Die Liebe ist schon eine verrückte Sache... von Yurii-chan (xXDaikenXx) ================================================================================ Kapitel 26: Malstunde --------------------- ++++Kapitel 26++++ Malstunde Der Morgen war angebrochen. Mit Erleichterung stellte Daisuke fest, dass Ken selenruhig in seinen Armen schlief und keinerlei Anzeichen zu erkennen waren, dass dieser von einem schlechten Traum in der vergangenen Nacht heimgesucht worden war. Vorsichtig löste er sich von ihm und krabbelte aus dem Bett. Ein kurzer Blick auf den Wecker auf dem Nachttisch verriet ihm, dass es gerade kurz nach halb acht in der Frühe war, also müsste Miyako noch da sein. Normalerweise würde er jetzt noch schlafen, aber wenn seine Blase drückte, sollte er sich besser schnell zur Toilette bewegen. Auf leisen Sohlen schlich er sich zur Zimmertür, öffnete sie leise, schlüpfte hindurch und schloss sie wieder hinter sich. In aller Ruhe schlürfte er weiter in Richtung seines Zielortes, doch ehe er es erreichte, hörte er wie Miyako im Kinderzimmer, offensichtlich mit zusammengebissnen Zähnen, einen Schrei versuchte zu unterdrücken. Sich wundernd, was da nun schon wieder los war, schlug er eine andere Richtung ein. Bereits am Vortag hatte er einen sehr ähnlichen Laut von ihr gehört. Da hatte sie mit Noriko geschimpft gehabt. Warum wusste er aber nicht. Kaum, dass er nur noch einen Meter vom Kinderzimmer entfernt war, hörte er die kleine Noriko schlurzen. „Noriko! Wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass du nicht ständig deine Kleider schmutzig machen sollst! – Sieh dir das doch nur mal an! Das hast du noch keine halbe Stunde an!“ Miyako war sauer. Ständig machte ihre Tochter ihr Ärger. „Wegen dir komme ich wieder zu spät zur Vorlesung!“ Das Mädchen fing durch das Anschreien erst richtig an zu weinen. Daisuke wusste, dass es ihn nichts anging, wie Miyako die Kleine erziehen wollte, aber wegen einem Fleck auf dem rosa Rock konnte man sie doch nicht derartig anfahren. Er sah, dass Norikos Mutter mit der Situation überfordert war, weswegen er sich entschloss einzugreifen, ehe diese etwas tun konnte, was sie nachher bereuen wird. Er ging auf die beiden zu, kniete sich neben Noriko, tätschelte ihr kurz den Kopf bis sie ihm weinend in die Arme fiel. „Sch. Schon gut. Ich bin ja da.“ sagte er zu dem kleinen Mädchen, wandte sich aber gleich an Miyako „Überlass sie mir, ok? Ich schaff das schon. Geh du zur Uni.“ Schwach lächelte er sie an. Perplex sah die Frau ihn einige Sekunden lang an. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass es ausgerechnet Daisuke war, der genau das zu ihr sagte. Aber Rivale hin, Rivale her, sie wusste dass er sich nur eingemischt hatte, weil er Noriko vor ihren Wutausbrüchen – die er in der Vergangenheit häufiger zu spüren bekommen hatte – beschützen wollte. Es war wohl besser die Kleine Daisuke zu überlassen. Widerwillig einverstanden nickte sie und setzte sich in Bewegung, ließ Daisuke mit ihrer Tochter alleine. Es fiel ihr schwer diesen Schritt zu tun. Sie wollte gar nicht so böse zu Noriko sein. Sie wollte dass sie sie so mochte, wie die Kleine Ken mochte. Der ist noch nie aus der Haut gefahren, wenn Noriko am Mistbauen oder Heulen war. Völlig niedergeschlagen nahm sie sich ihre Tasche und ging zur Wohnungstür. Sie registrierte noch nicht mal, dass Ken, der gerade auf den Flur gekommen ist, sie mit fragenden Blicken bedachte. Ohne auch nur das Geringste von ihrem Umfeld zu bemerken nahm Miyako ihre Winterjacke vom Haken und verließ die Wohnung. Verwirrt über das ausbleibende morgendliche Begrüßungsritual, bei dem Miyako ihm mindestens einmal zu nahe auf die Pelle rückte, starrte Ken die inzwischen geschlossene Wohnungstür an. Was auch immer gerade in Norikos Zimmer abgelaufen war, musste ihr den Rest gegeben haben. Erst als der Schwarzhaarige das Schniefen seiner Tochter näher kommen hörte, wandte er seinen Blick ab und sah zu Daisuke, der sie auf den Armen trug. Sein Blick muss Bände gesprochen haben, denn der andere zuckte mit den Schultern. „Kein Plan, was die wieder hat.