guilt and atonement von Hime-chan (Jede Schuld muss beglichen werden) ================================================================================ Prolog: Auftakt --------------- Regen fiel in Strömen, der kleine Teich im Garten war schon über seine Ufer getreten und die Vögel waren verstummt. Stattdessen erklang das dumpfe Geräusch aufeinander treffenden Holzes und die harsche Zurechtweisung des Lehrmeisters, wenn Daikis Abwehr eine Lücke liess. Obwohl der älteste Sohn des Yuudai-Clans noch in diesem Jahr ein Mann werden würde, war seine Handhabung mit dem Schwert noch lange nicht perfektioniert. Schlag folgte auf Schlag und nach einem Hieb auf das Handgelenk des Clanerben fiel der Stock auf den durchnässten Boden, der unter ihren Füssen aufgewühlt worden war. Die zwei Schalen mit heisser Suppe waren bereits ausgekühlt, die Dritte sorgsam ausgewaschen. Schlanke Hände waren schon ganz schwarz, die Linien auf der Zeichnung jedoch klar und deutlich. Die wachen Augen blitzten empört auf, als Daiki für seine Unfähigkeit gescholten wurde und der Pinsel wurde beiseite gelegt. Schnell erhob sich Kin und schlüpfte in die Geta, um Daikis Holzschwert aufzuheben. Sein Rang verbot es ihm sein Schwert aufzuheben, darum nahm sich Kin dieser Aufgabe an, auch wenn die älteste Tochter des Hauses dafür in den Regen hinaus treten musste. Die langen schwarzen Haare waren heute nicht frisiert sondern flossen sanft über ihren Rücken hinab und sie kniete hinab um ihrem grossen Bruder das Schwert darzubieten. Wortlos nahm er es an und berührte sie dankbar an der Schulter. „Wo ist Chisato? Sie soll Tee bringen“, schnarrte de Meister und begab sich unter die Terrasse, lehnte seinen Stab gegen das Geländer. „Und sag ihr, sie soll trockene Kleidung bringen“, fügte er noch an, weiter unfreundlich, doch Kin verbeugte sich kurz und eilte ins Haus hinein, um nach der Dienerin zu suchen, die herein gerufen worden war um in der Küche zu helfen, denn heute würde der Clanherr einen wichtigen Boten aus dem Kaiserhaus empfangen. Ein wichtiger Tag für Daiki, der dank der Stellung der Yuudai auf eine Verbindung mit einer angesehenen Familie hoffte. Wenn er einen guten Eindruck hinterliesse, würden sich ihm viele Wege eröffnen, um die Ehre der Familie zu mehren. „Ob Kin in ihrem Alter noch verheiratet werden kann?“, wandte sich Daiki an den Meister und zog die schlammigen Sandalen aus die er getragen hatte. Seine jüngere Schwester war bereits fünfzehn und somit weit über dem üblichen Alter um verheiratet zu werden und verlobt mit jemandem war sie ebenfalls noch nicht. „Wenn sie Glück hat, findet sich jemand aus dem einfachen Volk, vielleicht den zweiten Sohn einer Handelsfamilie“, mutmasste der Meister und nahm das Papier zur Hand auf dem Kin eine Zeichnung angefertigt hatte. „Ich hoffe jedoch, dass sie nicht vor hat, Euch zu Eurem Eheglück eine Zeichnung anzufertigen, junger Herr“, sprach der Meister und legte das Papier, dass nicht einmal erahnen liess dass es Daiki und seinen Meister darstellen sollte, zurück auf die Matte. „Sprich nicht so über sie“, wies Daiki seinen Meister zurecht und entledigte sich der Sandalen, die inzwischen durchweicht waren von der Nässe der Wiese, auf der sie trainiert hatten. „Sie bringt Eurem Vater viel Kummer, es wird Zeit, dass sie das Haus verlässt. Ihr solltet sie hinunter ins Dorf schicken, um Wasser zu holen, dann wird vielleicht jemand auf sie aufmerksam“, schlug der Meister vor und setzte sich, um nach diesem anstrengenden Nachmittag wieder Ruhe zu finden und Daiki tat es ihm gleich. „Mir gefällt diese Idee nicht“, antwortete der älteste Sohn des Clans und beendete somit die Unterhaltung und widmete sich seinem inneren Gleichgewicht. Kapitel 1: Kitsune - Gesandte der Göttin ---------------------------------------- Zinnoberrot, so weit das Auge sah, eine wirklich gewaltige architektonische Leistung. Wer auch immer darauf gekommen war, die Holzbalken die zu Toren zusammen gefügt worden waren und sich Torii nannten, war nach Jaschas Meinung ein Genie, das völlig übergeschnappt war, ganz eindeutig. Die Balken fügten sich aneinander und nach geschlagenen zehn Minuten Fussmarsch war noch immer kein Ende in Sicht. Ihr Führer, an dessen Arm Jaschas ältere Schwester hing, die zu allem übel grösser war als er und in dem traditionellen Gewand der Japaner ziemlich lächerlich aussah, ging zu allem Übel so langsam, dass er fast dabei einschlief. Nicht, dass es ihm hier nicht gefallen hätte, im Gegenteil, die Atmosphäre in diesem Gangähnlichen Weg hinauf zum Tempel war atemberaubend schön, jedoch hatte man schnell genug davon, während Takashi sich Zeit liess, wohl um zu beten oder Asja zu erläutern, was es mit diesem Bauwerk auf sich hatte. Noch immer fand er den Gedanken befremdend, die nächsten zwei Wochen hier in Japan zu verbringen, nur weil seine liebeskranke Schwester davon überzeugt gewesen war, zu sterben falls sie