Zwillinge von Angie_Cortez (Taste in Men) ================================================================================ Kapitel 1: Tape 01 - Chapter I - Together we can see all incompleteness ----------------------------------------------------------------------- Chapter I Together we can see all incompleteness Am Rande der Großstadt, in einem beschaulichen Vorort, stand eine Villa. Sie war sehr prächtig und in frischen Farben gehalten. Eingeschlossen wurde sie von einem großen Garten, der so gepflegt war, dass man meinen konnte, der Rasen wäre mit einer Nagelschere in mühevoller Kleinarbeit getrimmt worden. Beschienen von der morgendlichen Sonne, konnte man meinen dieses Anwesen wäre direkt einem modernen Märchen entsprungen. Wenn jemand an diesem Mittwoch irgendwann im Sommer einen Blick durch die schmiedeeisernen Tore auf das Anwesen geworfen hätte, hätte er bereits den verschlafenen Gärtner George Gray über den saftig grünen Rasen stolpern sehen. Vor der zweiflügeligen Tür, die den Vordereingang der Villa bildete, stand ein adrett gekleideter älterer Herr, mit schlohweißem Haar. Er war eben aus dem schwarzen Familienwagen gestiegen und sah nun ungeduldig auf seine Armbanduhr. Es war fast acht. Der Mann hieß Josef Roth und war der Butler der Familie Jenkins, die in der Villa lebte. Er wartete auf die beiden Söhne von Mrs. Amanda und Mr. Jonathan Jenkins: Kevin und Colin. Die beiden Jungen waren Zwillinge und hätten sie nicht unterschiedliche Kleidung getragen, wäre niemand fähig gewesen sie auseinander zu halten, zumindest solange nicht, wie keiner von ihnen den Mund aufmachte. Die Tür der Villa schwang auf. Einer der Jungen, zierlich und strohblond kam heraus. Er trug lässige Klamotten, wie man sie von einem gewöhnlichen unauffälligen Teenager kannte: Blue Jeans, Sportschuhe und ein T-Shirt. Nur die Markenzeichen auf seiner Kleidung verrieten, dass er wirklich in diese Villa gehörte. „Morgen, Jos“, grüßte der Junge. Er war Kevin, der extrovertierte, der immer einen Spruch auf den Lippen hatte und es ständig fertig brachte hunderte von Freunden um sich zu scharen. Aber sein einzig wahrer Freund war ein Junge namens Davis Young. „Guten Morgen“, grüßte Josef höflich zurück und hielt dem blonden Jungen die Tür des flotten Wagens auf. Kevin warf seinen Rucksack mit Schulsachen hinein und stieg hinterher, wobei er murmelte: „Hoffentlich braucht Colin nicht wieder so lang.“ Kaum hatte er den Satz beendet, als ein zweiter Junge aus der Tür trat und sie umsichtig hinter sich schloss. Sein Gesicht war identisch mit dem seines Bruders. Er war die perfekte Kopie seines Vorgängers, doch Colin tat ihrer Umwelt den Gefallen Kleinigkeiten an sich so zu verändern, dass man ihn und Kevin nicht verwechselte. Ihr Vater schaffte es trotzdem immer wieder. Colin trug eine relativ enge graue Jeans und ein weißes Hemd. Auch hier verriet nur das Label auf seiner Hose den wahren Preis des Outfits. Seine Haare waren dezent frisiert und nicht ganz so strubblig wie die seines Bruders. Sie glänzten sanft und waren sehr glatt. Kevin sah ihn an. „Nun komm schon!“ Doch Colin ließ sich nicht hetzten. Mit einem charmanten Lächeln, bei dem jedes Mädchen schwach geworden wäre, grüßte er Josef und stieg zu seinem Bruder ins Auto, natürlich ohne seine Umhängetasche vorher hineinzuwerfen. Er bettete diese auf seinen Schoß und entschuldigte sich: „Schönheit braucht seine Zeit.“ „Manchmal wünsche ich mir wirklich, du wärest nicht schwul“, sagte Kevin und seufzte. Die Schule, die die beiden Jungen besuchten, war eine wie jede andere. Man hatte sich darauf geeinigt keine Privatschule zu nehmen, denn Mr. Jenkins hatte betont, dass er nicht wolle, dass seine Jungs „abhoben“. Sie sollten lernen mit ihrem Geld auch ordentlich umzugehen und nicht zu protzen. Das hatte funktioniert. Kevins bester Freund Davis Young kam aus ziemlich ärmlichen Verhältnissen. Zusammen mit seinem Bruder, der sinnigerweise David hieß, lebte er in einer kleinen Wohnung nahe der Schule. Ihre Mutter war kaum zu Hause. Tagsüber arbeitete sie, wo sie nachts und am Wochenende war wusste Kevin nicht. Meist hatten selbst Davis und sein Bruder keine Ahnung davon. Colins bester Freund hingegen war ein fast krankhaft schüchterner Junge mit dunklem Haar, das ihm fast immer in den Augen hing. Sein Name war Dominic Jay. Kevin vermutete und das zu Recht, dass Dominic geistig nicht ganz gesund war. Er verfiel oft in Panik und hatte außer Colin keine Freunde. „Colin“, stürzte Dominic an diesem Morgen auf seinen Freund zu und rang dabei seine Hände. „Wir schreiben doch heute keinen Test in Physik, oder?“ Kevin verdrehte die Augen. Das passierte fast jeden Morgen und es war kaum vorstellbar was passierte, wenn sie wirklich einen Test schrieben, von dem Dominic nichts mitbekommen hatte. „Nein Dom, schreiben wir nicht. Erst am Freitag“, beruhigte Colin ihn mit einen unglaublich sanften Lächeln. Fast zeitgleich, zwei Klassenstufen höher, im Abschlussjahrgang, betraten zwei Schüler von ganz anderem Schlag ihren Klassenraum. Der eine war Davis älterer Bruder David, ein ziemlich gammliger Typ, der sicherlich gut ausgesehen hätte, wenn er sich nicht hätte gehen lassen. Er wirkte ziemlich abwesend, wie unter Drogen, hatte einen drei Tage Bart und strubbliges, unordentliches braunes Haar. „Bin ich froh, wenn das alles vorbei ist“, murmelte er und erntete dabei einen fast mitleidigen Blick von seinem Kumpel. Dieser war recht groß, hatte tiefschwarzes Haar und blaue Augen. Viele fanden das faszinierend an ihm. Er nahm es hin und lächelte nur, wenn er jemanden damit verrückt machte. Sein Name war Thomas Sander. Neben seinem Freund, der offensichtlich dem Marihuana Kult frönte, wirkte er wie ein Hochglanzjunge. Er trug ein schwarzes Hemd über einem weißen T-Shirt und eine dunkle Jeans. „Wie läuft es eigentlich mit deiner letzten Eroberung?“ wandte sich David an Tom und schien Schwierigkeiten zu haben ihn zu fixieren. „War nicht doll“, sagte Tom und schüttelte leicht mit dem Kopf, wobei sein schwarzes Haar sanft mit wogte. „Wie immer eben. Grad genug für eine verdammte Nacht. Diese Steroidschwuchteln nerven mich langsam. Ich brauch jemand echten. An denen ist alles nur gepumpt.“ „Jo“, gab David wenig intelligent von sich. Er kannte sich nun wirklich nicht damit aus, nach welchen Kriterien man sich einen Mann anlachte. Er hatte sich lieber auf Mädchen spezialisiert und selbst damit hatte er nicht viel Erfolg. Tom hatte Erfolg, jeden Abend wenn er wollte, doch scheinbar wurde ihm dieses wahllose vögeln allmählich langweilig. Sie setzten sich auf ihre Plätze und Tom starrte missmutig auf die dunkelgrüne Tafel vor ihnen. „Ich hätte nie gedacht, dass es mir jemals auf den Sack gehen würde.“ „Ich auch nicht“, gab David zu. Ein Tag wie wirklich jeder andere verging für die Zwillinge, an diesem Mittwoch im Sommer. Sie brachten den Unterricht hinter sich, lachten in den Pausen mit ihren Freunden, murrten über zu viele Hausaufgaben und verließen gemeinsam die Schule, vor der schon Josef, der Butler mit dem Familienwagen wartete. Colin fand manchmal, dass sie ein sehr langweiliges Leben führten und er wusste, dass es Kevin, der gern alles um sich herum in Bewegung hatte, mindestens genauso ging. „Mir ist langweilig“, murrte Colin, als sie im Auto saßen und die Stadt an ihren Augen vorbeihuschte. Kevin warf ihm einen belustigten Blick zu, der wohl sagen sollte: Mir nicht, oder was? „Wie kann man dir deine Langeweile vertreiben?“ fragte Kevin und schaute wieder aus dem Fenster, als würde er die Umgebung nicht schon auswendig kennen. „Ich weiß es nicht“, gab Colin zu und sah sich im Auto um. „Wir haben genügend Hausaufgaben“, schlug Kevin vor. „Du kannst meine gleich mit machen, dann hast du bestimmt keine Langeweile mehr.“ Colin schnaubte beleidigt. Hausaufgaben, die waren noch viel langweiliger, als nur herumzusitzen und über die Welt zu sinnieren. „Das ist alles so eintönig. Immer dasselbe, weißt du? Schule, Schule … und Hausaufgaben. Niemals passiert irgendetwas.“ Josef warf ihm von Fahrersitz aus einen belustigten Blick zu. Colin bemerkte es nicht. „Du brauchst dringend einen Freund“, bemerkte Kevin trocken. Sein Zwillingsbruder sah ihn unauffällig von der Seite an. „Darum geht es doch gar nicht“, versetzte er und legte seine Hand auf die seines Bruders, der sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte. „Nur der Alltag, den mag ich nicht.“ „Sag ich doch.“ Colin lehnte sich zu Kevin hinüber und sah ihn irgendwie bettelnd an. Josef war dieser Blick immer unheimlich. Er wusste nicht, was dieser zierliche Junge damit erreichen wollte, aber genau genommen wollte er es vielleicht gar nicht wissen. Private Sachen dieser eigenwilligen Familie gingen ihn nichts an. „Wie wäre es, wenn wir … spielen?“ fragte Colin leise und mit einem eindeutig lasziven Ausdruck auf seinem hübschen Gesicht. Kevin seufzte und schien nachzudenken. Spielen, das klang so herrlich harmlos. „Ich weiß nicht“, sagte er, nun ziemlich leise, so dass Josef ihn nicht mehr hören konnte. Er erwiderte den Blick seines Bruders forschend. „Bist du dir sicher?“ Colin lächelte sein charmantestes Lächeln und ein kleiner Diamant, der in seinen rechten Eckzahn eingelassen war blitzte dabei auf. „Willst du mir davon abraten?“ fragte er in einem süßen Ton, der Kevin Gänsehaut machte. Oft hatte er es probiert, aber diesen Ton traf er nie, so sehr er sich auch bemühte. Davis lachte sich immer tot, sobald er es versuchte. „Ich bin mir nicht sicher. Aber ich glaube geplant gefällt es mir nicht“, gab Kevin zu bedenken und Colin sah ihn ziemlich traurig an. „Außerdem habe ich irgendwie Angst, dass … irgendwas schief gehen könnte.“ Kevin und Colin waren oft allein. Ihre Eltern Amanda und Jonathan Jenkins hatten geschäftlich viel im Ausland zu tun und waren deshalb kaum zu Hause. Die Villa gehörte dann fast allein den beiden Jungs. Abends um 17 Uhr verließ der Gärtner George Gray das Gelände und nach dem Abendessen war auch von Josef kaum noch eine Spur auszumachen. Er verzog sich dann in sein Zimmer und blieb dort, bis es Zeit für das Frühstück war. Kevin überlegte oft, wie er es die ganze Nacht in diesem Kämmerchen ertragen konnte, doch Josef war ein alter Mann. Wahrscheinlich war er bereits soweit, dass er die Ruhe genoss, die dieser Raum ihm bot. Kevin sah von seinen Mathematikaufgaben hoch und begann seinen Bruder zu beobachten, der vertieft in einen Text ihm gegenüber am großen Küchentisch saß. Das Ticken der Uhr und das Rascheln von Papier, waren die einzigen Geräusche im Raum. Colin schlug eine Seite in seinem Hefter um und begann eifrig zu schreiben. Er schien nicht zu bemerken, dass sein Bruder ihn unverwandt musterte. Spielerisch strich er ein paar Haare aus seiner Stirn, legte den Füller mit dem er wunderschön geschwungene Buchstaben zu Papier brachte, auf dem Tisch ab und kramte nach einem Tintenkiller. Sein weißes Hemd lag nicht so eng an, wie es seine T-Shirts meist taten und gewährten Kevin so einen Blick auf die glatte, weiche Haut seines Bruders darunter. Um den Hals trug Colin ein Lederband, an dem ein hübsches silbernes „C“ hing. Zu ihrem letzten Geburtstag hatten sie beide eine solche Kette bekommen. Kevin versteckte sie meist unter seinem T-Shirt. Das „C“ baumelte verlockend an Colins Hals, als er den Tintenkiller wieder beiseite warf. Es glitzerte in den letzten Strahlen der Sommersonne. Kevin legte seinen Kugelschreiber ab, den er die ganze Zeit umklammert gehalten hatte und sah für einen Augenblick auf seine eigene stark nach rechts geneigte Schrift hinunter. Ordentlich war sie, da war er stolz drauf, doch jeder von Colins Buchstaben war ein kleines Kunstwerk. Dafür brauchte er auch doppelt so lang. Kevin lächelte ob dieser sinnlosen Feststellung. „Ich hasse Interpretationen“, sagte Colin plötzlich warf alles aus der Hand und streckte sich ausgiebig. Fasziniert beobachtete Kevin diese katzengleiche Bewegung, wie sie nur sein Bruder fertig brachte. „Ja“, stimmte Kevin zu. „Wirklich ätzend. Lass uns den Scheiß hier einfach vergessen. Danach kräht doch schon morgen kein Hahn mehr.