“ „Huh, sie wird sich schon wieder einkriegen.“ „Und was machen wir mit ihr?“ Unsicher sah Daisuke das Mädchen auf seinen Armen an. „Hm, gute Frage. – Was möchtest du denn, Noriko-chan? Willst du in die Vorschule, oder möchtest du heute lieber zuhause bei Onkel Dai und mir bleiben?“ Er selbst wusste auch nicht so recht, was er tun sollte. Er konnte sich zwar denken, was Miyako an seiner Stelle getan hätte, aber er wusste dass ihre Entscheidungen nicht unbedingt richtig sein mussten. „Ich möchte zuhause bleiben.“ schniefte die Kleine. „Meinst du, dass das eine gute Idee ist, Ken?“ skeptisch beäugte der Brünette seinen Freund, der seine Tochter lächelnd auf die Arme nahm. Irgendwie witterte er schon Ärger mit Miyako. „Hast du etwa Lust sie jetzt wegzubringen? – Ich jedenfalls nicht.“ Ergeben seufzte der Brünette. „Wie du meinst. Sie ist ja deine Tochter.“ Er war aus irgendeinem Grund daran interessiert zu erfahren, ob Miyako ihre Wut an Ken auslassen wird, wenn sie wieder Heim kommt. Er hatte es bislang zwar noch nicht erlebt, aber einmal war immer das erste Mal. Eigentlich hatte Daisuke gestern noch gedacht, dass er einen ruhigen, entspannten Tag mit Ken haben könnte, doch nun hatten sie Noriko daheim. Sie stellte diese Planung gänzlich auf den Kopf und sog nebenbei sämtliche Aufmerksamkeit Kens auf sich. Missmutig sah er zu, wie sein schwarzhaariger Freund der Kleinen zum wiederholten Male dabei half ihre Bauklötzchen zu stapeln. Schon vor Jahren war sich Daisuke sicher gewesen, dass Ken mal ein guter Vater sein würde und wie er es gerade gut beobachten konnte, war er es wirklich geworden. Sich selbst hatte er nie in eine Vaterrolle einordnen können. Dazu war er fiel zu egoistisch. Mal ein paar Stündchen auf ein Kind aufpassen ging ja noch, aber auf längere Dauer würde er entweder das Weite suchen oder wahnsinnig werden. Zum Glück für die Frauenwelt und insbesondere der Frau, die er eventuell geschwängert hätte, ist er schwul und inzwischen sicher nicht mehr Fähig auch nur ansatzweise sexuelle Lust für das weibliche Geschlecht zu empfinden. ‚Die Weiber dieser Welt sollten Ken dafür besser dankbar sein.’ dachte er sich grinsend. ‚Auch wenn sie ihn dafür verloren haben. Aber sonst hätte er sicher noch mehr Gören mit Miyako… Also trotzdem dankbar.’ Aus dem Augenwinkel heraus konnte Ken dieses Grinsen sehen. Erleichtert darüber, dass Daisuke doch nicht wieder eifersüchtig zu sein schien, wie es damals bei Yukari, Juns Tochter, gewesen war, atmete er auf. Wenn dem heute der Fall wäre, wäre es wohl wesentlich schlimmer, denn allein der Tatsache wegen, dass Noriko seine Tochter war, konnte er sie schlecht aus seinem Leben verbannen. Es bestand durchaus die Option dass er sich gänzlich von Miyako trennte und ihr die Kleine überließ, aber so ganz wohl war ihm bei dem Gedanken nicht. Miyako hatte leider keine besonders starken Nerven was Kindererziehung betraf. Allein der heutige Morgen war Beweis genug gewesen. Glücklich darüber, dass ihr Papa sich so sehr mit ihr beschäftigte, lächelte Noriko vor sich hin. „Mhm, Papa?