Auf der Suche nach einer zweiten Chance von Tori-chan1 (Die Insel des Glücks) ================================================================================ Kapitel 13: Die Wilden (Julia) ------------------------------ Worte vom Autor: Also erst einmal danke, an alle die meine FF lesen und so nett kommentieren :)! Hier also das 13. Kapitel, genau rechtzeitig zu meinem Geburtstag hochgeladen hehe! Ich bin mit meinem Ergebnis zufrieden, wenn man bedenkt, dass ich mit dieser Geschichte lange unschlüssig war... Dafür bin ich jetzt umso begeisterter davon und ich freue mich schon darauf, bald wieder diese Geschichte aufzugreifen :D! Viel Spaß beim Lesen! Eure Tori-chan Es war ein Tag wie jeder Andere auch… Es regnete ein wenig und da ich im Laden nichts zu tun hatte, ging ich ein wenig spazieren. Gannon hatte eine neue Brücke gebaut… Ich dachte, ich könnte mir dort ein wenig die Zeit vertreiben und sehen, was sich dort alles befand. Bei Regen waren die Tiere immer traurig… Ich hegte eine große Tierliebe und normalerweise leistete ich den Tieren bei schlechtem Wetter immer Gesellschaft. Aber heute, da brauchte ich ein wenig Zeit für mich… Ich brauchte meine Ruhe. Natalie hatte mich und Trent gesehen… Wie dumm! Und auch die Sache mit Vaughn… Wahrscheinlich würde Chelsea ihn nun nie wieder sehen wollen. Ich kannte sie zwar nicht besonders gut… Aber so wie ich sie einschätzte, würde sie ihm in Zukunft aus dem Weg gehen… Schon allein aus Prinzip! Weil sie dachte, wir seien Freunde und um mich nicht zu verletzen. „Wie töricht!“, sagte ich zu mir selbst. Es gab keine Frau, die auf die Gefühle anderer Frauen Rücksicht nahm. Wir beschweren uns immer, dass Männer so herzlos seien, dass sie auf den Gefühlen der Frauen herum trampeln würden… Untreu seien und verletzend… Dabei sind wir Frauen doch um einiges schlimmer! Wir wissen, wie es ist betrogen zu werden. Wir sind selber verletzlich und wünschen uns Treue von unserem Partner… Aber doch lassen wir uns auf Männer ein, die schon zu einer anderen Frau gehören. Obwohl wir selbst uns wünschen, niemals hintergangen zu werden, so hintergehen wir doch diejenigen Frauen, die nichtsahnend zu Hause auf ihren Mann warten, während dieser sich in unseren Armen befindet. Also, wieso Sie!? Wieso sollte Chelsea dann Rücksicht auf mich nehmen?? Vor allem, wenn es mich sowieso nicht verletzen oder stören würde… Ganz im Gegenteil! Ich würde mich für sie beide freuen… Und das muss schon was heißen, denn ich freue mich nicht über vieles im Leben! Ich habe mich darüber gefreut, als Trent sagte, er würde seine Frau verlassen… Und war dafür umso enttäuschter, als er es letztlich doch nicht tat. Die Tage vergingen, Wochen, Monate… Und an unserer Situation hatte sich nichts geändert. Ich war immer noch allein. Ich war immer noch nichts weiter als die zweite Wahl… Seine Geliebte. Wie dumm von mir, so naiv gewesen zu sein! Einfach dumm, mich auf so ein Spielchen eingelassen zu haben! Ich war hin und weg von ihm gewesen, schon vom ersten Augenblick an hatte er mir gefallen. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen! Immer gab ich vor krank zu sein um unseren neuen Hausarzt aufsuchen zu können. Ich war noch jung… Und ich wusste, dass er verheiratet war… Natürlich wusste ich es! Aber ich hätte niemals gedacht… Dass meine Gefühle ihn jemals erreichen würden! Haben sie auch nicht, wenn ich so darüber nachdenke… Er hat mich benutzt! Er hatte seinen Spaß mit mir, mehr nicht. Es ist bitter, das einzusehen… Es tut schrecklich weh, aber so ist die Wahrheit nun mal! All diese Lügen… All diese Male, in denen er behauptet hatte, er würde mich lieben und ich sei etwas Besonderes für ihn… Ich will sie vergessen! Ich will IHN komplett vergessen, nie wieder an mein Herz heranlassen, nie wieder unter dieser Liebe leiden! Deshalb waren Mirabelle und ich auch hierhergekommen. Sie hatte immer gedacht, es läge an dem Verlust meines Vaters, dass ich weg wollte, aber das war es nicht. Natürlich fehlte mir mein Vater, natürlich hatte auch das mich sehr mitgenommen. Aber ich war weggelaufen vor dem Mann, der mich zerstört hatte. Der jegliches Vertrauen, jegliche Hoffnung auf Liebe in mir kaputt gemacht hatte. Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass ich schon an der Brücke angekommen war. Ich blieb davor stehen und betrachtete sie lange. Auf der anderen Seite, schien sich ein Turm zu befinden… Es wirkte fast schon wie ein Urwald, voller Bäume und Wildnis. Sollte ich wirklich hinüber gehen? Was soll‘s, dachte ich. Was soll mir schon schlimmes passieren? Und überhaupt… Was sollte ich schon gegen ein kleines Abenteuer einzuwenden haben. Es war ein komisches Gefühl diese Brücke zu überqueren… Gannon hatte die Brücke gerade erst fertig gestellt und bisher war noch niemand drüben gewesen… Mein Herz schlug schnell und ich wurde das Gefühl nicht los, dass mich etwas ganz besonderes… Etwas Unglaubliches auf der anderen Seite erwarten würde! Ich lief einige Schritte weiter, als mich plötzlich ein dumpfer Schlag auf den Hinterkopf traf. Ich konnte nicht einmal aufschreien, so schnell geschah alles… Dann wurde mir schwarz vor Augen. Als ich erwachte, befand ich mich… Na, wo befand ich mich denn? Ich öffnete langsam meine Augen und sah mich vorsichtig um. Keiner war da… Ich schien mich in einer Hütte zu befinden, in der Mitte war sowas wie ein Feuerplatz und es lag ein Pelz auf dem Boden... Mir schauderte bei seinem Anblick… Schließlich war ich eine Tierliebhaberin und das Fell da so liegen zu sehen brach mir das Herz. Es sah aus, wie das Fell von einem Bären! Langsam richtete ich mich auf und tastete die Beule auf meinem Hinterkopf ab. Sie pochte immer noch und tat weh, aber es schien nichts Schlimmes passiert zu sein. Dann betrachtete ich den Rest von mir eindringlich, suchte meinen Körper nach Verletzungen ab, tastete in meinem Gesicht nach Wunden, aber nichts. Ich war unversehrt und fragte mich, wer mich da wohl gerade KO geschlagen hatte… Wer besaß eine derartige Frechheit?? Ich stand auf und wollte mich gerade aus dem Staub machen, als ein Mann hineintrat. Bei seinem Anblick stockte mir der Atem! Er sah definitiv aus wie ein Wilder, wie ein Urmensch. Ein wahrlich hübscher Wilder, zugegeben. Seine Haut war dunkel, seine Miene ernst und gefasst. Er trug nichts weiter als einen… Rock, sozusagen. Ein Rock, in dem Muster eines Tigers. Er wirkte gefährlich, wie ein Jäger. Die Augen immer wachsam, sein Haar struppig, unbändig, mit einem Band aus demselben Stoff, aus dem auch seine restliche Bekleidung bestand, um die Stirn gebunden, damit seine Haare ihm nicht die Sicht versperren und in seinem Gesicht hängen. Seine Haltung glich der einer Raubkatze! Sein Körper, muskulös und gespannt. Und seine Augen… Seine Augen sahen mich unverwandt an und ich hatte Mühe damit, seinem Blick standzuhalten. Da