“ Er stand auf und warf einen Blick durch die großen Terrassentüren der Küche nach draußen. Die Sonne stand schon ziemlich tief. George war längst verschwunden und Josef hatte sich wahrscheinlich vor gut zwei Stunden in sein stilles Kämmerlein begeben. Jetzt gehörte das Haus nur noch ihnen und in solchen Momenten fühlte Kevin sich von der Größe der Villa direkt verschlungen. Ruhe war für ihn unerträglich. „Na gut“, meinte Colin etwas erleichtert. „Willst du schon schlafen? Ich würde jetzt erst duschen gehen. Vielleicht läuft aber auch noch was Gutes im TV.“ Ohne eine Antwort abzuwarten verließ Colin die Küche und Kevin hörte ihn die große Vortreppe hochgehen, seine sanften tapsenden Schritte, die sich von jedem anderen deutlich unterschieden. Einen Moment lang dachte Kevin daran, wie das silberne „C“ an Colins Hals im Sonnenlicht geglänzt hatte, dann folgte er seinem Bruder nach oben. Im Badezimmer holte Kevin seinen Zwilling ein. Verwirrt sah Colin ihn an und lächelte sanft. Er hatte sein Hemd schon fast aufgeknöpft. Jetzt zögerte er. „Was ist denn?“ Kevin trat auf ihn zu und lächelte ebenfalls. „Das Haus ist mir zu groß“, sagte er und strich mit einer Hand über den silbernen Anhänger. „Ich will spielen.“ „Dann“, fing Colin an und wich ein wenig zurück, was Kevin einen süßen Protestlaut entlockte. „Sollte ich vielleicht lieber Wasser in den Whirlpool lassen?“ Er betätigte einen Hahn und augenblicklich sprudelte wohl temperiertes Wasser daraus hervor. Kevin folgte ihm bis an den Rand des Pools. „Eine gute Idee.“ Sie sahen sich einen Moment lang an während der Pool sich plätschernd füllte. „Worauf wartest du?“ fragte Colin, dessen Hemd immer noch leicht offen stand. Kevin lächelte ihn überlegen an. Er griff mit beiden Händen nach dem Kragen seines Bruders und zog ihn zu sich heran. „Meinst du … das hat was zu sagen?“ fragte er, während er wieder morbide fasziniert über den Anhänger streichelte. Seine Oberfläche war glatt und warm, aufgeheizt von Colins Körperwärme. „Ja“, sagte Colin und ließ seinen Bruder gewähren, als dieser sein Hemd gänzlich öffnete und es ihm abstreifte. „Wir sind echt einsam.“ „Meinst du?“ Kevin ließ sich auf die Knie fallen, dass Hemd lag neben ihm auf dem Boden. Er begann Colins Bauch zu küssen und am Knopf seiner Jeans zu hantieren. „Beim Kaufen merke ich gar nicht wie eng die Hosen wirklich sind“, bemerkte Colin und als Kevin zu ihm hoch sah, bemerkte er ein Funkeln in seinen Augen. Ja, sie waren sehr einsam, auch ein bisschen selbstverliebt, aber es tat so gut. Sanft öffnete Kevin die Hose seines Bruders und zog sie herunter. Colin schlüpfte aus den Hosenbeinen und zog seinen Bruder hoch, bevor er etwas tat, was er bereuen würde. „Du hast gesagt, soweit willst du nicht gehen“, sagte er entschuldigend und Kevin schenkte ihm ein beinahe dankbares Lächeln. Hastig zog er sein Shirt über den Kopf und als sie beide nur noch in Unterwäsche voreinander standen, war es für einen Moment, als würden sie in einen Spiegel blicken. Colin durchbrach den Moment, als er sich abwandte, die Boxershorts abstreifte und in das warme Wasser des Pools stieg. Kevin folgte ihm nach einem kurzen Zögern. Im Pool schmiegte Colin sich an seinen Bruder. „Werden wir das je bereuen?“ fragte er. Kevin schüttelte sachte mit dem Kopf und strich mit der nassen Hand durch das Haar seines Zwillings. „Ich hoffe nicht.“ Er schob sich über seinen Bruder, der sich neckend im Pool zurücklehnte. Gierig schlang Colin die Arme um seinen Bruder. „Versprichst du mir, dass du mich niemals verlassen wirst?“ Kevin sah ihn irritiert an. „Du bist mein Bruder, ich kann dich nicht verlassen.“ „Ich will, dass sich nichts verändert. Zwischen uns.“ „Bis jetzt hat sich doch nichts verändert.“ Sanft drückte Kevin seine Lippen auf Colins, wie um ihn zu beruhigen. Es hatte Wirkung. Colins Körper im Wasser verlor leicht an Spannung, wie als wenn man ihm eine große Last von den Schultern genommen hätte. Doch auch Kevin verlor ein Stück seiner Last, der Einsamkeit. Er begann fordernder zu küssen und er bekam was er wollte. Manchmal hatte er Angst, Angst Colin in seiner Trance und der Gier nach Liebe wehzutun. Sie sahen gleich aus, selbst jeder Leberfleck an ihrem Körper schien identisch zu sein, doch Colins Gefühlswelt war um einiges labiler, als Kevins eigene. So war es ein schmaler Grad auf dem sie wanderten, für ein bisschen Trost, Liebe und Zuneigung. „An wen denkst du?“ wollte Kevin wissen, als Colin die Augen geschlossen hielt, um den brennenden Kuss noch einige Sekunden zu halten. Colin öffnete die Augen einen Spalt breit. Seine grünen Augen glitzerten anziehend. „An dich“, wisperte er und Kevin glaubte ihm. Auch wenn es ihm einen Stich versetzte, so war es gut. Er wusste, Colin durfte sich nicht in ihn verlieben. Und wenn er es doch tat, dann hatten sie wirklich einen Fehler gemacht. „Weißt du was ich mir wünschen würde?“ flüsterte Colin, als Kevins Lippen seinen Hals hinab fuhren. „Was denn?“ hauchte Kevin seine Reaktion gegen Colins samtweiche, warme Haut. „Dass du es zugeben würdest …“ Kevin blickte auf und sah seinen Bruder verwirrt an. „Zugeben?“ „Das du keine Hete bist.“ Kevin lachte leise und fand mit seinen Händen wieder den Anhänger. „Das will doch niemand wissen. Außerdem würde ich Davis damit verschrecken.“ „Du denkst sehr viel an Davis“, neckte Colin. „Im Moment denke ich eigentlich mehr an das, was ich mit dir machen möchte“, lenkte Kevin ab und biss spielerisch in Colins Hals. Wie als Entschuldigend ließ er seine Zunge über die leicht gerötete Stelle gleiten. Es war Nacht und endlich dunkel geworden. Kevin lag mit offenen Augen, den Blick zur Decke gerichtet da und dachte lange nach. Colin lag neben ihm, eingekuschelt und scheinbar in tiefem Schlaf. „Colin?“ fragte Kevin leise in den dunklen Raum hinein. „Wasdennlos?“ nuschelte Colin als Antwort und schlang seine Arme müde um seinen Bruder. „Wärst du mir böse, wenn wir in nächster Zeit nicht mehr … du weißt schon?“ Colin stützte sich verschlafen auf seinen Ellenbogen. Sein Haar war völlig durcheinander und Kevin konnte sein Gesicht im Dunkel des Zimmers kaum sehen. „Warum? War ich zu … fordernd heute?“ Kevin schüttelte leicht den Kopf. „Nein, dass warst du nicht. Es war perfekt. Du bist toll. Aber es ist etwas anderes. Ich habe ein Mädchen kennen gelernt. Ihr Name ist Jenny Newman. Du kennst sie.“ Colin schien zu überlegen. Zumindest schwieg er einige Zeit, bevor er wieder den Mund aufmachte. „Ja, ich glaube ich kenne sie.“ „Ich denke, ich werde mit ihr gehen. Ich war mir noch nicht sicher, aber jetzt habe ich es mir überlegt. Sie ist hübsch, weißt du?“ Wieder einen Moment Schweigen, dann nickte Colin langsam. „Das wird sie wohl sein, wenn du sie magst. Lass uns schlafen.“ Damit legte er sich wieder hin und Kevin schloss die Augen. Er ließ Colin in seine Arme schlüpfen und dachte noch einen Moment über sein neues Projekt nach. Er sollte es schon wagen. Ein Mädchen würde ihm vielleicht klar machen, dass da nichts wirklich Schwules an ihm war, so sehr er es auch genoss mit Colin zusammen zu sein. In seinen Träumen glaubte er Colin leise weinen zu hören. Colin hatte nicht wirklich viel Zeit sich mit dem Geständnis seines Bruders abzufinden, dass es jetzt ein Mädchen in dessen Leben gab. Sofort am nächsten Morgen wurde er mit der kalten Realität konfrontiert. Colin schluckte schwer, als er beide von seinem Platz neben Dominic aus beobachtete. Kevin und Jenny standen draußen auf dem Gang, eng umschlungen. Irgendwie bereitete es Colin Ekel sie zu sehen. Er wusste nicht, wie er mit dieser Ungewissheit die ihn überfiel umgehen sollte. Kevin war immer seins gewesen, immer für ihn da und hatte immer mit ihm die Einsamkeit verdrängt. Jetzt war da dieses Mädchen, mit den braunen Haaren, so schlicht und einfach unscheinbar, dass es Colin fast beleidigte. Warum hatte Kevin sich nicht ein auffallend hübsches Mädchen gesucht? Doch insgeheim wusste Colin, dass sein Bruder wohl nie ein auffällig hübsches Mädchen bevorzugen würde, neben dem seine eigene jungenhafte Schönheit verblassen könnte. Colin beugte sich über seinen Hefter, versuchte noch ein paar Zeilen zu lernen, doch es wollte nichts in seinen Kopf gehen. Wieder blickte er hoch zu seinem Bruder. Er hielt es nicht aus. Er musste das unterbinden. Er würde aufstehen und … Bevor er den Gedanken beendet hatte stand er schon und drängelte sich hinter Dominics Stuhl vorbei um auf den Flur zu gelangen. Er sah nicht mehr nach links oder rechts, da war nur noch Kevin, den er aus den Klauen dieser grauen Maus retten musste. Sie hatte ihr Haar unspektakulär zu einem Pferdeschwanz gebunden, trug eine blaue enge Jeans und eine stinknormale weiße Kapuzenjacke. Sie sah so langweilig aus. Colin trat aus der Tür. Jedes Mädchen hier, na ja fast jedes, war gekleidet wie sie. Nichts an ihr war wert sich zu verlieben. Plötzlich und unvermittelt krachte Colin mit jemandem zusammen. Der zierliche Junge ging zu Boden. Jemand fluchte unschön, jemand anders wiederholte den Fluch irgendwie lahm. Colin biss die Zähne zusammen. Er wollte sehen, wie Kevin auf diese Szene reagiert hatte, doch ein älterer Schüler versperrte ihm die Sicht. Er war hoch gewachsen und schwarzhaarig. „Mein Gott, pass doch auf!“ knurrte er Colin an, während ein anderer, in Khakifarben gekleidet und mit irgendwie glasigem Blick ihm die Hand reichte. Colin erkannte ihn als Davis älteren Bruder. „Junge, du hast es aber eilig“, murmelte David, als er den Jüngeren auf die Beine zog. Colin rieb sich den Rücken und warf dem Dunkelhaarigen an Davids Seite einen vernichtenden Blick zu, der sofort und in gleicher Intensität erwidert wurde. „Vollidiot“, murmelte Colin und wollte sich auf und davon machen, doch der Dunkelhaarige war schneller. „WAS war das?“ fauchte er und packte Colin am Arm, der mit einem Ruck zurückgezogen wurde. Fast wäre er wieder hingefallen, doch stattdessen landete er fast in den Armen des Streitlustigen. „Komm schon, Tom, lass es doch. Das war keine Absicht“, murmelte David etwas ratlos und seine rot geränderten Augen irrten ziellos zwischen Colin und Tom hin und her. „Er hat mich beleidigt!