“ Mit großen Augen sah sie ihn an. „Was ist denn?“ „Ich möchte malen! Und Onkel Dai soll auch mit machen!“ Fast schon entsetzt über diese Aufforderung wäre Daisuke fast von der Couch gefallen, doch er hatte sich noch halten können. Nun starrte er die Kleine und Ken an. Er sah wie Ken unsicher zu ihm rüber sah, ehe er zu einer Antwort ansetzte. „Wenn du Onkel Dai ganz lieb fragst, malt er bestimmt mit dir.“ ‚Och nööööööö.’ Hallte es durch den Kopf des Brünetten. Er hatte seit dem Kunstunterricht in der Schule nicht mehr gemalt und schon da hatte es ihm weder Spaß gemacht noch war er gut darin gewesen. Er war sich sicher, dass er gegen Noriko total abloosen wird. Seine Zeichnungen sind schon immer für die von einem Kleinkind gehalten worden. Dank der Bitte fühlte er sich plötzlich so unwohl auf der Couch. ‚Ich hätte mich doch wieder ins Bett hauen sollen. So hätte sie nie diese Idee bekommen.’ Ganz lieb und unschuldig ging Noriko zu dem Brünetten und schaute ihn mit ihren großen blauen Augen lieb an. „Magst du mit mir malen, Onkel?“ Innerlich am Heulen willigte Daisuke ein. Und so hockte er wenige Minuten später mit Noriko und auch mit Ken auf dem Boden und malte. Immer wieder linste er hinüber, um zu sehen, was Noriko malte und er musste sich leider eingestehen, dass ihr Bild bereits jetzt besser aussah als seins. Am liebsten würde er seines aus Scharmgefühl verbrennen… Aus seinem Blickwinkel heraus konnte er Ken grinsen sehen. ‚Toll. Jetzt hat er diesen Bullshit auch gesehen. – Warum nur kann ich nicht malen???’ Seine Mundwinkel zogen sich nach unten. Er konnte es nicht leiden, wenn man sich über ihn lustig machte, aber noch weniger konnte er es leiden, wenn er etwas nicht konnte. Ken hatte tatsächlich das Bild seines Freundes gesehen, er hatte auch bemerkt, dass es nicht gerade das beste war, trotzdem fand er es irgendwie süß zuzusehen, wie Daisuke krampfhaft versuchte gegen seine Tochter zu gewinnen, die wiederum nichts von all dem mitbekam. Und selbst wenn, sie würde sich sicher nichts draus machen. Sie hatte eben das Alter auf ihrer Seite, das absolut alles was sie tat süß wirken ließ. Dagegen konnte Daisuke nur verlieren. Eine gute halbe Stunde später war Noriko mit ihrem Bild fertig und betrachtete es stolz. „Sieh mal Papa!“ Lachend deutete sie auf das bemalte Stück Papier vor sich. „Das sieht schön aus, Süße.“ Zur Untermalung seiner Worte lächelte Ken seine Tochter an. Mit den Nerven am Ende schaute Daisuke ganz kurz hinüber und unter Jammern ließ er seinen Kopf auf den Boden nieder. Da hatte Noriko doch tatsächlich einen Schmetterling gemalt, der überflüssiger Weise auch noch verdammt gut aussah! Und sein grauenhaftes Bild, worauf nicht einmal er eine lächerliche Blume erkennen konnte, stank total dagegen ab. „Zeig mal Onkel!“ rief die Kleine und wollte Daisukes Bild sehen, auf das er seinen Kopf gelegt hatte. Da der Onkel aber nicht reagierte, krabbelte sie zu ihm und zog das Blatt einfach hervor. Sie drehte es ein paar Mal um besser erkennen zu können, was ihr Onkel denn gemalt hatte, doch auch sie wurde nicht ganz schlau draus. Angestrengt guckte sie das Bild an und nannte das erste, das sie glaubte zu erkennen. „Bälle!“ Als hätte man ihm einen Schlag versetzt zuckte der Brünette kurz zusammen und ließ einen jammernden Laut von sich. Ken biss sich derweil auf die Unterlippe um sich vom Lachen abzuhalten. Das mit anzusehen war einfach nur goldig. Seine Tochter war völlig überfordert. Nun doch etwas am Kichern setzte er sich neben Noriko, damit er das Bild besser angucken konnte. „Aber Noriko-chan, das sind doch keine Bälle. Sieh mal, das ist eine Blume.