zückte der Fremde plötzlich ein Messer und ich sah ihn mit großen Augen an. Er würde mich töten, ganz sicher… Doch ich schrie nicht. Wozu auch? Egal, was ich tat, egal was ich unternahm, er würde mich sowieso besiegen. Er war stärker als ich, er war bewaffnet. Ich hatte keine Chance… Natürlich hatte ich Angst, natürlich wollte ich nicht sterben, aber ich wehrte mich auch nicht, winselte nicht. Es war ein merkwürdiges Gefühl, denn ich spürte förmlich die Kraft, die in mir lauerte. Ich gab mein Leben nicht auf, nein. Ich stellte mich nur diesem Fremden, der mich in wenigen Sekunden abstechen würde. Ich würde keine Beute sein… Und auch nicht meine Würde verlieren. Hier stand ich und wich keinen Schritt zurück sondern sah ihn nur gefasst an, wartete auf das Ende… Auf mein Ende. Sein Blick durchbohrte mich noch immer. Er ließ nicht locker, sah nicht eine Sekunde weg. Er bewegte sich nicht sondern war genau so ruhig wie ich. Was für wunderschöne Augen, dachte ich… Katzenartig, wild und… Frei! „Fremder…“, sagte der junge Mann. Verdutzt starrte ich ihn an, denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass er sprechen kann. „Fremder mutig.“, fuhr er fort und legte das Messer beiseite. Er steckte es nicht etwa zurück in die Lederscheide, die er an seiner Seite trug, er legte es auf den Boden und zeigte mir seine Hände. War das etwa so etwas Ähnliches wie ein Friedensangebot? Hatte ich mir seinen Respekt verdient? Ich hatte zwar kein Messer bei mir, aber ich hielt ihm ebenfalls meine nackten Handflächen entgegen und sagte: „Ich bin eine Fremde, aber ich bin kein Feind!“. Ich hoffte inständig, dass er versteht, was ich damit sagen wollte und offensichtlich hatten meine Worte die gewünschte Wirkung erzielt. Freudig strahlte er mich an und mir entfuhr fast ein Lachen bei dem Anblick dieser leuchtenden Augen. In diesem Moment sah er aus, wie ein Kind, nicht wie ein Wilder. Seine Augen leuchteten, seine Muskeln entspannten sich und es kamen seine strahlend weißen Zähne zum Vorschein. „Freunde?“, fragte er und hielt mir seine Hand hin. Ich nahm das Angebot an und reichte ihm ebenfalls meine Hand. „Freunde!“, bestätigte ich schließlich und wir besiegelten diese neue Freundschaft mit einem festen Händedruck. So war ich also noch mal glimpflich davon gekommen mit meinem Leben. Ich hatte wirklich gedacht, das sei mein Ende gewesen… „Shea!“, sagte der Junge und zeigte mit der rechten Hand auf seine nackte Brust. „Du?“, fragte er und zeigte auf mich. Er hatte also sogar einen Namen, mein Wilder, und wollte nun meinen in Erfahrung bringen. „Julia.“, antwortete ich kurz. Ich wusste nicht, wie viel er verstand, wie gut er die Sprache tatsächlich beherrschte, deshalb hielt ich mich an das Nötigste, damit er mich nicht missverstand. Verwirrt blickte er mich an und zog seine Augenbrauen zusammen. „Julia?“, fragte er, als hätte er so einen merkwürdigen Namen noch nie zuvor gehört. Dabei ist er der wohl gewöhnlichste Name, den ich mir vorstellen kann… „Julia… Merkwürdiger Name. Was bist du?“, fragte er und musterte mich eindringlich. „Du siehst anders aus als Shea und Wada…“, sagte er und starrte ganz offensichtlich auf meinen Busen. Ich errötete nicht, als ich merkte, dass er mich anstarrte sondern musste ganz im Gegenteil, eher lachen. Er hatte wohl noch nie zuvor eine Frau gesehen! Wie süß! „Ich Frau! Du und Wada, Mann!