“ „Ich würde es jederzeit wieder tun!“ Schweigen. David strich durch seine völlig ungekämmten Haare. Tom starrte Colin an und in seine Wut mischte sich etwas, das Colin nicht interpretieren konnte. „Lass mich los!“ sagte er deshalb und versuchte seinen Arm aus Toms Griff zu befreien. Und tatsächlich ließ Tom es gut sein. „Wir sprechen uns noch“, sagte er, aber wie eine Drohung klang es nicht. Colin rieb sich den Arm, während Tom und David unvermittelt abzogen. Davis stand in der Tür und sah ihn besorgt an. „Alles klar?“ fragte er und sah seinem Bruder und dessen besten Freund nach. Colin nickte und blickte hinüber zu Kevin. Der hatte rein gar nichts mitbekommen! Wütend stürmte Colin an Davis vorbei zurück in den Klassenraum. Ihm standen dabei Tränen in den Augen, die aber nur Dominic bemerkte und seinem Freund beruhigend eine Hand aufs Knie legte. „Hast du den gesehen?“ fragte Tom aufgeregt, nachdem sie um die Ecke verschwunden waren. David sah ihn etwas entsetzt und verwirrt an. „Wen?“ fragte er verdattert und sah sich irritiert um. „Na den kleinen Blonden eben!!“ David seufzte resignierend. „Natürlich hab ich den gesehen!“ „Er war es, David. Das hab ich sofort gemerkt! Er war es!“ „War wer?“ David verstand die Welt nicht mehr und sein gelähmter Verstand war ihm dabei keine große Hilfe. „Der Blonde!“ „Colin“, verbesserte David. „Colin“, nahm Tom die Verbesserung auf. „Er ist es. Genau das wonach ich gesucht habe. Ist er schwul?“ „Natürlich“, sagte David, als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Tom klatschte in die Hände und jubelte stumm, wie als wolle er die Schule nicht zusammenbrüllen. David fuhr sich wieder durch die Haare. „Du hast dich aber eben unbeliebt bei ihm gemacht.“ Toms Jubel verflog wie von Schlag getroffen. „Wieso?“ fragte er verwirrt und blieb stehen. „Na, Alter du hättest ihn beinahe verprügelt. Du warst nich grad n Gentleman!“ Colin hatte das Gefühl nie darüber hinwegkommen zu können. Kevin hatte nur noch Augen für dieses Mädchen, Jennifer oder Jenny wie er sie nannte. Nichts war mehr wie früher. Fast täglich hing dieses unscheinbare Wesen mit Kevin irgendwo auf dem Gelände der Villa herum. Sie belagerten den Außenpool, oder lungerten im Hobbyraum herum. Meist jedoch waren sie auf Kevins Zimmer und trieben Dinge von denen Colin gar nichts wissen wollte. Zusätzlich hatte es Davids ominöser Kumpel mit den dunklen Haaren und den hellen Augen auf Colin abgesehen. Es verging keine Pause, in der dieser auffällige Kerl nicht wenigstens einmal an Colin vorbei schlich und ihn dabei beäugte. Colin versuchte das zu ignorieren. Bestimmt wollte dieser Typ ihn nur provozieren, aber für so was war Colin gar nicht zu haben. Er zettelte keine Schlägereien an und machte nicht gern auf sich aufmerksam. Dieser kleine Zusammenstoß war eine Verkettung ungünstiger Ereignisse gewesen, die er gerne rückgängig gemacht hätte. Die Einsamkeit, die Wut und die Unsicherheit stauten sich in Colin und bald wurde ihm jeder Gang zur Schule zur Qual und jede Fahrt nach Hause erinnerte ihn an einen Ausflug in die Hölle. Er wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis dieses Mädchen wieder auf der Matte stand und sein Leben systematisch zerstörte. Ihr Anblick sorgte dafür, dass sich sein Magen umdrehte und ihm war, als müsse er sich jeden Moment übergeben. Dominic konnte den leeren Platz neben Colin nicht wirklich füllen, doch er war ihm ein Halt, ohne den der Blonde durchgedreht wäre. Colin konnte seinem besten Freund nicht erzählen, was wirklich mit ihm los war. Er durfte nicht erzählen, was er und Kevin getan hatten. Das würde vielleicht nicht einmal Dominic verstehen, der so ruhig und vertrauenswürdig war. An einem anderen Mittwoch, nur ein paar Wochen nachdem Kevin sich diese Jenny angelacht hatte, saß Colin allein auf seinem Platz im Fachraum für Biologie und blätterte gelangweilt in seinem Buch. Dominic war auf dem Klo, Kevin war mit Jenny verschwunden und die grausame Einsamkeit hatte ihn wieder völlig im Griff. Er betrachtete angewidert die Großaufnahme eines Fliegenauges und seufzte. „Hey Colin“, sagte plötzlich eine Stimme neben ihm und er nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie sich jemand zu ihm setzte. Er drehte sich halb auf seinem Stuhl um und betrachtete den Besucher. Es wunderte ihn, als er Jenny erkannte. Und sie war allein. „Was willst du?“ fragte er kalt und gab seine Ich-hör-dir-zu-Position auf. Erneut begann er in dem Buch zu blättern. „Hör mal, kann es sein, dass du mich nicht magst?“ fragte sie geradeheraus und Colin musste sich beherrschen nicht etwas wie: Ja, du Schlampe! Ja, ich hasse dich! zu brüllen. Stattdessen ignorierte er sie einfach weiterhin. „Ich weiß nicht, was dein Problem ist Colin“, machte sie weiter, als sie keine Reaktion an dem Bruder ihres Freundes feststellen konnte. Es war ihr klar gewesen, dass Colin eine harte Nuss war. Jetzt würde sich herausstellen wie hart. „Ich weiß nicht, warum du mich hasst. Aber wenn ich etwas tun kann, dass sich das ändert sag es mir bitte. Ich möchte nicht, dass du mich hasst. Das belastet doch nur unnötig.“ Colin schaltete auf Durchzug. Es war ihm egal was sie tat, was sie sagte, was sie dachte oder was sie um Gottes Willen belastete. Seinetwegen konnte sie an einem Stück Hühnchen ersticken. Es war ihm egal. „Komm schon. Sei doch nicht so stur“, hakte sie weiter nach und langsam ging es ihm gehörig auf den Wecker. Er konnte ihre Stimme einfach nicht aus seinem Gehör verbannen. Das lag vielleicht daran, dass sie ein Mädchen war. „Lass mich einfach in Ruhe, okay? Du hast Kevin nicht verdient!“ versetzte er, erhob sich von seinem Platz und ließ sie einfach sitzen. Da sollte sie mal drüber nachdenken. Das würde bestimmt noch lange an ihr nagen. Zumindest hoffte er das. Draußen auf dem Flur rannte Colin fast mit jemandem zusammen. Er hob erschrocken die Hände, bremste knapp vor dem anderen ab und entschuldigte sich blind. Als er aufsah bemerkte er, dass es Tom war, der auf ihn herab lächelte. „Du findest es wohl lustig gegen mich zu rennen“, begann der Ältere sofort den Kampf und Colin holte tief Luft um zum Gegenschlag anzusetzen. „Du findest es wohl lustig mir ständig im Weg zu stehen!“ Thomas lächelte überlegen und verschränke die Arme. Das Spiel schien ihm zu gefallen. „Und, wie läuft es so?“ „Was geht es dich denn an, wie es läuft?“ „Nun sei mal nicht so. Da frage ich nett nach deinem Befinden und du servierst mich so unhöflich ab. Du könntest wirklich ein bisschen netter sein.“ Colin ballte beide Hände zu Fäusten und starrte Thomas nur wütend an. Ihm fiel keine gute Erwiderung ein, doch er wollte Thomas nicht das letzte Wort lassen. Sein Gemütszustand war ohnehin sehr schlecht. Er sollte es diesem arroganten Schnösel nicht gönnen ihn fertig zu machen. „Warum sollte ich zu jemandem wie dir höflich sein?“ Es herrschte kurz Schweigen. Ein Ausdruck der Geringschätzung huschte dabei über Thomas Gesicht und ließ seine eisblauen Augen glitzern. „Ich kann dir sagen, warum du zu jemandem wie mir höflich sein solltest. Weil ich nämlich zu jemandem wie dir nett bin, Schwuchtel!“ Der Schlag saß. Colin trat einen Schritt zurück und starrte den älteren Jungen entsetzt an. Er wusste nicht warum es ihn so schockte, denn eigentlich machte er kein zu großes Geheimnis aus sich. Sein Lebensmotto enthielt irgendwo in Paragraph 99 den Zusatz: Ich bin was ich bin und was ich bin ist völlig okay. Doch manchmal ängstigte es ihn, wenn Leute, die er nicht kannte, oder nicht kennen wollte dieses Alter Ego gegen ihn richteten. „Und?“ fauchte Colin, ein Zittern in der Stimme, das seinen Gegenangriff nicht ganz souverän werden ließ. „Hast du ein Problem damit? Vielleicht bin ich ja schwul, ja und was willst du jetzt tun? Mich verprügeln und es der ganzen Schule erzählen?“ Bei Colin brach plötzlich der Damm. Es wurde einfach zu viel. Die ganzen negativen Gefühle der letzten Tage hatten ihn zerrüttet. Die Nächte waren lang gewesen, der Schlaf zu kurz. Er hatte seine Tage damit zugebracht das Mädchen zu hassen und die Nächte damit zu trauern, weil sein Bruder sich immer weiter von ihm entfernte und nun kam dieser Typ. Dieser Thomas Sander, der dachte er wäre der King, nur weil er 1.80m groß war und unheimlich gut gebaut. „Es ist mir so scheiß egal, was du von mir denkst. Verzieh dich doch einfach und lass mich in Ruhe, okay? Ich hab dir verdammt noch mal nichts getan!“ Bevor er es verhindern konnte brach er in Tränen aus, doch er hatte noch längst nicht alles gesagt. Thomas betrachtete ihn jetzt mit entsetztem Staunen, doch das war Colin egal. „Meine Woche war echt scheiße genug und du hast natürlich nichts Besseres zu tun, als mir aufzulauern und mich verrückt zu machen. Ich wünschte du würdest tot umfallen, nur damit du mich endlich in Ruhe lässt!“ Colin wurde in seinem Redefluss unterbrochen, als Kevin neben ihm schlitternd zu stehen kam und eine Hand sanft um seinen Oberarm legte. Er schoss zornige Blicke auf Tom ab. „Was wird denn das hier? Was willst du von ihm? Lass ihn in Ruhe.“ Kevin breitete die Arme aus, als wolle er Colin vor einer tödlichen Kugel beschützen. Sein Blick war so fest auf Thomas gerichtet, dass dieser wegsehen musste. Ein siegessicheres Lächeln breitete sich auf Kevins Gesicht aus, doch dann passierte etwas, dass dieses Lächeln in Sekunden gefrieren ließ. Thomas Hände schossen vor und packten ihn am Kragen. Zwei kräftige Arme zogen ihn ein paar Zentimeter vom Boden hoch. Entsetzt öffnete er den Mund. „Pass mal auf, du Gartenzwerg“, setzte Tom an und schüttelte ihn ein wenig. „Hat irgendjemand dich gebeten, dass du dich einmischt? Das ist eine Sache ganz allein zwischen mir und ihm und es geht dich einen Dreck an.“ „Er ist mein Bruder, okay? Es geht mich sehr wohl was an!“ Tom schnaubte und genoss einen Moment den unsicheren Blick auf Kevins Gesicht. Der Jüngere schien fieberhaft nachzudenken, wie er aus dieser Situation herauskommen konnte. „Man sieht, dass er dein Bruder ist“, sagte Tom langsam und ließ Kevin langsam etwas runter. Er war zwar leicht, aber wenn er das Gewicht zu lange auf seine Oberarme lagerte, begannen seine Muskeln den Streik anzutreten. Trotzdem, der Auftritt war gelungen gewesen und er würde noch besser werden. Ganz egal ob er morgen einen heftigen Muskelkater hatte. Kevin seinerseits war froh, dass er wieder Boden unter den Füßen hatte. „Aber weißt du … du bist ein ziemlich schlechter Bruder.“ Kevins und Colins Augen wurden auf eine unterhaltsame Weise gleichzeitig riesengroß, als Tom das sagte. Daher konnte er sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Er war der Held auf dem graublauen Schlachtfeld, auch Bodenbelag der Schule genannt, und er würde seine Stalkertrümpfe bis zum letzten ausspielen. „Vielleicht hast du es nicht mitbekommen, du Wicht, aber deinem Bruder ging es in letzter Zeit ziemlich schlecht und du hast natürlich nichts anderes zu tun, als alle Löcher an deiner unheimlich uninteressanten Freundin zu erkunden!