stob und in ihr ein warmes Gefühl von Sehnsucht wachrief. Doch auch er hatte den Krieg in sein Herz gelassen. Und manchmal wusste sie nicht, um wen von ihnen sie mehr bangte. Wer ihr die größeren Sorgen bereitete, und sich selbst im Strudel der Gewalt verlor. „Sora“, murmelte er mit einem Kratzen in der dunklen Stimme. „Ich muss wissen, dass du im Falle eines Kampfes gerüstet bist… Muss wissen, dass du sicher bist…“ Seine Finger ruhten auf ihren Wangen, ihr Herz – das eine von zweien – presste sich wild gegen die Brust und ihr Magen zog sich zusammen. „Es ist mir lieber, dass du hundert Männer tötest, als dass auch nur einer von ihnen dir ein Haar krümmt.“ Das Gesagte ließ einen panischen Schatten über seine Augen flattern und die Angst kroch bis in seine zitternden Fingerspitzen. Langsam umschloss sie seine Hände mit ihren und presste ihre Lippen gegen die Handflächen. Wenn ihn das beruhigte, während er seine Kriege bestritt und sein Leben aufs Spiel setzte, dann würde sie sich mit dem tödlichen Stachel anfreunden. Just if you don`t see a future And your dreams are falling down If pain enters new dimensions And you feel like you would drown Take your broken bird and fly (Ephemere – Hopelessly) ____________ Author’s Note: Einen schönen Sonntag (oder anderen Tag) allen miteinander! Da bin ich wieder mit einem weiteren recht trainingslastigem Kapitel. Es war eine kleine Herausforderung das Brüderliche zwischen Takeru und Yamato herauszuarbeiten – aber ich empfinde es als einen wichtigen zwischenmenschlichen Teil. Zwischenmenschlich passiert in diesem Kapitel so einiges, wie ihr sicherlich gesehen habt. Dabei waren die Übergänge zwischen den Zeiten total spannend. Lange wusste ich nicht, wie ich es am besten gestalte. Aber dieses fließende Ineinandergreifen schien mir so symbolisch und vor allem spiegelt es Sora wider. Versteht mich nicht falsch, es ist nicht so, als würde sie Yamato fortwährend betrügen, nein, dies war ein einmaliger Ausrutscher- körperlicher Natur. Auf der emotionalen Ebene betrügt Sora Yamato, Taichi und sich selbst, ohne Frage – aber ihre Gefühle bleiben. Was soll sie also machen? Es liegt in ihrer Natur sich zu sorgen, befürchte ich, und Yamato und Taichi geben ihr allen Grund dazu, dass sie sich sorgt. Dieses Stilett ist eine Waffe auf die ich zufällig gestoßen bin – Yamato erklärt das meiste schon. Das Stilett ist sehr hinterhältig, denn der kleinste Stich führt schon zum Tode, ohne dass man äußerlich etwas sieht – perfekt für all die Intrigen, die wir in der Geschichte finden. Außerdem sind haben wir hier einen weiteren Raum kennengelernt. Den Trainingsraum, von dem Daisuke schon berichtete. Und eine weitere Waffenform tritt auf – die MK23 ist eine besonders für den Kampf geeignete Pistole. Je mehr von ihnen auftauchen, desto mehr werde ich wohl dazu erklären müssen.^^ Aber nun denn, das war die Bienenkönigin – der Kapitelname kam im gleichen Atemzug, wie das Stilett. Bis dahin PenAmour Kapitel 7: Richters Henker -------------------------- + If I was young, I'd flee this town I'd bury my dreams underground as did I, we drink to die, we drink tonight. (Beirut – Elephant Gun) + Das Messer schnitt durch die Luft wie durch Butter und er konnte der Klinge im letzten Augenblick ausweichen, bevor er den Lauf der Howa instinktiv gegen den Schädel seines Angreifers presste. Blonde Haarsträhnen zwirbelten sich um das Metall des Gewährlaufs und kristallene Augen blitzten in der Dunkelheit des Ganges auf. Sein Gegenüber ließ die Klinge zurück in die Scheide gleiten und ein kühles Lächeln umspielte seine Lippen. „Taichi Yagami, was für eine Freude dich noch lebend anzutreffen“, flüsterte er süffisant und verschränkte die Arme vor der Brust. Er sog die Luft hörbar ein und versuchte das Adrenalin zu ignorieren, welches wie ein Wurfgeschoss durch seinen Körper rauschte. „Wallace, lang ist’s her…“, antwortete er schließlich, während Ken sich neben ihm aufbaute und sich eine rabenschwarze Haarsträhne aus dem Gesicht strich. „Was führt dich an einen Ort von so geringem Interesse“, stichelte der junge Mann ohne seine Eisaugen von ihm abzuwenden oder den Weg freizugeben. Unruhig wanderte Kens Blick von ihm zu Wallace und wieder zurück, seine Unterlippe zuckte, doch er kam ihm zuvor: „Nichts, was für dich von besonderer Wichtigkeit wäre, Wallace.“ Er ließ seine Fingerknöchel knacken. „Außer deine Prioritäten sollten sich mittlerweile geändert haben, und du hast das Bedürfnis irgendetwas zu diesem Kampf beizutragen…“ „Auf keinen Fall“, knurrte Wallace und ließ ihn endlich passieren. Er trug eine Armeeweste und die Absätze der Springerstiefel krachten dumpf auf den Stein, während er ihn mit hochgezogenen Schultern durch den Gang führte. „Es muss wohl einiges bei euch los sein, wenn ihr urplötzlich alle aus euren Löchern kriecht“, hörte er Wallace, während sich eine automatische Tür aufschob und das in den Fels eingearbeitete Metal zum Vorschein kam. „Fehlt nur noch der gute Michael, dann könnt ihr so ein schnuckeliges Gipfeltreffen abhalten…“ Zwei Gottsumon bauten sich vor ihnen auf und musterten sie prüfend mit ihren giftgelben Augen, die im felsigen Gesicht der Steindigimon aufblitzen, von ihrem fröhlichen Naturell war kaum etwas zu erkennen. Er nickte ihnen zu und sie ließen ihn passieren, als sie ihn erkannten. „Was führt dich eigentlich hierher, Wallace?“, fragte er mit gedehnter Stimme und beobachtete den jungen Mann haargenau. Sein Gesicht versteinerte sich, wie das der Gottsumon und sein Adamsapfel wippte, zu seiner persönlichen Genugtuung, unruhig auf und ab, bis er sich mit gespielt desinteressierter Miene stellte: „Ach weißt du Taichi, ich bevorzuge es, meine Versprechen auch einzuhalten…“ „Also jagst du immer noch Hirngespinsten hinterher?“ Doch bevor Wallace auf seine Provokation eingehen konnte, tauchte ein saurierartiges Wesen vor ihnen auf. Die Schnauze des Digimon war weit geöffnet und entblößte eine Reihe von Reißzähnen. „Agumon.“ Sein Herz machte einen Hüpfer und er ging in die Hocke und schloss seinen Partner in die Arme. Die schuppige Haut des Digimons rieb vertraut an seinen Händen und für einen kleinen Moment existierten die Probleme der Welt nicht. Seit die Digimon in ihre Welt zurückgekehrt waren, um dort einen Widerstand zu formieren, hatte er Agumon immer seltener zu Gesicht bekommen. Zu riskant waren Reisen zwischen den Welten, da alle Eingänge bewacht wurden. Daher war das Reisen einer strengen Reglementierung unterworfen, der alle zugestimmt hatten – sogar Wallace. Seine Augen vielen auf Wormon, das mit einem Tränenschleier in den Augen auf Ken zu kroch, während er Patamons Flügelschlagen über seinem Kopf vernahm und auch die anderen Partnerdigimon erschienen. Das Innere der Festung, war anders als es der äußere Anschein vermuten ließe, mit wuchtigen Stahlträgern ausgebaut, blinkende Tastenfelder leuchteten auf und die in Metalloptik eingefassten Schiebetüren öffneten sich leise zischend für die unzähligen Digimon, die ein- und ausgingen und leise flüsterten, als er an ihnen vorbei schritt. Er spürte ihre Blicke auf sich und die Unruhe, die von ihnen ausging, als ahnten sie, dass durch seinen Besuch die Tage des Versteckens gezählt waren. Agumon führte sie an den kleinen Schlafnischen vorbei, die in unterschiedliche Etagen gegliedert waren, um so Konflikte unter den einzelnen Fields zu vermeiden, hin zum Sitzungssaal, wo bereits Wallace Partner Lopmon, die Gefährten Leomon und Elecmon, sowie ein Mädchen mit strahlend blondem Haar, welches ihr über die Schultern fiel, und einem Floramon an seiner Seite, auf sie warteten. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer runder Steintisch, einer Tafelrunde gleichend, an dem er schon unzählige Diskussionen geführt und Debatten gehalten hatte. Catherine neigte kurz den Kopf und strich sich eine Locke aus dem porzellanfarbenen Gesicht. Er nickte ihr zu und ließ sich neben Leomon auf einen der gepolsterten Steinhocker nieder. „Ich grüße dich, Taichi Yagami“, brummte das Digimon mit der Löwenmähne förmlich und reichte ihm zur Begrüßung die Pranke, während Agumon zu seiner rechten Platz nahm und Ken sich zu Catherine gesellte und auch die anderen Partnerdigimon sich einfanden. Nur Wallace lehnte sich mit gewohnter Arroganz gegen einen Stahlträger und beobachtete das Geschehen aus einigen Metern Distanz. „Es freut mich, wieder bei euch zu sein“, begann er und warf einen Blick in die Runde. „Ich wünschte mein Besuch hätte einen angenehmeren Beweggrund, aber die Situation erfordert eine rasche Einigung.“ Er durfte keine Zeit verlieren, verriet ihm das D-Trace und erhob sich von seinem Sitz. „Catherine hat euch bei ihrer Ankunft einen Gefangenen mitgebracht. Dieser Gefangene lässt uns zur Vermutung kommen, dass der Kaiser eine neue Experimentreihe eingeleitet hat, bei dem die Probanden keinerlei Schmerzempfinden besitzen und somit zu perfekten Soldaten werden, die ihrem Gebieter treu zur Seite stehen…“ „Das bedeutet also…“, unterbrach Catherine ihn in französischem Akzent. „…dass er nicht mehr die dunkle Seite der Menschen anzapft, sondern Mithilfe dieses neuartigen Saatguts alle menschlichen und tierischen Eigenschaften seines Sklaven abtötet. Wir haben bereits den Probanden in den hiesigen Kellern untergebracht und führen einige Tests durch, um den Ursprung dieser Saat zu ermitteln“, erklärte sie mit versteinerter Miene. Leomon rieb sich grübelnd das fellbesetzte Kinn, seine Augen ruhten auf der Französin, die kerzengerade am Tisch saß. „Das ist natürlich ein Problem für euch Menschen“, begann das Digimon, das er schon so lange kannte und sie bereits vor einigen Gefahren bewahrt hatte. „Und sicherlich sollten wir Digimon euch unterstützen – im Rahmen unserer Möglichkeiten – aber wir können unsere Truppen nicht für euch in einen Krieg ziehen lassen, der unser Todesurteil wäre.“ Er spürte, wie er sich innerlich verkrampfte, doch Agumon kam ihm zuvor. „Wir sitzen doch alle im gleichen Boot, Leomon“, begann das Drachendigimon. „Ohne die Menschen würden wir heute nicht hier sitzen…“ Ein kehliges Kichern drang aus dem Schatten und Wallace trat ins Licht. „Ohne diese Menschen wäre der Kaiser niemals an die Macht gekommen, würd’ ich meinen…“ Seine Augen verfolgten Ken, der vor Schreck erblasste und in sich zusammensank. Wallace schlug lässig die Beine übereinander als er sich auf einen der freien Plätze fallen ließ und mit seiner rechten Hand über den felsigen Tisch strich. Die vier Finger glitten über die Unebenheiten, während der Stumpf seines Zeigefingers unverrichteter Dinge in der Luft hing und anklagend auf Ken deutete. Er war in aller Ruhe aufgestanden und hatte sich vor dem jungen Mann aufgebaut, dessen Arme von Narben übersät waren. Seine Faust traf Wallace am Kinn, während Wallace Hand ins Leere ging. Er drehte ihm den Arm auf den Rücken und ein zischender Schmerzschrei entfuhr den Lippen des Gegners. „Deine Selbstjustiz ist mal wieder bemerkenswert“, ächzte Wallace wütend und versuchte sich aus dem Griff zu befreien, doch er hatte bereits sooft andere festhalten müssen, dass selbst so ein erfahrener Kämpfer wie Wallace ihm nicht entkam. Er presste seine Lippen gegen das Ohr des anderen und flüsterte leise, so dass die anderen es nicht hören konnten: „Sei vorsichtig Wallace. Du stehst auf dieser Welt ganz allein da, nicht mal Lopmon eilt dir zu Hilfe“, er lockerte seinen Griff und setzte ein Geschoss an schmerzenden Worten los. „Ich weiß, was du alles getan hast, wen du auf dem Gewissen hast, also würde ich an deiner Stelle nicht allzu große Töne spucken. Du bist allein, Wallace und mit jedem Tag schwinden deine Chance, weißt du… Erst heute habe ich zwei Galgomon getötet. Der Kaiser setzt sie in letzter Zeit sehr häufig ein… Sie scheinen genau nach seinem Geschmack zu sein… Aber das weißt du ja sicherlich…“ Und mit diesen Worten ließ er von ihm ab. Hass loderte in den eisigen Augen Wallaces auf, der sich wortlos aufrappelte und den Sitzungssaal verließ. Lopmon schaute ihm mit großen dunklen Knopfaugen hinterher und ließ die Schlappohren hängen. „Wie dem auch sei…“, er richtete sich wieder an die Verbliebenen, die das Schauspiel stumm beobachtet hatten. „Ich will einen Blick auf den Gefangenen werfen und zu einer schnellen Einigung kommen. Zwar kann ich euch nicht zwingen, uns zu unterstützen, aber sobald die Menschheit untergeht, dauert es nicht mehr lange, bis auch eure Freiheit Geschichte ist. Unser Schicksal ist miteinander verknüpft.“ Agumon führte sie durch einen schmalen Treppenschacht, der von Feuerfackeln beleuchtet war und an dessen Ende eine wuchtige Eisentür auf sie wartete. „Ihr kennt unsere Verließe sicherlich noch.“ Die Anspannung war zu hören, während Agumon die Wachen mit einem Blick bedachte, woraufhin diese bereitwillig den Weg frei gaben. Laut knarrend öffneten sich die Türen und sie passierten. Hinter den Gitterstäben, von denen er wusste, dass sie elektrisch geladen waren, befanden sich kleine, beengende Nischen, aus denen gierige blutrote Augen sie anstarrten und Schatten mit ihren Ketten raschelten und scharrten. Er ignorierte die Gefangenen und konzentrierte sich auf die wippenden Locken, die vor ihm auf und ab tänzelten und zu Catherine gehörten. Selbstbewusst schritt sie an den Gitterstäben entlang und zielsicher auf eine weitere Tür zu, die sich am Ende des Ganges befand und zur Folterkammer führte. Das dämmrige Licht hüllte den Raum in einen trügerischen Mantel, der sich über die Gerätschaften legte, die von der Decke hingen und an den Wänden angebracht waren. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Streckbank, die wie ein steriler Operationstisch wirkte. Eine Hochgewachsene Gestalt verdeckte den Blick und drehte sich zu ihnen um, als sie ihre Schritte vernahm. Die eingefallenen Mandelaugen Masao Shikkounins waren hinter dicken Gläsern einer Hornbrille versteckt, die der Mann auf der Nase trug, und mit denen er geschäftig die piepsenden Monitore musterte, auf denen die Vitalfunktionen angezeigt wurden. „Ich sehe, sie haben sich schon an die Arbeit gemacht, Shikkounin-san“, begrüßte er den Mann und gesellte sich zu ihm an den Tisch. Schweißperlen glitzerten auf der hohen Stirn des Mannes, der mit Gummihandschuhen die Riemen festzog und sich anschließend den weißen Kittel zurecht rückte. „Nun wir haben soweit alles vorbereites“, begann der Mann und fuhr sich über das lichte Haar, „dennoch muss ich meine Zweifel zu diesem Unterfangen zum Ausdruck bringen. Diese Methoden sind aus ethischer Sicht nicht vertretbar und ich als Mediziner…“ „Ich habe sie aber nicht nach ihrer Meinung gefragt, Shikkounin-san“, ging er entschieden dazwischen und der Arzt zuckte erschrocken zusammen. „Wir haben ihnen und ihrem Team unseren Schutz geboten, damit sie uns Ergebnisse liefern. Alles andere überlassen sie bitte mir.“ Empörung kroch über das Gesicht des Mannes, doch er hatte keine Zeit, um das Ego eines Erwachsenen mit Gottkomplexen zu kitten. „Testen sie, ob die Immunität des Probanden auf Schmerzen partiell ist und was diese Schmerzresistenz verursacht. Versuchen sie den Probanden so lange wie möglich am Leben zu halten, wir haben nur diese eine Testperson, um unsere Untersuchung durchzuführen. Sollte er versuchen zu fliehen und die Kerker verlassen, töten sie ihn auf der Stelle. Wir können nicht riskieren, dass er unsere Pläne verrät und uns dem Kaiser ausliefert“, befahl er laut und sah dabei Masao Shikkounin eindringlich an, der sein Team bereits anwies, die nötigen Gerätschaften heranzuschaffen. „Einen Moment bitte!