ihren Brieffreund nicht endlich kennen lernen durfte. Der Bedingung ihrer Eltern, dass er sie begleiten musste, hatte er lediglich zugestimmt, weil Asja ihn mit ihrem üblichen Blick ansah, den wohl alle Frauen beherrschten wenn sie etwas wollten. Die Drohung, ihm in der Schule die Hölle heiss zu machen, hatte natürlich auch eine Rolle bei seiner Entscheidung gespielt. Hier in Japan war es gar nicht so schlecht, jedoch verstand er kaum ein Wort der Sprache, daher konnte er selbst wenn er gewillt wäre, den Erklärungen von Takashi nicht folgen. Kurz blieb Jascha stehen um die nächste Statue zu bewundern, anscheinend handelte es sich hier um einen Fuchstempel, was zwar zu seinem Nachnamen passte, ihm aber ansonsten schleierhaft war, warum man den Füchsen einen so schönen Tempel bauen wollte. Die Statue des Fuchses war jedoch denkbar hässlich, sah mehr aus wie ein vermenschlichtes Tier, statt eines echten Fuchses. Sogar angezogen hatte man die Figur, wie ein verwöhntes Hündchen eines Stars, dass bloss nicht frieren durfte, und dass bei Sommertemperaturen. Der Zauber der auf diesem Ort lag, blieb jedoch auch ihm nicht verborgen, die Luft schien förmlich in seinen Lungen zu vibrieren als stehe er unter Strom, was bestimmt daran lag, dass hier so viele ernste Menschen waren, Manche die hier beteten, andere Japaner, die Münzen in diese Schächte warfen und die Glocke läuteten so wie es Takashi vor hatte. Dies sollte eine Opfergabe an die Fuchsgöttin sein, Jascha empfände es jedoch als viel sinnvoller, dieser Göttin etwas Essbares zu bringen, auch wenn das Geld wohl für die Instandhaltung des Tempels gebraucht wurde. „na, du hässliches Ding, ist dir auch langweilig?“, fragte er die Statue und lehnte sich gegen den nächsten Balken, wenn es seine Schwester nicht nötig hielt, sich mit ihm zu unterhalten oder endlich weiter zu gehen, konnte er sich genau so gut mit einem Stein unterhalten. „Du solltest mehr Respekt zeigen“, antwortete eine doch sehr weiblich klingende Stimme. „Schätzchen, ist nicht meine Kultur“, erwiderte er gelassen und tätschelte den unförmigen Kopf des Fuchses. „Dann solltest du mir keine schönen Augen machen, Menschenjunge“, erklang die Stimme erneut und klang noch immer sehr geduldig, als würde sie auf etwas Bestimmtes warten, vielleicht darauf, dass er sie endlich in Ruhe liesse. „So etwas wie dich will doch keiner haben“, entgegnete der junge Russe und machte eine verwerfende Handbewegung, so konnte er sich zumindest in diesem Tagtraum etwas ablenken. „Ich werde dir einen deiner Zehen abbeissen, wenn du dich nicht zusammen reisst“, drohte ihm die Füchsin an, was Jascha breit grinsen liess, dennoch wandte er den Blick zu seinen Füssen die in praktischen Turnschuhen steckten, er war doch nicht so irre, dass er in diesen unbequemen Schuhen herum lief, wie es seine Schwester für Takashi tat. Was er jedoch erblickte, liess ihn einen Satz zurück machen und so klammerte er sich doch an die Statue, denn ein echter, richtiger Fuchs lag zu seinen Füssen und blickte zu ihm auf. Das war definitiv kein Tagtraum, so einen hübschen weissen Fuchs konnte er sich nicht einfach vorstellen. Eilig wich er zurück und ging dann rückwärts weiter den Weg entlang, prallte schliesslich leicht gegen den kleinen Japaner, der eigentlich älter war als er. Schon ein winziges Völkchen, diese Japaner. Die Blicke des Fuchses folgten ihm, ehe er hinter den zinnoberroten Säulen verschwand. „Asja, gibt es hier auch frei herumstreunende Füchse? Weisse, umherstreunende Füchse?“, fragte er seine Schwester und drehte sich zögernd zu ihr um. Ihr Gesicht war schmal geschnitten wie seines, das gleiche Blond der Haare, die blauen Augen, für Takeshi sahen sie jedenfalls exotisch aus und er gab gerne mit seinem Besuch an, soweit er verstanden hatte. Verständnislos blickte sie ihn an und wandte sich dann an ihren Freund, wenigstens sie verstand hier die Hälfte, was beruhigend zu wissen war. Verstohlen sah er sich erneut um, doch den Fuchs konnte er nicht entdecken. „Anscheinend gibt es hier in der Gegend schon lange keine Füchse mehr Jascha…er hält das für ein Zeichen, dass du reichen Kindersegen erhältst oder so“, übersetzte Asja für ihn und begann darüber zu lachen, während ihn Takeshi anstrahlte als habe er im Lotto gewonnen und ihm einen Anteil vom Gewinn zugesprochen, und Jascha empört zurück blickte. „Toll, genau das, was ich mir wünsche“, fauchte er und stapfte an den beiden vorbei, sollten sie sehen wo sie blieben, er hatte keine Lust, sich Asjas Lachen anzuhören. Er würde am Ende dieses Torii Tunnels auf die Beiden warten, das erschien ihm wesentlich sicherer für seinen Verstand. Ein lautes Knacken liess ihn jedoch mitten im Schritt inne halten und er hob den Fuss um nachzusehen, was er gerade zertreten hatte. Es schien sich einmal um einen Glückskeks gehandelt zu haben, jetzt lagen die zerbröselten Überreste auf dem Boden. Seufzend hob der das kleine gefaltete Papierchen auf, sie sollten ja Glück bringen, sonst hätte man den Keksen doch sicher einen anderen Namen gegeben. Die krakeligen Schriftzeichen kannte er natürlich nicht, folglich hatte er keine Ahnung was darauf stand. Genervt über diese Aneinanderreihung von Zufällen drehte er das Stück vergilbten Papiers in den Fingern, ehe er bemerkte, dass auf der Rückseite der Spruch auf Russisch geschrieben stand. Sehr verdächtig. „Wollt ihr mich alle verarschen, ja?