“ Kevin wurde scharlachrot, aber es war nicht seine Art jemand anderem das letzte Wort zu überlassen. Er hatte immer eine Antwort. So auch jetzt. „Zum Glück warst du ja furchtbar nett zu ihm!“ sagte er unter zusammengebissenen Zähnen und Tom stieß ihn ruckartig rückwärts. Kevin konnte sich gerade noch auf den Beinen halten. Colin betrachtete das alles und fühlte sich dabei wie in einem 3D Kinofilm. Erst, als Tom sich von Kevin abwandte und auf ihn zukam verließ er die Zuschauerposition wieder. Tom war gut einen Kopf größer als er. Ein paar Strähnen seiner tiefschwarzen Haare fielen ihm in die Stirn. Er trug ein weißes T-Shirt und eine etwas zu weite hellblaue Jeans. Sein Shirt war leicht hoch gerutscht und gab den Blick auf ein paar schwarze Boxershorts frei. Colin blickte dem älteren Jungen mit tränennassen Augen entgegen. Er wusste nicht, ob er jetzt genauso Ärger bekam, wie Kevin eben. Er hatte keine Ahnung, was im Kopf des schwarzhaarigen Schönlings vor sich ging. Hätte er es auch nur ansatzweise vermutet, wäre er mindestens genauso rot geworden wie Kevin, als Tom von gewissen Löchern geredet hatte. Colin stolperte ein paar Schritte zurück bis er gegen einen Glasschrank rannte, der klirrend protestierte. In diesem Kasten waren ausgestopfte Möwen und andere Vögel ausgestellt. Colin hasste diese Viecher. Toms Hände legten sich links und rechts von Colin gegen die Glasscheiben. Die Berührung war sanft und das wunderte den Jüngeren. Er hatte gedacht Aggressivität würde Toms Verhalten lenken – er war einfach der Typ dafür – aber nein, es war etwas anderes. „Pass auf, Kleiner“, begann Tom und auch sein Ton war jetzt sanft. Colin suchte seinen Blick. Der war nicht nur sanft, er war warm und liebevoll. Colin wurde rot. „Wenn du Probleme hast, mit diesem Trottel da, seiner Schlampe, oder irgendwelchen Typen, die dich fertig machen wollen, dann sag mir Bescheid. Sie werden kuschen und dich in Ruhe lassen, denn vor mir haben sie Respekt.“ Colin schluckte einmal kurz, denn sein Hals schien trocken zu sein wie die Wüste. „Was soll das?“ fragte er dann etwas heiser. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Das lag zum einen daran, dass Tom ihn bedrängte und zum anderen, dass Tom noch dazu sehr gut aussah. „Schwuchteln halten zusammen, Süßer.“ „Wahnsinn …“ Jennys Stimme zerriss Colins Gedanken. Er blickte Tom nach und noch immer spürte er eine wohlige Wärme im Bauch. Komischer Kerl. Er hatte das gesagt, sich dann umgedreht und war einfach gegangen. Einfach so … ohne sich zu erklären. Colin hätte ihm noch stundenlang nachgestarrt, aber Jennys gehauchte Liebeserklärung an Tom versetzte ihm einen gezielten Stich. Er drehte sich um und betrachtete das „furchtbar uninteressante“ Mädchen. Sie hatte die Hände vor der Brust gefaltet, wie eine Nonne im Kloster und sah Tom mit schmachtendem Blick nach. Ein paar Strähnen waren aus ihrem Pferdeschwanz herausgerutscht und hingen nun links und rechts von ihren runden Wangen herab. Colin merkte einmal mehr, dass sie in ihrer Jeans, der grauen Kapuzenjacke und den schwarzen Ballerinas furchtbar durchschnittlich aussah. Er hatte noch keinen Menschen erlebt, der so wenig individuell gewirkt hatte wie sie. „Was heißt hier ‚Wahnsinn’?“ fragte er und ein merkwürdiges Echo seiner Frage verriet ihm, dass Kevin eben im selben Moment wie er dasselbe gesagt hatte. Die beiden Zwillinge tauschten einen Blick. Jenny wirkte ertappt. Ihre blauen Augen huschten zwischen den beiden hin und her und sie strich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Er sieht eben gut aus“, gab sie schließlich zu. Colins Herz machte einen kleinen Hüpfer. Zum ersten Mal im Leben fühlte er sich eindeutig im Vorteil und diesen Vorteil würde er umgehend ausspielen. Er schob die Hände in seine Jeans und lächelte irgendwie kalt. Kevin fand es kalt. „Tja“, sagte er schließlich, vielleicht etwas zu arrogant. „Das tut mir aber Leid für dich. Tom ist schwul und er wird sich mit so was wie dir niemals abgeben. Du bist einfach zu durchschnittlich.“ Sie sah ihn an und er wusste, dass er den Sieg davon getragen hatte. Jenny war verletzt. Colin grinste und schob sich an ihr vorbei zurück in den Raum. „Wow“, sagte Dominic und wirkte dabei etwas benommen. „Das hat er gesagt? Einfach so? Obwohl jeder ihn hätte hören können? Er scheint ein echt selbstbewusster Typ zu sein. Cool …“ Er betrachtete den Toast mit Käse und Salami in seiner Hand, bevor er ein Stück ab biss und Colin wieder das Reden überließ. „Ja, einfach so. Schwule müssen zusammenhalten, da hat er schon Recht. Tom muss wirklich Ahnung von alldem haben. Was meinst du? Hat er einen Freund?“ Colin hatte sein Essen noch nicht einmal ausgepackt. Sie saßen auf den Stufen zum Eingang der Schule, jeder sein Lunchpaket auf dem Schoß, und genossen die wärmende Sonne. Vom Schulhof drang der Lärm der jüngeren Schüler. Dominic schien über Colins Frage nachzudenken, wobei sein Blick in weite Ferne rückte. Dieser Blick machte Colin manchmal etwas Angst. Er wusste nicht recht, was in Dominic in diesen Momenten vor sich ging. „Nein. Wer sollte denn sein Freund sein? David Young etwa? Das glaube ich nicht.“ „Ich auch nicht“, gestand Colin und sammelte einen Fussel von seiner Jeans. „Bestimmt nicht David. Ich hoffe er ist Single.“ Dominic betrachtete ihn von der Seite. Seine unschuldigen Augen musterten seinen besten Freund aufmerksam. „Du magst ihn ja doch sehr“, stellte Dominic schließlich ruhig fest und biss wieder von seinem Toast ab. Diese Einsicht beunruhigte ihn irgendwo in seinem Unterbewusstsein. „Nein, ich bewundere ihn“, stellte Colin richtig. „Ich meine er sieht natürlich ziemlich scharf aus, trotzdem weiß ich nicht, ob er der Richtige für mich wäre. Aber ich bewundere sein Auftreten. Dieses Souveräne an seiner ganzen Art.“ Das beunruhigte Dominic nur noch mehr. „Warum wäre er nicht der Richtige für dich?“ fragte er deshalb. Vielleicht würde die Antwort darauf ihn so sehr überzeugen, dass die Unruhe in ihm wieder schwieg. „Weil ich nach jemandem suche, der einfach perfekt ist. Er muss gut aussehen und lieb sein. Er muss immer für mich da sein und mich niemals im Stich lassen. Außerdem sollte er mich verstehen und mir gut zuhören können. Dann wäre er der Richtige für mich.“ Dominic lächelte. Es hatte ihn ein wenig beruhigt. So viel Feinfühligkeit traute er diesem Thomas Sander nicht zu. „Tut mir Leid Colin, aber ich bin nicht schwul“, alberte er stattdessen und Colin lachte darüber. Dominic genoss den Augenblick. Er liebte es Colin so lachen zu hören, unbeschwert und natürlich. „Das weiß ich doch! Und es ist wirklich ein Verlust.“ Er zwinkerte Dominic zu, der dabei etwas rot wurde. „Wenn ich mich auf einen Mann einlasse, dann soll es einer sein, bei dem ich genau weiß, dass er mich nie wieder verlassen wird. Er muss mir das Gefühl vermitteln können, dass er niemals fortgeht.“ Dominic nickte und ließ seinen Blick über den Schulhof schweifen. Ein perfekter Mann für Colin. Er hoffte, dass dieser perfekte Mann irgendwo herumlief. Er hoffte es für Colin. „Wen magst du denn besonders Dominic? Du hast nie von irgendwem geschwärmt. Erzähl mir doch mal, wie deine Traumfrau sein müsste.“ Dominic lächelte verlegen und schüttelte dann den Kopf. Das wollte er nicht erzählen. Er hätte lügen müssen um Colin etwas Unverfängliches präsentieren zu können, doch wollte er seinen besten Freund anlügen? Dominic hatte einen Traum. Er war nicht schwul, wie sein bester Freund Colin Jenkins und er war auch nicht so reich. Das alles machte ihm aber nichts aus. Colin war der beste Mensch, den Dominic jemals getroffen hatte. Er konnte sich nicht vorstellen noch ein Leben zu führen, in dem Colin nicht eine übergeordnete Rolle spielen würde. Und immer wieder überkam Dominic des Nachts dieser spezielle Traum. In diesem Traum, fand er sich in Colins geräumigem Zimmer, in der Jenkins Villa am Rande der Stadt wieder. Durch die großen Fenster flutete Licht und tränkte das Zimmer in einen Glanz, der ihn fast blendete. Dominic saß auf dem roten Teppichfußboden und sah sich irritiert um. Etwas war so anders. Er fühlte es ganz genau. Etwas Wesentliches hatte sich soeben in seinem Leben verändert. Das Licht, dass das Zimmer durchflutete tauchte ihn in wohlige Wärme. Dominic genoss diese Wärme. Sie spendete ihm Hoffnung und Glück. Er lächelte und erhob sich vom Boden. Als er sich umsah, fand er Colin in seinem Bett vor. Er lag, den Rücken Dominic zugewandt dort, und seine Schultern bewegten sich sanft mit seinen Atemzügen. Dominic wollte ihn nicht wecken und schlich deshalb auf leisen Sohlen in Richtung Tür. Wo willst du hin? fragte ihn dann eine Stimme. Sie klang wie Colins und doch anders. Dominic fuhr herum und betrachtete seinen besten Freund erschrocken. Colin hatte die weiße dünne Bettdecke über die Brust gezogen und sah ihn mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck an, dem Dominic nicht widerstehen konnte. Doch etwas an Colin war komisch. Sein Haar, es war etwas zu lang. Seine Augen, sie waren etwas zu weich, ebenso seine ohnehin femininen Gesichtszüge. Aber das schlimmste war, dass sich unter der Decke, die er über die Brust gezogen hatte Rundungen abzeichneten. Dominic, willst du schon gehen? Ich wollte dich nicht wecken. Komm doch wieder zu mir! Mit diesen Worten ließ Colin die Decke los und streckte die Arme nach Dominic aus. Hübsche blasse Brüste kamen zum Vorschein und Dominic begriff endlich: Colin war zu einem Mädchen geworden. Colin war seine Freundin. Er lächelte und lief zu ihr zurück um sie in die Arme zu schließen. Colin sah ihn wieder mit diesem unschuldigen Blick an, dann lächelte sie. Zärtlich schlang sie die Arme um seinen Nacken und wollte ihn küssen. An dieser Stelle erwachte er jedes Mal. „Dominic?“ fragte der reale Colin, ein Junge ganz eindeutig, besorgt. „Ist alles okay mit dir?“ „Ja, na klar!“ sagte Dominic verlegen und vielleicht etwas zu laut. Er lachte, ohne dass er wirklich etwas witzig fand und sah Colin dann entschuldigend an. „Ich war nur in Gedanken.“ „Hast du an deine Traumfrau gedacht?“ hakte Colin nach und Dominic nickte. Alles wäre so einfach, wenn Colin nur ein Mädchen sein könnte. Colin schreckte entsetzt hoch, als Kevin seinen Hefter plötzlich wütend auf den Tisch schlug. Er sah seinen Bruder verwirrt an und bemerkte erst jetzt, wie zornig er war. Colin kam sich schäbig vor. War er etwa so in seinen eigenen Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht mehr bemerkt hatte, wie es Kevin ging? „Was hast du?“ fragte er vorsichtig und handelte sich dafür einen ziemlich bösen Blick ein. Kevin sah weg und verkrampfte die Hände um die Ränder des Hefters. „Was habt ihr eigentlich alle?!“ fragte er dann heftig und Colin zuckte wieder zusammen. „Was gibt euch eigentlich das Recht ständig über Jenny herzuziehen?!