“ Mit dem Finger führ er zuerst die Ränder der Blüten nach. „Das sind die Blüten und das ist der Stängel und hier ein Blatt.“ Während er das seiner Tochter erklärte zeigte er ihr es auf das Papier. „Ach so.“ Verstehend nickte sie. „Hübsch.“ quietschte sie entzückt. Nichts verstehend hob Daisuke seinen Kopf und sah die beiden vor sich verpeilt an. War das von Ken nur geraten gewesen, oder hatte der echt das erkannt, was nicht mal Daisuke erkennen konnte, obwohl er es selbst gemalt hatte? Völlig happy begann das kleine Mädchen durch das Wohnzimmer zu tänzeln und summte dabei. „Erkannt oder geraten?“ fragte Daisuke niedergeschlagen, worauf Ken ihn anblinzelte. „Das Bild.“ ergänzte er. „Mehr erkannt, würde ich sagen. Bei Norikos Bildern bekommt man mit der Zeit Übung.“ Dass er diese schon vor Jahren hatte verschwieg er lieber, denn schon zu seinen Schulzeiten hatte er das Vergnügen gehabt Daisukes Bilder aus dem Kunstunterricht betrachten zu können. Wovon dieser natürlich nichts wusste, denn das erste Mal waren Ken diese in die Hände gefallen, als er mal vor Langeweile etwas Ordnung in dessen Zimmer versucht hatte zu schaffen, während er auf ihn gewartet hatte. Endlich war für Noriko Mittagsschlaf angesagt und Daisuke konnte sich an der Ruhe kaum satt hören. Mit sich und der Umwelt zufrieden lag er auf der Couch lang, konnte sein Glück kaum fassen. Ken, der gerade seinen Freund so erblickte musste schmunzeln. „Willst du nicht auch lieber Mittagsschlaf halten?“ „Witzig Ken, echt witzig.“ erwiderte der Brünette lustlos. „Wie schaffst du das nur?“ Darauf zuckte der Blauäugige mit den Schultern. „Vielleicht irgendein Vatergen, das dir fehlt.“ „Hm, ich wollte auch nie Kinder haben. Kein Wunder, dass ich es nicht habe.“ „Du wolltest nie welche?“ In aller Ruhe setzte er sich mit auf die Couch und ehe er sich versah, hatte er schon den Kopf Daisukes auf seinem Schoß zu liegen. „Jap. Ich weiß auch nicht warum. Nicht mal, als ich damals noch in Hikari-chan verliebt gewesen bin, wollte ich welche. Dabei hab ich genau gewusst, dass sie welche wollte. – Versteh mich jetzt nicht falsch. Kinder find ich schon süß und so, aber eigene? Den ganzen Tag lang dieses Rumgeheule wenn sie klein sind, das Rumgeschreie wenn sie größer werden, das stetige Zanken und Streiten und der ganze Ärger mit ihnen. Ich glaube nicht, dass ich dafür die nötigen Nerven habe.“ „Aber es gibt auch schöne Erlebnisse.“ Während Daisuke seinen kleinen Vortrag hielt, hatte Ken angefangen mit dessen Haaren zu spielen. Immer wieder drehte er eine der störrischen kurzen Strähnen um einen Finger, doch da sie zu kurz waren, entwickelten sie sich jedes Mal wieder von selbst. „Schon, nur lohnt es sich auch?“ „Ich glaube schon. Du weißt ja genauso gut wie ich, was Norikos Geburt mit meinem Leben gemacht hat, aber jedes Mal wenn ich sie lachen sehe, stimmt es mich glücklich. Es ist schön zusehen zu können, wie sie jeden Tag dazulernt und ihre eigenen Erfahrungen macht.“ Ein paar Minuten dachte Daisuke über Kens Worte nach. Letztlich musste er Ken widerwillig zustimmen. „Bist du deswegen bei Miyako geblieben?“ „Nein.“ Einen Moment hielt Ken inne. Atmete einmal tief durch. „Weißt du, damals, kurz nach Norikos Geburt bin ich wirklich sehr kurz davor gewesen sie zu verlassen.“ „Huh? Warum?“ interessiert sah Daisuke in Kens blaue Augen auf. „Ich glaubte der Verantwortung nicht gewachsen zu sein. Die Kleine war ständig am weinen und Miyako meinte, dass es ihre Aufgabe sei sie zu beruhigen, aber Noriko wurde nur dann Ruhig, wenn sie richtig müde war. Ich bin völlig am Ende gewesen. Es hat keine Nacht gegeben, in der die Kleine durchgeschlafen hatte. – Nach zwei oder drei Monaten ist es mir zum ersten Mal aufgefallen…“ Gedankenverloren fixierten Kens Augen einen unbestimmten Punkt. „Was?