“, knurrte er, zerknüllte den Fetzen mit den Worten; Segen der Fuchsgöttin, in der zur Faust geballten Hand und stopfte es dann einfach in die Hosentasche. Das lag wohl alles an diesem Sushizeug, dass es immer zum Essen gab, man sollte eben keinen ungekochten Fisch essen, und Seetang schon gar nicht. Diese Worte standen hier wohl in jedem Keks, es waren ja auch Kekse vom Fuchstempel, da erwartete man wohl als Tourist, so einen Spruch zu lesen zu bekommen um sich darüber zu freuen, das Gebäck, welches er zertreten hatte, gehörte bestimmt einem solchen Rucksackträger mit rotem Kopf, der dem Keks jetzt nachtrauerte. Das hatte er auch verdient, so zerbröselt wie er war, dieser bemitleidenswerte Glückskeksmensch, der sich Tag für Tag damit beschäftigte, sie zu backen, hatte auch Mitleid verdient. Man sollte lieber diesen Leuten ein Gebet zukommen lassen, statt einem Fuchs, der nie existiert hatte. Jascha war kein Mensch, der viel Wert auf Religion legte, diese Gebete und alles Glockengeläute dass an seine Ohren drang interessierte ihn daher eher mässig, lieber hätte er sich eine Waffenkammer angesehen oder wäre in Kyoto selbst einkaufen gegangen, hier sollte es ja massenhaft elektrische Geräte geben, die in Russland noch gar nicht auf dem Markt waren. „So würde ich das nicht nennen, Mensch“, erklang diese Stimme erneut und Jascha sah sich entsetzt um, entdeckte aber keine der hässlichen Statuen, die nächste war wohl weiter vorne. „Kindersegen brauche ich nicht“, antwortete er leise und rieb sich die Augen, vielleicht würde dann alles wieder ein wenig mehr der Normalität entsprechen. „Nein, wirklich nicht, aber Göttersegen kann nicht schaden“, wurde ihm prompt geantwortet und der junge Russe seufzte auf. Das konnte doch nicht wahr sein, diese Halluzination konnte er wirklich nicht auf die kulinarische Ernährung schieben, sondern eher auf seinen Verstand, der sich vor lauter Langeweile ausgeschaltet zu haben schien. „Komm, heute ist Neujahr, Takarabune wartet auf dich“, sprach die Stimme und der weisse Fuchs von eben trappelte elegant in sein Blickfeld, wobei Jascha der Mund offen stehen blieb, Seine Fantasie spielte ihm eindeutig einen derben Streich. „Heute ist ganz bestimmt nicht Silvester, es ist mitten im Sommer“, entgegnete Jascha und folgte dem Fuchs weiter den von den zinnoberroten Säulen gesäumten Weg hinauf Richtung Tempel. Nicht, dass er dem Tierchen folgte, er wollte ohnehin hier entlang gehen. Er blickte kurz zurück seiner Schwester, die förmlich an Takashis Lippen hing und wohl nicht vorhatte, so schnell weiter zu gehen. Schaudernd wandte er sich wieder ab und fühlte sich doch recht verraten, ausserdem, wer sah seiner Schwester schon gerne beim knutschen zu? Ӝ Mit grösster Sorgfalt kämmte Kin die langen, seidenen Haare ihrer Mutter, die schwarz wie Kohle über das weisse Untergewand flossen, dass sie noch trug. Dieser mit Perlen besetzte Kamm aus Elfenbein war ein persönliches Geschenk der Kaiserfamilie gewesen, eine grosse Ehre also, dass sie ihre Mutter damit die Haare richten durfte. „Heute ist ein wichtiger Tag“, begann ihre Mutter zu sprechen und Kin nickte hinter ihrem Rücken. “Daiki wird heute verlobt, nicht wahr?“, fragte sie nach, tauchte den Kamm in die Schüssel mit heissem Wasser, ihre Fingerspitzen waren längst verbrüht, doch das gehörte nun einmal dazu. „Vielleicht, ich hoffe es für deinen Bruder“, antwortete Yoko und bedeutete ihrer Tochter damit, aufzuhören. „Geh und wasch dich gründlich. Danach mach dich zurecht, der kaiserliche Bote wird dich auch zu sehen wünschen“, wies sie ihre jüngste an, die darauf hin formvollendet das Zimmer verliess. Seufzend blickte sie auf den Wandschirm, darauf wartend dass zwei Diener sich um ihre Haare kümmerten und sie hochsteckten, wies sich gehörte, wenn so hoher Besuch erwartet wurde. Dass es jedoch nicht um ihren Stiefsohn, nicht um Daiki ging, davon wussten nur ihr Mann und sie selbst. Dass sie zu jung war, um Daikis Mutter zu sein, war dem jungen schnell klar geworden und so war es für die beiden Kinder nie ein Geheimnis gewesen, dass sie nicht richtig miteinander verwandt waren, dass sie keine richtigen Geschwister waren. Es war dennoch eine Freude gewesen, dass Daiki sie Mutter nannte, das erleichterte ihr vieles in diesem Haushalt. Kapitel 2: Takarabune - Heimat der Götter ----------------------------------------- Kapitel 2 Takarabune Was ihn dazu bewogen hatte, dem sprechenden