“ Jetzt war es an Colin wütend zu werden. Er schnaubte beleidigt und erhob sich von seinem Platz am Küchentisch. Welches Recht er hatte? Alles Recht! Dieses Mädchen war einfach nicht gut genug für seinen Bruder! „Wir sagen einfach nur die Wahrheit“, konterte er schließlich von der Tür aus. „Sie ist nichts wert und sie passt nicht zu dir. Habt ihr schon jemals etwas anderes gemacht außer vögeln?“ Stille. Colin betrachtete seinen Bruder aus der Distanz und musste sich eingestehen, dass der unsichere Gesichtsausdruck, der jetzt auf Kevins Zügen entstand, ihm mehr wehtat als all die anderen Dinge. Dann verschwand die Unsicherheit und ließ nur Wut zurück. „Woher willst du denn wissen, was bei uns abgeht?!“ schrie er fast und warf dabei den Stuhl um, als er sich erhob. Colin schluckte, konnte es dann aber doch nicht wirklich beherrschen. Eine Träne lief seine Wange herab. Kevin reagierte gar nicht darauf. Hab ich also Recht gehabt. „Du gönnst mir das doch nur nicht! Du bist doch nur eifersüchtig.“ Vielleicht traf das den Kern. Colin reagierte nicht darauf. Er wandte sich ab und verließ die Küche. Heute gab es da wohl nichts mehr zu retten. Er hoffte nur, dass es überhaupt etwas zu retten gab. Warum war sein Bruder so eingenommen von diesem Mädchen, mit dem er nichts gemeinsam hatte und mit dem er nicht einmal reden konnte? Was war dabei, wenn die nur Sex hatten? Sie hatten sich nie gestritten. Das wurde ihm schmerzlich bewusst, als er am Fuß der großen Freitreppe stand. Die Weite der Eingangshalle, die in mediterranen Farben gehalten war, schien ihn zu erdrücken. Sie hatten sich wirklich nie gestritten. Das bedeutete viel mehr als man vielleicht annehmen mochte. Unter anderem war das eine Vorraussetzung dafür, das Colin nie völlig einsam gewesen war. Sie hatten in diesem Haus eine Art zweisame Einsamkeit erlebt. Das war nichts, was das aufkommende Gefühl der Leere in Colin auch nur annährend getroffen hätte. Es war, als hätte plötzlich jemand den Grundstein seines Seins zerlegt. Er rannte die Treppe hoch, überfallen von Traurigkeit. Urplötzlich hatte er den Bezug zu seinem Bruder verloren, das war es, was ihm am Meisten wehtat. Keinen Streit zu haben, das bedeutete viel. Es sagte, dass sie einander immer zugehört und verstanden hatten. Nur wegen ihr, wegen diesem Mädchen, war die Verbindung abgebrochen. Das war nicht fair. Woher nahm sie sich das Recht so etwas zu tun? Sie war nicht mehr als ein Gast in ihrem Leben. Colin fragte sich ernsthaft, ob Kevin nicht einen großen Fehler beging. Einen gefühlsmäßigen Fehler vielleicht. Liebte er dieses Mädchen wirklich? Eigentlich hätte Kevin wissen sollen, was Liebe war. Diese Tatsache bestürzte Colin nur noch mehr. Er vermisste seinen Bruder, das einzige lebende Wesen in diesem Haus. Er vermisste Kevins Nähe, sein Lachen und seine bedeutungsschweren Blicke und Gesten. Oft verstanden sie sich ganz ohne Worte. Umso mehr deprimierte es Colin, dass ein Teil von ihm zu fehlen schien, der sein ganzes bisheriges Leben fest zu ihm gehört hatte. Das alles wegen ihr? Colin konnte das nicht zulassen. Tom starrte genervt zur Decke hoch. Er äffte unschön den vermutlichen Gesichtsausdruck seines Gesprächspartners am anderen Ende der Leitung nach und hoffte, dass es bald vorbei war. „Wo bist du eigentlich schon wieder?“ fragte Tom. Nicht, dass es ihn wirklich interessierte, aber im Fall aller Fälle wollte er wissen, wo sein Erzeuger starb. „In Paris, Thomas. Aus geschäftlichen Gründen, wie jedes Mal. Hast du den Scheck bekommen?“ Die Stimme am anderen Ende klang gehetzt und unruhig. Tom ließ ihn genüsslich etwas auf die Antwort warten. Dabei sah er sich in seiner Wohnung um. Ein kleines Wohn- und Schlafzimmer, daran grenzend ein schmaler Flur und ein kleines Bad mit Dusche. Ebenfalls an den Flur grenzend, eine beschauliche Küche. Er war zufrieden, denn er bezahlte keinen Cent dafür. Das bezahlte alles die Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ja, den hab ich bekommen“, ließ Tom sich schließlich herab zu sagen. „Deine väterliche Liebe hat mich beinahe umgehauen.“ „Das ist doch was“, knurrte die Stimme am Telefon mürrisch. „Hör zu Lieblingssohn“, das meinte er natürlich nicht ernst, „ich muss jetzt zur Konferenz. Wir reden später weiter.“ Gott bewahre, dachte Tom und gab ein zustimmendes Brummen von sich. Der Mann am anderen Ende legte auf. Tom seufzte und warf sein Handy auf sein Sofa. Lieblingssohn, da kamen ihm glatt Mordgedanken. Thomas hielt wahrlich wenig von seinem Erzeuger. Er war jetzt achtzehn Jahre alt und hatte nie eine glückliche Familie erlebt. Seine Mutter, eine gebürtige Italienerin hatte diesen mittelprächtigen jungen Mann kennen gelernt, den er jetzt Vater nennen sollte. Aus Liebe war sie ihm in seine Heimat gefolgt. Als sie dann mit Tom schwanger wurde, schien die Welt zunächst perfekt zu sein. Er kümmerte sich rührend um sie und machte ihr sogleich einen Antrag. Ein Jahr lang waren sie vielleicht so etwas wie eine glückliche Familie. Tom erinnerte sich natürlich nicht mehr daran. Ihre Eltern waren wohlhabend gewesen und scheinbar war es das, was er an ihr geliebt hatte. Doch plötzlich verließ er sie für eine andere Frau, eine reichere Frau. Sie blieb allein mit dem Baby zurück und zog ihn, Thomas, mit ihrem gebrochenen Herzen auf. Tom hatte es fühlen können, dass es gebrochen war. Er würde nie vergessen, wie sie zeitweise ins Leere gestarrt hatte, als wären ihre Gedanken nicht hier, sondern in einer fernen Dimension. Manchmal hatte sie den kleinen Thomas fast vergessen. Er hatte die blauen Augen seines Erzeugers und das tat ihr unendlich weh. Dann schließlich, als sie es nicht mehr ausgehalten hatte, verließ sie ihn. Schon vorher, er war damals zwölf gewesen, ging sie regelmäßig zum Arzt. Sie behaupte sie fühle sich krank und müsse sich deshalb untersuchen lassen. Thomas wusste, dass sie zum Psychiater ging bevor sie ihn verließ. Der Psychiater konnte ihr nicht helfen. Sie fragte zu spät nach professioneller Hilfe. Thomas blieb allein. Sie verließ ihn, verließ ihre Familie und zu guter letzt die ganze Welt. Tom brachte es nicht über sich, dass Wort „sterben“ auch nur zu denken. Es klang zu grausam und der kleine Thomas in ihm musste jedes Mal weinen, wenn er an seine Mutter zurückdachte. Er hatte ihre Leiche nie zu Gesicht bekommen. Das machte es ihm nicht wirklich leichter. Thomas konnte nicht glauben, dass sie wirklich tot war und manchmal kam es ihm vor, als würde ihr sanfter geduldiger Blick auf ihm ruhen. Sie passte noch immer auf ihn auf. Der erwachsene Thomas dachte nicht oft an sie. Er überließ das dem zwölfjährigen alter Ego in ihm. Das machte die Sache leichter. Und dann blieb da also noch dieser Typ, sein Vater, der weiterlebte mit seiner reichen Frau, als sei nie etwas gewesen. Tom hatte Geld bekommen, aber keine Liebe. Deshalb hasste er ihn so. Tom seufzte. Er sollte nicht allzu viel darüber nachdenken. Er war jetzt erwachsen und musste sein Leben in den Griff bekommen. Dieser Typ, den er hätte Papa nennen sollen, war nicht mehr als ein Check von seinem Anwalt, nicht mehr als eine Stimme am Telefon. Er raffte sich vom Sessel auf und starrte auf den unerledigten Hausaufgabenberg auf seinem Schreibtisch. Es war sein Leben und das musste er ganz allein in den Griff bekommen. Niemand half ihm dabei, doch das machte ihn stark, machte ihn hoffentlich bald unabhängig. Sobald er die Schule verließ und arbeiten ging würde er alle Bande zu seinem Erzeuger kappen. Colin hechtete um die Ecke und – oh Wunder – wäre dabei fast wieder gegen Tom gerannt. Er seufzte resignierend, brauchte sich aber nicht mehr zu entschuldigen. Tom lächelte auf ihn hinunter. „Das zehnte Mal“, sagten sie gleichzeitig und Colin lachte. „Gib es zu, du stehst mir absichtlich im Weg.“ Tom lächelte unergründlich. Colin wertete das als ein Ja. „Ich kann doch jemand hübschen wie dich nicht einfach laufen lassen“, sagte Tom und Colin war etwas überrascht, ob diesem großzügigen Kompliment. Er lächelte dankbar und wollte sich an Tom vorbeischieben. In zwei Minuten würde der Unterricht beginnen. „Warte mal“, sagte Tom und versperrte Colin den Weg. Dieser sah ihn verwirrt und fragend zugleich an. „Hast du immer noch Stress mit deinem Bruder?“ Nach einer kurzen Bedenkpause nickte Colin langsam. Ja, er hatte immer noch Stress mit seinem Bruder. Kevin war plötzlich ein Fremder für ihn. Er stieg einfach nicht mehr dahinter, was in seinem Kopf vor sich ging. „Das sollte echt nicht passieren. Lebensabschnittspartner sind … vergänglich“, bemerkte Tom und betrachtete den Jüngeren mitfühlend. „Ach na ja, das wird schon wieder“, sagte Colin etwas optimistischer, als er sich eigentlich fühlte. In Toms Gegenwart fühlte er sich zunehmend behaglich. Der Ältere strahlte eine Stärke aus, die auf ihn übergriff und ihn wieder ein kleines Stück aufbaute. Thomas lächelte etwas verlegen. „Darf ich dich was fragen?“ begann er, als die Schulglocke ihn unterbrach. Colin fluchte und sah sich hektisch um. „Ich muss los!“ sagte er und schob sich an Tom vorbei. „Hast du keinen Unterricht?“ Tom schüttelte mit dem Kopf und hielt Colin hastig am Handgelenk fest. „Hast du … du weißt schon … einen Freund?“ Colin errötete leicht, lächelte aber als er mit dem Kopf schüttelte, sich von Tom losmachte und davonlief. Er kam zu spät und es lag immer noch ein Hauch von Röte auf seinem Gesicht, als er sich neben Dominic auf seinen Platz fallen ließ. Der Lehrer war noch nicht da. „Wo warst du denn?“ fragte Dominic irgendwie besorgt. „Ich – hab Tom noch getroffen – auf dem Gang“, erklärte Colin immer noch außer Atem und lächelte dabei etwas zu selig. Mit einem lauten Klatschen landete sein Mathematikbuch auf dem Tisch. Dominic verzog einen Moment lang sein Gesicht und sah dann zur Tür, als würde er auf den Lehrer warten. „Es scheint Probleme zu geben“, sagte er schließlich und wandte sich wieder Colin zu, der ihn verwirrt betrachtete. Natürlich gab es Probleme und zwar jede Menge. „Womit?“ fragte er. „Kevin.“ Auch das war nichts Neues. Doch auf Colins Stirn entstand eine steile Falte. Was konnte problematischer sein, als die tiefe Kluft zwischen ihm und seinem Bruder? Dominic konnte es ihm nicht sagen. Als Colin nach dem Unterricht – er hatte Kunst ohne seinen Bruder – aus der Schule trat und Joseph erblickte überkam ihn ein ungutes Gefühl. Dominics Andeutungen waren vage gewesen und Colin hatte sich seinen Teil gedacht, einen Teil, der aus seiner Sicht gar nicht so schlecht sein konnte wie er klang, doch jetzt sah die Welt ganz anders aus. Er trat an den dunklen Wagen und sah den weißhaarigen alten Mann an. Der nickte grüßend mit dem Kopf und hielt Colin die Tür auf. Kein Kevin weit und breit. „Ihr Bruder ist bereits zu Hause“, verkündete Joseph, als er den Motor des Wagens anließ und das ungute Gefühl in Colin wurde zu blanker Sorge. „Was hat er denn?“ fragte er unsicher und Joseph zuckte nur mit den Schultern. „Er sagt, es ginge ihm nicht gut. Vielleicht eine Magenverstimmung.