“ Catherine war an den OP-Tisch getreten und schaute auf den Mann der dort festgeschnallt war und mit leerem Blick in ihr Gesicht starrte. Er besaß schulterlanges Haar, dass dem Rostrot von Soras Haaren glich, und sein Gesicht war mit unzähligen Sommersprossen übersät. Kleine Lachfalten waren um seine Augen zu erkennen, die jetzt keinerlei Regung zeigten. Neben Catherine, die so perfekt war, wirkte er schlaksig, während sich seine Hände stumm gegen die Lederriemen pressten, die ihn an den Tisch fesselten, als verspürte er einen inneren Drang, der an ihm nagte, ein stiller Ruf, der ihn lockte. Für ihn war dieser junge Mann nur ein weiterer Sklave mit einer Geschichte, die ihn nicht interessierte, doch Catherine streckte die langen, schmalen Finger aus und strich ihm sanft über die Wange. Er hörte sie leise wispern, verstand die Worte jedoch nicht. Mit einem Ruck trat sie vom Tisch zurück. „Na, machen sie schon ihre Arbeit“, deutete sie Shikkounin-san mit kühler Miene an und machte auf dem Absatz kehrt, während das Skalpell in der Hand des Mediziners aufblitze. Just if you don`t see a future And your dreams are falling down If pain enters new dimensions And you feel like you would drown Take your broken bird and fly Without a certain destination (Ephemere – Hopelessly) ____________ Author’s Note: Neue Woche, neues Kapitel. Wir kehren zurück in die Digiwelt und erfahren nun wer Taichi und Ken dort angreift: Wallace. Und Wallace ist nicht erfreut über das Wiedersehen – aber das ist Taichi auch nicht. Die beiden verabscheuen sich schon ziemlich. Das liegt wohl daran, dass sie ihren gegenseitigen Lebenswandel nicht sonderlich schätzen und schon gar nicht Entscheidungen, die in der Vergangenheit getroffen wurden. Es ist kompliziert, aber genau deshalb tun Taichis Worte Wallace ungemein weh – das könnt ihr euch kaum vorstellen. Ich kann euch nur dazu raten, noch einmal über Wallace Lebenslauf zu schauen, dann wird euch sicherlich einiges klarer und schaut euch einmal die Digitationsstufen von einem Galgomon an… Wallace Geschichte wird in Tales of the Firefly aufgegriffen – wie auch die Geschichte vom namentlich erwähnten Michael und der nun anwesenden Catherine. Die Festung des digitalen Untergrunds ist wirklich riesig, schließlich müssen hier alle einen Platz finden – auch die Gefangenen. Es hat sich eine Art Tafelrunde gebildet, der sowohl die Partnerdigimon als auch Leomon und Elecmon angehören – sowie die drei Vertreter der Menschen Taichi (für die Japaner), Michael (für die Amerikaner) und Catherine (für die Europäer). Wie Leomon und Elecmon zum Untergrund stießen ist ebenfalls eine ToF-Geschichte. Kommen wir nun zum bösen Teil: Die Folterkammer. Kriege erfordern ungewöhnliche und auch harte Mittel – heißt es so schön. Taichi vertritt diese Meinung – egal wer ihm gegenübersteht. Dabei ist es in Japan mit dem Respekt so ein Riesending, deshalb dürfte es für den Arzt Masao Shikkounin immer wieder eine Überwindung sein, sich Taichi unterzuordnen. Taichi hat also einen Expertenstab aus Wissenschaftlern unter seinem Kommando. Shikkounin bedeutet übersetzt übrigens Henker… Der Proband heißt Prosper, der sich dort zu verlieren scheint. Catherine und er… nun auch das ist eine ToF-Geschichte… Ich glaube ein bisschen hat mich Percy Weasley zu ihm inspiriert, aber das ist jetzt nicht wichtig.^^ Der Rest ist Schweigen – ihr könnt euch sicherlich gut vorstellen, wie diese Szene weitergeht, ohne dass ich euch die Worte liefere… So oder so tut es weh. Bis dahin PenAmour Kapitel 8: Narbenherz --------------------- + I am lost, in our rainbow, Overcast, by your shadow, as our worlds move on, But in this shirt, I can be you, to be near you – for a while. (The Irrepressibles – In this shirt) + Die Tür krachte mit einem lauten Knall ins Schloss und Koushiro fuhr erschrocken von seinem Schreibtischstuhl auf. Mit seiner gezückten SIG Sauer in der Hand. „Miyako!“, erleichtert ließ er sich zurück auf den Stuhl fallen, der ein empörtes Ächzen von sich gab, und die Pistole landete klackernd auf der Tischplatte. Müde fuhr er sich über matt schimmernde Gesicht. Seine Haut war aschfahl und die Fingernägel abgekaut. „Bist du wahnsinnig?“, herrschte er sie an, als er sich gefasst und den Schrecken überwunden hatte. „Wäre ich nicht so ein miserabler Schütze, wärst du jetzt tot.“ „Bist du aber“, stellte sie spitz fest und fügte etwas leiser hinzu: „Als ob das irgendjemanden interessieren würde…“ Sie ließ sich gegen den Türrahmen fallen. Sie war es so leid, in der Dunkelheit herumzuschleichen und auf Taichi Yagamis Befehle zu warten. Gleichzeitig brannte Hikaris Handabdruck immer noch auf ihrer linken Gesichtshälfte, als hätte ihre einstmalig beste Freundin ein glühendes Eisen auf den nun geschwollenen Wangenknochen gelegt. Koushiro schwieg und legte nur die Stirn in Falten, während er sie beobachtete – mit diesen starren tintenschwarzen Augen, die auf ihrem Gesicht ruhten und jede Gefühlsregung fixierten. Genervt wandte sie sich von ihm ab und versteckte die bösen Erinnerungen, die auf ihrem Gesicht geschrieben standen, vor ihm. Vielleicht hatte sie überreagiert, sie hätte ihre Einwände sicherlich gewählter ausdrücken können, aber das änderte nichts an den Tatsachen. Wozu hatten sie all die Strapazen aufgenommen, wenn sie nun zu solchen zerstörerischen Mitteln griffen? Ihre Stirn berührte die kühle Steinmauer, der grollende Wutrausch ebbte langsam ab und nur noch ein bitterer Nachgeschmack blieb. „Pass auf.“ Koushiro war an sie heran getreten und hatte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter gelegt und drängte sie nun zu seinem Schreibtisch. „Bleib du hier und halte Wache – für den Fall das Taichi und Ken sich melden – dann kann ich meiner Trainingseinheit mit Iori nachgehen. Er wollte mir eh endlich zeigen, wie man mit einer Waffe schießt… und auch trifft!“ Obwohl er ein schiefes Grinsen auf sein Gesicht zauberte, wusste sie, wie wenig er den Kraft- und Schießübungen abgewinnen konnte. Manchmal glaubte sie, dass er ein so schlechter Schütze war, gerade weil er es verabscheute. Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte Koushiro den kleinen Raum bereits verlassen und sie blieb zurück zusammen mit dem Surren des Notstromaggregats. Der kleine quadratische Raum, der durch eine Abtrennung aus Regalen zum Heizungskeller des Hotels entstanden war, wirkte düster und modrig und doch angenehm ruhig. Gerade ruhig genug, um sich zu entspannen, aber nicht zu leise, um sich trüben Gedanken hinzugeben. Die grummelnden Laufwerke hielten sie davon ab. Ihre Finger strichen über den verdreckten Bildschirm. Sie malte krakelige Blumen in den Staub und lauschte dem Tropfen eines leckenden Rohres. Sie wünschte, sie hätte sich von Ken verabschiedet, doch das wurde ihr erst in diesem Augenblick bewusst. Nicht dass es etwas geändert hätte, aber die Vorstellung ihn nie wieder zu sehen, ließ einen dicken Kloß in ihrem Rachen heranwachsen. Sie hatte ihn schon einmal beinahe verloren – wegen seiner Unfähigkeit eine Entscheidung zu treffen – wieder einmal. Sein Hemdärmel hing in Fetzen an seinem Arm und war schmutzverschmiert und blutdurchtränkt. Er rührte sich nicht sondern starrte nur gebannt zum Firmament, wo schwarze Schwingen den Himmel verdeckten. Sie konnte Tränen an seinen Wimpern kleben sehen. Sie fegte die Blumen vom Bildschirm, kleine Staubschwaden wirbelten durch die Luft und segelten schließlich auf den papierbedeckten Schreibtisch, doch das alles konnte ihre Wut nicht verscheuchen. Sie war so wütend, dass es in ihrem Magen brannte. So wütend. Auf die Welt, auf Taichi – natürlich, auf Ken und sein Unvermögen seine Gefühle zu äußern, auf sich selbst, und das war am schlimmsten… Die Wut kam in unregelmäßigen Schüben und beherrschte ihre Gedanken, ihre Gefühle und ihren Körper. Im Nachhinein bereute sie vieles und ertappte sich manches Mal dabei, sich zu wünschen, ebenso gefühlsstumpf und abgebrüht zu sein, wie Taichi, Yamato, Hikari… Doch je mehr die anderen sich ihren logischen Plänen hingaben, desto mehr schien sie zu fühlen. Sie reckte ihren Kopf zum Himmel empor, während die Menschen um sie herum in einen sprachlosen Schockzustand verfielen. Sie rührten sich nicht. Und er lag dort nur am Boden und weinte lautlos. Und dann geriet die Welt ins Wanken und der Boden unter ihnen brodelte bedrohlich. Mit dem Cursor der Maus zauberte sie flimmernde Rechtecke auf den Bildschirm, als wollte sie die Erinnerungen fort schieben, in die hintersten Winkel ihres Verstandes, wo Trauer und Angst ihnen Gesellschaft leisteten. Stunden waren vergangen, seit Taichi und Ken durch das Tor in die Digiwelt gereist waren. Stunden ohne Gewissheit. Wusste Ken, was sie für ihn empfand? Hatte sie es ihm jemals deutlich gesagt? Das Herzklopfen und die Schamesröte, fühlte er ebenso hinter seiner Maske aus zaghafter Unentschlossenheit? Die rostroten Stahlträger des Tokyo Towers krachte in sich zusammen, als Scharen von blutäugigen Monstern ihre Pranken in die Erde schlugen, und die Wucht der Attacken sie von ihren Beinen riss. Schützend beugte sie sich über ihn, während Asche aus sie niederprasselte. Vorsichtig strich sie ihm eine pechschwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Lippen waren aufgesprungen und rotes Blut perlte von ihnen ab. „Bitte Ken, bitte, bitte, bitte steh auf“, hauchte sie und erstickte beinahe an ihren Tränen. Der Computer piepte und sie zuckte nervös zusammen. Doch es war nur eine weitere Stunde verstrichen, die Ken nicht hier war, bei ihr, sondern auf der anderen Seite des Netzes Taichis wahnsinnigen Plan unterstützte, die Menschenwelt komplett auszulöschen, um das lästige Problem zu beseitigen. Lodernde Flammen griffen die Häuser an. Die Feuer krochen über Odaiba und hinterließen Chaos und ausgebrannte Dachgiebel. Ein Ruck ging durch die Menschenmasse und eine vertraute Stimme, gefüllt mit Kraft und Mut hallte über sie hinweg. „Rennt!“ Und die Menschen stoben auseinander, panisch, hastig – nur er lag dort am Boden und flüsterte: „Was hab ich getan… washabichgetan, washabichgetan...“ „Bitte, Ken. Wir müssen. Wormon wartet schon“, flehte sie und riss an seinem Arm, der kraftlos in der Luft hing. Eine feine Blutlinie zog sich über die schneeweiße Haut und endete in der Lebenslinie seiner Handfläche. Sie schreckte auf, als eine ohrenbetäubende Explosion grollend über sie hinweg donnerte und ein Wolkenkratzer in der Luft zerbarst. „Washabichgetan…“ „Hör auf zu denken, Miyako“, seufzte sie und rieb sich über das müde Gesicht. „Hör auf zu denken…“ Die Metallmasten ächzten, Stahlträgerfetzen segelten wie Blitzgeschosse durch die brennende Luft und sie fühlte einen stechenden Schmerz, der sich wie ein Brand über ihrem Gesicht verteilte. Lange Blutfäden hingen an ihren Wimpern und verdeckten ihre Sicht, während sie ein scharfes Metallstück in ihrer Wange fühlte, bevor eine rettende Gestalt sich über sie beugte. Es war nicht Ken, sondern die kräftige, mutige Stimme, die zu ihr sprach: „Reiß dich zusammen Miyako!“ Und zwei starke Arme hoben sie vom brodelnden Boden auf, während ihre Augenlider immer schwerer wurden. Die Welt um sie herum drehte sich, während aus der Ferne ein Schnarren zu vernehmen war. Ein Schnarren, das aus Albträumen gewebt war und sich in ihrem Herzen festbiss. „Bewohner dieses Planeten, ihr untersteht nun meiner Herrschaft. Ich, MaloMyotismon bin euer Kaiser und ihr werdet mir entweder rechtmäßig dienen oder qualvoll sterben…“ Und dann wurde alles um sie herum schwarz und verebbte in Nichtigkeiten. Ihre Finger strichen sanft über die Narbe unterhalb des linken Auges. Die Unebenheit in der Haut war nach wie vor deutlich zu spüren und zog sich über ihre linke Gesichtshälfte. Daneben wirkte Hikaris Schlag wie das Flügelstreifen eine Schmetterlings… Daisuke sagte immer, es ließe sie wie eine Amazone wirken, doch für sie selbst blieb es einfach nur die sichtbare Erinnerung an den schrecklichsten Tag ihres Lebens, die sie immer mit sich herumtragen musste. „Es macht die nicht hässlich, Miyako“, hatte er einmal geflüstert, während sie Wache gehalten hatten. „Es zeigt nur, wie sehr du kämpft und wie sagenhaft mutig und stark du bist.“ Und seine rauen Fingerspitzen hatten sacht die lange Narbe berührt. Es hatte sich angefühlt, als würde die Narbe erneut aufbrechen, die Berührungen stachen und brannten und sie hatte ihm auf die Finger geschlagen, bevor sie die Tränen auf ihrem Gesicht hätten ertasten können. Seitdem hatte Daisuke es nie wieder versucht und sie zeigte ihm wenn möglich die Seite ihres Gesichts, die nicht zeigte, dass sie gekämpft hatte. Und verloren… Jyou hatte sein Bestes gegeben, um ihre Verletzung zu versorgen, das wusste sie, es änderte jedoch nichts. Ein Rascheln drang aus der Ecke des kleinen Raumes in der das Notstromaggregat brummte. Ein Katze sprang grazil über den Boden mit einer toten Ratte in der Schnauze. Sie ließ das Tier fallen. Die giftgrünen Augen musterten sie eindringlich, während sie den pelzigen Kopf schief legte und sich ihrem Schreibtisch näherte. Das schwarze Fell schimmerte vom Jod, das Sora auf die Wunde aufgetragen hatte, die über ihren Bauch verlief. Langsam trippelte die Katze auf sie zu. Taichi hatte sie gerettet, wie er sie damals gerettet hatte. Vorsichtig streckte sie die Hand nach dem Tier aus und strich ihm durch das samtene Fell. Die Katze schnurrte und umkreiste tröstend ihre Beine. Die Wärme des kleinen Körpers breitete sich auch in ihr aus, während die Katze ein aufmunterungsvolles Miauen von sich gab und anschließend die tote Ratte vom Boden aufhob und in der Dunkelheit des Korridors verschwand. Schritte hallten auf dem Steinboden wider und Igelstachel streckten sich durch den Türrahmen, gefolgt von einem runden Gesicht und nussbraunen Augen. „Hey“, murmelte Daisuke leise und lehnte sich unschlüssig an die Wand, nicht sicher, ob sie immer noch wütend auf ihn war. „Hey“, antwortete sie. Sie konnte ihm nie besonders lange böse sein. Und er hatte es eigentlich auch nicht verdient, ein Feigling genannt zu werden – sie war einfach nur so wütend gewesen. Wie sooft. Doch Daisuke schien zu wissen, was in ihr vorging, er rückte einen klapprigen Holzstuhl an den Schreibtisch und setzte sich zu ihr. „Ihm geht’s sicherlich gut“, flüsterte er. Dankbar kuschelte sie sich an seine Schulter und er legte einen Arm um sie. Er trug seinen grauen Pulli, der besonders weich war und sich kuschelig an ihre Wange schmiegte und die Narbe verdeckte. „Taichi ist ja bei ihm…“ Just if you don`t see a future And your dreams are falling down If pain enters new dimensions And you feel like you would drown Take your broken bird and fly Without a certain destination Open up your blinded eyes (Ephemere – Hopelessly) ____________ Author’s Note: Lange Zeit wusste ich nicht, wo ich mit Miyako hinwollte. Sie bietet einfach sehr viele Möglichkeiten, um eine Kapitelhandlung aufzubauen. Letztendlich habe ich mich dafür entschieden, euch FoD-Miyakos Innerstes zu geben und einige kleine Momente der Vergangenheit und des unmittelbaren Weltkollapses. Um genau zu sein, ist das der Moment, in dem die Welt gerade vom neuen Kaiser erobert wird… Ich muss sagen, dass ich Miyako erst richtig gerne mag, seit ich mit ihr schreibe und dadurch die kleinen Charakterfeinheiten entdecke, die der Serie oft ein wenig am Hintern vorbeigegangen sind… Hier habe ich die Übergänge zwischen Gegenwart und Vergangenheit bewusst ruckartig gesetzt. Ich hoffe das Feeling von brodelnden Erinnerungen, die an die Oberfläche dringen, konnte umgesetzt werden. Ihr wisst ja, die Details machen alles aus. Miyako und Misere gegenüberzustellen hat was tröstendes aber auch symbolisches. Wer, glaubt ihr, hat Miyako in ihren Erinnerungen gerettet? Außerdem wollte ich Miyakos Narbe, die Daisuke schon angesprochen hat, näher erläutern. Ach ja Daisuke. Daisuke, Miyako und Ken – das ist ne interessante Kiste. Viel, viel Freundschaft und ganz große Gefühle… Also genau die Zutaten für Dramen und Abenteuer und das Leben sowieso, nicht wahr?! Und so sind wir auch schon auf der Zielgeraden – für das erste Arc natürlich. FoD ist noch lange nicht vorbei.