Fuchs, und er war inzwischen davon überzeugt dass dies eine Touristenattraktion war, zu folgen, wusste er selbst nicht genau. Jedenfalls hielt der Fuchs nicht viel von den Sehenswürdigkeiten und jedes mal, wenn Jascha stehen blieb um ein weiteres Monument oder Brunnen zu bewundern, eine Schnitzerei oder die Leute, die hier umher liefen, strich das Tierchen ungeduldig um seine Beine. Inzwischen wünschte er sich Takashi zurück, der zumindest jedes mal wenn etwas Besonderes ihren Weg gekreuzt hatte eine tiefe Verbeugung gemacht hatte, sogar vor jeder der hässlichen Statuen. Vielleicht wünschte er sich ja Kindersegen, wohl mit seiner Schwester, eine grausige Vorstellung, plötzlich Onkel von ein paar umher rennenden Kindern zu sein, die Schlitzaugen hatten. „Wenn du ein Baum wärst, hättest du bereits Wurzeln geschlagen“, tadelte ihn der Fuchs und sprang leichtfüssig auf ein kleines Podest, über dem eine noch viel hässlichere Füchsin abgebildet war, als er bisher gesehen hatte. Hier inmitten des Tempels war niemand mehr ausser ihm und er war sich sicher, dass er sich in einer Zone befand, die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich war. „Deine Witze lassen zu wünschen übrig“, beklagte er sich und betrat den nächsten Raum zögerlich. Die Kerzen die hier brannten verströmten einen süssen Duft und warfen flackernde Schatten auf die Wände und den Fuchs, der ihn hierher geführt hatte. Wandteppiche mit Kordeln schmückten die Wände, sie waren mit Blumen, Wäldern und Füchsen bestickt. Sacht berührte Jascha den Stoff mit den Fingern, es war Seide, und je länger er es betrachtete, desto mehr sah er darauf. Es war keine Stickerei, es war ein Gemälde auf Seide. „Das ist die heilige Stätte der Göttin Inari, sie wacht über die Fruchtbarkeit, die Reisernte und wie selbst du bemerkt haben musst, über uns Füchse“, erklärte der weisse Fuchs ungerührt von Jaschas mangelndem Respekt gegenüber diesem heiligen Ort inmitten des Tempels. „Das ist zwar richtig interessant, aber wenn sie so superheilig ist, warum sind dann die Statuen die überall herum stehen so grässlich?“, fragte er und blickte zu dem Eisfuchs hinüber, der es sich inzwischen bequem gemacht hatte. Es erstaunte ihn wirklich, dass dieses schöne Gemälde so versteckt war, es hätte seiner Schwester bestimmt auch gefallen. Dass sie ihn jetzt bestimmt suchte geschah ihr allerdings nur Recht, schliesslich interessierte sie sich im Moment nur noch für ihren Freund, was verständlich, aber dennoch unfein war. Sie hatte ihn vorgestern bei einem Ausflug einfach stehen gelassen und mit Müh und Not hatte er den Weg zurück zum Ausgangspunkt gefunden. „Menschen haben ihr Auge für Kunst verloren“, antwortete sie und hätte wohl geseufzt, wenn sie ein Mensch gewesen wäre. Man konnte jedoch bestimmt darüber streiten, ob das wirklich Kunstwerke sein sollten, Jascha jedenfalls wäre als Gottheit beleidigt gewesen, wenn man in seinem Tempel solche Abscheulichkeiten aufgestellt hätte. „Komm, Mensch. Takarabune wird gleich erscheinen“, forderte sie ihn auf und schob den Wandschirm mit der Pfote auf. Dahinter lag ein Garten, doch wegen den Nebelschwaden konnte er nicht viel davon sehen. „Wer ist denn das?“, fragte er den Fuchs, während er ihr folgte und schob hinter sich den Fusuma, wie er es von Takashi beigebracht bekommen hatte, wieder hinter sich zu. Auf die Knie zu gehen um das zu tun, hatte er allerdings nicht vor. „Takarabune, das Schiff der sieben Götter des Glücks. Es ist eine Ehre für dich, es zu sehen, schon seit Jahrhunderten hat kein sterbliches Wesen mehr die Erlaubnis dazu bekommen, es betreten zu dürfen“, merkte sie an, schien in dem Nebel etwas zu suchen und nicht fündig zu werden, denn sie wedelte wie ein kleines Hündchen nervös mit ihrem buschigen Schwanz. Ein helles Klappern liess ihn zusammen fahren, doch das Plätschern unweit von ihnen verriet, dass es sich um eine dieser Bambuswippen handelte, die man vor allem in alten japanischen Filmen noch sah. Der Garten an sich war jedoch etwas unspektakulär soweit Jascha ausmachen konnte, nur ein kleiner Teich und keine darüber führende Brücke und auch kein kleiner Pavillon war zu sehen. Enttäuscht blieb sein Blick an dem Pfirsichbaum hängen und er blickte wieder hinunter zu der Füchsin. „Das interessiert mich aber kein Stück“, meckerte er und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. Veralbern konnte er sich auch alleine, um die Spielzeugversionen eines Schiffes, das auf dem kleinen Teich umher tuckern sehen zu wollen war er schon zu alt, und ein richtiges konnte es kaum sein. Kein Fluss, kein Meer und vor allem kein Platz. Wäre es nicht mitten am Tag gewesen, wäre eine Laserprojektion noch denkbar gewesen, doch auch diese Japaner konnten nichts gegen Tageslichteinwirkungen ausrichten, selbst wenn dieser Fuchs erstaunlich gut gemacht war. „Das, Mensch, interessiert wiederum mich nicht“, sagte sie und erstarrte