“ Colin bezweifelte das stark. Er starrte aus dem Fenster, hinter dem die Stadt vorbei floss. Die Sache war wahrscheinlich schwieriger, als Joseph sich das dachte. Er in seinem stillen Kämmerlein, fernab aller Sorgen und in einem bedenklichen Alter, dachte bestimmt ein wenig zu viel über irgendwelche Krankheiten nach. Joseph hatte kaum den Wagen zum Halten gebracht, als Colin den Sicherheitsgurt löste und die Autotür aufstieß. Er griff nach seiner Tasche und huschte hastig die Stufen zur Haustür empor, wo er seinen Schlüssel zückte und sofort im Inneren verschwand. Joseph, zurückgelassen mit dem Wagen und einer sperrangelweit offenen Hintertür, gab einen missbilligenden Laut von sich. Colin bemerkte nichts davon. Er sprintete durch die Eingangshalle und die nächste Treppe hinauf. An seinem Zimmer lief er schnurstracks vorbei und kam vor Kevins Zimmertür zum Stehen. Sollte er es wagen? Es bestand immerhin die Möglichkeit, dass Kevin ihn achtkantig hinauswarf. In letzter Zeit war alles denkbar. Colin schob die Bedenken beiseite und klopfte sanft gegen die Tür. Als keine Antwort kam trat er trotzdem ein. Das Zimmer war leer. Einen Herzschlag lang sah Colin sich um, dann machte er auf dem Absatz kehrt und sprintete hinunter in die Küche. Dort fackelte er nicht lang und stürzte sofort hinein. Was er fand erschreckte ihn. Zwei Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Colin blinzelte überrascht. Vor ihm, an dem ausladenden Tisch saßen seine Mutter, sein Vater und ein in sich zusammen gesunkener Kevin. Seine Eltern betrachteten ihn jetzt, nur Kevin starrte verbissen auf die Tischplatte. „Schon zurück?“ sagte Colin etwas lahm und ließ die Schultasche von seiner Schulter gleiten. Damit hatte er gar nicht gerechnet. Seine Eltern waren scheinbar ewig auf irgendeiner Geschäftsreise gewesen. Die von Lippenstift glänzenden Lippen seiner Mutter lächelten ihn an. Sie hatte wallende blonde Locken. Colin lächelte zurück. Er ging auf seine Mutter zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Erfolg gehabt?“ fragte er und gönnte auch seinem Vater eine Umarmung. Er war ein großer, schlanker Mann, die meiste Zeit relativ ruhig. Er hatte helle blaue Augen und hellbraunes kurzes Haar. Seine Augen irritierten Colin einen Moment lang, doch dann setzte er sich an seinen Platz zu Kevin und betrachtete seine Eltern neugierig. Amanda und Jonathan Jenkins waren ein Erfolgsgespann. Sie leiteten eine große Firma und machten das sehr gut. So viel Geld wie sie verdienten, konnte Colin gar nicht ausgeben. „Ja, die Geschäfte laufen prächtig“, sagte Amanda und zwinkerte ihrem Jungen zu. Sie wusste, dass ihr Sohn schwul war. Jonathan hatte davon keine Ahnung. Das war eine reine Sicherheitsmaßnahme. „Das ist ja super. Ihr habt gar nicht angerufen.“ „Es war auch eher spontan“, schaltete Jonathan sich ein und schaffte auch ein müdes Lächeln. Er sah abgespannt aus, als brauche er dringend Urlaub. „Die Konferenzen sind ziemlich glatt gelaufen, deshalb konnten wir vor dem Wochenende wieder da sein. Wie läuft es in der Schule?“ Colin warf einen irritierten Seitenblick auf Kevin, der noch immer schweigend und verbissen dasaß. Der fragende Blick seines Vaters brachte ihn dann aber doch zum Reden. „Läuft eigentlich ziemlich gut“, sagte er, was der Wahrheit entsprach. „Ich habe mit Dominic ein Referat gehalten und wir haben sehr gut abgeschnitten. Und sonst ist eigentlich nichts Aufregendes passiert.“ Seine Mutter lächelte glücklich und legte ihre gebräunte Hand auf die ihres Sohnes. Ihre Fingernägel waren zartrosa lackiert. Sie sah noch so jung aus. Colin lächelte zurück. „Du bist ein guter Junge“, sagte sie und drückte kurz seine Hand. Ein guter Junge. Das sagte sie jedes Mal, wenn sie zufrieden war mit ihm. „Immerhin einer schafft es“, Jonathan lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. Colin sah ihn an. Der Blick seines Vaters ruhte beunruhigt auf Kevin. „Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, mein Sohn.“ Immer noch gab es keine Reaktion. Jonathan machte eine Bedenkpause und fuhr dann fort: „Ich dachte, dass du genügend aufgeklärt bist um die Folgen deines Handelns erkennen zu können.“ Er lockerte seine dunkle Krawatte etwas und sammelte einen schwarzen Fussel von seinem Designeranzug. „Scheinbar habe ich mich da getäuscht.“ Auf seiner sonst so makellosen Stirn entstand eine steile Falte, doch nur Colin bemerkte es, denn Kevin sah noch immer nicht auf. Im Gegenteil, er sackte mehr und mehr in sich zusammen wie ein geprügelter Hund. „Ich bin mehr als schockiert. Es ist eine denkbar ernste Situation, in der du da steckst. Bist du dir überhaupt auch nur ansatzweise im Klaren darüber, was ein Kind für dein Leben bedeutet?“ Colin horchte auf. Er warf seiner Mutter einen entsetzten Blick zu, doch diese erwiderte ihn nur mit einem bekümmerten Kopfschütteln. Kevin reagierte noch immer nicht und in Colins Kopf begannen sich langsam festzusetzen, was nur los sein konnte. Jonathan sah seinen Sohn noch einige Momente schweigend an, als erwarte er eine vernünftige Antwort, aber da diese ausblieb, erhob er sich mit einem leisen Ächzen von seinem Platz. „Ich werde schlafen gehen. Die langen Flüge machen mich ganz kaputt. Morgen reden wir ausführlicher darüber, Kevin.“ Amanda nickte und es wirkte beinahe so als übernehme sie es für Kevin, dann erhob sie sich ebenfalls. Schweigend verließ das Elternpaar den Raum. Er in seinem schwarzen Anzug, sie in ihrem weißen Kostüm. Colin blickte ihnen nach, dann sah er Kevin an. Sein Bruder schien nicht bereit zu sein, etwas zu sagen. Das hatte er in dem kurzen Gespräch mehr als deutlich mitbekommen. Vielleicht sollte er einfach warten, bis es soweit war. Kevin hatte einen Fehler gemacht, einen großen Fehler, soviel war ihm klar geworden. Colin wartete noch einige Sekunden, in denen die Stille wie eine Zentnerlast auf seinen Schultern lag, stand dann auf und wollte ebenfalls gehen, als er ein Geräusch von Kevin hörte, dass ein gepresstes Schluchzen sein konnte, aber auch ein entsetztes Stöhnen. Er wollte sich umdrehen, um doch noch einmal nach ihm zu sehen, doch schon in diesem Moment schoss Kevin in seine Arme und riss ihn fast von den Füßen. Colin stieß einen erschrockenen Laut aus und konnte gerade noch das Gleichgewicht halten. „Was zur Hölle ist denn nun los?“ platze er heraus. „Jenny ist schwanger!“ „Wie bitte?!“ fragte Colin entsetzt und rechnete hastig im Kopf. „Aber, aber ihr seid doch noch gar nicht so lang zusammen. Wie kann sie da schon sicher sein?“ „Ich habe schon vorher ein paar Mal mit ihr geschlafen …“, gab er zu. „Ohne es mir zu erzählen?“ fragte Colin wieder dagegen, tief enttäuscht. „Ohne es dir zu erzählen, aber das ist doch nun echt unwichtig.“, jammerte Kevin verzweifelt. Colin starrte seinem Bruder ins Gesicht, dem die Tränen in Strömen über die Wangen liefen. Eben noch, als ihre Eltern hier gewesen waren, da hatte er sich mühsam beherrscht, aber nun ließ er seiner Verzweiflung freien Lauf. „Tut mir leid.“, murmelte Colin dann. „Wie ist das überhaupt passiert? Nimmt sie denn nicht die Pille?“ „Ich weiß es nicht.“, schluchzte Kevin. Seine schmalen Finger krallten sich in den Rücken seines Bruders. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“ „Und du hast sie nie gefragt?“ Colin sah ihn verwundert an. „Nein. Als ich es erfahren habe, bin ich einfach davon.“ Kevin schniefte leise. „Was hättest du denn in dem Moment getan? Sie noch verhört?“ Colin zuckte mit den Schultern. Er wusste es nicht. Er konnte diese Situation einfach nicht einschätzen und das war ihm in Bezug auf seinen Bruder noch nie passiert. Als Zwilling wusste man eigentlich alles über den anderen, man konnte anhand der kleinsten Bewegung sagen, wie es dem anderen ging, was er wollte. Kevins Augen waren ihm noch nie so sehr ein Rätsel, wie sie es jetzt waren. Er ahnte die abgrundtiefe Verzweiflung, die sich in Kevin breit gemacht hatte, aber er konnte sie nicht nachempfinden. War das das Ende ihrer Bindung? „Kevin.“, sagte er sanft, aber sein Bruder unterbrach ihn. „Wie kommt sie überhaupt dazu einen Test zu machen? Warum?“, schniefte er etwas hilflos. Colin hielt ihn fest. „Ihre Tage haben sicherlich ausgesetzt und da ist sie stutzig geworden.“ „Na und? Wir haben immer verhütet.“, hielt Kevin dagegen. „Es hätte auch am Klima, am Stress, an mangelnder Ernährung oder sonst was liegen können.“ Colins Gedanken rasten und dann wurde es ihm schlagartig klar. „Das war alles was sie wollte. Sie wollte schwanger werden. Wahrscheinlich hat sie die Kondome präpariert oder so etwas.“ „Wer will denn mit sechzehn schwanger sein?!“, entsetzte sich Kevin. Dumme Mädchen, die unscheinbar sind und sich irgendwie wichtig machen wollen. Colin sagte nichts dazu. Kevin schob ihn um Armeslänge von sich fort und sah ihn mit tränennassen Augen an. „Ich werde sie verlassen.“ „Bitte was?!“ Tom knallte seine Bierflasche etwas zu hastig auf den dunklen Holztisch. Die Zwillinge sahen ihn erschrocken an. Kevin wirkte höchst verunsichert. Kaum eine Stunde nachdem Kevin seinem Bruder gestehen konnte, dass irgendetwas mächtig schief gelaufen war, hatte Tom Colin angerufen. Er hatte um eine Art Date gebettelt und als Colin erklärt hatte, er müsse jetzt für seinen Bruder da sein, weil dessen dümmliche Freundin schwanger war, hatte Tom vorgeschlagen, dass sie zu dritt ein Problembier trinken gehen sollten. Colin hatte den Ausdruck belächelt und zugesagt. Zwar hatte es gut eine halbe Stunde gedauert Kevin zu diesem Treffen zu überreden, aber am Ende musste sogar Kevin zugeben, dass Tom ein ziemlich ordentlicher Typ war. Der Ältere hatte ohne zu unterbrechen zugehört und scheinbar alles reiflich überdacht, was Kevin ihnen zwischen drei Bieren erzählte. „Was soll ich denn machen?“ ging Kevin nervös dagegen an. „Sie kann doch nicht allen Ernstes glauben, dass sie damit durchkommt, mir ein verdammtes Kind unterzujubeln?“ Tom musterte den Jüngeren scharf aus seinen hellblauen Augen und kniff die Lippen zusammen. Er schien angestrengt über etwas nachzudenken. Dann schüttelte nachdrücklich den Kopf. Kevin beobachtete ihn dabei und ihm wurde erst jetzt wirklich klar, wie kurios diese Situation war. Er erzählte einem wildfremden Kerl, der heiß auf seinen Bruder war, von dem bislang wahrscheinlich größten Problem in seinem Leben. Aber schwule Männer waren ja angeblich die besten Zuhörer. „Nein“, sagte Tom und nahm wieder einen Schluck Bier. „Nein. Du hast eine Verantwortung! Denk doch mal zwei Zentimeter weiter. Du hast ein Kind gezeugt, mach dir das klar. Ein Kind, das absolut nichts dafür kann, dass du zu blöd bist, ein Kondom zu benutzen.“ Kevin verzog den Mund über Toms eher derben Ton. „Wir haben immer eines benutzt.“ „Das wirst du nicht beweisen können und im Zweifelsfall geht es für das Mädchen. Überleg doch mal, was du dem Kind damit antust, solltest du die Kleine jetzt verlassen. Versuch das ins Reine zu bringen. Das Kind darf auf keinen Fall darunter leiden. Und wenn sie wirklich so toll ist, dass du deinen Bruder für sie abschreibst, dann solltest du diese Verantwortung übernehmen, anstatt wie ein feiges Arschloch davonzurennen.“ Kevin starrte auf seine Flasche. Er hatte Recht, mit jedem einzelnen seiner Worte, aber andererseits… „Sie wollte doch nichts anderes erreichen.