^^ Bis dahin PenAmour Kapitel 9: Zinnsoldat --------------------- + I never felt so much life Than tonight Huddled in the trenches, Gazing on the battle field, Our rifles blaze away; We blaze away. (The Decemberists – The Soldiering Life) + Das Leben, so dachte er bei sich, während er Koushiro beobachtete, der sich zwischen den Sandsäcken hindurchschlängelte, ist furchtbar undurchsichtig. All die Wendungen und Hürden, die es zu überwinden gilt, glichen dem Parkour, durch den sich Koushiro in diesem Moment kämpfte. Und manchmal muss man sich gehörig konzentrieren, um zu überleben, setzte er den Gedanken fort, als Koushiro sein Ziel erreichte und eine Reihe von Schaufensterpuppen visierte. Der Rückstoß der Minebea PM-9, einer kompakten Maschinenpistole, ließ Koushiro taumeln, während die neun Millimeter Waffe in seinen Händen ratterte, der Kopf einer Puppe vom Rumpf getrennt wurde und Plastikarme durch die Luft sausten. Rasch hob er Hand. „Ich denke, das reicht“, rief er und versuchte den Lärmpegel zu übertönen, der trotz der Schalldämpfer entstanden war. Koushiro ließ sich erschöpft auf eine der grauen Matten fallen und nippte an seiner Wasserflasche. „Das war doch gar nicht so schlecht“, meinte er aufmunternd und griff nach der Maschinenpistole, von der sich Koushiro bereitwillig verabschiedete. „Abgesehen davon, dass ich über eine Hantel gestolpert bin und ein potenzieller Angreifer mich sofort niedergeschossen hätte…“, setzte der Ältere an und ließ sich müde zurückfallen, so dass er mit einem dumpfen Aufklatschen auf der Matte landete und die Augen schloss. „Ich befürchte, nicht fürs Kämpfen gemacht zu sein, Iori…“ „Ach was“, er winkte ab und schob die aufgebäumten Matten zur Seite, die er für den Hindernislauf aufgestellt hatte. „Jeder kann das – es kommt nur auf den richtigen Augenblick an… Spätestens wenn du kurz davor bist zu verlieren, stellt sich dein Körper auf Autopilot und wird alles daran setzen, dich lebend aus der Gefechtssituation zu schaffen…“ „Es ist das Kämpfen, in dem wir uns noch verlieren werden…“, flüsterte Koushiro kaum hörbar. Er schwieg und zerlegte die Minebea wieder in ihre Einzelteile, während er den Raum durchquerte. Das Magazin war leer geschossen und der Lauf noch warm. Das silberne Vorhängeschloss öffnete sich mit einem leisen Klicken und hinter den mannshohen Türen des Metallschrankes blitzten dunkle Gewehrläufe auf und Patronenhülsen, die sorgsam in verschiedenen Kästen einsortiert worden waren. Früher hatte man Hanteln und Gewichte in dem Schrank gelagert, der die komplette Wand in Beschlag nahm, doch nun war er ihre umfunktionierte Waffenkammer, in der sich Schuss- wie Hiebwaffen wieder fanden. Taichi hatte die Munition streng rationiert, die sie für die Trainingseinheiten benutzen durften. „Jede Kugel, die ihr unnötig verschießt, könnte eine Kugel zu wenig sein, wenn es darauf ankommt, euren Feind zu überleben“, hatte er gesagt. Seine Finger strichen sacht über den Abzug seiner HK MK23, die sich in seiner Gürteltasche befand. Die widerstandsfähige Pistole lag ihm perfekt in der Hand und war trotz des sehr robusten Äußeren federleicht und erstaunlich agil. Er hatte schon viele Gefechte mit ihr bestritten. Sie war ein treuer und verlässlicher Begleiter und schien jeder seiner Körperbewegungen exakt zu gehorchen – besser als seinem Vorgänger. Dabei waren die Umstände unter denen die Handfeuerwaffe in seinen Besitz wechselte, alles andere als erfreulich gewesen… Die Propeller des Helikopter fraßen sich durch das Fleisch des angreifenden Megadramons. Ultimate Slicer. Unter schmerzgetränktem Fauchen biss sich das drachenähnliche Digimon, mit den Metallpranken, die Turbinen glichen, im Cockpit des Hubschraubers fest, der bedrohlich in der Luft taumelte. Die Flügel des feindlichen Perfect-Digimons hingen in Fetzen an seinem Rücken und wurden nur noch von dünnen Fleischfäden gehalten, die rot getränkt waren. Einige Meter tiefer trugen Flotten der Meeresselbstverteidigungskräfte ihre Kämpfe aus. Wasser schäumte und der Geruch von Salz und Rauch lag in der Luft. Der Helikopter verlor unterdessen weiter an Höhe und zerschellte schließlich am Bug eines Zerstörers der Shirane-Flotte. Er schloss die Augen und versuchte die Schreie und das Getöse der Zerstörung auszublenden. Man hatte versucht, alle verfügbaren Streitkräfte nach Tokio zu entsenden. Da der Stützpunkt der Shirane-Flotte nur unweit entfernt in der Bucht von Tokio lag, die zum Pazifik führte, konnten sie dem Hilferuf Tokios Folge leisten und waren bereit vor einigen Stunden in See gestochen. Es wurde immer deutlicher, dass die Bodentruppen den Überblick über die Lage verloren und vollkommen überfordert waren, Teile der Stadt zurück zu erobern. Dabei hatte das Militär erhebliche Verluste erlitten und bereits die nordöstlichen Bezirke der Stadt aufgeben müssen. Im Stadtbezirk Adachi hatte MaloMyotismon seine Zelte aufgeschlagen und dirigierte von dort aus seine Angriffe auf die Menschen und ihre Welt. Seit beinahe zwei Woche dauerten die Straßenschlachten mit den digitalen Monstern nun schon an und noch immer war kein Ende in Sicht. Flüchtlinge strömten aus der Stadt ins nahe liegende Umland und immer wieder verschwanden Menschen. Er hatte gesehen, wie man sie in Käfigen abtransportierte, aber er hatte nicht herausfinden können, wohin man die Gefangenen brachte oder was man mit ihnen vorhatte. „Wir bleiben in Tokio und versuchen zu retten, was noch zu retten ist“, hatte Taichi kurz nach der großen Niederlage verkündet. Sein Gesicht war dabei undurchdringbar geblieben, als habe er den Schmerz und die Gräuel der letzten Tage vollkommen vergessen. Er selbst wurde von den schrecklichen Bildern nach wie vor heimgesucht, spätestens, wenn sie ein sicheres Quartier gefunden hatten, und sich für einen kurzen Moment ausruhen konnten, drangen die Bilder wieder mit aller Härte zurück an die Oberfläche. Sie hatten versucht den Streitkräften zu helfen, Taichi hatte den Erwachsenen erklärt, mit welchem Gegner sie es zu tun hatten, und was seiner Meinung nach nun unabdingbar sei. Doch der leitende General hatte sich geweigert, eine Horde von Kindern, wie er es nannte, in den Krieg ziehen zu lassen. Eine noble Geste, nahm er wahrscheinlich an… Vielleicht war sein Erwachsenenverstand aber auch einfach nicht in der Lage, die Argumente der Digiritter gelten zu lassen. Letztendlich hatte es dazu geführt, dass gut ein Drittel der Stadt in feindlichem Besitz war, die Stadtbezirke Minato, Shibuya und Shinjuku sich in tosende Schlachtfelder verwandelten und die Überlebenden ohne Heim oder Schutz dastanden. Er saß auf dem gepanzerten Rücken Ankylomons, das mit rasantem Tempo über die Strandpromenade auf die Stadt zu raste. Taichi hatte entschieden, dass sie sich über den Befehl des Generals hinwegsetzen würden. Zusammen mit Greymon stürzte er sich in die Schlacht gegen die Icemon, die wie eine Eiszeit über die Stadt hereingefallen waren. Die grobschlächtigen, eisig schimmernden Digimon, glichen ihren nahen Verwandten, den felsigen Gottsumon sehr. Unterdessen schwirrten Togemons Nadeln bereits wild durch die Luft, um eine Reihe von graufelligen, wölfisch anmutenden Gazimon davon abzuhalten, in die Stadt einzudringen. Aus seinen Augenwinkeln sah er Miyako und Sora zusammen mit Aquilamon und Birdramon die See ansteuern. Gekonnt wichen die Mädchen den Geschossen aus, als sich eine leuchtende Wasserfontäne aus dem Meer erhob und ein schwarz geschupptes Waru Seadramon aus den Tiefen hervor preschte und eines der Flottenschiffe rammte. Bomben explodierten und trafen den Rumpf der übergroßen Seeschlange, die mit ihrem schuppigen Schwanz daraufhin wütend um sich schlug. Die scharfkantigen Flossen rissen an der Rainbow Bridge, die die künstliche Insel Odaiba mit dem Rest des Bezirks Minato verband. Die Brücke taumelte gefährlich, doch Waru Seadramon ließ rasch von ihr ab, als weitere Geschosse auf den Körper des Digimons auf dem Perfect-Level zusteuerten und seine Schuppen explodieren ließen. Die Kämpfe brodelten und hinterließen überall kleinere und größere Spuren. Der Boden unter seinen Füßen wütete und bäumte sich gegen die geballte Kraft der Attacken auf. Doch am Ende musste sich die Erde geschlagen geben, und die Naturgewalten, die die Digimon in ihren Attacken vereinten, züngelten ungehemmt an der Seele Tokios. So fühlte sich also Krieg an… Er hatte verdammt große Angst und wünschte sich, die Augen verschließen zu können. Vielleicht hatte Taichi ihm deshalb befohlen, ihm den Rücken zu stärken und möglichen Verletzten zu helfen, während seine Freunde um ihn herum die Militärs in ihren Stellungskämpfen unterstützten. „Bleib dicht hinter mir, Iori“, rief Taichi ihm zu und Greymons Klauen wischten ein Duzend Icemons beiseite. Rasch folgte er den Befehlen des jungen Mannes, dessen braune Löwenmähne im Zugwind flatterte. „Keine Sorge, Iori. Ich beschütze dich“, flüsterte Ankylomon mit seiner tiefen, ruhigen Stimme. Er strich seinem Partner sacht über den bepanzerten Kopf und vor ihnen tauchte die marode Shidome-Skyline auf. Wolkenkratzer brannten lichterloh und tauchten den Stadtteil in einen Mantel aus Staub und Asche. Es erinnerte ein wenig an die Terroranschläge in New York aus dem letzten Jahr. Genauso unwirklich. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die vielen weißfelligen Hunde, die sich augenscheinlich zu einem knurrenden Rudel zusammengeschlossen hatten. Bei genauerem Hinsehen stellte er fest, dass es sich dabei um Labramon handelte, die ihre Reißzähne fletschten und deren blutgetränkte Augen zwischen dem weißen Fell hervorstachen. Mega Flame. Greymons Feuerstrahl traf die Digimon, die aufjaulten, während ein am Boden liegender Mann hinter ihnen zum Vorschein kam, der einen khakifarbenen Militärparka trug. Hastig sprang er von Ankylomons Rücken, das sich sofort daran machte, Greymon gegen die Labramon zu unterstützen. Die goldenen Emblemen auf der Brust des Mannes waren bedeckt mit seinem Blut. Diese Orden kannte er nur zu gut von seinem Vater. Früher hatte er sie bestaunt und manchmal durfte er sie sogar in die Hand nehmen. Sie hatten ihm immer gezeigt, dass sein Vater ein Held gewesen war und es hatte ihn mit Stolz erfüllt. Die Militärorden nun an diesem Mann zu sehen, der röchelte und in seinem eigenen Blut lag, hatte nichts heldenhaftes an sich, es war nur traurig. Die roten Schulterstücke und die goldenen Kordeln wirkten völlig deplaziert zwischen all dem Blut und dem Dreck. Vorsichtig beugte er sich über den Mann und versuchte die offene Bauchwunde zu ignorieren. Er röchelte, hustete und öffnete die mandelförmigen, glasigen Augen. Kleine grüne Sprenkel waren in der Iris zu erkennen. „Können sie sich aufrichten?“ Er versuchte dem Mann zu helfen, doch dieser schüttelte nur stöhnend den Kopf. „Es wird hier enden“, brachte er schwer atmend hervor und spuckte Blut. Er wollte etwas erwidern und ihm Mut zu sprechen, doch eine warme Hand legte sich auf seine Schulter. Taichi schüttelte den Kopf. Die Labramon waren besiegt doch für den Mann kam jede Hilfe zu spät. Er rückte vom Verletzten ab und überließ Taichi seinen Platz, der sich nun über den Mann beugte. Seine Augen weiteten sich für einen kurzen Augenblick und auch auf dem runden Gesicht des Mannes machte sich Erstaunen breit. „General Takeda“, begrüßte Taichi den Stabschef der japanischen Bodenselbstverteidigungskräfte. Wie vom Donner gerührt blickte er in das Gesicht des ranghöchsten Militärs des japanischen Heeres. Wie hatte er ihn nicht sofort wieder erkennen können? Der bullige Hals und die ungewöhnlich gesprenkelten Augen waren nun wirklich nichts, was man so einfach vergaß. Andererseits sahen in der Uniform die meisten Männer gleich aus… „Ach – der Junge, der in den Krieg ziehen will“, hustete General Takeda mit rauer, schmirgelpapierartiger Stimme. „Es scheint, als habe ich dich und deine kleine Truppe von Digikämpfern unterschätzt…“ Taichi schwieg und ließ dem Sterbenden seine letzten Worte. „Wir haben es hier mit einer Streitkraft zu tun, der wir Menschen nicht gewachsen sind“, fuhr der General fort, während sich die khakifarbene Uniform mit seinem Blut voll sog. „Falls die Menschen es nicht aus eigener Kraft schaffen…“ Er schluckte und ein Schwall Blut tropfte ihm von der Unterlippe. Seine zitternde Hand griff in die Innenseite seiner Manteltasche und ein zerknitterter Umschlag kam zum Vorschein. Die blutigen Fingerabdrücke des Generals prangten auf dem weißen Papier. „…es gibt nur eine Waffe, die uns dann noch vor einer Niederlage bewahren kann…“ Taichi nahm den Briefumschlag an sich. „…wenn das Militär versagt, zähle ich auf dich, Gefreiter Yagami, diesen Einsatz zu Ende zu bringen …“ Er warf Taichi einen fragenden Blick zu, doch dessen Miene blieb unergründlich steinern. „Das Hauptquartier der Ostarmee in Nerima – dort befinden sich die Waffen, die ihr in diesem Krieg brauchen werdet…“ Seine Augen funkelten beschwörend. Zögerlich deutete er auf den weißen Umschlag in Taichis Hand. „Dort befinden sich weitere Waffen… Kernwaffen. Dies sind die Zugangscodes, um die Waffen freizugeben und zu nutzen.“ Das Reden fiel dem General immer schwerer, während sein eigenes Herz beinahe aussetzte. Taichi beugte sich über das Gesicht des Generals, der lautlos nach Luft schnappte und dem jungen Mann anschließend etwas ins Ohr flüsterte, was er nicht verstand. Taichi rührte sich nicht, doch General Takeda schien keine Antwort zu erwarten, stattdessen sammelte er noch einmal all seine Kräfte: „Ich vertraue darauf, dass du das richtige tun wirst, Gefreiter Yagami. Eine Niederlage ist keine Option!“ Und dann sackte der General in sich zusammen und starb. Rücklings fiel er auf den Boden und spürte wie sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmerte. Eine Träne rollte über sein Gesicht und hinterließ einen feuchten Abdruck auf der Wange. Er hatte den General nur einmal getroffen, bevor Taichi diesen zu einer Unterredung gebeten hatte. Er hatte wie eine Respektsperson gewirkt, der man sein Leben anvertrauen konnte, und die wusste, was in Gefahrensituationen zu tun war. „Er hat nun keine Schmerzen mehr…“ Taichi hatte sich aufgerichtet und klopfte sich den Dreck von der Hose. „Lass uns gehen, Iori.“ Er wollte sich aufrichten, als seine Fingerspitzen zwischen Staub und Kieseln auf etwas hartes trafen. Er warf einen Blick auf den Boden zu seiner Rechten und das Metall einer staubbesetzten Pistole blitzte auf. Vorsichtig hob er die Handfeuerwaffe auf und besah sich das erstaunlich leichte Gerät aus der Nähe. „Kommst du?“ Ungeduldig wartete Koushiro am Ausgang des Trainingsraumes. „Ja“, nickte er und ließ die HK MK23 zurück in seine Gürteltasche gleiten, bevor er die Waffenkammer sorgsam verschloss. Just if you don`t see a future And your dreams are falling down If pain enters new dimensions And you feel like you would drown Take your broken bird and fly Without a certain destination Open up your blinded eyes And steer towards (Ephemere – Hopelessly) _____________ Author’s Note: haPUH. Das wird eine lange AN zu einem wirklich, wirklich anstrengenden Kapitel. Soooo viele Informationen. Die größte Hürde war dabei der Kapiteltitel, weil ich den englischen schon längst im Kopf habe – Son of a gun. Aber leider lässt sich das nicht so gut ins Deutsche übernehmen. Ich vertrete aber die Ansicht, dass Titel und Überschriften zu einem kommen, wenn es passt. Zinnsoldat war so ein Fall. In diesem Kapitel tauchen zwei neue Waffen auf. Zum einen die Maschinenpistole (Pistole nicht Gewehr) Minebea, sie gehört zur Standardausrüstung des japanischen Militärs aka. Selbstverteidigungskräfte, wie die japanische Armee genannt wird, und gleicht einer Uzi. Zum anderen die HK MK23, die eigentlich zur deutschen Polizeiausrüstung gehört. Jeder der Digiritter hat eine Waffe die er bevorzugt, bei Iori ist es diese, bei Daisuke z.B. die SIG Sauer aus den letzten Kapiteln. Nun erfahren wir auch, wie sie zu den Waffen kamen. General Takeda wird uns sicherlich noch einmal in einem Rückblick einen Besuch abstatten. Uuuund wir wissen, was hinter den Zugangscodes steckt. Kernwaffen wie z.B. Atombomben. Die aktuelle Debatte hatte mich dazu inspiriert, die Atomkraft in FoD nicht außen vor zu lassen. Mehr dazu werdet ihr noch zu gegebener Zeit erfahren… Viel Geographie befindet sich in diesem Kapitel. Der Flashback selbst spielt in Minato, erst in Odaiba und dann an der Küste in Shidome. Die anderen genannten Bezirke gehören zu 23 Stadtbezirken in die sich die Stadt Tokio unterteilt – Minato ist einer davon. Das Hauptquartier der Ostarmee befindet sich tatsächlich im Bezirk Nerima. Welch Zufall. Nerima liegt nord-nordwestlich, in etwa… Auch die benannte Flotte existiert und es ist tatsächlich so, dass sie in der Bucht von Tokio stationiert ist. Das waren natürlich alles willkommene Zufälle für mich, die es mir einfacher gemacht haben.