“ „…dass Noriko fast ausschließlich dann weinte, wenn Miyako sie auf den Armen hatte. Miyako hatte alles versucht um eine gute Mutter zu sein, aber ihr gelang es nicht, denn etwas Entscheidendes fehlte. – Und ich glaube dass dem heute immer noch so ist.“ „Dass sie keine Geduld hat, wussten wir alle doch schon vorher…“ „Das ist es nicht.“ „Was dann?“ „Sie… sie konnte keine Gefühle für Noriko entwickeln. Für sie schien Noriko ein fremdes Kind zu sein. Zudem hatte sie Schwierigkeiten damit gehabt sich zu konzentrieren, war ständig am weinen, wenn sie glaubte dass ich nicht da war. Sie war ständig lustlos, hatte kaum Appetit und egal, wie erschöpft sie gewesen ist, sie konnte nicht richtig schlafen. Alle paar Minuten ist sie hoch geschreckt.“ Für einen kurzen Moment schloss Ken seine Augen. „Da konnte ich sie nicht mehr alleine lassen. Nachdem ich sie darauf angesprochen habe, wollte sie es natürlich nicht wahr haben, dass sie offensichtlich ein Problem hatte. Ich habe sie dazu gedrängt einen Arzt aufzusuchen. – Im Gegenzug verlangte sie, dass niemand davon erfuhr. Sie wollte nicht, dass die anderen sie bemitleiden.“ „Also weiß bislang niemand sonst davon?“ Bejahend nickte Ken. ‚Da haben beiden ja ihre Macken…’ dachte sich der Braunäugige. „Was hatte denn der Arzt gesagt, woran sie litt?“ „Postnatale Depression.“ „Sie hatte also eine echte Depression gehabt? Sie? – Wow.“ Damit hatte Daisuke nun wirklich gar nicht gerechnet. Bei ihr konnte er sich das noch schwerer vorstellen als bei sich selbst. So aufgedreht und reizbar sie doch stetig seit dem Tag an dem er sie kennen gelernt hatte war… und launisch nicht zu vergessen. ‚Obwohl, diese Depression würde diese merkwürdige Szene von heute Morgen erklären.’ Wenn das wirklich mit ihrer Depression zusammen hing, dann lag Ken mit seiner Vermutung leider richtig, dass sie diese noch nicht ganz überwunden hatte. Aber vielleicht war Miyako auch nur überfordert. „Hm, und was machen wir jetzt?“ Frech grinste er vor sich hin. „Wie wäre es damit dir endlich einen Job zu verschaffen? Deine Million reicht sicher nicht mehr lange.“ Schlug Ken mit ironischem Unterton in der Stimme vor. „Mah, da ich keine Miete und so zu bezahlen hab, reicht das noch eine Weile.“ „Du elender Schnorrer. Das lässt sich ganz leicht ändern.“ Verschwörerisch lächelte Ken seinen Freund an. „Und wenn ich nicht mit Geld zahlen will?“ „Dann musst du eben andere Dienste leisten.“ „Uh, so einer bist du? Du bist ja neuerdings richtig versaut.“ Darauf konnte Ken nur den Kopf schütteln. „Warum muss eigentlich jedes Gespräch mit dir auf sexuelle Anspielungen hinauslaufen?“ „Fast jedes. – Vielleicht weil ich drauf stehe, wenn du vulgär wirst?“ „Seit wann bin ich denn bitte vulgär?“ Fragend zog Ken eine Braue hoch. „Nun ich glaub das hat irgendwann vor vier Jahren angefangen, als du von dir aus die Initiative begonnen hattest zu ergreifen… wenn du Lust hattest, du weißt schon.“ Daisuke sah schon, dass Ken es nicht wusste. „Als du eben richtigen Spaß am Sex gefunden hattest. Da hast du immer diese zweideutigen Sachen gesagt.“ „Vielleicht habe ich die aber nicht so gemeint gehabt? Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass ich es wenn so gemeint hatte.