dann sichtlich, vielleicht war der Akku leer oder der Anwender hatte keine Lust mehr, sich um ihn zu kümmern. Er fuhr sich durch die Haare und seufzte, ob er den Weg wieder zurück finden würde bezweifelte er nicht, doch ob er seine Schwester und Takashi finden würde, war äusserst fraglich. Zögernd trat er den Rückzug an, als ein unschönes Krachen an seine Ohren und ein fauliger Geruch an seine Nase drang. Er wirbelte herum und stolperte dabei über seine eigenen Füsse, landete also neben dem Fuchs auf den Knien. Das Schiff war nur zur Hälfte sichtbar, als würde der Res sich im Nebel auflösen oder gar nicht erst existieren. Es war ein altes Holzgebilde, dass sich grünlich erfärbt hatte, die Segel waren auch sehr mitgenommen und hatten bestimmt schon einige Jahre nicht mehr ihren eigentlichen Nutzen. Die Kordeln, die wohl als Schmuck gedient hatten wirkten schmuddelig und waren von einer schmutzigen braunen Farbe, vermutlich waren sie einmal weiss gewesen. Knarrend schob sich das Schiff ohne physischen Einfluss vorwärts und kam schliesslich ächzend zum Stillstand. Jascha kam nicht umhin das Gefährt mit offenem Mund zu bestaunen, sich zu fragen, wie das alles möglich war, während sich eine Planke, die mit Scharnieren fest gemacht worden war, mit einem unschönen Laut mit voller Wucht nach unten klappte und zitternd auf und ab Wippte. Angeekelt schlug sich Jascha die Hand vor Mund und Nase, fauliges Wasser sprudelte aus dem Schiff und setzte die Wiese unter Wasser. Wenn das, das Schiff der Glücksgötter sein sollte, war es wirklich ausgesprochen jämmerlich, er als Gott, würde sicher nicht mit so einem Gefährt umher segeln, das es wohl nicht mehr lange machen würde. Fische wanden sich im Todeskampf und landeten in dem ekligen Wasser, das so trüb war, dass Jascha die Wiese nicht mehr ausmachen konnte. Er blickte zu dem Fuchs hinüber und stellte fest, dass der Nebel inzwischen so dicht geworden war, dass er nicht einmal mehr das Gebäude hinter sich sehen konnte. Es erschien ihm noch viel unwirklicher als sprechende Füchse, dass plötzlich nichts weiter als das ramponierte Götterschiff, der Fuchs, das Wasser, die Holzplanken auf denen er stand und er selbst zu existieren schien. Und natürlich der dichte Weisse, undurchdringliche Nebel. „Ist ja eklig“, murmelte er und ein Windstoff wehte den bestialischen Gestank nach verfaultem Fisch direkt zu ihm herüber. Er hätte dem Schiff ja ein Pfefferminzbonbon angeboten, doch die schlechten Scherze waren ihm gerade vergangen. Ӝ Ein Zimmer nicht auf den Knien zu betreten war eine neue und sehr befremdende Erfahrung. Ihr Haut brannte noch von der unliebsamen Kleie, ihre Haare fühlten sich schwer auf ihrem Kopf an, da man Perlen und Blumen hinein geflochten hatte. Wenn man sich mit Kleie die Haut schrubbte, war sie danach gereinigt und schön, doch ihr wäre es lieber gewesen, so umher zu laufen wie sonst und nicht von den Männern in diesem Raum angestarrt zu werden. Möglichst elegant liess sie sich an jenen Platz nieder, der ihr im Vorfeld Chisato schon angewiesen hatte. Tief verbeugte sie sich und fürchtete schon fast, dass ihre Haare vornüber fallen würden, doch sie hielten erstaunlicherweise, selbst wenn diese Pose der Unterwürfigkeit noch mehr Schmerzen an ihrer Kopfhaut verursachte. „Meine Tochter, Kin“, stellte sie ihr Vater mit kühler Stimme dem Boten vor, der sie eingehend zu mustern schien. Sie mochte diesen Namen und war stolz, ihn tragen zu dürfen. Dass manche Männer sagten es wäre kein angemessener Name für ein Mädchen aus gutem Hause, verstand sie sehr wohl und Kin war davon überzeugt, dass aus diesem Grund bisher noch niemand um ihre Hand angehalten hatte, obwohl der Yuudai-Clan recht wohlhabend war. Auch sie machte sich Sorgen, denn wie die Mädchen aus dem Dorf aus Liebe zu heiraten, das würde ihr versagt bleiben. Jedoch gab es auch niemanden in ihrem Leben, den sie mehr liebte als ihren Bruder. „Ein Jungenname? Sie wird einen anderen annehmen müssen“, bestimmte der Berater sachlich und hob die Schale Sake zu seinem Mund um geräuschvoll zu trinken. Kin musste sich beherrschen, nicht den Blick zu heben und ihren Vater fragend anzusehen, sie hatte bisher noch nie davon gehört, dass jemand einen anderen Namen angenommen hatte, ausser natürlich wenn es sich um eine der Künstlerinnen am Hof des Kaisers handelte, doch man könnte sie unmöglich als solche verdingen wollen, sie war gänzlich untalentiert in solchen Belangen. Sie hatten von Tänzerinnen gehört die mit dem Fächer sicherer umgingen als jeder Samurai und deren Schönheit die Männer den Verstand verlieren liessen, so war sie nicht. „Meine Schwester braucht keinen anderen Namen“, setzte sich Daiki für sie ein und sie verspürte tiefe Dankbarkeit dafür, dass ihr Bruder es so sah wie sie es tat. Ihr grosser Bruder war stark und geschickt, sobald seine Ausbildung beendet sein würde, war es seine Bestimmung dem Kaiser zu dienen so wie es ihr Vater noch heute tat soweit es ihm möglich war. Mit seinen geschundenen Knien konnte er nur noch einfache Arbeiten übernehmen und auch das Reiten blieb ihm verwehrt, so bestand er darauf, dass Daiki sein Schlachtross Shun regelmässig an seiner statt ausritt. Kin mochte Pferde und sie zog es vor, selbst zu reiten statt in einer Sänfte zu reisen, denn es war viel spannender die Umgebung zu sehen statt hinter seidenem Stoff verborgen zu sein. „Schweig mein Sohn“ sprach Masahiro gütig und lehnte sich weit nach vorn um den Berater dazu zu bringen, seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn selbst zu lenken. „Ist sie nach Eurem Geschmack?