^^ Zur Handlung: Ich wollte mal wieder etwas mehr Action reinbringen und das geht derzeit besonders gut durch Flashbacks, deshalb ist das Kapitel sehr vergangenheitslastig. Außerdem wollte ich einen gewissen Kontrast zwischen dem 9-jährigen Iori und seinem Gegenwärtigen Ich herstellen. Nur in kleinen aber durchaus aussagekräftigen Details. Ich hoffe die Kampfszenen waren in Ordnung, ich bin da ja immer etwas vorsichtig, aber es herrscht nun mal Krieg an allen Ecken und Enden. Übrigens ist es ein Wunder, dass ich das Kapitel geschafft habe, derzeit treibe ich mich nämlich vermehrt in Hogwarts rum – soll heißen, dass ich seit Mitte der Woche Beta-Tester bei Pottermore bin Mein Fanherz ist voller Glückseligkeit. Was glaubt ihr, in welchem Haus ich gelandet bin??? Ein Tipp, mir gefällt es da sehr (was für ein grandioser Tipp…). Das führt dazu, dass ich schon mehrere Kessel explodieren ließ, meinen Zauberstab ausprobieren musste, und FoD da etwas ins Hintertreffen gerückt ist. Verzeihung. Ach ja die Digimon: Ich habe versucht sie zu beschreiben und ihnen eine Forum zu geben. Perfect ist im Übrigen gleichbedeutend mit dem deutschen Ultra-Level. So und das soll’s erstmal gewesen sein. Bis dahin PenAmour Kapitel 10: Truchsess --------------------- + It's in your eyes, a colour fade out Looks like, a new transition It's starting up, and shaking your ground Turning your head to see a new day calling. (Pendulum – Witchcraft) + Taichi und Catherine hatten die Keller verlassen noch bevor Masao Shikkounin etwas erwidern konnte. Sein Blick blieb unschlüssig an den eingefallenen Schultern des japanischen Mediziners hängen, der einmal für alle Krankenhäuser dieser Welt hatte arbeiten können und sich nun zusammen mit einigen anderen Kollegen in der Festung des digitalen Untergrunds versteckte. „Leben oder sterben…“ Das hatte Taichi zu dem hoch gewachsenen Mann mit dem lichten Haar gesagt, als dieser sich flehend vor seine Füße geworfen hatte. Seine Arbeit hatte eine Familie nie zugelassen und nun, da der Krieg die Menschheit aufzufressen drohte, erschien dem Allgemeinmediziner nur noch eine Möglichkeit in den Sinn gekommen zu sein. Taichis Augen hatten Masao Shikkounin von oben bis unten gemustert, wie ein Tier, das entweder zur Schlachtbank oder zurück auf die Weide geführt werden sollte. Schließlich hatte er eingewilligt und Jyou damit beauftragt, den Mediziner einzuweisen. Andere seiner Art folgten in den Folgejahren und sie alle hatten mit den gleichen Problemen zu kämpfen: Befehle von einem Jugendlichen entgegenzunehmen, der Furcht einflößende Entscheidungen traf, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch letztendlich waren es die Erwachsenen gewesen, die gescheitert waren. Er wandte sich zum Gehen, als das Skalpell die rosige Haut der Schädeldecke berührte und das Fiepen der Apparate unerträglich wurde. Die schweren Eisentore fielen ins Schloss. Hinter seinen Schläfen pochte es wild und ein Wummern drückte auf sein Trommelfell, während er an den Käfigen vorbeistolperte und ausgestreckten Pranken und Klauen auswich, die zwischen den Gitterstäben hervorschnellten. „Warte auf mich“, keuchte eine hohe Stimme und er erkannte wie Wormon langsam auf ihn zu glitt. Er hatte seinen Digimonpartner beinahe vergessen, als er den Kellern den Rücken gekehrt hatte, die so viel Schreckliches bargen. Vorsichtig hob er das grüne Digimon vom Boden und versuchte ein Lächeln, das ihm wohl etwas verrutschte, denn Wormons sorgenvolle Miene blieb. Der dunkle Stein wich und die stählernen Metallträger reflektierten das Licht der Fackeln in der großen Eingangshalle. Von hier aus waren alle Etagen zu erreichen. Über seinem Kopf rauschte ein Falcomon hinauf zur obersten Ebene, in der sich das Field Wind Guardian aufhielt. Die moosgrünen Federn des Vogeldigimons segelten durch die hohe Halle, bevor es flügelschlagend in einer horstähnlichen Nische verschwand. Er folgte dem Gang, der zum Sitzungssaal geführt hatte. Hier befanden sich zusätzlich die Kammern der Menschen, die sich im digitalen Untergrund aufhalten durften. Man hatte ihm eigens eine Kabine hergerichtet. Dankbar schloss er die Tür hinter sich und starrte auf die kapselförmige Liege, die mit einer Decke ausgestattet war. Müde ließ er sich auf das provisorische Bett fallen und schloss für einen Moment die Augen. Doch der Druck auf seine Schläfen wollte nicht verschwinden. „Kann ich dir irgendwie helfen, Ken?“, flüsterte Wormon und blickte zu ihm hinauf. „Vielleicht etwas Wasser oder noch eine Decke…“ „Ich brauche nichts“, wehrte er ab und zog sich die Bettdecke über die Schultern. „Aber du siehst wirklich nicht gut aus…“, begann das Digimon abermals. „Ich brauche nichts, Wormon“, herrschte er seinen Partner an. Sein Stimme hallte zischend von den Wänden wider und versetzte ihn selbst in Schrecken. Die herannahenden Wellen, er konnte sie spüren. Seit sie die die Digiwelt betreten hatten, könnte er den Sturm in seinen Gliedern fühlen. Er schloss die Augen und versuchte zu atmen, tief Luft zu holen. Doch der Hass summte ihm ins Ohr und flüsterte ihm all die Boshaftigkeiten zu, die er glaubte, überwunden zu haben. Doch mit jedem Tag wurde es schwerer, gegen den Hass und den Schmerz anzukämpfen. Das sich Aufrechthalten, das Gehen und das Atmen, manchmal wurde es zur Qual und mit jedem dunklen Turm, der ihn in der Digiwelt umgab, schien es sich zu verschlimmern. Es brodelte tief in ihm und eine Dunkelheit wuchs heran, die er nur allzu gut kannte. Er kämpfte. Gegen die Vergangenheit und sein Vermächtnis. Doch in der letzten Zeit verirrte er sich zunehmend in all den düsteren Gedankengängen. Matt fegte er einige Schweißperlen von der Stirn. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er platzen. Er drehte sich auf die Seite und schlang die Arme um seinen Körper, um sich beieinander halten zu können und in diesem Anfall nicht verloren zu gehen. Es würde wieder verschwinden – das war es bis jetzt immer. Er durfte sich den Gedanken und dem Hunger einfach nur nicht hingeben. Leider hatte er bereits von der verbotenen Frucht gekostet. Wallace hatte recht. Es war seine Schuld, dass sie sich nun in dieser Lage befanden. Wäre er nicht gewesen, hätte die Saat niemals Triebe geschlagen und hätte er nie einen Thron erbaut auf dem der Kaiser sich nun bettete, dann… Das Drängen wurde stärker und die Rufe lauter. Seine Hände zitterten und der Raum verschwamm vor seinen Augen. Aus der Ferne vernahm er das Rauschen des Meeres. Die Wellen rollten heran und spülten all die guten Vorsätze fort. Was kümmerte ihn die Rettung der Welt? Wenn er wollte, könnte er die Macht an sich reißen und seinen rechtmäßigen Thron besteigen. Es war schließlich sein Thron. Seine Welt. Ein schmerzgetränktes Schluchzen drang zu ihm heran, während die Wellen zu seinen Füßen verebbten und der Rinnsaal der Dunkelheit langsam abfloss und das Weinen ihn bis ins Mark erschütterte. Trauer und Angst und all die schlechten Dinge waren an das Flehen und Weinen geknüpft. Sein Herz wurde schwer, während er nach der Quelle dieser Traurigkeit suchte. Langsam schärfte sich das Bild und die Kabine tauchte vor seinen Augen auf. Die metallfarbenen Wände und der grelle Schein der sich in ihnen spiegelte, drängten sich aufdringlich vor die Dunkelheit. Und er bemerkte, dass es sich bei dem Schluchzen um sein Schluchzen handelte. Seine Fäuste hatten sich in die Bettdecke gekrallt und der salzige Geschmack von Tränen machte sich auf seinen Lippen breit, die er zusammengepresst hatte bis sie aufgeplatzt waren und einen blutigen Film auf seinen Zähnen gebildet hatten. Die Anspannung kroch aus seinen Gliedern, so dass nur noch ein stechender Schmerz im Nacken zu spüren war und er sich bedächtig aufrichten konnte. „Ken?!“ Wormon beobachtete ihn mit aufgerissenen Augen, sorgenvoll und ängstlich zugleich. Und misstrauisch. Er wischte sich das Blut von den Lippen und badete in der Taubheit seines Körpers. Kein Schmerz und kein Hass waren zu spüren. Es kam einer Befreiung gleich. Die Schuld wog nicht gar so sehr und die Dunkelheit begnügte sich für einen Moment mit den Erinnerungen. Doch sie war nicht gänzlich verschwunden. In seinem Körper schien es, als breitete sich ein unkontrollierbarer Orkan aus, der wuchs und wuchs, während er sich von seinen Erinnerungen und der Dunkelheit nährte. Bis jetzt hatte er immer gewonnen. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis er sein zerstörerisches Wesen wieder gegen die Welt richtete... Die Saat hatte ihn nie losgelassen. Daisuke hatte sie verkümmern lassen, mit seiner überschwänglichen Art und Miyakos Liebe hatte ihn für einige Sekunden vergessen lassen, dass sich da etwas in seinem Innersten befand, das man nur verabscheuen konnte. „Es hat wieder angefangen“, raunte er mit brüchiger Stimme, die kaum ein Krächzen war. Er strich sich flüchtig über die schmerzende Stelle seines Nackens. „Und ich befürchte“, fuhr er fort und blickte Wormon in die großen Kulleraugen, „Dass ich es nicht mehr lange aufhalten kann.“ Wormon wich vor ihm zurück, wie er schmerzlich feststellen musste, doch er konnte es dem raupenförmigen Digimon nicht verübeln, das wahrlich nicht die besten Erinnerungen mit seinem Alter Ego verband. „Ich will es nicht, aber ich weiß nicht, wie ich mich dagegen wehren soll…“ Der Zustand, die Kontrolle über sich selbst und alles was ihn ausmachte zu verlieren, hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. „Hast du schon mal Taichi…“, warf Wormon mit überschlagender Stimme ein. „Nein, Taichi hat genug andere Dinge, um die er sich kümmern muss. Und was bliebe ihm wohl für eine Wahl, wenn er es wüsste…“ „Er würde dir sicherlich helfen können…“ „Er würde mich einsperren oder töten…“, eindringlich umfasste er Wormons rundes Köpfchen. Er wusste zwar wozu er selbst fähig war, und die Angst davor schnürte ihm die Kehle zu, aber er wusste ebenso gut, wozu Taichi Yagami in der Lage war, wenn er keine andere Wahl hatte. Taichis Entscheidungen waren oftmals unumstößlich und nicht selten grausam. „Versprich mir, dass du den anderen nichts sagen wirst. Nicht Taichi, nicht Daisuke – und schon gar nicht Miyako…“ Ein Stich durchfuhr seine Brust, während für einen kurzen Augenblick das Bild von den wilden Augen und ihren kirschroten Haaren vor seinem inneren Auge aufflackerte. „Aber was, wenn der Digimonkaiser wieder die Oberhand gewinnt?“, schluchzte Wormon verzweifelt und sein Körper bebte. „So weit werden wir es nicht kommen lassen.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen, doch Wormon ließ sich davon nicht beeindrucken. Es kannte ihn einfach zu gut und es kostete ihm all seinen Mut, die folgenden Worte auszusprechen, doch er hatte keine Wahl. Die Vorstellung, einem der anderen Schaden zuzufügen – Miyako weh zu tun – wog schwerer, als seine eigenen Ängste und Befindlichkeiten. „Wenn der Digimonkaiser die Oberhand gewinnt, musst du es zu Ende bringen. Die anderen sollen mich so nicht sehen müssen. Nicht in diesem erbärmlichen Zustand. Ich möchte, dass sie mich in guter Erinnerung behalten und nicht als einen größenwahnsinnigen Imperator. Ich will nicht als Monster Enden, Wormon…“, er schniefte leise und wischte die Tränen fort. „Hörst du Wormon, du musst es zu Ende bringen...“ Just if you don`t see a future And your dreams are falling down If pain enters new dimensions And you feel like you would drown Take your broken bird and fly Without a certain destination Open up your blinded eyes And steer towards the clear blue skies (Ephemere – Hopelessly) ____________ Author’s Note: Ja das erste Arc dieser Geschichte geht so zu Ende. Der Titel des Kapitels wird von mir sehr geliebt. Ein Truchsess ist eine Art Verwalter des Hofes – Denethor aus Herr der Ringe war z.B. ein Truchsess und hat in Abwesenheit von Isildurs Nachkommen (was Aragorn wäre…) Gondor verwaltet, sprich stellvertretend geherrscht. Das sollten genug Informationen dazu sein, was für ein Nerd ich bin und wie ich Ken in dieser Geschichte sehe, oder? Ich bin da ganz offen für Neuinterpretationen :D Zurück zu Ken. Offensichtlich hat die Dunkelheit nicht von ihm abgelassen – das Rauschen des Meeres (welches Meeres wohl?!) ist dafür Beweis genug. Die schmerzende Stelle am Nacken, wo ihn die Saat traf, entkräftet ebenfalls nicht. Und die Tatsache, dass sein Alter Ego alias der Digimonkaiser langsam wieder zum Vorschein tritt, wird auch an einer Stelle deutlich. Dass er nicht frei ist, weiß er eigentlich schon länger, die Anfälle treten auch schon seit einiger Zeit auf, aber Ken ist ein Mensch und bei aller Liebe, ich wollte auch nicht mein Leben in Taichis Hände legen, wenn mein Leben eine Gefahr für ihn darstellte. Kens Beweggründe für all das sind mMn sehr menschlich, nicht zu egoistisch aber auch nicht zu altruistisch. Habe ich mich eigentlich schon für die Kommentare, das Favorisieren und last but not least das Lesen bedankt? Nun, Danke! So, und nun gehe ich in eine zweiwöchige Pause, bevor das zweite Arc beginnt. Bis dahin PenAmour Kapitel 11: Irrlicht -------------------- + Now you're hurt somewhere They won't find a bruise You've been learning to walk In those dancin' shoes (U2 – Dancin’ shoes) + Ihre Beine baumelten hoch über der Stadt. Die Finger streichelten das marode Gestein eines Wolkenkratzers, der sich halbherzig in die Höhe reckte und mürrisch knirschte. Sie hatte sich an den Rand des Daches gesetzt und beobachtete das Chaos, das mit aller Macht um sich griff und die Flammen schürte. Angstschreie echoten gequält durch die Gassen, durch die die Flammen stampften, doch verebbten hier oben zu schwachen Wehen, die kaum hörbar, kaum schmerzhaft waren. Eine kühle Brise säuselte ihr stattdessen in die Ohren und zerrte an ihren Knöcheln, die über der Balustrade hingen. Unbeirrt wippten die abgewetzten, weißen Sneaker mit den rosafarbenen Querstreifen auf und ab, während eine unbändige Hitze aus den Poren der Stadt kroch und auf den Himmel zuraste. Erstickende, gurgelnde Rufe schwammen in den Rauschschwaden, als sich von hinten eine warme Hand auf ihre Schulter legte. Sie versuchte die Hand beiseite zu fegen und drehte sich um. Doch da stand kein Takeru mit seinem leidvollen Blick und den immertraurigen Augen, die sie als unerträglich empfand und früher einmal sehr, sehr gemocht hatte. Das Lodern verebbte und ein wohlbekanntes Rauschen machte sich breit, als rollte eine Brandung unbeirrt auf sie zu. Statt Takeru wehten Lichtschwaden von weither und verdrängten zunehmend die Finsternis und das Rauschen, während sich schemenhafte Umrisse zwischen dem gleißenden Licht abzeichneten und auf sie zusteuerten. Sie verharrte in ihrer Position, als das Licht sie erreichte und umarmte. Ihre Füße mit den weißen Sneakers hielten nun still und eine leise Stimme flüsterte zu ihr. Licht hauchte sie und eine Welle greller Strahlen fraß sich in die Metallstränge der Trümmer, während sie für einen Moment die Augen schloss und in der vertrauten Wärme badete. Licht, hilf mir, die Stimme hallte durch die verrauchte Dunkelheit. Sie war klar und gefüllt mit übermäßiger, beinahe stoischer Ruhe, während das Licht sie umschloss und sie sich langsam aufrichtete. „Wer bist du?