“ Er konnte sich wirklich nicht daran erinnern. Trotzdem beschlich ihn das Gefühl, dass da was dran sein könnte, sodass er langsam rot wurde. „Und wie war es denn bitte gemeint gewesen, wenn wir mittendrin gewesen sind und du Sachen wie ‚du bist so versaut’ oder ‚ja, ja, gib’s mir’ gestöhnt hast?“ „Hab ich...?“ Ken hoffte dass ein nein folgen würde. „Jap, hast du.“ Nun noch eine Spur roter im Gesicht suchte der Schwarzhaarige nach einer Ausrede. „Da hast du sicher… wieder irgendwas Perverses gesagt oder mich etwas gefragt gehabt.“ So langsam schlug dieses Gespräch eine Richtung ein, die ihm deutlich unangenehm wurde. Frech begann Daisuke zu kichern. „Du bist aber trotzdem drauf eingegangen.“ Als er sich wieder eingekriegt hatte, lächelte er Ken an. „Aber es von dir zu hören war schön gewesen.“ „Du hast wohl zu viele Pornos geguckt.“ Das war das Einzige, was Ken eingefallen war, um sein Scharmgefühl zu überspielen. Was sollte er denn sonst antworten? ‚Schön dass du es gern gehört hast’? „Was willst du? Du hast doch auch ein paar mit mir angeguckt.“ Unschuldig blinzelte der Brünette den Schwarzhaarigen an. „Aber auch nur, weil du nicht aufgegeben hast, bis ich mit dir vor dem laufendem Film gesessen hab.“ „Och komm schon, es hat dir doch gefallen gehabt.“ „Wenn du meinst.“ „Es hat dich ja auch angemacht gehabt, als wir damals Tai und Yama beim Vögeln auf dem Männerklo im Kaufhaus gesehen haben.“ ‚Jetzt fängt er schon wieder mit dieser Geschichte an.’ Ein genervter Laut entwich Kens Kehle. „Könntest du dein Vokabular bitte jugendfrei halten? Noriko ist schließlich da.“ „Lenk nicht vom Thema ab. Sie schläft doch eh.“ „Es reicht, Daisuke.“ „Da hast du zum ersten Mal von dir aus gewollt.“ „Motomiya, es reicht jetzt.“ Nun doch ganz schön gereizt sah er den Brünetten böse an. „Noch ein Wort darüber und du kannst bei Iori einziehen.“ Da verstummte Daisuke schnell wieder. Bei dem Jungen wollte er unter gar keinen Umständen einziehen. So viele Komplexe, wie der inzwischen entwickelt hatte, würde er bereits nach wenigen Stunden sich in die Tiefe stürzen. Iori hatte inzwischen fünf Katzen in seiner Einzimmerwohnung, die absolut alles durften. Und wehe jemand trat aus Versehen einer auf die Pfote oder den Schwanz, oder setzte sich auf den Lieblingssessel von einer von denen. – Da reichte es Daisuke voll und ganz, dass er sich hier mit Kens Katze – seine Yuki-chan – rumschlagen musste. Eilig schlüpfte Daisuke in seine Schuhe. Da Miyako überraschender Weise trotz des späten Abends noch immer nicht nach hause gekommen war, hatte er sich entschlossen für sie den Einkauf zu erledigen. Er wusste, dass Ken damit nicht so ganz einverstanden war, aber letztlich hatte dieser doch eingewilligt und stand nun hinter ihm. „Du willst wirklich jetzt noch gehen?“ Besorgt sah er zu, wie sich sein Freund die Jacke zuknöpfte. „Och komm schon. Du tust ja gerade so, als würde draußen ein Serienmörder rumlaufen.“ Frech grinste der Brünette Ken an. „Und wenn doch? – Ich weiß auch nicht warum, aber ich habe irgendwie ein komisches Gefühl…“ „Ken, mir wird schon nichts passieren. Ich werde in spätestens einer Stunde wieder hier sein. – Was soll mir da schon großartig passieren?“ Schnell hauchte er einen Kuss auf Kens Wange. „Mach bloß keine Panik, du hast das ganze nur noch nicht ganz verarbeitet.“ Damit spielte Daisuke auf Kens Vergewaltigung an. Er wollte es nicht direkt ansprechen, da er fürchtete seine Wunden wieder aufzureißen. „Ich hoffe du hast recht.“ Und so ließ er ihn gehen. Als sich die Wohnungstür schloss, versetzte es ihm einen Stich ins Herz. Er hatte das Gefühl, als würde er Daisuke nie wieder sehen können. Sich sicher, dass er nun alles eingepackt hatte, was auf dem kleinen Einkaufszettel stand, machte sich Daisuke auf den Weg zur Kasse. Wie es der Zufall so wollte, traf er dort auf zwei bekannte Gesichter. „…Na gut, dann nimm dir einen Schokoriegel…“ Am Ende mit den Nerven seufzte der Blonde. „Ich sagte einen, Tai.