“, versuchte ich zu erklären und fragte mich, wer dieser Wada wohl war. Vielleicht sein Vater? Und tatsächlich bekam ich bald die Antwort auf meine Frage, denn in diesem Moment öffnete ein Mann die Tür und trat hinein. Er war genau so sonderlich gekleidet, wie mein neuer Freund Shea, schien aber doch um einiges älter zu sein als er. Er hatte langes, verfilztes Haar, das er sich zu einem Zopf zusammen gebunden hatte. Anstatt einem Stirnband aus Pelz, wie Shea eines trug, trug er eines aus Tierknochen, was nicht gerade mein Vertrauen in diese Truppe förderte. Verbissen kaute er auf einer vertrockneten Eidechse herum und starrte grimmig durch die Gegend. Seine Reaktion war ganz und gar nicht wie die von Shea. Er schien sehr wohl den Unterschied zwischen einer Frau und einem Mann zu kennen, denn er starrte mich mit großen Augen an und wurde rot. „Was für schöne Frau!“, sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Was machst du hier?“, fragte er und musterte mich neugierig. „Dein kleiner Gefährte hat mich niedergeschlagen und dann bin ich in diesem Zelt hier aufgewacht.“, sagte ich schlicht und blickte ihn kühl an. Ich ging davon aus, dass er besser sprach als Shea, deshalb gab ich mir keine große Mühe dabei, jedes Wort deutlich und betont auszusprechen. Wütend blickte der Mann, bei dem es sich wohl um Wada handeln musste, meinen neuen kleinen Freund an, stapfte auf ihn zu und schlug ihm mit der Faust kräftig gegen den Kopf. Ich wollte schon protestieren, doch Shea schien hart im Nehmen zu sein. Mich hätte solch ein Schlag bestimmt bewusstlos gemacht, Shea jedoch rieb sich nur den Kopf und blickte seinen Gefährten verständnislos an. „Aber wieso, Wada…?“, fragte er beleidig. „Aua…!“ „Siehst du nicht, das ist Frau, kein Mann!!“, schimpfte Wada mit seinem kleinen Schützling. Shea musste wohl sein Schützling sein, denn man sah ganz deutlich, wer in dieser kleinen Gruppe, bestehend aus zwei Leuten, das Sagen hatte. „Frau nicht stark, wie Mann… Frau sanftes Wesen, musst du schützen, nicht angreifen!“, erklärte er ihm eindringlich. Verwirrt sah der arme Shea mich an. Natürlich, er hatte noch nie zuvor eine Frau gesehen. Wie konnte so etwas nur möglich sein… Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie ich mich fühlen würde, oder was ich denken würde, wenn ich zum aller ersten Mal einen Mann vor mir sehen würde, und das im Alter von etwa 20 Jahren… Eigentlich verfluchte ich ja den Tag, an dem die Männer in mein Leben getreten waren… Ich hasste die ganze Rasse, ich hasste sie einfach allesamt. Aber eigentlich nicht die Männer… Eigentlich hasste ich die Menschen. Ich hasste es, dass sie sich alle so perfekt gaben, so makellos, so ehrenhaft… Dabei wusste ich, jeder Mensch schleppt auch seine schlechte Seite mit sich herum. Die meisten verbargen so vieles, waren eigentlich doch so viel schlechtere Menschen als sie vorgaben zu sein. Doch Shea… Auch wenn unsere erste Begegnung nicht gerade glücklich verlaufen war und er mich bewusstlos geschlagen hatte… So rührte mich doch das Licht in seinen Augen. Er war rein. Einfach rein, unschuldig… Wie ein kleines Kind in dem Körper eines Erwachsenen. Er starrte mich nicht auf die Brüste, weil er mich begehrenswert fand, sondern weil er noch nie zuvor so etwas gesehen hatte. Leise lächelte ich bei dem Gedanken in mich hinein. Wer hätte gedacht, dass solche Menschen überhaupt existierten. Ich fing seinen Blick auf, sah zu, wie er mich betrachtete und sich wohl