“, fragte er den Berater und Kin glaubte zu hören, dass ihr Vater mit der Antwort, egal wie sie ausfiele, nicht zufrieden sein würde. Würde er verneinen wäre es eine Beleidigung, die nur schwer wieder gut zu machen wäre, doch würde es an ihr sein, diese Schmach zu tilgen weil sie nicht dem Geschmack dieses Mannes entsprach. „Sie ist schön genug, man wird zufrieden sein. Schick sie so bald wie möglich, damit alles nötige in die Wege geleitet werden kann. Lass Daiki sie begleiten, es wird eine bereichernde Erfahrung für ihn sein, den kaiserlichen Hof zu sehen und sich mit den Besten zu messen, wir setzen grosse Erwartungen in ihn“, sprach er und verneigte sich kurz und unhöflich, im Gegensatz zu seinen Worten. Daiki jedoch lächelte, er konnte es kaum erwarten den Kaiserpalast zu sehen während Kin erschauderte und sich fragte, was gerade passiert war. „Dieses Kind wurde meiner Frau versprochen, und der Kaiser hat bisher noch nie sein Wort gebrochen. Warum also will er mich meiner Tochter berauben?“, fragte Masahiro säuerlich, er hatte nicht vergessen was sich vor fünfzehn Jahren abgespielt hatte, dass man ihn nun betrog und die zarte Pflanze die er umsorgt hatte nun grausam aus dem Boden riss, konnte er nicht nachvollziehen. „Du zweifelst an der Güte des Mikados?“, entgegnete der Berater lauernd und nun hatte ihr Vater keine andere Wahl mehr, als den Kopf zu senken und zu gehorchen, wenn er nicht in Ungnade fallen wollte. Natürlich wusste Kin, dass ihr Vater sie nicht gezeugt hatte, doch man hatte ihr nie verraten wer es gewesen war und sie hatte bisher geglaubt, dass es etwas Beschämendes gewesen sein musste über das niemand zu reden wagte. Sie hatte auch nie nachgefragt, denn ihr Vater war Masahiro und ihr Bruder Daiki, mehr zählte für sie nicht. Kapitel 3: Shichi Fujin – Die Götter des Glücks ----------------------------------------------- Schimmel hatte sich in den morschen Planken beheimatet und auch Pilze wuchsen aus allen unmöglichen Orten, wie etwa aus dem Ohr des transparent erscheinenden alten Mannes, der sich auf einen knorrigen Stab stützte und dessen Bart ihm bis zu den Füssen reichte. Jascha wunderte sich, dass in seinem Bart noch keine Pilze zu finden waren. Der alte Mann quasselte ihn mit seiner spröden Stimme zu, doch da er japanisch Sprach, verstand er natürlich nichts, ausser den Anfang, da hatte der Mann Hallo gesagt. Er hätte jedoch lieber weniger Zeit gehabt, sich das Schiff genauer anzusehen, es war schon eklig genug bis fast zu den Knöcheln im Wasser zu stehen. Ein Wunder, dass es noch nicht unter gegangen war. Kleine Fische schwammen umher und plötzlich verstand er, warum der Fuchs darauf bestanden hatte, auf der Rehling sitzen zu bleiben. Warum es hier jedoch eine Ratte gab, die sinnlos wie alle Ratten umher rannte, entzog sich seinem Verstand, besonders weil sie auf der Wasseroberfläche umher rannte. Komische Sachen gab es hier in Japan, da war ihm die Heimat wesentlich lieber. Sie kamen ursprünglich aus St. Petersburg, aber da ihre Mutter das Stadtleben nicht gefallen hatte, waren sie vor vier Jahren nach Kusmitzky gezogen und das Leben dort war wirklich sehr langweilig. Es gab in der näheren Umgebung nichts ausser einem Fluss, nicht einmal eine richtige Strasse, für Jugendliche, wie es seine Schwester und er waren, der absolute Horror schlecht hin. Der einzige Junge in ihrem Alter hatte es darauf abgesehen, seine Schwester zu umgarnen, was ihm Jascha nicht wirklich verübeln konnte, jedoch hiess er es nicht gut wenn er jeden Abend Steinchen gegen das Zimmerfenster warf, das er mit seiner Schwester teilen musste. So war er eigentlich ganz froh darum, dass er in die Schule gehen konnte, auch wenn er dafür fast drei ganze Stunden mit dem Fahrrad trampeln musste. „Mensch, antworte gefälligst, wenn du etwas gefragt wirst“, sprach ihn der Fuchs von der Seite her an und Jascha warf dem Vieh einen vorwurfsvollen Blick zu. „Dem wächst ein Pilz aus dem Ohr, wie soll ich ihn da ernst nehmen?