“, flüsterte sie und streckte ihre Finger aus, doch sie durchschnitten das warme Licht nur und für einen Augenblick glaubte sie, die Gestalt könnte vielleicht einfach vor ihren Augen verschwinden. Doch die Umrisse verdichteten sich wieder und formten eine Gestalt in wehenden Gewändern. Finde die Arete, raunte sie ohne ihre Frage zu beantworten, während sie angestrengt versuchte, das Gesicht der Gestalt zu erkennen. Finde sie und rette mich. „Wie?“, setzte sie verwirrt an und musterte das Bündel Licht, das sich immer noch nicht zu erkennen gab. Du musst die Arete finden, Licht. Du musst sie finden – nur dann kann die Welt… Die Gestalt brach mitten im Satz ab und wanderte zum Rand des maroden Wolkenkratzers, um einen Blick auf die Stadt zu werfen über derer sie thronten. Es steht schlecht um uns, Licht. Melancholie schimmerte in der klaren Stimme auf – und Traurigkeit. Die Gestalt wandte sich von der Stadt ab, die hilfesuchend kreischte und flehte. Der Weg ist in dir, Licht, du musst nur wissen was wahr und rein ist… Musst nur dem Wegweiser folgen… Musst zurückkehren… Musst die Arete finden… Musst die Welt retten… Nach Luft schnappend richtete sie sich auf. Der Lichtstrudel war verschwunden und nur die stille Dunkelheit des Parkdecks blieb. Die Bettdecke rutschte ihr von den Schultern, während sich ihr Herz gegen die Brust drückte und aufgeschreckt hämmerte. Vorsichtig krabbelte sie über die Matratze, während Takerus Atem friedlich schnaufend zu vernehmen war. Augenscheinlich war er nicht aufgewacht, stellte sie erleichtert fest. Hastig schlüpfte sie in ihre weißen Sneakers und griff nach dem Wollpullover, der auf einem Hocker lag, während das Streichholz zischend aufflackerte und den Kerzendocht berührte. Sie schob den Vorhang beiseite und leuchtete sich mit der Kerze den Weg aus dem Parkhauskomplex zu den schmalen Treppenstufen. Sie konnte nicht einfach weiterschlafen, nicht nach diesem Traum, nicht wenn ihre Füße und ihr Innerstes den Drang verspürten, die Schlafstätte zu verlassen. Es schien als habe der Traum eine tiefe Sehnsucht in ihr gepflanzt, eine Unruhe, der sie auf den Grund gehen musste. Zielstrebig planlos ließ sie den Aufenthaltsraum hinter sich und wanderte weiter. Ein Klingeln ertönte und sie spürte einen Schatten an sich vorbei huschen, während eine honigbraune Lockenmähne sich ihr näherte und vor ihr stehen blieb. „Hast du das Kätzchen gesehen, Hikari? Es ist mir entwischt als ich zusammen mit Iori Wache hielt – und Yamato hat gedroht ihm das Fell über die Ohren zu ziehen, sollte es herrenlos herum streunen und uns möglicherweise in Gefahr bringen…“ Hektisch fuhr Mimi sich durch die Locken, die ihr gerötetes Gesicht umrahmten und warf einen ängstlichen Blick durch den dunklen Flur. Sie trug eine mit Daunenfedern gefüllte Weste und sah trotz der scheinbaren Panikattacke immer noch wunderhübsch aus. Mimi gehörte zu der Sorte Mensch auf die grundsätzlich ein Scheinwerfer gerichtet war, während sie durchs Leben schritt. Damals, als die Welt noch in Ordnung gewesen war, hatte sie Mimi manchmal um diese Eigenschaft beneidet. Letztendlich zählte all das nun aber nicht mehr und eigentlich hatten sie sich auch kaum etwas zu sagen. Das Mädchen, das heimlich ihren Bruder anschmachtete, sollte nicht auch noch ihr Problem werden. Anscheinend hatte Mimi ihre Gedanken erahnen können und wollte bereits fortsprinten, um die Katze zu suchen. „Ich helfe dir“, meinte sie etwas erstaunt über sich selbst und zog Mimi mit sich durch die Dunkelheit. „Dein Bruder wird nicht sehr begeistert sein, wenn ich sie verliere“, flüsterte sie. Sie schwieg und konzentrierte sich auf die Gänge, während ihre Füße sie trugen. Weiter und weiter… All I needed was this one (Athlete – If I found) ____________ Author’s Note: So schon etwas früher aus der Pause. Das Kapitel ist kürzer, ja, aber ich habe alles gesagt, was ich in diesem Kapitel sagen wollte, um einen guten Start ins zweite Arc zu beginnen. Wieder ein Traum, wieder viele Fragen. Für die alten Hasen ein Handlungsstrang, den sie definitiv nicht kennen und für mich die Möglichkeit, das Traummotiv auszuarbeiten. Hikari heißt im übrigen Licht. Als kleine Starthilfe ;D Sehr viel mehr kann ich noch nicht sagen – außer dass dieser Traum sehr symbolisch ist, was Hikaris Situation und alles betrifft. Viel Spaß beim analysieren. Bis dahin PenAmour Kapitel 12: Zufallsvariable --------------------------- + What ghosts exist behind these attic walls? There's got to be a simpler explanation, 'cause I scrimped and I saved just to find that they've been splicing my inventions. (Death Cab for Cutie – Scientist Studies) + „Noch haben sie mein Gesuch nicht abgelehnt“, schnarrte Taichis Stimme durch die Dunkelheit des Raumes, während ein weißes Rauschen über das ernste Gesicht mit den dunklen Augen huschte. Taichi hatte ihm von der eher verhaltenen Reaktion des digitalen Untergrunds berichtet. Wie er sagte, sei dies allerdings keine sonderliche Überraschung, da die Mehrheit des digitalen Untergrunds zu den partnerlosen Digimon zählte, die zwar in der Regel als menschenfreundlich galten, aber sich niemals von einem Menschen führen ließen. „Zögere es bitte nicht bis zur letzten Minute hinaus, Taichi“, mahnte er und musterte den Bildschirm eindringlich, auf dem der junge Mann abgebildet war. „Wenn all unsere Vermutungen stimmen, wenn der Kaiser seinen Sklaven wirklich eine modifizierte oder mutierte Saat injiziert, müssen wir extrem vorsichtig sein! Die schwarzen Türme haben ihre Augen und Ohren überall – vor ihnen kann euch das D-Trace nicht schützen…“ „Ich weiß, Koushiro. All die Dinge sind mir bekannt“, unterbrach ihn der Angesprochene bestimmt. „Erledige du nur deinen Job, dann kann ich meinen ungehindert ausführen!“ Und damit war das Thema für Taichi Yagami offenkundig beendet. Er öffnete den Mund, um noch einmal seine Bedenken zu äußern, doch seine Lippen verharrten in der Stille. Es gab dem nichts entgegenzusetzen. „Derzeit befindet sich eine Einheit am Rande der Wüste, sie ist gut einen halben Tagesmarsch von euch entfernt, soweit ich das herausfinden konnte. Dir bleiben also noch knapp zwölf Stunden – maximal – bevor ich das Tor schließen muss.“ Der Zeiger seiner Maus fuhr hektisch über den Bildschirm und suchte die von ihm digitalen Landkarten ab, die er über die Jahre angefertigt hatte. Jeder ihm bekannte Turm, jeder Stützpunkt, jedes Militärcamp war hier eingezeichnet. Nicht zuletzt dank Wallace Hilfe hatte er ein Schlupfloch im Überwachungssystem des Kaisers entdeckt und die Leitungen anzapfen können. Es war eine waghalsige Mission gewesen, in die der junge Amerikaner damals eingewilligt hatte, als er sich unter die Sklaven des Kaisers mischte und für einige Tage, das System von innen heraus durchleuchten konnte. Wallace zu vertrauen, hatte sie einiges an Überwindung gekostet. Der junge Mann mit den Eisaugen verfolgte grundsätzlich seine eigenen Ziele und barg daher ein unkalkulierbares Risiko. Dennoch hatte kein anderer die digitale Welt in den letzten Jahren so durchwandert wie Wallace. Der rastlose Amerikaner, der auf der ewigen Suche war, seit er ihn kannte. Wallace Preis für seine Dienste war bezahlbar gewesen, wenngleich Taichi ihm nur ungern einen Zugang zu ihrem Waffenarsenal verschafft hatte, bevor dieser sich schließlich dazu bereit erklärt hatte, diese Mission auf sich zu nehmen. „Besser er als wir“, lautete Taichis stummer Befehl – und beinahe hätte Wallace dabei tatsächlich sein Leben gelassen, wäre Taichi ihm nicht zur Hilfe geeilt. Seither hatten sie Wallace nicht mehr zu Gesicht bekommen, der in den Weiten der digitalen Sphären untergetaucht war. Taichi hatte nie wieder ein Wort über den Vorfall verloren, sondern da weiter gemacht, wo er aufgehört hatte – ihr Überleben zu sichern. „Gut, dann sehen wir uns morgen.“ Taichi nickte ihm zum Abschied zu und der Bildschirm verdunkelte sich, ohne dass er etwas hätte erwidern können. Müde vergrub er den Kopf in seinen Armen und ein Seufzen entfuhr seinen Lippen. Er vertraute dem jungen Mann mit der Löwenmähne, was hätte er auch für eine Wahl gehabt, aber die Risiken dieser Reise waren kaum absehbar. Gerade wo Taichi und Yamato noch am Vortag einen Angriff auf den Kaiser durchgeführt hatten. Die Wut des Kaisers war ihm nur allzu gut im Gedächtnis hängen geblieben, daher war es nicht schwer, sich vorzustellen, mit welchem Ergeiz dieser nun nach ihnen suchen würde. Die Tatsache, dass Taichi und Yamato nicht nur ein Duzend Männer zu Fall gebracht hatten, sondern obendrein einige Digimon töten konnten, war sicherlich Grund genug, um ganz Tokio noch einmal auf den Kopf zu stellen. Und genau deshalb behagte es ihm nicht, den selbst programmierten Eingang zur Digiwelt länger als notwendig geöffnet zu halten. Nur ein unbedachter Schritt und sie waren dem Kaiser wie auf dem Präsentierteller ausgeliefert. So viele Faktoren, die den Lauf der Dinge beeinflussen konnten – zu viele unbekannte Variablen... Ein lautes Piepen riss ihn aus seinen Gedanken und ein Fenster öffnete sich auf seinem Bildschirm. Weises Kind, hilf mir. Die schwarzen Buchstaben brannten sich in das weiße Chatfenster. Mit einem Ruck richtete er sich auf, er spürte, wie sich jede Faser seiner Muskeln anspannte, während er gebannt auf Nachricht starrte. Er konnte nicht ausmachen, von wem sie stammte und das ängstigte ihn. Wer bist du??? Seine Finger zitterten, als er die Antwort tippte und gleichzeitig versuchte, den Unbekannten zu orten. Doch es schien, als seien die Nachrichten aus dem Nichts aufgetaucht, ohne irgendeinen Sendungspunkt zu besitzen. Jemand, der deine Hilfe braucht, weises Kind. Seine Knöchel knackten vor Anstrengung. Der Cursor kreiste über der geöffneten Nachricht, die verheißungsvoll auf seinem Bildschirm aufblinkte und auf eine Reaktion seinerseits wartete. Warum sollte ich dir helfen? Für einen Moment befürchte, hoffte er, dass der Unbekannte aufgegeben hatte. Damit wir die Welt retten können. „Was zur Hölle…“, seine Stimme glich einem kränklichen Krächzen, während er in seinen Gedanken alle Möglichkeiten durchrechnete, alle Personen ausschloss, die sein Sicherheitssystem durchbrochen haben konnten. Wie kann ich sicher sein, dass dies keine Falle ist? Atemlos wartete er auf eine Antwort, während das Laufwerk gemächlich brummte. Das kannst du nicht. Du musst mir einfach vertrauen, weises Kind. Weises Kind. Es gab nur eine Person, die ihn jemals so genannt hatte. Nur eine einzige Person, die die Bedeutung seines Rufnamens so wörtlich genommen hatte und gleichzeitig so viel Liebe in die Worte gelegt hatte. Mein liebes, weises Kind, mein Frühling, versprich mir, dass du trotz der Abenteuer und deinem Wissensdurst immer wieder zurückkommst. Zurück nach Haus – zu mir. Versprichst du mir das, mein weises Kind? Wie war das möglich? Seine Fingerspitzen bebten, während sie nervös über die matte, abgenutzte Fläche des Mausrückens strichen und die Erinnerungen von einer Ecke seines Verstandes zur anderen hallten. Sein Innerstes zog sich schmerzvoll zusammen. Wie ein schwerer Stein im Magen fühlte sich der Schmerz der Vergangenheit an. Folge der Katze, sie wird dich zu mir führen. Er runzelte die Stirn und fand sich plötzlich in der Gegenwart wieder. Welche Katze? Wer auch immer auf der anderen Seite des Chats auf ihn wartete, um ihn in eine Falle zu locken, er würde sich nicht darauf einlassen und der Sehnsucht nachgeben. Ein Rascheln lenkte seine Aufmerksamkeit auf die kalten, staubigen Fließen, die mit zerknülltem Papier übersät waren. Grünleuchtende Augen starrten ihn heißungsvoll an, bevor das schwarzfellige Geschöpf zu einem Sprung ansetzte und auf seinem Schoß landete. Die Katze rollte sich auf seinen Beinen zusammen und schmiegte ihren kleinen Kopf an seine Brust, als wollte sie ihn aufmuntern und ihm Mut zusprechen. Ihr Name ist Misere. Erneut blinkte das Nachrichtenfenster auf, während sein Blick ungläubig zwischen Katze und Bildschirm hin und her wanderte. Sie miaute leise und ein gleißender Lichtstrahl drang durch die Bildschirmoberfläche in den Raum, als die Tür aufgerissen wurde und das gerötete Gesicht von Mimi Tachikawa auftauchte. „Misere?“, keuchte sie und warf einen suchenden Blick durch das Zimmer, bis er an seinem Gesicht hängen blieb. „Koushiro, hast du eine Katz…e….“, sie stockte, während sie in das Licht starrte und langsam auf ihn zutrat. Hinter ihr tauchte ein weiteres Mädchen auf, das sich eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht stieß. Hikari Yagami wirkte völlig gelassen wirkte, als sie das unwirkliche Geschehen bemerkte und lehnte sich abwartend gegen den Türrahmen. „Was hast du getan, Koushiro?!“ Entsetzt schlug Mimi die Hände vor dem Mund zusammen und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf das Licht, dass ihre Iris mandelgold aufblitzen ließ und ihre Honigblonden Locken sich nervös um ihr Gesicht kringelten. Unterdessen hatte sich die Katze aufgerichtet und ihre Pfoten drückten sich in seine Oberschenkelmuskeln. Er verzog das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse, als ihre Krallen sich durch seine Hose bohrten. Sie miaute erwartungsvoll, doch bevor er etwas sagen konnte, hechtete sie über den Schreibtisch und verschwand im Bündel des Lichts. Mit einem Aufschrei preschte Mimi an ihm vorbei, sodass er gegen das Tischbein stieß und sie über seine Füße stolperte, die verwirrt in der Luft hingen. Ihre Finger pflügten durch das Licht, während sie in voller Fahrt auf den Bildschirm zuraste und mit einem Kreischen durch die Oberfläche hindurch fiel und wie die Katze zuvor dahinter verschwand. „Mimi!“ Panisch hatte er sich von seinem Stuhl erhoben, der nun über die Fließen rollte und mit einem lauten Knall gegen eines der Regale stieß. Papierbögen segelten zu Boden, während seine Hände auf die Tastatur einhämmerten. Was hast du getan??? Na los antworte, wo hast du sie hingebracht??!! Du verdammtes… Doch das Chatfenster hatte sich geschlossen und der Unbekannte war verschwunden. Seine Fragen verhallten in der Leere des virtuellen Raumes und verpufften an einer Mauer des Schweigens. „Was sollen wir tun?“, murmelte er hektisch und fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. Er rechnete die Möglichkeiten durch, die ihm blieben – die Mimi blieben. Eine Hand schnellte an seinem rechten Ohr vorbei. Blasse, dünne Finger streichelten über die Lichtstrahlen und sein Blick wanderte zu Hikari, die sich über ihn gebeugt hatte und gebannt auf den Bildschirm starrte. Erschrocken stellte er fest, dass das Licht bereits von ihr Besitz ergriffen hatte und sie langsam aufsog. Seine Hände fischten nach ihren Handgelenken, die vollends in das Licht eintauchten und ein wohlbekannter Strudel riss an seinen Fingernägeln und hinterließ ein warmes Kribbeln auf der Haut. Hastig setzte er einen Schritt zurück, während Hikaris Körper vollkommen in Licht getaucht wurde und sie einen Blick zurück über ihre rechte Schulter warf. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, das sich in den letzten Jahren rar gemacht hatte. „Bereit für ein Abenteuer?“ All I needed was this one To get me back on my way (Athlete – If I found) ____________ Author’s Note: Und seid ihr bereit für ein Abenteuer?! Wie versprochen begehe ich mit dem neuen Arc neues Terrain für alle. Selbst für die Leser, die bereits die alte Version sehr gut kennen. Nun seid ihr alle auf dem gleichen Stand der Dinge und seid mir und meinen kruden Ideen ausgeliefert. Muhaha und so… Koushiro Izumi bedeutet übersetzt wohl soviel wie Kluges/Gescheites/Weises Kind des Frühlings (in etwa, im englischen würde ich es mit bright child übersetzen, oder eben light child). Ich habe mich für weises Kind entschieden, weil ich den Widerspruch mag – das ist untertrieben, ich stehe auf solche Widersprüche. YEAH. So ein kleines Rätsel für euch: Wer hat Koushiro wohl immer „ weises Kind“ genannt? Das Ende ist natürlich sehr Badass-Hikari-mäßig. Ursprünglich wollte ich was anderes für dieses Ende schreiben, aber Badass-Hikari hat mir keine Wahl gelassen. Und auch Wallace wird noch mal erwähnt – was genau vorgefallen ist, als er auf dieser Mission war, wird eine ToF-Geschichte, aber euch ist sicherlich aufgefallen, dass Wallace nur noch neun Finger hat – nun der zehnte fiel dieser Mission zum Opfer, so viel kann ich verraten.