“, murmelte er. „Ich weiß nicht, ob ich sie wirklich so sehr liebe, dass ich mit ihr ein Kind großziehen kann.“ „Das weiß ich auch nicht.“, knurrte Tom. „Aber Fakt ist nun mal, dass ihr ein Kind habt und dass ihr es nicht im Stich lassen könnt.“ Keiner der beiden Zwillinge ahnte, dass Tom an seine eigene Mutter dachte, die ihr Kind alleine und mit gebrochenem Herzen hatte aufwachsen lassen. „Sitz hier nicht und heul, wie ein Baby.“, fuhr er fort. „Ich denke du willst ein Mann sein. Dann sei auch ein Mann oder such dir einen Freund, dann bist du das Problem los.“ Kevin brummte beleidigt. „Ich bin nicht schwul, okay? Ich bin einfach nur ein wenig überfordert mit der Situation“, erklärte er sich und sah hilfesuchend zu seinem Bruder. Colin schüttelte nur sanft den Kopf. „Ja, na klar bist du das. Du bist ein Weichei und musstest dich nie um irgendwelche Probleme kümmern. Aber das kann man mit ein bisschen Fingerspitzengefühl alles hinkriegen“, riet Tom ihm und warf ganz nebenbei Colin ein kleines Lächeln zu. Dieser erwiderte es. Colin bewunderte Toms Reife und wie souverän er alles erklären konnte. Er hoffte, seine Ratschläge würden auch bei Kevin ankommen, denn der ließ sich nicht gern etwas sagen. „Oder aber ihr nutzt die zweite Möglichkeit.“ Kevin sah alarmiert auf. „Die da wäre?“ „Abtreibung.“ „Das ist Mord.“, warf Colin entsetzt ein. „Na und? Sie ist sechzehn. Sie würde sich ihr ganzes Leben mit einem Kind versauen und das deines Bruders ebenso. Eine Abtreibung wäre für alle Beteiligten die bequemste Lösung.“, erklärte Tom kühl. „Andererseits ist es dein Leben, das sie in sich trägt.“, wandte er sich wieder an Kevin. Dieser nickte hilflos. „Ich glaube, Abtreiben wird sie nicht. Sie will mich bei sich halten.“ „Das ist ihr zwar gelungen, aber du solltest sie dafür niemals hassen.“ Tom sah ihn eindringlich an. „Ein Kind, das zwischen Hass aufwächst, ist ein verlorenes Kind.“ Erneut nickte Kevin, dann breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus. „Das war es von meiner Seite aus.“, brummte Tom dann, als niemand mehr ein Wort verlauten ließ. „Danke für deine Hilfe“, sagte Colin anstelle seines Bruders und Tom zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ursache, Kleiner.“ „Wir sollten nach Hause gehen.“ Kevin schob seine Flasche von sich weg und erhob sich von seinem Stuhl. Tom beobachtete ihn dabei. Der Jüngere schwankte ein wenig, als er endlich stand und blickte wartend auf seinen Bruder hinunter. Colin erhob sich ebenfalls. Er wandte sich noch einmal Tom zu. „Ich hoffe, wir können uns wieder treffen.“ „Da bin ich mir ganz sicher“, sagte Tom. Er hatte eine Wärme in der Stimme, die Colin wieder leicht erröten ließ. Vielleicht konnte er sich doch etwas vorstellen mit Tom. Immerhin hatte dieser gerade bewiesen, dass er Colins Schema für den perfekten Mann abdeckte. „Nun komm schon!“ brummte Kevin, der schon seine Jacke übergezogen hatte. Er griff nach Colins Handgelenk und zog ihn mit sich. „Du flirtest mir zu viel mit diesem Typen.“ Colin errötete wieder. „Warum das denn?“ „Die Blicke die ihr tauscht. Da kann einem ja schlecht bei werden.“ Colin lachte und hakte sich bei Kevin unter, wie es in die Jahre gekommene Ehepartner manchmal taten. „Du bist also eifersüchtig. Das ist interessant“, stellte Colin fest und setzte bedächtig einen Schritt vor den anderen. „Ich muss sagen, das ist ungerecht. Ich durfte doch auch nicht eifersüchtig sein.“ Kevin brummte missmutig und wischte sich mit der rechten Hand über sein Gesicht. „Du warst es aber trotzdem. Deshalb habe ich jetzt auch alles Recht eifersüchtig zu sein.“ Colin schwieg einen Moment, während sie zielstrebig durch die dunklen Straßen wanderten. Eine Laterne über ihnen flackerte mit einem letzten sterbenden Knirschen und verlosch dann. Instinktiv zog Colin seine dünne Jacke enger um sich. „Vielleicht werde ich mit ihm gehen“, sagte er schließlich und Kevin stöhnte augenblicklich gequält auf. „Wie sehr habe ich gehofft, dass du das nicht sagen würdest!“ rief er in die Nacht hinaus. Seine Stimme verhallte, bekam keine Antwort, denn Colin war in seinen Gedanken versunken. Er klammerte sich an den Arm seines betrunkenen Bruders. In seinen Augen schimmerten Tränen. „Du wolltest glücklich sein mit ihr, obwohl ich es nicht ertragen hab.“, sagte er leise und Kevin starrte ihn an. „Jetzt will ich mit Tom glücklich werden, obwohl du es nicht erträgst. Gib mir die Chance meine eigenen Fehler zu machen.“ Kevin riss seinen Blick von seinem Bruder, der wahrscheinlich damit rechnete, dass er nicht mehr wirklich merkte, was um ihn herum passierte. Colin dachte sicherlich, dass die drei Bier drei zu viel gewesen waren. Doch Kevins Kopf fühlte sich mit einem Mal seltsam frei an. „Es tut mir Leid“, murmelte er und klang ganz ehrlich danach. „Ich weiß jetzt, wie du dich gefühlt haben musst. Ich hoffe Tom bringt dir Glück. Er scheint ein ganz ordentlicher Kerl zu sein. Aber wenn er dir wehtut, dann sag mir sofort bescheid. Das werde ich nicht zulassen, okay? Ich will nicht, dass du irgendwann in genauso einer bescheuerten Angelegenheit wie ich feststeckst.“ Colin lächelte und trotzdem liefen plötzlich Tränen über sein Gesicht. Es war zurück, das Band, das nur sie als Zwillinge empfinden konnten. „Kevin …“ Sein Bruder schüttelte bedächtig mit dem Kopf. Von weitem kamen die ersten beleuchteten Fenster der Jenkins Villa in Sicht. Man sah einen Schatten hinter dem Fenster auf und ab flitzen. Kevin vermutete, dass es ihr Vater war. Wenn er telefonierte, rannte er immer ruhelos hin und her, als wäre es ihm unmöglich in Ruhe mit einer gesichtslosen Stimme zu reden. „Ich hab dich lieb.“ „Ich dich auch.“ „Nie wieder Streit?“ „Nie wieder.“ Als Colin am nächsten Morgen aus der Villa stolperte, hing seine Mutter an ihm. Überfürsorglich strich sie ihm über sein blondes glattes Haar und küsste ihn auf beide Wangen. „Du hast etwas zu Essen dabei?“ Colin nickte, noch einen halben Toast in der Hand. Sie waren spät dran, deshalb hatte der Morgen recht hektische Züge angenommen. „Wir treffen uns heute Nachmittag im Eiscafé, das du so gern magst. Ich werde dort auf dich warten. Du möchtest doch sicher wieder diesen riesigen Tropic Becher.“ Sie strich wieder über sein Haar und zupfte etwas an den Spitzen herum. „Viel Glück bei deinem Aufsatz.“ „Danke Mama“, sagte Colin und huschte die Treppe zum Auto hinunter, an dem Kevin mit Jonathan stand. „Heute Nachmittag hole ich dich dann mit der Maschine ab. Wenn deine Mutter und Colin ihr Hüftgold verputzen, machen wir eine kleine Spritztour und reden noch einmal ausführlich über deine kleine Misere.“ Glücklicherweise war Jonathans Ärger schon ein wenig verflogen und der ging das ganze etwas lockerer an als am Vortag. Kevin hob den Daumen und hielt Colin die Tür auf, damit er ins Auto schlüpfen konnte. „Wir müssen uns beeilen, Dad“, sagte er und stieg hastig hinter Colin ins Auto. „Aber ich freu mich schon total auf die Tour mit der Maschine. Bis später!“ Die Autotür flog zu und Joseph warf ihnen durch den Rückspiegel einen amüsierten Blick zu. „Los doch, los doch“, drängelte Kevin und schnallte sich an. Er lächelte, winkte seinen Eltern zu und murmelte unter diesem Lächeln: „Oh mein Gott!“ „Sie sind ja nicht oft da“, sagte Colin und ließ seinen Sicherheitsgurt klickend einrasten. „Wenn sie aber da sind, dann werden sie wirklich überfürsorglich. Das ist regelrecht gruselig!“ „Hast du auch so ein riesengroßes Lunch Paket bekommen?“ fragte Kevin und hielt eine recht große braune Tüte hoch. „Jaa“, jammerte Colin und zeigte auch seine hoch. „Ich weiß gar nicht, wann ich das alles essen soll!“ Sie bemerkten gar nicht, wie Joseph vorn im Wagen leise in sich hineinlachte. Es war immer wieder merkwürdig. Waren Mr. Und Mrs. Jenkins fort, herrschte Ruhe im Haus. Natürlich gingen ab und zu ein paar Freunde der Zwillinge ein und aus, aber es passierte in der Regel kaum etwas. Waren die Eltern aber zu Hause ging es Tag und Nacht drunter und drüber. Dann kam Leben ins Haus. Er arbeitete seit vielen Jahren für diese Familie und trotzdem, war es ihm unmöglich sie zu ergründen. Keine halbe Stunde später, stürmten die Zwillinge die Schule. Kevin preschte vor. Er war immer der sportlichere der beiden gewesen und als Colin seine Lunch Tüte fallen ließ hängte Kevin ihn vollends ab. Colin fluchte und griff die Tüte vom Boden. Sich fast überschlagend hechtete er weiter und fand sich letztendlich vor einer geschlossenen Klassenzimmertür wieder. Er war zu spät. Das bedeutete, sie würden ihn nicht mehr reinlassen. Colin fluchte wieder und setzte sich betrübt auf den Boden. Jetzt hatte er Zeit sein viel zu großes, unglückseliges Lunch Paket zu essen. Hätte er nur die Klappe gehalten. Er seufzte und schaute in die Tüte. Eigentlich hatte er gar keinen Hunger. Eine laute Stimme durchschnitt seine Gedanken. Eine Tür, drei Räume weiter flog auf. „Raus mit Ihnen und zwar plötzlich!“ hörte er eine Frau brüllen und aus dem Klassenraum stolperte Thomas. Colin verkniff sich ein Grinsen. Er wurde rausgeworfen, wie peinlich. Thomas schien das nicht so zu sehen. Er lachte. „Sparen Sie sich das!“ keifte die Lehrerin. Colin kannte sie. Vor einem Jahr hatte er mit ihr Mathematik Unterricht gehabt. Fand man in ihren Rechnungen an der Tafel einen Fehler, was sehr oft passierte, unterschied sie zwischen drei Arten von Schülern. Die einen waren die Streber, die die so wie so alles konnten und nie etwas Falsches machten. Sie bekamen ohnehin ständig die volle Punktzahl. Ihnen ließ die Lehrerin alles durchgehen. Dann gab es da die Normalen. Manchmal landeten sie einen Glückstreffer und sie tat alles mit einer schnippischen Bemerkung ab. „Ich wollte nur wissen, ob sie zuhören“, war eine davon. Und zu guter letzt kamen die Idioten. Sie waren die, die so wie so nichts begriffen und deren Anwesenheit nur Platzverschwendung war. Überlistete so einer sie, wenn sie kurz unaufmerksam war, dann rastete sie völlig aus. Tom schien ein klassifizierter Idiot zu sein. Das verriet ihr Keifen. Und sein Lachen. Die Tür flog hinter ihm zu und er beruhigte sich etwas. „Wie ich Mathe hasse“, murmelte er laut und Colin stand grinsend auf. „Hey!“ rief er und der Ältere wurde endlich auf ihn aufmerksam. Tom riss erstaunt die Augen auf, bevor er sich zu Colin gesellte. „Was machst du hier?“ fragte er, als sie sich gemeinsam auf dem Boden niederließen. „Ich bin zu spät gekommen“, fing Colin an und erzählte von seiner überfürsorglichen Mutter, die es ihm und Kevin schwer gemacht hatte rechtzeitig das Haus zu verlassen. Tom schüttelte belustigt mit dem Kopf. „Sie liebt dich wohl sehr. Bestimmt tut es ihr leid, dass ihr so oft allein bleiben müsst.“ Colin nickte und sah Tom zufrieden an. „Es tut ihr Leid. Sie ist immer so lieb und tut alles für uns. Sie ist zwar sehr erfolgreich, aber sie tritt nie kürzer, weil sie nicht möchte, dass sich an unserem guten Lebensstandart etwas verändert. Sie möchte uns möglichst alles bieten. Und sie schafft es auch uns ihre Liebe zu schenken, selbst wenn sie nicht da ist.“ „Sie muss eine tolle Frau sein.