“, fragte er und deutete auf den alten Mann der nun mit seinen Erzählungen inne gehalten hatte. Er verzog bedauernd das Gesicht und trat dann auf ihn zu. Misstrauisch wich Jascha zurück und rutschte auf etwas Glitschigem aus, landete in der grässlichen Brühe die sich bestimmt schon mehrere Jahrhunderte auf dem Schiff befinden musste. Die schwarze Ratte rannte quiekend an ihm vorbei. „Trink einen Schluck“, wies ihn der Fuchs an und tippelte auf der Reling hin und her, anscheinend machte die Ratte den Fuchs nervös. „Doch nicht etwa von dem Schimmelwasser hier?“, fragte er entsetzt nach, starrte jedoch weiterhin den alten Mann an der zum Glück stehen geblieben war und im Wasser nach etwas stocherte, er wollte nicht wissen, was sich darin noch ausser den Fischen befand, also rappelte er sich schnell wieder auf. „Natürlich, was denn sonst? Oder soll ich dir auftragen, einen Pilz zu essen?“, erklärte die Füchsin und wich der Ratte, die inzwischen auf die Rehling geklettert war und sie wohl angriff, ohne Umstände aus. Jascha zögerte, sollte er wirklich das Risiko eingehen, sich zu vergiften, oder einfach ertragen, dass er nicht verstand was um ihn herum vorging? „Auf deine Verantwortung“, stellte er klar und war sich nicht sicher, ob er die Schuld wenn er im Krankenhaus landete einem Fuchs geben konnte und dabei überzeugend genug klang. Dennoch formte er mit den Händen eine Schale und schöpfte dieses eklige Wasser, um es dann schnell hinunter zu würgen. Es schmeckte so, wie man es sich vorstellte, wie grünes Schimmelwasser schmecken sollte. Es schüttelte ihn und er wünschte sich eine Cola herbei, um den Geschmack den es hinterlassen hatte, gründlich auszuspülen. „Du bist ein böses Mädchen Kitsune, den armen Jungen so hinters Licht zu führen“, sprach der alte Mann lachend und obwohl Jascha nun jedes Wort verstand, runzelte er die Stirn und sah hinüber zu dem Fuchs, erwartete natürlich auf eine entsprechende Erklärung, was dieser Japaner damit gemeint hatte. „Du musst lediglich daran glauben, dass du ihn verstehst. Ich spreche auch kein Russisch“, erklärte der Fuchs leichtfertig und hätte bestimmt teilnahmslos mit den Schultern gezuckt, wenn sie ein Mensch gewesen wäre. Er hatte also das Wasser umsonst getrunken, dafür würde er sich bei der nächsten Gelegenheit rächen. Er könnte sie einfach in einem Jagdgebiet aussetzen, das wäre doch wirklich eine gute Idee. „Dann erkläre ich es dir noch einmal, Jascha Lisov. Du befindest dich hier auf dem legendären Götterschiff Takarabune, ich bin einer der sieben Götter des Glücks, man nennt mich Daikoku. Die anderen sechs befinden sich gerade auf Reisen und daher bin seit Jahren nur ich hier, um auf unser Schiff acht zu geben. Jedenfalls darfst du dir für deine Aufgabe eines der fünf Schätze aussuchen, die Göttin Inari hat mich um Hilfe gebeten, da sie glaubt, dass du es ohne Hilfe nicht packst. Um sie dir aufzuzählen, du darfst dich zwischen dem unerschöpflichen Geldbeutel, dem unsichtbar machenden Hut, dem Glücksmantel, dem hölzernen Hammer des Reichtums und der geisterjagenden Ratte entscheiden“, erklärte er so langsam und gedehnt, dass Jascha glaubte er würde nie fertig werden, ihm diese wundertolle Geschichte aufzubinden. „Also, dann nehme ich die Ratte“, beschloss er kurzerhand und warf dem Fuchs einen entsprechenden Blick zu, vielleicht würde sie das ärgern wenn er diese Ratte mitnahm, die hier umher rannte. Daran, dass sie Geister jagen sollte, glaubte er sowieso nicht. „Sie wird dir keinen Nutzen für deinen Auftrag bringen“, widersprach ihm die Füchsin und er warf ihr einen wütenden Blick zu. Nicht einmal auswählen durfte er selbst, wenn er schon in einem merkwürdigen Live-Aktion-RPG gelandet war oder wie man das genau nannte, eine Klassenkameradin hatte ihr Hobby einmal erklärt, aber sonderlich interessiert hatte es ihn nicht. „Leider kann ich dir die geisterjagende Ratte nicht mitgeben. Den Geldbeutel hat Ebisu mitgenommen, der Hut schwimmt hier irgendwo, und ob du den Hammer noch gebrauchen kannst…“, plapperte der Alte und hielt ihm dann einen knorrigen Hammer hin, der ebenfalls mit Pilzen überwachsen war, den man definitiv nicht gebrauchen wollte. Man hatte ihm zwar noch immer nicht gesagt, welche Aufgabe er gezogen hatte, doch er würde es wohl demnächst erklärt bekommen, ehe er sich komplett in die falsche Richtung bewegte. „Dann eben den Umhang?“, schlug er vor, sich fragend weshalb man ihm nicht von Anfang an gleich diesen glücklichen Umhang gegeben hatte, sondern sich noch lange mit Formalitäten herum quälte. Der alte Mann nickte erfreut und ging zum Mast der bedrohlich schwankte und knirschte als er begann, an einem Seil zu ziehen als wolle er ein Segel einholen. Als Jascha hinauf sah, erkannte er tatsächlich einen alten, ausrangierten Kapuzenumhang, der als Flagge verwendet worden war. Kurz fragte er sich, ob das Schiff mit weniger Glück einfach auseinander fallen würde und hoffte, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an Bord zu sein. Schliesslich, nach einer halben Ewigkeit wie es ihm erschien, da seine Socken natürlich schon lange durchweicht waren und sich seine Hose bis zu den Knien mit Wasser