^^ Und die Katze wieder – immer diese Katzen :D Ansonsten kann ich verraten, dass der Herbst kommt… Bis dahin PenAmour Kapitel 13: Schlüsselrolle -------------------------- + D' you breathe the name of your saviour in your hour of need, And taste the blame if the flavor should remind you of greed? Of implication, insinuation and ill will, 'til you cannot lie still, In all this turmoil, before red cape and foil come closing in for a kill (Poets of the Fall – Carnival of Rust) + Die blonden Locken hoben sich vom grauen Kissenbezug ab, während sie sich auf dem synthetischen Stoff kräuselten und sie ihren Kopf langsam zur Seite drehte. Das Laken rutschte ihr von den weißen Schultern, bevor die Locken ihren Rücken bedeckten und sie sich über ihren kaminroten Mantel beugte, der achtlos auf dem Boden gewartet hatte. Die roten Wollfäden glitten zwischen ihren Fingern hindurch und sie fischte ein weißes Päckchen aus der Manteltasche und ließ sich wieder zurück in die Schlafkoje sinken. Blaue Blumenmuster waren auf der Verpackung abgebildet, die sich an der Pappschachtel empor rankten. Ein lautes Klicken und in sekundenschnelle loderte eine Flamme auf, die sich langsam in das Filterpapier der Zigarette fraß und den Tabak zum Glühen brachte. Er lehnte sich an die kühle Metallwand und beobachtete sie, während sie an der langen, schmalen Zigarette sog, die fast zwischen ihren vollen, roten Lippen unterging. Kleine Rauchschwaden verpufften vor seinen Augen und nur der beißende Geruch von Nikotin und Verbranntem waberte durch den Raum. Die Lüftungen säuselten geschäftig. Neben der kapselähnliche Schlafkoje befand sich in dem quadratischen Raum nur ein Stuhl, auf dem ihre leuchtend rote Unterwäsche gelandet war. Es blieb gerade einmal genug Platz, um sich in diesem Zimmer aufzurichten und zu wenden – das musste für menschliche Gäste ausreichen. Er wedelte mit der Hand, um den Zigarettenrauch zu vertreiben und runzelte die Stirn. Doch sie klimperte nur mit den himmelblauen, großen Augen und zuckte die schmalen, schneeweißen Schultern. Ein Muttermal war auf dem rechten Schulterblatt zu erkennen. Es trug die Form eines Herzens und ließ den makellosen Körper menschlicher wirken. „Wenn du deine Nuklearpläne durchsetzt, werden wir mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit sterben“, spöttelte sie und drückte die Bettdecke an sich, unter der sich ihre Körperkonturen sacht abzeichneten. „Da ist ein bisschen Nikotin wohl kaum der Rede wert…“ Ihr Brustkorb hob und senkte sich langsam, während der Glimmstängel aufbegehrte und eine der blonden Engelslocken sich in ihren langen Wimpern verfing. Vorsichtig wischte er sie beiseite und hielt inne. Erstaunt beobachtete er seine Hand und auch Catherine selbst schien für einen Augenblick abwartend darauf zu lauern, was die fremde Hand vor ihrem Gesicht zu suchen hatte, bevor sie gelassen an ihren Locken zupfte und ungerührt einen weiteren Zigarettenzug nahm. „Ich kann mich also auf deine Unterstützung verlassen?“ Seine Füße berührten den metallenen, kalten Boden und seine Finger fanden den Saum des T-Shirts. Er war nicht umhin gekommen, sie in die Situation einzuweihen, sodass es nun ihre Entscheidung war, das riskante Unterfangen zu unterstützen, während ein Plan in seinem Kopf Formen und Kanten annahm. Die Kernwaffen in den Tiefen des ehemaligen Truppenhauptquartiers warteten schon seit langem auf ihren Einsatz. Nun schien ihre Zeit gekommen, unter den veränderten Umständen, die es beinahe unmöglich machten, einen anderen, friedlichen Weg zu gehen. „Haben wir denn eine Wahl?“, fragte sie, doch schien keine Antwort zu erwarten. Stattdessen richtete sie sich auf und ließ ihre langen, schlanken Beine aus der Schlafkoje baumeln. Der Zigarettenstummel verendete in einer kleinen Porzellanschale und spie letzte rauchende Hilfeschreie in die Luft. Zitternd umklammerten seine Finger die Heckler und Koch, deren Metall sich beinahe schal anfühlte, während er mit der freien Hand den Boden absuchte. An dieser Stelle war einmal ein Supermarkt gewesen. Sie hatten gehofft, hier ihre Essensvorräte aufstocken zu können, doch außer einer klaffenden Wunde im Asphalt war nichts mehr übrig geblieben, so als wäre er nie da gewesen. Nur Staub und Schutt türmten sich zu seinen Schuhsolen. Er presste die Lippen aufeinander und versuchte das Rumoren seines Magens zu ignorieren, das ihn penetrant daran erinnerte, seit einigen Tagen nichts Essbares mehr zu Gesicht bekommen zu haben. Der letzte Reis war bereits vor einer Woche zur Neige gegangen und ihre Dosenvorräte waren seit beinahe vier Tagen aufgebraucht. Besonders Daisuke machte der Nahrungsentzug zu schaffen. Der Jüngere hatte sich zuvor nie mit einem Mangel an Nahrung auseinandersetzen, noch für seine Mahlzeiten aufkommen müssen. Doch selbst Daisuke, bekennender Hitzkopf, der ihn nur allzu oft schmerzlich an sich selbst erinnerte, versuchte beharrlich sich den Hunger nicht anmerken zu lassen. Zu sehr nagte das schlechte Gewissen an ihm, darüber, dass er nicht im Stande gewesen war die Stadt zu beschützen und den Gegner zu besiegen. Doch die Angst hatte von Daisuke Besitz ergriffen und umklammerte in mit eiserner Faust. Die Angst kroch aus jeder seiner Poren und nistete sich in den Augen des Jungen mit den Igelstacheln ein, der noch nie gut im Lügen gewesen war und dem nichts anderes übrig blieb, als die Augen geschlossen zu halten, damit die anderen nichts von der Furcht sehen konnten. Wäre da nicht ein ganzes Land, das es zu beschützen galt, so hätte er sich vielleicht die Zeit nehmen können, um den Jüngeren Mut zuzusprechen, doch der Krieg tobte weit über den Grenzen Japans hinaus und besaß daher absolute Priorität. Auf dem gesamten Erdballen wurden Stellungskämpfe ausgefochten, die mit jedem Tag aussichtsloser wirkten. Die Medien hatten längst ihre Berichterstattung eingestellt und die Energieversorgung war ebenfalls in den letzten Wochen vollends zusammengebrochen. Im Vergleich dazu wirkten Daisukes Sorgen und Nöte beinahe lächerlich. „Ich bin nicht dein Vater“, hatte er zu ihm gesagt, „Und ich werde dich nicht die ganze Zeit beschützen können, also lern endlich, dir selbst zu helfen, Daisuke, du bist der einzige, der es kann!“ Daisuke hatte geschwiegen und auf seine Hände gestarrt. Seither hatten sie kein weiteres Wort miteinander gewechselt. Missmutig wusch er sich den Staub von den Fingerspitzen, die mit Blasen und fleischigen Wunden übersät waren, und starrte auf die zersplitterten Wolkenkratzer, die einmal das Aushängeschild Roppongis waren und von Reichtum und Vergnügen zeugten. Sein Blick schweifte über die eingestürzten Dächer und die ächzenden Bauten, die sich noch mit letzter Kraft in der Luft hielten. Die gläsern Kuppe des Grand Hyatt wirkte blass und müde, während sie sich gegen die Zerstörungswut der kaiserlichen Truppen stemmte. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren, seitdem das Militär aus Tokio abgezogen war, und die Stadt dem Kaiser überließ. Vielleicht waren einige Wochen vergangen, oder gar Monate. Für ihn zählten nicht die Tage, die sie bereits in der Dunkelheit verbrachten, sondern nur die Tage, seit er das letzte Mal eine Mahlzeit zu sich genommen hatte. Die anderen verließen sich auf ihn, besonders nachdem sie Odaiba verlassen mussten und seither in Tokio herum irrten, ständig auf der Suche, ständig auf der Flucht, schien es, als lägen all ihre Hoffnungen auf seinen Schultern. Und ihre Hoffnungen wogen schwer. Ein schriller Pfiff schellte durch die Geisterstadt und ein blonder Schopf tauchte hinter zwei aufgetürmten Autowracks auf, die innerlich ausgebrannt waren. Eilig winkte Yamato ihm zu. „Einige Straßenblocks von hier entfernt, hat eine Truppe Gazimon ihr Lager aufgeschlagen“, berichtete der hochgewachsene Junge und wischte sich einige Schweißtropfen von der Nase, die sich dorthin verirrt hatten. „Vielleicht könnten wir...“ Er ließ die Wort unvollendet in der Luft hängen und zog fragend die Augenbraue in die Höhe. „Wie viele?“ Er runzelte die Stirn, während in seinem Kopf bereits die ersten Strategien für einen möglichen Angriff zum Leben erwachten. „Ein Dutzend würde ich sagen...“ Einen Kampf konnten sie so nicht überleben. Die Digimon waren zum einen stärker und zum anderen in der Überzahl. Die direkte Konfrontation bedeutete im Glücksfall einen schnellen Tod und im schlechtesten Fall, dass er schon bald dem Kaiser in die Augen blicken musste, der ihn sicherlich nur allzu gern in Empfang nahm, eine bittere Aussicht, die er zu verhindern wusste. Sie mussten nur dafür sorgen, dass die graufelligen Digimon sich von ihrem Lager entfernten und ihre Vorräte unbeaufsichtigt ließen… „Eine Ablenkung?“ Yamato vervollständigte seine Gedanken, als sei es eine Selbstverständlichkeit und der Plan formierte sich langsam zu einem dichten Gestrüpp, das nur sie beide zu durchblicken vermochten. Mit Yamato war es einfach, der Junge mit den strohblonden Zottelhaaren und der verschlossenen Miene verstand ihn ohne Worte und ohne Fragen. Vor ihm musste er sich nicht rechtfertigen oder seine Loyalität bezweifeln. Ein brennender Schmerz durchfuhr ihn, unmittelbar nachdem ein lautes Getöse eingesetzt hatte und ihn aus den Gedanken aufschrecken ließ. Sein Arm schien zu zerbersten, während er versuchte, ein gepeinigtes Schreien zu unterdrücken und sich nach dem Angreifer umsah. Die Straßen wirkten leergefegt, der Wind sauste durch die Gassen, die sich zwischen maroden Mauern und aufgetürmten Schuttgräbern gebildet hatten. Mit einem Ruck umschloss Yamatos Hand seinen Arm und zog ihn zu sich auf den Boden, seine Augen angestrengt auf die kraterübersäte Straße fixiert. Schutt rieselte auf ihn herab. Sein Arm fühlte sich merkwürdig taub an, während er auf den Blutfleck starrte, der sich auf dem Stoff seiner Jacke ausbreitete, wie ein Schatten der sich auf ihn gelegt hatte und nun wuchs und wuchs. „Ein glatter Durchschuss“, hörte er seinen Freund aus der Ferne, der ihm aus der Jacke half und die Wunde freilegte, die auf seinem Oberarm klaffte. Hastig zeriss Yamato sein T-Shirt in Streifen und drückte es auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen. „Wir sollten schleunigst aufbrechen, damit Jyou einen Blick darauf werfen kann.“ Yamato musterte die blutgetränkten Stoffstreifen. Sie hatten Unterschlupf in einem ehemaligen Waschsalon in Azabu gefunden, doch die Truppen durchkämmten ganz Minato auf der Suche nach ihnen, und sie würden nicht allzu lang dort ausharren können, ohne den Häschern des Kaisers zu entgehen. „Kannst du aufstehen?“ Yamato reichte ihm seine Hand und wollte sich bereits aufrichten, doch er bekam ihn gerade noch am Hemdärmel zu fassen. „Bist du wahnsinnig?!“, zischte er, „Auf mich wurde gerade geschossen!“ Yamato hielt einen kurzen Moment inne, bevor die Worte ihre Wirkung offenbarten und der Lauf seiner Handfeuerwaffe aufblitzte. Der Schütze konnte unmöglich aufgegeben haben. Schritte hallten auf dem Asphalt wider und erneut wurde eine Salve abgefeuert, die durch die Luft surrte und die trügerische Stille durchbrach. Unbedarft grollten die Schüsse durch die Gassen und die Schritte wirkten hastig und zugleich panisch, während sie sich ihnen näherten. Die Heckler und Koch vibrierte zwischen seinen zitternden Handflächen, als er sich schützend gegen die umgefallen Hauswand presste. Die Schmerzen in seinem Arm krochen hinauf bis zu seinen Händen und knabberten an seinen Fingern, die sich um den Abzug schlossen. Und dann sah er ihn. Hastig rannte er über die Straße, mit einer Maschinenpistole in der Hand, die wild ratterte. Sein schwarzes Haar glänzte zwischen dem Schutt und dem Staub und fettige Strähnen fielen ihm in das rundliche Gesicht, das mit Schweiß und Dreck übersäht war. Er wartete, bis der Mann in sein Schussfeld vordrang und feuerte. Die Kugel traf ihn in der Kniescheibe und das Schreien des fremden Angreifers rollte über sie hinweg. Mit einem Sprung war Yamato hinter der Hauswand aufgetaucht und hatte ihm die Maschinenpistole entrissen. Wütend trat der Fremde um sich und verfing sich dabei in seinen eigenen Schnürsenkeln, die sich um seine Fußknöchel wickelten. Er starrte auf die rote Krawatte und das mit goldenen Knöpfen besetzte Jackett, dessen Nähte sich mittlerweile auflösten und schlaff von den Schultern hingen. Der runde Pagenhut kullerte auf den Boden und die marineblaue Stoffhose mit einer Bügelfalte sog sich mit dem Blut des Trägers voll, der ärgerlich stöhnte. Ein kleines Messingschild wurde auf seiner Brust sichtbar. Angou Kitsui hieß es auf der Namensplakette. Seine Hände krallten sich in die gepolsterten Schultern des Jacketts. „Was willst du von uns?“, zischte er und schlug die Fingerspitzen tief in das Fleisch. Angou Kitsui heulte auf, doch eine Antwort bekam er von ihm nicht, stattdessen starrte er ihn mit verklärtem Blick an und ein verzerrtes Grinsen stahl sich auf das pausbäckige Gesicht. „Du bist es wirklich.“ Die kurzen Finger des Mannes versuchten nach seinem Jackenkragen zu greifen, doch Yamato war schneller und verpasste ihm einen Tritt in die Magengegend. „Lass deine dreckigen Finger von ihm!“ Es hörte sich an, als hätten seine verstaubten Springerstiefel einen Sandsack getroffen. Angou Kitsui rollte sich stöhnend auf die Seite. „Wenn der Kaiser dich sieht, wird er mich reichlich entlohnen...“, röchelte er und versuchte sich aufzurichten, doch die Knie gaben nach. „Ich werde reich sein. Reich.“ Die geröteten Augen des Mannes leuchteten auf, während Yamato ein zerknülltes Blatt Papier vom Boden aufhob, das Angou Kitsui aus der Hosentasche gerutscht sein musste. „Ich hab es so satt“, hörte er den Fremden, dessen Stimme unnatürlich schrill klang. „All die dummen Idioten, deren Koffer ich schleppe, die sich zu fein für ein wenig Trinkgeld sind...“ Yamato strich das Papier glatt und hielt es in die Höhe. „...das Blatt hat sich gewendet... nicht wahr. Ich werde es allen zeigen, sie werden vor mir im Staub kriechen und mich um Gnade anflehen...“ Tod oder lebendig stand in Großbuchstaben auf dem Plakat, während ihn sein Abbild ernst zurückstarrte und die seine dunklen Augen ihn durchbohrten. „...wenn ich ihm Taichi Yagami wie auf dem Silbertablett serviere und in der Gunst des Kaisers stehe, dann werde ich...“ Seine Hände bewegten sich wie von selbst, als sie nach der Pistole in seiner Gürteltasche griffen und seine Finger sich um den Abzug legten. „Nein, wirst du nicht!“, murmelte er und der Rückstoß der Waffe durchfuhr seinen Körper wie eine Welle, die ihre Kreise zog, seine Schusswunde überrannte und den Schmerz mit sich trug. Das Rauschen ebbte langsam ab, während das Blut über den Asphalt auf seine Fußspitzen zu schlich und ein dünner Rauchfaden aus Angou Kitsuis Stirnfalte kroch. Ein Gefühl der Erleichterung verbreitete sich, das die Taubheit des Schmerzes verdrängte. „Schau mal...“ Yamato öffnete die Hand und ein silberner Schlüsselbund leuchtete auf. „Das muss ebenfalls aus seiner Hosentasche gefallen sein...“ Vorsichtig strich er über die klimpernden Schlüssel, die sich mit kühlem Bedacht an die Lebenslinie seiner Handinnenfläche schmiegten. Ihre Schultern berührten sich für einige kurze Sekunden, bevor er sich vollends aufrichtete. Sie durchbohrte ihn mit ihren Blicken. Hatten sie eine Wahl? Er schüttelte leicht den Kopf. „Was immer nötig ist, um den Kaiser zu entthronen...“ „Und Michael?“, merkte sie an und nestelte am Verschluss ihres BHs. Widerwillig half er ihr und die Ösen verkeilten sich ineinander, der hauchdünne Stoff spannte sich um ihre Brust und die Spitze des Slips glitt an ihren Oberschenkeln hinauf. „Du weißt, dass er sich geschworen hat, nie wieder für dich in den Krieg zu ziehen...