“ Dieser war gerade dabei den halben Vorrat von den Schokoriegeln aus dem kleinen Regal zu nehmen. „Och Menno, Yama, einer reicht doch niemals!“ Eine Schnute ziehend blickte Taichi seinen blonden Freund an. „Yagami Taichi, ich sagte einen. Ich will mir nicht noch einmal dein Gejammer antun, weil du über Bauch- und Zahnschmerzen klagst.“ „Aber –“ „Nichts aber.“ Hartnäckig bleibend griff er mit der einen Hand nach der Tais und mit der anderen nahm er einen der Riegel. „So, und nun lass uns endlich zur Kasse gehen.“ Gerade als Yamato losgehen wollte, erspähte er Daisuke, der nur wenige Meter von ihm entfernt stand und sie beide interessiert beobachtete. „Hey, Motomiya, was machst du denn hier?“ Ertappt zuckte Daisuke kurz zusammen, besann sich aber schnell wieder und ging auf seine beiden Freunde zu. „Sieht man doch.“ Damit deutete er auf den Einkaufskorb, den er trug. „Macht das nicht sonst Miyako?“ hakte Taichi nach. „Nun ja, eigentlich schon, sie ist aber noch nicht nach hause gekommen.“ Skeptisch beäugten Yamato und Tai den jüngeren. „Wirklich nicht? Dabei ist es schon fast neun.“ Daisuke zuckte mit den Schultern. „Sie war schon heute Morgen so komisch gewesen. Sie wird sich sicher irgendwo abreagieren.“ „Wenn sie sich wirklich abreagieren will, dann solltest du ihr besser aus dem Weg gehen.“ „He, Yama, wollen wir noch mit Daisuke mit?“ „Lädst du dich schon wieder selbst ein?“ Yamato zog eine Braue hoch. „Uns. – Und was meinst du?“ „Wie wäre es, wenn du zuerst Motomiya fragst, ob das auch okay ist?“ Kurz dachte Tai über die Worte seines Freundes nach. Sah dann zu Daisuke, der ihn nur anblinzelte. „Hättest du was dagegen, wenn wir noch mit zu dir kommen?“ „Nun ja, eigentlich nicht. Ich weiß aber nicht was Ken dazu sagt.“ „Mah, der wird uns schon nicht rauswerfen, wenn wir mal da sind!“ Damit war diese Angelegenheit beschlossen und er grinste den anderen Goggleboy vor sich an. Nachdem sie alle bezahlt hatten, machten sie sich auf den Weg in Kens Apartment. Daisuke war froh, dass die beiden da waren. Sie würden wieder etwas frischen Wind mit sich bringen und hoffentlich auch Ken ablenken. Die drei verließen den Fahrstuhl und gingen auf die Wohnung zu. Noch im Gehen kramte Daisuke den Wohnungsschlüssel aus seiner Tasche, doch als er diesen ins Schlüsselloch stecken wollte stoppte er. „Ist was?“ fragte Tai und lugte über die Schulter des jüngeren. „Die Tür… sie ist offen.“ „Wie offen? Hast du die vorhin nicht richtig zugemacht?“ „Doch habe ich. Ich bin mir sicher.“ Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend schob er die Tür auf und ging hinein. Da Noriko jetzt eigentlich schlafen müsste, hielt er sich davon ab, nach Ken zu rufen. Also machte er erst das Licht an, zog seine Schuhe aus, stellte die Einkäufe auf den Boden und ging in Richtung des Wohnzimmers. Auf dem Weg schaute er in jedes Zimmer, sah seinen schwarzhaarigen Freund aber nicht. Daisuke schluckte schwer. ‚Bitte lass ihn hier sein. Bitte lass ihn hier sein.’ Doch selbst als er dort angekommen war, sah er ihn nicht. Tai und Yamato hinter dem jüngerem waren ihm ebenso misstrauisch gefolgt. Sie ahnten, dass etwas schlimmes hier vorgefallen sein musste, sprachen es aber um Daisuke nicht zu beunruhigen, nicht aus. „Er… Er ist nicht da.“ erklang Daisukes zittrige Stimme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)