vollgesogen hatte, wurde ihm der Umhang übergeben und Jascha beäugte ihn kritisch. „Er passt sich dem Träger an, nun, viel Erfolg, Junge“, schloss der alte Mann die Übergabe und wie ihn hinüber zu jener Stelle, an der er vorhin schon eingestiegen war. „Ja, klar, danke Okidoki“, verabschiedete er sich und konnte es gar nicht erwarten, endlich diesem Gestank und den grünen unheimlichen Pilzen zu entkommen. Nachher musste er unbedingt seine Kleider kontrollieren, ob auch ja nichts Wachsendes oder Schädliches an seiner Kleidung hing. „Daikoku, mein Junge, vergiss das nicht“, berichtigte der Gott ihn noch ehe Jascha sich endgültig von Bord begab. Ӝ Die Landschaft war reichlich farblos, Grün in Braun mit einem verhangenen Himmel, der von einem heftigen Sommergewitter zeugte. Das Gras war dürr und entweder reichte es bis zu seinen Hüften, oder war gar nicht erst vorhanden, Es erinnerte ihn an ein Schlachtfeld, einfach fehlten hier die Überreste eines Kampfes, wie etwa Holz, Helme oder Waffen. Prüfend drehte er sich um die eigene Achse und war etwas überfordert damit. Zwei kleine Hügel, kein Tempel, nur in der Ferne ragte der Fuji auf, und der war ja nicht einmal in der Nähe von Kyoto. Er hatte sich darin unterrichten lassen, dass der Berg gar nicht Fujiyama sondern Fujisan hiess, warum auch immer man das anders nannte. Seufzend zog er die Schachtel Zigaretten hervor nur um festzustellen, dass diese völlig durchweicht waren. Er rauchte selten, meist nach einer Prüfung oder wenn er nicht wusste, was er tun wollte. „Tschört!“, fluchte er und schmiss die Packung weit von sich, und stampfte wütend mit dem Fuss auf. Missmutig starrte er den Fetzen an, der sich Glücksumhang schimpfte. Zögernd streifte er ihn sich über die Schultern und war überrascht, als er bemerkte, dass er nicht mehr gammelig und zerfetzt war, sondern von einem dunklen Grün und angenehm leicht zu tragen. Ein rascheln vor ihm liess ihn aufblicken, da das Gras hier so hoch war konnte alles Mögliche auf ihn zukriechen, ein äusserst lebendiger Pilz des Schiffes mit eingeschlossen, eventuell hatte er aber auch wirklich Glück, und es handelte sich um ein Pokémon. Leider fehlte ihm ein dazugehöriger Ball, um es zu fangen. Es stellte sich dann aber schnell heraus, dass es lediglich sein Fuchs war der es wohl auch nicht weiter auf dem Schiff hatte aufhalten wollen, was durchaus verständlich war. Dass hier alles so völlig unrealistisch war überging er grosszügig, ihm blieb auch nichts anderes übrig. „Du, sag mal Fuchs, was muss ich nun tun?“, fragte er das silberweissse Tierchen zu seinen Füssen, schon beinahe liebevoll, das sich gerade hinter dem Öhrchen kratzte. „Folg mir, wir erreichen bald ein Dorf, wo du übernachten solltest“, meinte sie und huschte ihm voraus durch die einfallslose Kulisse. Jascha wollte nicht riskieren, sie zu verlieren und beeilte sich daher, mit ihr Schritt zu halten. Allein die Aussicht auf Zivilisation liess seinen Puls höher schlagen, dort gab es bestimmt einen kleinen Laden, in dem er eine Packung Zigaretten kaufen konnte und etwas zu Trinken, der bitter-säuerliche Geschmack lag ihm noch auf der Zunge. Nachdem er auf den Hügel hinauf geklettert war, sah er, dass es sich nicht um eine Ebene, sondern um ein Hochplateau gehandelt hatte, die Hänge fielen steil hinab, aber nur etwa zwei Meter, natürlich hatte es dann auf ihn gewirkt, als sei sie endlos. Allmählich beschlich ihn ein verwirrendes Gefühl, durch ein Star Gate gerannt zu sein, natürlich konnten nur Ausserirdische so viele rote Torii aufstellen, das war die Erklärung schlechthin. „Hey, warte gefälligst“, schimpfte er, da er sich gerade mit Händen und Füssen an eine Wurzel festklammerte, um sich umständlich heil auf den Erboden gleiten zu lassen. Leider wollte jedoch der Baum nicht wie er und er drohte inzwischen Kopfüber hinunter zu fallen. Umsichtig schaffte er dann aber, erst dann zu fallen, als er sich gedreht hatte und er landete lediglich unsanft auf seinem Hosenboden. „Glück gehabt“, sinnierte das Mistvieh und trippelte sorglos voran, während Jascha ihr auch weiterhin übellaunig folgte. Extrem, wie geschickt diese Japaner Dinge bauen konnten, doch allmählich erschien ihm die Flexibilität des Fuchses doch daran zweifeln, dass es sich hierbei um eine art Tamagochi oder einen Roboter handelte. Wohl eher ein verrücktes Spiel, bei dem sich der Betreffende durch Technikkram das Gefühl haben selbst Teil des Spiels zu sein. „Was muss ich eigentlich tun? Einen Drachen besiegen?“, fragte er nach, schliesslich war es doch immer so, dass der Held einen klugen Gefährten hatte, der ihm aus der Klemme half. „Nein, keinen Drachen, deine Vorfahren musst du besiegen. Dein Name ist Jascha Lisof, dem Clan Szetsu zugehörig und somit Verräter des chinesischen Kaiserreiches, und als solcher ist es deine Pflicht, die Familienehre wieder herzustellen“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)