“ Die Schnürsenkel seiner Springerstiefel schnitten in seine Hand, während er schweigend der Dinge harrte. „Eigentlich bin ich Michael sehr verbunden“, begann sie und der drohende Unterton in ihrer Stimme war unüberhörbar, während ihre Finger über das Bettlaken glitten und der Stoff unter ihnen zu schimmern schien. „Ich würde nur ungern einem so treuen Wegbegleiter in den Rücken fallen – du weißt doch wie loyal ich bin…“ Ihre Zunge streifte die vollen Lippen, während sie die Beine übereinander schlug und an der roten Spitze zupfte. Seine Hände bekamen die ihren zu fassen und begannen ein lautloses Ringen, während sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war, sodass er fast ihren Wimpernschlag auf seiner Haut spüren konnte. Ein Grinsen kräuselte seine Lippen und seine Eingeweide fühlten sich an, als seien sie mit Eiswasser gefüllt, während ihr Atem nach Nikotin und Gefahr roch. „Deine Japanischkenntnisse sind wirklich hervorragend, Catherine“, zischte er leise, sodass er von der Lüftung beinahe übertönt wurde. Ihre Finger hinterließen eisige Brandspuren auf seinen Handflächen, während sich keiner von ihnen rührte. Ein Augenaufschlag. Catherine spitzte die Lippen und lächelte ihr trügerisches Engelslächeln. „Dein Französisch ist auch nicht schlecht“, hauchte sie, bevor sie zum Todesstoß ansetzte. „Du hast sicherlich viel Übung und Zeit investiert.“ Sie neigte ihren Kopf und berührte seine Wange. „Hat dir die kleine Prinzessin dabei geholfen? Oder hat sich die Rothaarig doch noch dazu erbarmen lassen?!“ Ein Wirrwarr an Gefühlen brodelte in seiner Brust, das er erst nach einigen ungewissen Sekunden kontrollieren konnte und noch immer pochte und echote, während er bereits zum Gegenschlag ausholte. „Nicht mehr und weniger als dein kleiner Freund…“ Er presste seine Stirn gegen ihre und die himmelblaue Iris verschwand zu einem undeutlichen See vor seinen Augen. „…unten in den Kellern…“ Ein Feuer loderte im See auf bevor ihre Lippen auf ihn eindroschen und die eisigen Finger an seinen Haaren rissen, an seinem Shirt zerrten und sich in sein Fleisch krallten . Der Verschluss schnellte auf und löste sich von ihrer blassen Haut, während seine Lippen in Flammen aufgingen. Seine Hände umschlossen die Engelslocken und pressten sie zu Boden. Kämpferisch umschlangen ihre Beine seine Hüften, während die rote Spitze zurück zu Boden fiel und sie unter Zischen und Stöhnen gegeneinander in den Krieg zogen… All I needed was this one To get me back on my way It wasn't long before I realised (Athlete – If I found) ____________ Author’s Note: Die Verzögerung war unumgänglich. Das Leben war viel zu stressig, als dass ich dieses Kapitel hätte schreiben geschweige denn hochladen können. Schlüsselrolle ist eben genau das, eine Schlüsselrolle mit sehr vielen Schlüsselrollen für die unterschiedlichsten Belange. Ich denke ich muss nicht erwähnen, was Taichi und Catherine da treiben… Aber diese Szene steht stellvertretend für ihre Beziehung, die eigentlich eine reine Zweckgemeinschaft ist, und dabei hilft rothaarige Personen zu vergessen… Der Französisch-Witz ist natürlich sehr anrüchig, aber das ist Catherine ja eh… Angou Kitsui bedeutet übrigens so viel wie „heftiger Zufall“ und damit wären wir auch schon bei dem Flashback. Ihr begleitet Taichi und Yamato – ähnlich wie in Asphaltkrieger, und doch ganz anders. Denn die beiden haben zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht das Selbstvertrauen und die körperlichen Fähigkeiten, um es mit einer Horde Gegner aufzunehmen, das heißt, dass es höchsten ein paar Monate nach der Machtergreifung spielen kann, aber durchaus schon viele Wochen, in denen Nahrung knapp wird, das Militär aufgegeben hat und die Medien geflüchtet sind. Angou Kitsui spiegelt die Selbstsucht wider. Als Fußabtreter in der Vergangenheit hatte er es nicht leicht, und dann sieht er den meistgesuchtesten Menschen und wittert seine Chance. Auch für Taichi ist es ein bedeutender Moment, denn hier zieht er zum ersten mal das Töten als Problemlösung in Betracht und führt es aus. Und zum anderen – nun ja, wie ich schon sagte, es ist ein Schlüsselmoment. Und zu einem Schlüssel gehört auch immer ein Schlüsselloch – wisst ihr was ich meine?! Bis dahin PenAmour Kapitel 14: Türöffner --------------------- + I swim for brighter days Despite the absence of sun Choking on salt water I'm not giving in, I swim (Jack’s Mannequin- Swim) + „WUUUAAHH!“, war alles was sie herausbrachte, während ihr der Wind ins Gesicht peitschte und die Sandbank auf sie zuraste. Das nächste, was sie bemerkte, waren die knirschenden Sandkörner in ihrem Gesicht, an ihren Hände und überall. Der Sand kratzte und ein entferntes Grollen loderte auf. Missmutig betrachtete sie den grauen Dreck an ihren Fingerspitzen, wo sich der Sand unter ihren Nägeln festgesetzt hatte. Es würde Stunden dauerte, sie wieder zu reinigen. Der Sand schmeckte salzig und rieb sich an ihren Zähnen, ihrem Gaumen und ihrer Zunge. Angewidert spukte sie die garstigen Körner aus, röchelte und hustete. Ihr Mund fühlte sich merkwürdig rau und ausgetrocknet an. Das Salz entzog ihr die Feuchtigkeit und so blieb nur ein brennender Schatten zurück, der sich auf ihre Zunge legte. Mühsam richtete sie sich auf, um sich den Sand von der Kleidung zu klopfen. Die Luft wirkte feucht und diesig und das Grollen aus der Ferne vermischte sich mit einem sachten Rauschen, das sich ihr näherte; Welle für Welle. Sie kniff die Augen zusammen, um zwischen den Nebelschwaden etwas erkennen zu können. Doch grau blieb in grau gemalt und mit jeder Sekunde verdichtete sich der Nebel und verstärkte die Gitterstäbe zu ihrem unsichtbaren Käfig. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, während ihr Herz panisch gegen ihre Brust hämmerte und sie anflehte, von diesem grauen Ort zu verschwinden. Ein pochender Schmerz durchzuckte ihren Knöchel. Sie hatte Taichis Katze retten wollen und war gestolpert und ins Licht gefallen. Dieses seltsame Licht, das Koushiro mysteriöserweise auf seinen Bildschirm gezaubert hatte. Der Strudel hatte sie mit sich gerissen, fort von Koushiro und Hikari und allen anderen, die sich ein bisschen wie Familie anfühlten – nur mit mehr Heimweh und bösen Worten. Sie war durch Licht- und Farbkaskaden gerauscht, die nur allzu vertraut wirkten und sie an aufregende Reisen aus vergangenen Tagen erinnerten. Doch hier zwischen dem Grau verlor sie all ihr Vertrauen. Die klamme Kleidung zerrte an ihr und gewährte den eisigen Windböen freien Eintritt. Und ganz klammheimlich kroch auch die Angst durch jede einzelne Vene und zischte ihr Spukgeschichten ins Ohr, die im Nebel Gestalt annahmen. Die unsichtbaren Arme der Nebelwände verfolgten sie, zogen an ihren Haaren und ihren Beinen und umschlungen ihren Körper. Mit den Händen fegte sie durch die Nebelschwaden, die feucht an ihren Fingerspitzen hängen blieben, während das Plätschern des Wassers die Stille durchbrach und die salzige Brandung an ihren Lippen klebte. Sie spürte, wie sich ihre Schuhe mit Feuchtigkeit voll sogen und die Kälte an ihren Füßen nagte, die ohnehin jegliche Orientierung verloren hatten und unschlüssig über den knirschenden Sand schlichen. Ein dumpfer Schlag schellte durch die Nebelwand, erschrocken presste sie die Hände gegen die Lippen, damit kein Laut sie verraten könnte. Es hatte sich angehört wie ein nasser Sandsack, auf den eingedroschen wurde, oder ein Reissack der umgefallen war. Ein Stöhnen hallte durch den grauen Vorhang, vermischt mit leisem Flüstern, während sich zwei Schatten zwischen all dem Grau zu ihr hindurchdrängten. Ihre Hände glitten in die Gürteltasche und umschlossen das sternenförmige Wurfgeschoss; Sacht strich sie über die scharfen Kanten des metallenen Sterns, den sie immer bei sich trug. Der Stern vermittelte ihr ein Gefühl von Sicherheit und Macht. Doch inmitten des Unbekannten konnten selbst die scharfen Sternspitzen sie nicht beruhigen. Um zwei Gegner besiegen zu können, musste sie sich auf all ihre Sinne verlassen, sehen und begutachten können, wie der Angreifer vorging. Das alles war nun kaum möglich. Der pochende Schmerz im Knöchel mahnte sie, während sie jeden Muskel anspannte. Was auch immer passieren sollte, sie ließ sich nicht so einfach töten. Zwischen den grauen Nebeln leuchtete ein rostroter Schatten auf und langsam setzte sich die undeutliche Gestalt zu etwas Vertrautem zusammen. Koushiro stolperte über die Sandbank, mit gehetztem Blick fuhr er sich nervös über das kurze rostrote Haar und wankte bedrohlich. Hinter ihm tauchte eine weitere, schmalere Gestalt auf, die mit einer unheimlichen Leichtigkeit über den Sand schritt, als hätte sie nie etwas anderes getan. Die blassbraunen Haare hingen Hikari in wirren Strähnen ins Gesicht, während sie mit ihren schmalen Mandelaugen den Nebel musterte wie einen alten Bekannten. Etwas Herausforderndes blitze in ihren Augen auf und reichte durch den Nebel bis zu ihr. Und ein kalter Angstschauer kroch über ihren Rücken, während sie Hikari beobachtete. Unterdessen hatte Koushiro sie entdeckt und war schwer atmend vor ihr zum Stehen gekommen. „Bist du wahnsinnig, Mimi?!“, herrschte er sie ungewohnt laut an. Koushiro war kein Mann der lauten Worte, eigentlich war er überhaupt kein Mann der Worte… In der Regel vermied er unsäglich lange Konversationen, doch nun blitzte Wut in den dunklen, tintenschwarzen Augen auf, während er schlotternd die Hände vor der Brust verschränkte. „Psst.“ Bedeutungsschwanger presste Hikari ihren Zeigefinger gegen die Lippen. „Was willst du damit sagen?“ Sie ertappte sich dabei, wie sie flüsternd die Umgebung absuchte, als erwartete sie plötzlich etwas anderes als grauen Nebel vorzufinden. „Weißt du etwa, wo wir hier gelandet sind?!“ Koushiro zeigte sich gänzlich unbeeindruckt, während er sich vor Hikari aufbaute und sie eindringlich musterte. „Kannst du es nicht hören?“ Hikari schwieg eine Weile und lauschte dem Rauschen und Plätschern. „Das Meer der Dunkelheit…“ Noch bevor Koushiro darauf etwas erwidern konnte, ertönte das leise Rascheln eines Glöckchens und ein kleiner Schatten tauchte inmitten der grauen Einöde auf. Die Katze rieb sich an ihrem Bein, während das Glöckchen um ihren Hals fröhlich bimmelte und die warme Berührung die Kälte aus ihren Beinen vertrieb. „Kätzchen!“ Erleichtert drückte sie das Tier an sich, das daraufhin ein Maunzen von sich gab, und strich ihm über das seidig, schwarze Fell. „Wo sind wir hier, Hikari?“, wiederholte Koushiro abermals und ignorierte die Ankunft der Katze. „Und wie kommen wir hier wieder weg?!“ „Das kommt ganz darauf an, ob die Bewohner dieser Welt uns gehen lassen wollen“, erklärte Hikari ohne einen Hauch von Angst in der Stimme. Unruhig stieß die Katze ihren Kopf gegen ihre Brust und wand sich kratzend aus ihren Händen, bevor sie mit allen Vieren auf der Sandbank landete und sie aufforderungsvoll anstarrte mit ihren Malachitaugen. „Vielleicht möchte sie uns etwas zeigen“, schlug sie unschlüssig vor und folgte dem Tier durch den Nebel, dicht gefolgt von Hikari und Koushiro. Was blieb ihnen auch anderes übrig… Der Nebel schien weicher zu werden und die grauen Wände zeigten erste Risse. Und ganz plötzlich stach ein Paar blutroter Augen durch das marode Nebelmauerwerk und ihr Herz setzte aus, als sie die hölzernen Gliedmaßen erblickte und das runde Gesicht mit der langen, spitzen Nase. Ein Schrei entfuhr ihren Lippen bevor sich Hikaris dünne, eisige Finger auf ihren Mund legten. „Pinochimon?“, stammelte Koushiro mit brüchiger Stimme. „Ja“, antwortete Hikari, „Aber noch hat es uns nicht bemerkt. Die Welt der Dunkelheit verschleiert seinen Blick, wie sie es bei jedem versucht – Besucher und Bewohner. Mischen wir uns nicht in Pinochimons Alptraum ein, dann kann uns nichts passieren…“ „Wie meinst du das?“ „Ihr dürft der Dunkelheit eure Angst nicht zeigen. Das nährt sie nur. Sie will euch weiß machen, dass sie euch beherrschen kann – aber letztendlich liegt es an euch selbst, ob ihr euch von ihr beherrschen lassen wollt. Pinochimon hat sich so entschieden.“ Hikaris Blick war auf den ehemaligen Feind gerichtet, der jetzt nur durch den Nebel stolperte, kopflos, ohne Ziel. Und zaghaftes Mitgefühl für den Dark Master überkam sie, der sie vor so vielen Jahren hinters Licht geführt und gegen einander ausgespielt hatte. Das Digimon hatte nie verstanden, was Wahrheit und Ehrlichkeit bedeuteten. Als habe diese Erkenntnis einen Lichtschalter umgelegt, lichtete sich der Nebel augenblicklich und sie konnte die Wellen, die die Dunkelheit bewegten, und den Strand sehen, umringt von mächtigen Felswänden. Hikari warf ihr ein anerkennendes Lächeln zu, wohingegen Koushiro noch immer sehr verwirrt über all die Wendungen wirkte. „Aber ich dachte, wir hätten Pinochimon besiegt“, murmelte er und raufte sich die streichholzkurzen Haare. „Metal Garurumon hat es getötet…“ „Nichts ist endgültig, Koushiro… Das haben wir doch schon sooft erlebt… Manche wählen die Dunkelheit, andere das Licht. Manche verharren in der Dunkelheit, andere können sie hinter sich lassen…“ „Und manche machen sich die Dunkelheit zu nutze…“, fügte sie hinzu und beobachtete die rabenschwarzen Wellen, die am Sand leckten. Nur wenige Tropfen dieses Wassers reichten aus, um unzählige Digimon mit dem Schattenserum zu unterjochen und ihre Augen in blutrote Rage zu tauchen. Das Glöckchen ertönte abermals und sie konnten gerade noch erkennen, wie die Katze, die sie erst hierher gelockt hatte, in einer dunklen Felsenspalte verschwand. Die klaffende Öffnung im massiven Gestein machte ihr Angst. Jeder Lichttropfen wurde von der Schwärze im Inneren verschluckt, doch Hikari und Koushiro schienen sich aus dieser Angst nichts zu machen und kletterten über die kleineren Felsen hinauf zum Spalt. Die scharfen Kanten schnitten in die Haut und der Stein fühlte sich rau und vom Meersalz aufgerieben an. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen und griff nach Koushiros Hand, die er ihr entgegenstreckte. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Hikari bereits durch den Felsspalt schlüpfte und in der Dunkelheit verschwand. Koushiro atmete tief ein, straffte seine Schultern, die breiter waren als sie aussahen, wenn er vor dem Bildschirm hockte und über Problemlösungen tüftelte. Dann trat auch er auf die Dunkelheit zu und wurde von ihr verschluckt. „Du schaffst das, Mimi“, flüsterte sie, nicht ohne das Zittern in ihrer Stimme ignorieren zu können. Ihre Augen fanden ein letztes Mal Pinochimons rot-trübe Augen. Hier konnte sie nicht bleiben – hier wollte sie nicht bleiben. Sie berührte die Schwärze und ließ das Meer der Dunkelheit mit seinen Alpträumen hinter sich. Für einen Moment herrschte Stille, die von Felswand zu Felswand echote, dann vermischte sich die Stille mit Schritten und einem Schaben und ihre Hände fanden Hikari und Koushiro, die sich langsam in der Dunkelheit vorantasteten. Einzig das glänzende Grün der Katzenaugen ließ sich von der Schwärze nicht beeindrucken und so folgten sie der Katze abermals, bis diese mit einem Ruck zum Stehen kam. „Nichts“, hörte sie Koushiro mürrisch. „Hier ist nichts außer Stein und noch mehr Stein.“ „Ich kann auch nichts entdecken“, hallte Hikaris Stimme, die bis dahin unnatürlich ruhig gewirkt hatte, über sie hinweg. „Nur eine Wand, aber keine Öffnung, kein Schloss – nichts.