fragte, was jetzt genau der Unterschied war zwischen ihm und mir. Langsam ging er auf mich zu und fasste an die Stelle an meinem Hinterkopf, an der er mich heute Morgen niedergeschlagen hatte. Er musste gar nicht danach suchen, er wusste genau, wo er mich getroffen hatte. Leise hauchte er ein „tut mir leid“ und strich sanft über die kleine Beule, fuhr mir durch das lange goldene Haar, saugte meinen Geruch ein, speicherte das Gefühl von meiner Haut in seinen Fingern. Ich… Ich tat nichts weiter, als ihm in die Augen zu sehen. In diese Augen, deren Farbe für mich Freiheit bedeuteten. „SHEA!!!“, fuhr Wada ihn an und schlug ihm erneut mit der Faust eins über. „AUA!!! Was das soll, Wada?!? Wieso schlagen Shea?“, fragte der kleine Jaeger betrübt und ich lächelte sanft. Dieses Kind, dieses gefährliche Kind, war mir schon jetzt ans Herz gewachsen. „Schon gut, Wada!“, sagte ich beschwichtigend und fuhr Shea ebenfalls durchs Haar. Dieser sah mich dankbar an und schmiegte seinen Kopf an meine Hand. Er musste sich zu mir herunter beugen, damit ich ihn streicheln konnte. Ich wuschelte ihm durchs Haar und für mich fühlte es sich an, als würde ich einen Tiger streicheln. Jetzt fehlte nur noch, dass er anfing zu schnurren, er schien sich nämlich über diese Geste sehr zu freuen. Lange beobachtete Wada uns und sagte nichts. Dann schließlich, nachdem ich Sheas Kopf freigegeben hatte, wandte er sich wieder an ihn und sagte: „Du bringst neue Freundin jetzt nach Hause. Beschütze sie, denn Frau, Mutter allen Lebens! Besitzt besondere Kräfte, deshalb verdient unseren Respekt und all unsere Vorsicht! Aber Vorsicht, dass dich nicht zu viele Leute sehen…“ Auch wenn das alles für mich ziemlich verwirrend klang, so schien Shea doch voll und ganz zu verstehen, was er damit sagen wollte. Er nickte, nahm mich an der Hand und führte mich nach Draußen. Tatsächlich war das hier ein Wald, es gab nichts weiter als Bäume und man hatte den Eindruck, in jeder Ecke, hinter jedem Busch, lauerten Kreaturen die nur darauf warteten, sich auf uns zu stürzen. Es war schon Nacht und mir lief es eiskalt den Rücken herunter. Fest grub ich meine Hand in die seine und hielt mich nah bei ihm. Shea spürte meine Angst und nahm sein Messer in die Hand, was mir wohl zeigen sollte, dass er jeden töten würde, der mir zu nahe kam. „Keine Sorge, Julia! Shea beschützen!“, sagte er und grinste mich an. Da war wieder das Kind in ihm aber ich ließ mich davon nicht täuschen… In diesem Mann steckte sehr viel mehr als nur ein unschuldiges, reines Herz! Er begleitete mich durch die Wildnis und ich war traurig, dass ich mir die Gegend gar nicht hatte angucken können. Es schien ein großer Wald zu sein, aber jetzt in der Dunkelheit machte dieser Ort mir Angst und ich wollte so schnell ich nur konnte weg von hier. Wir erreichten die Brücke und da erschienen wieder die Lichter der Zivilisation. Während ich mich nun entspannte und augenblicklich wohl fühlte, schien es bei Shea genau anders herum zu sein. Jetzt war er es, der sich in fremden Gebieten befand, der nicht wusste, was sich hinter den Geräuschen und Bewegungen der Stadt verbarg. Diese Welt war ihm fremd, furchteinflößend. Doch Wada hatte ihm eine Aufgabe aufgetragen und er würde sie gewissenhaft zu Ende bringen. Ich wollte die Straße entlang bis zu mir nach Hause laufen, doch Shea bestand darauf, abseits zu laufen, wo es keine Lichter gab. Trotz vieler Proteste konnte ich ihn nicht abwimmeln. Ich versicherte ihm, dass mir nun nichts mehr passieren konnte, und ich auch alleine sicher nach Hause kommen würde, aber ich konnte ihn nicht davon überzeugen. Leise schlichen wir also im Dunkeln abseits der Straßen wie zwei Verbrecher unbemerkt an allen möglichen Leuten vorbei bis wir schließlich vor dem Tierladen ankamen. „Hier wohne ich!“, flüsterte ich, denn Shea hatte mir verboten laut zu sprechen, geschweige denn sonst irgendwelche Geräusche von mir zu geben. „Zu Hause?“, fragte Shea und musterte das Haus. Es sah natürlich wesentlich anders aus als das, was er von dem Wald aus kannte. „Zu Hause!“, bestätigte ich geduldig und strich sanft durch sein Haar. Lange sah er mich an und so standen wir noch eine ganze Weile vor meinem Haus. Irgendetwas war seltsam. Dieser Wilder… Dieser Mann, dieses Kind… Was auch immer… Ich fühlte mich auf merkwürdige Art mit ihm verbunden… Als wäre ich durch den heutigen Tag ein Teil seiner Familie geworden. Heute hatte ich sein Vertrauen gewonnen, seine Freundschaft… Und vor allem auch seine Loyalität, das war mir bewusst. Ihm bedeutete unsere Beziehung etwas. Das, was uns verband war… Echt! Er würde mich mit seinem Leben verteidigen, würde sich auf mich verlassen, egal was passiert. Trotz all dieser neuen Eindrücke fühlte ich mich nicht müde… Ganz im Gegenteil. Ich freute mich schon auf den nächsten Tag. Ich freute mich jetzt schon darauf, Shea bald wieder zu sehen… Mehr über ihn zu erfahren, dieses neugeknüpfte Band zwischen uns gründlicher zu erkunden. Seine Augen hatten mich in seinen Bann gezogen. Die Augen eines Jägers. Auch wenn er mir immer noch Angst machte… So hatte er mich auch fasziniert. „Danke, dass du mich beschützt hast!“, sagte ich schließlich um das Schweigen zu brechen… Auch ich schien ihn in meinen Bann gezogen zu haben, denn er ließ meine Augen nicht eine Sekunde lang aus den Augen, forderte, dass ich seinen Blick erwiderte. „Gute Nacht!“, fügte ich noch hinzu als er meine Hand nahm und fragte: „Freunde? Wiedersehen…?“ Er war offensichtlich verwirrt, offensichtlich spürte auch er diese… Verbindung zwischen uns. „Natürlich!“, antwortete ich und kraulte seinen Kopf. „Natürlich wiedersehen! Wir sind jetzt Freunde, Shea! Ich bin jetzt eine von euch!“ Es fehlte nur noch, dass mein Tiger anfing zu schnurren unter meiner Hand und meinen Worten. Er schien zufrieden und glücklich darüber zu sein. Da geschah etwas, was ich nicht hatte kommen sehen. Er beugte seinen Kopf zu mir herunter und kam meinem Gesicht ganz nah, viel zu nah… Erst rieb er seine Nase an meiner, dann seine Wange an der meinen… Und plötzlich leckte er mit seiner Zunge leicht über meine Wange und dann kam seine Stirn auf der meinen zur Ruhe. Meine Haut kribbelte, alles in mir bebte und er spürte bestimmt dasselbe. Aber er bewegte sich nicht. Er sah mich nur an, suchte in meinen Augen nach Antworten aber er fand sie nicht… Denn ich suchte in seinen Augen dieselben Antworten auf dieselben Fragen, die er sich auch gerade stellte. Da löste er sich schließlich von mir und verschwand wieder in der Dunkelheit. Ich konnte nichts weiter tun als seiner Gestalt zu folgen bis er schließlich verschwand. Ich wusste, dass ich ihn schon bald wiedersehen würde… Und ich freute mich darauf! Mit einem Lächeln bis über beide Ohren ging ich also zurück in mein Haus, zurück in mein Leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)