“ Ihre Hände berührten die steinerne Wand, an der sie Hikari vermutete, bis sie gegen ihre eisigen Finger stieß, die auf dem unebenen Stein verharrten. Und obwohl der Stein kalt war, hatte sie das Gefühl als durchzuckten hunderte elektrische Ströme ihn, während sie über die Falten und Ecken malte. Und mit einem Mal war die Wand verschwunden und ein schwaches Licht klaffte durch die meterbreite Öffnung, die sich wie aus dem Nichts vor ihnen aufgetan hatte. Das Licht wanderte über die Felsen und verscheuchte die Schwärze mit jeder Sekunden mehr, während sich ihre Augen an die neuen Gegebenheiten gewöhnten. „Du musst irgendeinen elektrischen Mechanismus betätig haben“, vermutete Koushiro und schritt auf das Licht zu. Hikari schwieg während sie ihm folgte. Die Katze schnurrte und richtete ihre Malachitaugen direkt auf sie. Abwartend, neugierig, wissend, sie vermochte es nicht zu deuten. Aber sie befürchtete, dass Koushiro mit seiner Vermutung falsch lag. Wie hätte ein Mechanismus den Stein wie durch Zauberhand verschwinden lassen können und stattdessen einen stattlichen Torbogen an dessen Stelle setzen können? Ihre Finger folgten den verschlungenen Linien des Bogens, der über und über mit wirren Zeichen versehen war. ἀλήθεια. Sie hatte diese Schriftzeichen noch nie in ihrem Leben gesehen. Weder in ihrer Welt noch der Digiwelt, die über andere, kantigere Zeichen verfügte. Die Katze sprang durch das Tor und abermals ertönte ein Rauschen. Doch es war anders, als das Rauschen der Dunkelheit, weniger bedrückend. Das Geheimnis der Steine würde warten müssen, beschloss sie und folgte der Katze auf die andere Seite. Hikaris und Koushiros Silhouetten hoben sich deutlich vom weißen Sandstrand ab, während die Schaumkronen der tanzenden Wellen jubelten, bevor sie sich zwischen den Sandkörnern verloren. Von Nebelschwaden war keine Spur. Die Felsen wurden in gleißendes, glitzerndes Licht getaucht, so dass sie sich die Hände schützend vor die Augen halten musste, um nicht geblendet zu werden, während sie die Felsen hinabkletterte und zu den anderen aufschloss. „Wo sind wir hier?“ Doch anscheinend wusste auch Hikari keine Antwort darauf. Stattdessen trat sie auf das Meer zu, welches in sanften Türkistönen schimmerte und glänzte und betrachtete die Ausläufe des Wassers zu ihren Füßen. „Ich weiß es nicht.“ Hikaris sanfte Stimme wirkte weit entfernt und zerbrechlich, während die Lichtstrahlen sie beschienen und Koushiro in die Knie ging und die Sandkörner zwischen seinen Fingern hindurchrieseln ließ, als könnten sie ihm eine Antwort darauf geben. Erneut stoben Wellen rauschend auf die Sandbank zu. Doch während das Wasser sich rasch zurückzog, blieb neben den verendenden Schaumkronen ein steinernes Relikt zurück. Hikaris Finger erreichten den ovalen Stein, der an Land gespült worden war. Die Lichtstrahlen ließen von den Felsen ab und bündelten sich allein in Hikari und dem Stein in ihren Händen. All I needed was this one To get me back on my way It wasn't long before I realised There was no time to waste (Athlete – If I found) ____________ Author’s Note: Hallo, ich weiß nicht, ob ihr euch noch an mich erinnert, aber ich bin die, die immer so komische, verwobene Handlungen schreibt, und unverschämter weise untergetaucht ist. Das Leben war – ich kann mich nur wiederholen – saumäßig intensiv. Aber ich bin wieder da und FoD geht weiter. Dieses mal mit Mimi und einer quest-ähnlichen Handlung zum Meer der Dunkelheit. Auweia, keine schönen Erinnerungen, nicht war. Warum Mimi? Schließlich ist Mimi nicht gerade der typische Quest-Abenteuer-Charakter – eben genau darum? Außerdem ist sie ein Türöffner. Ohne sie wäre es gar nicht gegangen. Pinochimon – einer der Dark Masters, mein Favorit von ihnen im Übrigen – taucht auch auf. Aber eher in einer passiven Rolle. Seit das Digimon von Yamato besiegt wurde, fristet es also eine Art Schattendasein in der Welt der Dunkelheit – die nicht gleich der Digiwelt ist und auch nicht deren Regeln unterworfen ist. Hikari und Ken kennen diesen Ort zu genüge, deshalb weiß Hikari natürlich auch, wie man dort am ehesten überleben kann. Tja, was aber auf der anderen Seite der Felsen auf sie wartet, das kann euch nicht mal Hikari erklären. Aber erst mal bleibt ihr mit diesem Cliffhanger zurück, ich verrate nämlich auch noch nichts. Höhö. Bis dahin PenAmour Kapitel 15: Pfadfinder ---------------------- + Sing to me the song of the stars Of your galaxy dancing and laughing and laughing again When it feels like my dreams are so far Sing to me all the plans that you have for me over again. (Switchfoot – Only Hope) + Es war nur ein Traum – das wusste er, als er die blutroten Wellen sah, die auf ihn zurollten und ihn begrüßten wie einen alten Freund, während sie sich heimtückisch um seine Knöchel schlängelten. Es musste ein Traum sein, dachte er bei sich, und die blutige Suppe gluckerte und waberte zustimmend, als sie die matten Flügel der zuckenden Schmetterlinge mit sich riss, die sich zuvor aus den saftig grünen Gräsern erhoben hatten und schillernde Abdrücke in der Luft hinterließen. Ihre Anmut konnte ihn längst nicht mehr täuschen, es war der gleiche Traum, der ihn in jeder Nacht heimgesucht hatte. Die trügerische Hoffung eines guten Ausgangs und einer freundlichen Zukunft. Er war der Bilder überdrüssig und auch der Wünsche. Deshalb wartete er darauf, dass das Blut sich um seinen Körper schloss, ihm die Aussichtslosigkeit vor Augen hielt und er mit einer nagenden Angst in seinem Bett aufwachte. Doch stattdessen wurde alles still, kein Blubbern, kein Getöse. Und wie auf einen lautlosen Befehl hin, versickerte das Blut im verdorrten Boden, der sich wie ein Flickenteppich vor ihm ausbreitete. Jeder Flicken dunkler als der andere. Er war allein, so allein wie er es noch nie zuvor gewesen war. Und für einen kurzen Augenblick genoss er es, ganz bei sich zu sein – für sich zu sein. Schließlich war alles nur ein Traum – ein Appell seines Unterbewusstseins, das alles zur Sprache brachte, was er sich im wachen Zustand verbot. Der Augenblick ging vorbei und die Einsamkeit umschlang sein Herz mit eisiger Härte und die Dunkelheit drückte und ziepte. Probeweise öffnete er den Mund, doch jedes Wort wurde von der Dunkelheit verschlungen und zurück blieb nur ein fernes Echo, kaum hörbar und bedeutungslos. Seine Füße tapsten durch die Schwärze, die zwischen seine Zehen kroch und deren Kanten ihm ins Fleiß schnitten. Vorsichtig streckte er seine Arme aus, aber seine Fingerspitzen verharrten in der Leere, unfähig etwas Haltgebendes zu finden. Blindlings stolperte er voran, während sein Herz sich gegen seine Rippen auflehnte und ihm aus der Brust zu springen drohte. Er versuchte sich und sein Herz zu beruhigen, doch der Traum ließ sich nicht beirren und schickte ihn weiter auf seine Reise durch die Finsternis. Sein Fuß stieß plötzlich gegen etwas Hölzernes, das protestierend über die Schwärze rumpelte und beinahe zwischen seinen Händen hindurch glitt, die sich rasch danach reckten und es schließlich einfangen konnten. Es war ein kleines Kästchen, so viel konnte er ertasten. Seine Finger strichen behutsam über die Maserung und die kühlen metallenen Ornamente, die sich über das Holz reckten. Langsam schüttelte er das Kästchen. Es gab keinen Laut von sich, kein Hinweis darauf, was sich in ihm befand, doch er fühlte eine gewisse Schwere. Mit einer Handbewegung öffnete er es und tastete mit den Fingern nach etwas Brauchbarem. Doch die Kiste, so schwer sie auch zu wiegen schien, war vollkommen leer. Einzig der hölzerne Boden begrüßte seine suchenden Fingerspitzen. Er spürte tiefe Furchen im Holz, geschwungene Unebenheiten. Ohne Vorwarnung flackerte ein Lichthauch in seinen Händen auf. Kleine feine Linien durchzogen den pechschwarzen Stein zu seinen Füßen und wanderten durch die Dunkelheit, als wollten sie ihm den Weg zeigen. Verwundert blickte er auf die schemenhaften Umrisse des Kästchens, welches der Dunkelheit mit seinem Licht entgegenzutreten vermochte. Er warf einen weiteren Blick in das Kästchen, um zu erfahren, was die Quelle war, die der Finsternis Einhalt bot und den Boden mit einer hellen Maserung durchzog. Doch das Kästchen verriet sein Geheimnis nicht, einzig die Furchen im Boden lüfteten einen geschwungenen Schriftzug: ἐλπίς. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Aber da es sich nur um einen Traum handelte, erwartete er gar nicht, einen tieferen Sinn zu finden, während er über die fremde Schrift strich und die Buchstaben nachmalte. Der Boden vibrierte und die marmorartige Maserung im dunklen Stein lockte ihn. Seine Füße folgten den weißen Linien, die so zerbrechlich wirkten zwischen all dem Schwarz, obwohl sie mit jedem weiteren seiner Schritte mutiger zu werden schienen. Der weiße Schimmer kämpfte sich durch die Dunkelheit und markierte seinen Weg aus voller Innbrunst, die schmalen Linien verdichteten sich zu dicken Strichen und schließlich zu einem einzelnen Pfad. Er presste das Kästchen gegen seine Brust, während er dem einsamen Pfad folgte und aus der Ferne ein sanftes Rauschen vernehmen konnte. Doch das Holz gab nach und das Kästchen schien sich von einem Augenblick auf den anderen aufzulösen, bis er nur noch die dünnen Ascheblättchen zwischen seinen Fingern spürte bevor auch diese sich tänzelnd von ihm verabschiedeten und ihn auf seinem Weg zurückließen. Der Pfad schlängelte sich hinauf und das Vorankommen wurde beschwerlicher. Harte Felsen zerrissen die Haut unter seinen Füßen und seine Hände rutschten immer wieder an den scharfen Steinen ab, die sich vor ihm aufbauten. Sein Körper ächzte schmerzend und zum ersten Mal war er sich nicht mehr ganz sicher, ob es sich wirklich um einen Traum handelte. Die blutigen Fleischwunden wirkten so real und schmerzten so deutlich, als wollten sie ihn ermahnen, auf sich acht zu geben. Je mehr Felsen er erklomm, desto heller schien es zu werden, als habe er die Grenzen der Dunkelheit erreicht, die ihre Niederlage eingestehen musste und vor den hellen, graumelierten Steinen zurückwich, die sich wie ein Wall vor ihm aufbauten. Schweißperlen rannten über sein Gesicht und ihr salziger Geschmack verbreitete sich auf seiner Zunge und in seinem Gaumen, während das Rauschen immer deutlicher und klarer wurde. Ein Summen, das ihn lockte und antrieb. Er presste die Lippen aufeinander und zog sich an der Felswand hoch. Stück um Stück. Stein um Stein. Und irgendwann erreichte er das Ende. Ein warmes Licht nahm ihn im Empfang, während die Steine nun weniger garstig wirkten. Ihre nun glatte Oberfläche vereinfachte das Vorankommen erheblich. Die Dunkelheit war gänzlich verschwunden, stattdessen erstreckte sich über ihm ein blassblauer, wolkenloser Horizont, der an einem Punkt das türkisfarbene Meer berührte, welches so weit hinausreichte, dass man den Eindruck bekam, die Welt bestünde aus nichts anderem. Ein weißer Sandstrand verlief am Fuße der Bergkette, die er erklommen hatte. Voller Freude stießen Erde und Wasser aufeinander, die Schaumkronen begrüßten die Sandkörner mit einem jubelnden Rauschen, das über die Bucht hinweg hallte, ehe sich Erde und Wasser miteinander vereinten und das Meer neue Wellen entsandte. Es war ein schöner Ort, an den ihn sein Traum geführt hatte, stellte er fest und schloss seine Augen für eine Weile, um sich vom Licht berieseln zu lassen, während die Wellen leise sangen und die warmen Steine sich wärmend an ihn schmiegten. Wie lange würde er wohl noch hier ausharren können, fragte er sich im Stillen, bevor er aufwachte? Könnte er an diesen Ort zurückkehren? Und wenn ja, würde er jemals wieder aufwachen wollen und das mühselige Leben in der Dunkelheit fortsetzen? Seine Augen wanderten über das Meer hin zum Strand. Schatten waren auf die hellen Körner gefallen. Erschrocken richtete er sich auf, als er drei Gestalten zwischen der Gischt erkannte. Vorsichtig robbte er zum Rand des Bergfelsen, um einen genaueren Blick auf die drei Fremden zu werfen, die urplötzlich am Strand aufgetaucht sein mussten. Eine Sommerbrise rauschte vom Meer heran und der Wind verfing sich in blassbraunen Haarsträhnen, so dass er einen Blick auf die makellose Porzellanhaut werfen konnte. Die Erkenntnis durchfuhr ihn wie tausende Blitzschläge, während die Windböen an ihr zerrten und sich in diesem Moment jeder einzelne Lichtstrahl auf sie richtete. Er fiel. Die Bilder verschwammen und einzig und allein sein Atem war zu vernehmen. Er schnaufte wie ein Ertrinkender, während er sich aufrichtete. Die Bettfedern quietschten und alles um ihn drehte sich. Bunte Flecken wirbelten vor seinem inneren Auge auf und ab und er musste ein Würgen unterdrücken, das einen bitteren, leicht säuerlichen Geschmack hinterließ. Kalter Angstschweiß perlte auf seinen Oberarmen und hinterließ einen klebrigen Schauer, während er zitternd nach der Kerze tastete und das Flackern des kleinen Feuers, das am Docht züngelte, den Raum in ein schattiges Licht tauchte. Gerade gut genug, um die wichtigen Dinge zu erkennen. Seine Hände stießen die Bettdecke beiseite und er starrte auf die leere Matratze vor ihm. Sie war nicht da, hämmerte es in ihm. Wie auch, wenn sie… Er unterdrückte die leise Stimme, die ihm von Unmöglichem erzählen wollte. Die Vorhänge stoben auseinander, während er ihre Schlafnische verließ und über das dämmrige Parkdeck eilte. Vorbei an Laken und Gardinen, die ihn von den Schlafplätzen der anderen abschotteten. Ein stechender Schmerz durchzuckte seine Füße, während er die Treppenstufen erklomm und als er an sich hinunterblickte, sah er klaffende Fleischwunden die sich über seine Fußsohlen zogen. „Nein“, verbot er sich jede Idee und trat mit bangender Angst auf den Gemeinschaftsraum zu. Doch wie er befürchtet hatte, fand sich dort niemand. „Yamato!“, zischte er und rüttelte an der Schulter seines Bruders, der sich grummelnd auf die andere Seite drehte und flüchtig über Soras Rücken strich. „Wach auf“, wiederholte er, nun etwas lauter. Sein ganzer Körper fühlte sich taub an und zitterte zugleich wie Espenlaub. Mürrisch wischte Yamato sich die zerzausten blonden Haare aus dem Gesicht und musterte ihn mit einer Mischung aus Verwunderung und der Empörung eines älteren Bruders, der gerade aus seinem Schlaf gerissen worden war. Noch bevor Yamato etwas sagen konnte, sprudelten die Worte schon aus ihm heraus. Er hatte alles abgesucht. Sie war nicht da. Und er wusste nicht, was er tun sollte. Nun stand er hier, vor seinem Bruder und fühlte sich wie der kleine Junge vor so vielen Ewigkeiten, der glaubte, dass Yamato alles regeln könnte, dass Yamato das Problem lösen würde. Ein wenig schämte er sich dafür, doch Yamato lauschte ihm und seinen wirren Vermutungen und Ängsten. Er trug ein löchriges Shirt und Shorts. Seine Miene blieb unergründlich, während er ihn am Arm packte und ihn aus der Schlafnische zerrte. Weg von der schlafenden Sora. „Bist du dir ganz sicher?“, er runzelte die Stirn. „Ich weiß, dass sich das ganze total bescheuert anhört.“, gab er zurück und versuchte sich zu erklären, doch wie sollte er seinem Bruder verständlich machen, was nicht mal er selbst in Worte fassen konnte. „Bist du dir sicher?“, wiederholte Yamato stattdessen und musterte ihn mit seinen sturmblauen Augen. „Ja“, antwortete er, ohne Umschweife, ohne Erklärungen. Und erleichtert stellte er fest, dass sein Bruder ihm Glauben schenkte. All I needed was this one To get me back on my way It wasn't long before I realised There was no time to waste There was soul all around me (Athlete – If I found) ____________ Author’s Note: Da soll noch einer sagen, Träume wären Schäume... Takeru träumt mal wieder, von der Wiese und den Kindern und dem Meer aus Blut, doch der Traum ändert sich und dann passiert so etwas. Ich wollte ein wenig Selbstfindung in das doch etwas mysteriöse Kapitel einbauen. Takerus Name bedeutet ja so viel wie großer Berg – die Vorstellung, dass er einen Berg erklimmen muss, war daher recht verlockend. Und erneut finden wir ein weiteres Symbol. Ich will noch nicht zu viel darüber verraten, aber ich tippe mal darauf, dass eure Abenteuerlust den ein oder anderen Hinweis aufspüren kann, während ich erst mal gar nichts erkläre. Am Ende ist es Yamato, dem Takeru sich anvertraut – so wie es immer Yamato war und auch immer sein wird. Es ist doch sehr beruhigend, dass, obwohl sich so vieles ändert, manche Dinge einfach Bestand haben. So, bis dahin PenAmour Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)