“ Einen Moment lang schwiegen sie beide, bis Tom erneut das Wort ergriff. An die weiß getünchte Wand gelehnt unterhielten sie sich. Zunächst über Kevin, dann über Gott und die Welt. Colin fand es angenehm einmal mit Tom allein sein zu können. Es war ihm peinlich den Unterricht zu verpassen, aber hier bei Tom war es schön. Sie verfielen wieder in Schweigen. Die Zeit floss träge dahin, doch Colin hätte sie gern ganz angehalten, um weiterhin hier mit Tom zu sitzen. „Du, Tom?“ begann er schließlich, als sich ihm eine Frage stellte, über die er nie vorher nachgedacht hatte. „Ja?“ „Du hast mich doch gefragt, ob ich einen Freund habe.“ Aus den anliegenden Klassenzimmern hörte man die lauten monotonen Stimmen der Lehrer, die Formeln oder Aufgaben erklärten, wobei die Schüler emsig mitschrieben. Tom sah Colin neugierig an. „Darf ich fragen, ob du vielleicht einen hast?“ Die Sekunden verstrichen. Und mit jeder füllte sich Colins Magen mit Angst. Keine Antwort konnte nur bedeuten, dass Tom jemanden hatte, den er liebte und dass er Colin nicht brauchte. „Was ist denn das für eine Frage?“ Tom warf die Hände in die Luft und sah Colin etwas beleidigt an. „Natürlich nicht! Ich hatte noch nie einen Freund. Das waren alles nur Lover. Nichts, was einen zweiten Gedanken wert gewesen wäre. Aber damit habe ich Schluss gemacht.“ Colin blinzelte verwirrt. Ein Casanova also. Vielleicht sollte er an Kevins Beispiel denken und sein Herz nur mit bedacht vergeben. Aber dazu war es vielleicht schon zu spät. Colin zuckte zusammen, als Tom ihn plötzlich direkt ansah und nach seinen Schultern griff. Sein Herz begann laut zu pochen. Es war die Berührung von Toms Händen, die Wellen durch seinen Körper jagte. Jetzt war er sich ganz sicher. Er hatte den Kampf bereits verloren und wenn Tom ihn ablehnen sollte, würde sich unter ihm ein tiefes Loch auftun und ihn einfach verschlingen. „Ich muss dir was sagen“, fing Tom wieder an. Seine blauen Augen, diese dominanten blauen Augen bohrten sich in seine eigenen. Er begann zu zittern und errötete. Tom würde es merken, würde seine Nervosität spüren, sobald sich die Vibration auf seine Hände übertrug. „Scheiße, is das schwer“, wisperte Tom und Colin konnte ihn nur noch voll Spannung anstarren. Was war es, was dieser Junge nicht über seine Lippen bekam? Ganz bestimmt hatte er keine Angst davor, einen anderen Jungen zu begehren. Tom war selbstbewusst, was das anging. Er brauchte sich nicht zu verstecken. Sag es, sag es doch! Sag irgendetwas, bitte. Mein Herz schlägt bis zum Hals. Ich habe Angst, dass es stehen bleibt, wenn du nicht endlich das Richtige sagst! Tom holte Luft, öffnete den Mund leicht, doch es wollte ihm nicht über die Lippen kommen. Es klang vielleicht einfach und es sah im Fernsehen immer sehr leicht aus, doch es war nicht einfach. Er wusste nicht, ob seine Hände zitterten, oder Colins Schultern. Zweifel fraßen sich durch seine Gedanken. Mochte Colin ihn genauso, wie er ihn? Vielleicht würde er ihn auslachen? Er versank in grünen Augen und brachte die Worte einfach nicht hinaus. Aber was waren schon Worte? „Tom?“ Colins bebende Stimme war ganz leise, aber er hörte sie ganz deutlich. Ihm wurde klar, dass ihre Gesichter nur noch Millimeter voneinander entfernt waren. Es zu zeigen schien ihm plötzlich einfacher, als es zu sagen. Die letzte Distanz zu überbrücken, würde alles Nötige beweisen. Oder doch nicht? Er löste seine Hände von Colins Schultern und legte sie sanft an die Seiten seines Gesichtes. Als sich ihre Lippen zum Kuss trafen, hatten beide bereits die Augen geschlossen. Türen flogen um sie herum auf. Tom schlang seine Arme um Colin, wie um zu verhindern, dass er den Rückzug antrat. Colin dachte nicht einmal daran. Er sendete seiner Außenwelt ein lautes „Fuck you“ und versank in Toms Namen. Was geht denn ab?! Oh mein Gott, wer will das sehen? Sind sie nicht süß!? Wow, sieh nur, ein Homo Pärchen, der Hammer! Widerlich … Habt ihr kein zu Hause? Der Wahnsinn, die sind ja so süß! Kevin rannte auf die beiden zu und stellte sich mit ausgestreckten Armen vor sie, um all die nervigen Blicke abzuschirmen. „Schert euch zum Teufel, Leute. Ihr seid doch nicht im Kino. Begafft euch jemand, wenn ihr knutscht?“ rief er. Davis eilte an seine Seite. „Ja, kümmert euch um euren eigenen Scheiß!“ Nur Dominic blieb an seinem Platz, fast versteckt hinter dem Türrahmen. Ihm war, als hätte man ein riesiges Messer in sein Herz gestochen und drehte dieses zusätzlich herum, um ihm möglichst viel Schmerzen zuzufügen. Er atmete schwer. Colin in den Armen eines anderen. Er schloss die Augen, doch in der Dunkelheit tauchten die beiden wieder auf. Colin in den Armen eines anderen. Dominic wusste nicht ob er lachen oder weinen sollte. Colin war nicht das, was er wollte. Dominic war nicht schwul und doch tat es weh. Bitte, wenn es so was wie einen Gott gibt, dann mach, dass es Colin gut geht mit ihm. Dann mach, dass er glücklich wird. Und lass mich sterben. Ich ertrage das nicht. Was war nur mit ihm los? Dominic war haltlos verwirrt, fühlte sich wie in zwei Hälften zerrissen. Die eine schrie nach Colin, verzehrte sich nach ihm und brach zusammen unter dem Anblick, der sich ihm bot. Die andere Seite betrachtete sie liebevoll, wünschte dem frisch verliebten Paar alles erdenklich Gute. Die Freundschaft war ihr wichtig und mehr als sie wollte er gar nicht. Er spürte, wie etwas in ihm zerriss, das die beiden Hälften irgendwie zu einem Ganzen gemacht hatte. Es zerriss mit einem schmerzhaften Geräusch. Er hörte sich schreien, doch kein Laut kam aus seinem Mund. Klirrend brach seine Welt zusammen, ließ nur einen Scherbenhaufen zurück, in dessen zerbrochenen Stücken sich die Reste ihres vergangenen, glücklichen Lebens spiegelten. Ein Mensch stirbt, ein neuer wird geboren. „Ihr habt ganz schön für Aufsehen gesorgt“, brummte Kevin und lehnte sich an die niedrige Mauer, die den Schulhof umgab. „Jetzt seid ihr Thema Nummer eins, an der ganzen Schule.“ Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und suchte mit Blicken die Straße ab. Wann würde sein Vater mit dem sündhaft teuren Motorrad auftauchen, um ihn abzuholen? „Das war ja keine Absicht“, versuchte Colin verlegen zu erklären. Er lächelte zu Tom hoch, der ihm zuzwinkerte. „Ich werd mich wohl verabschieden, Mama wartet sicherlich schon auf mich!“ Er stellte sich auf die Zehenspitzen und schlang die Arme um Toms Nacken. Tom umfasste seine Taille. „Iss nicht zu viel Eis, sonst wirst du noch dick“, stichelte er und zog Colin noch etwas näher heran. „Ich pass schon auf. Bekomm ich einen Abschiedskuss?“ Kevin seufzte resignierend und wandte sich um. Von Jonathan war noch keine Spur und wahrscheinlich würde er das Motorrad auch hören. Er sah sich um und entdeckte seinen Vater dann doch plötzlich. Mit einem unergründlichen Ausdruck auf dem Gesicht, kam er auf sie zu gerannt. Kevin wollte etwas sagen, doch plötzlich ging alles viel zu schnell. Jonathan ging zwischen Colin und Tom und riss die beiden förmlich auseinander, indem er Colins Arm packte und ihn zurückzerrte. Geistesgegenwärtig fing Kevin seinen Bruder auf. „Dad!“ rief Kevin entsetzt. Er bemerkte kaum, wie Colin im selben Moment wie er dasselbe rief. Jonathan und Thomas standen sich gegenüber. Tom trat entsetzt einen Schritt zurück. Seine Augen irrten zwischen den Zwillingen und Jonathan hin und her. „Dad“, wiederholte er tonlos, wobei er Jonathan ansah. „Richtig“, knurrte der. Er war die Stimme vom anderen Ende. „Und jetzt mach bloß, dass du Land gewinnst!“ Einen Moment lang fühlte sich Tom ähnlich wie Dominic es an diesem Morgen getan hatte, doch das wusste er natürlich nicht. In seinem Inneren brach eine Welt zusammen, die er sich aus schönen Träumen und Liebe aufgebaut hatte. Sein Leben hatte einen hübschen Schlenker machen wollen, doch zum zweiten Mal in der Geschichte tauchte dieser Mann auf und zerstörte alles. „Papa, was soll das?“ drang Colins Stimme in Thomas Bewusstsein. Wenn er nur aufhören könnte, diesen Menschen seinen Vater zu nennen. Colins Stimme war verzerrt von Tränen des Schreckens. „Deine Mutter wartet auf dich“, sagte Jonathan nur und wandte sich von Tom ab. Colins Mutter, die Frau, die er hasste, weil sie ihm seinen Vater genommen hatte. Die Frau, die er lieben sollte, weil sie einen so liebenswürdigen Menschen wie Colin geboren hatte. Tom war wie versteinert. Du stellst mich gern mit dem Rücken an die Wand. Was auch immer du bist, ein Gott oder das Schicksal. Ich lasse mich nicht von dir fertig machen. Sie rührte bedächtig in ihrem Kaffee. Dabei starrte sie in die tiefschwarze Flüssigkeit, schien nachzudenken und hob letztendlich den Blick. Ihre grünen Augen trafen seine. Verwirrt zog sie die Schultern hoch und ließ sie gleich darauf wieder fallen. Die Tasse klirrte leise, als sie mit dem Löffel dagegen stieß, während sie ihn auf der Untertasse ablegte. „Ich weiß nicht, was mit ihm los ist“, gab sie endlich zu. Er sah sie abwartend an, hoffte auf einen nützlichen Hinweis für das merkwürdige Verhalten seines Vaters. „Warum?“, fing er an und seine Stimme klang heiser vom vielen Weinen, „Warum macht er so was?“ Sie legte wieder einmal ihre Hand auf seine. Die Haut des zierlichen Jungen unter ihren Fingern wirkte sehr blass. Er schluckte schwer. „Ich befürchte, dass es damit zu tun hat, dass du schwul bist, Liebling. Er kann das vielleicht nicht so schnell verkraften. Gib ihm etwas Zeit“, sagte sie sehr sanft, sehr verständnisvoll und gleichzeitig herrlich mütterlich. Doch er schüttelte den Kopf und eine Strähne seines blonden Haares fiel ihm ins Gesicht. Er beachtete sie kaum. „Du hättest Toms Gesicht sehen müssen“, wandte er ein. „Das kann nicht alles sein. Er hat Papa angestarrt, wie … wie ein Gespenst. Irgendetwas stimmt da nicht.“ Sie senkte den Blick und dachte wieder darüber nach. Vielleicht hatte der Junge da gar nicht so Unrecht. Mit ihrer eleganten Art griff sie nach dem Tütchen Zucker, das man ihr mit dem Kaffee serviert hatte, und schüttete etwas davon in die schwarze Flüssigkeit. Wieder begann sie zu rühren. „Dein Vater hat ein Geheimnis“, sagte sie dann unvermittelt. Er wirkte erschrocken. Wusste sie doch mehr, als sie sagen wollte? Wieder begegneten ihre Blicke sich. „Mir sind da gewisse Dinge aufgefallen.“, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort. „Auf den letzten Telefonrechnungen für sein Handy, habe ich gesehen, dass er regelmäßig am dreiundzwanzigsten des Monats eine bestimmte Nummer anruft. Er nutzt diese Nummer nie an einem anderen Datum. Die Gespräche sind relativ kurz. Man könnte meinen, er würde sich nach etwas erkundigen.“ Colin nickte. Eine bestimmte Handynummer. Wenn er sie nur einmal sehen könnte! „Dazu kommt, dass an jedem zwanzigsten des Monats ein Betrag von tausendzweihundert von seinem Konto abgehoben wird. Und schlussendlich gibt es da eine monatliche Rechnung von einem Anwalt.“ Colin starrte sie an. Geld ging von seinem Konto ab, er bekam Post von einem Anwalt und telefonierte mit irgendjemandem, um sich nach etwas zu erkundigen. Vielleicht um zu fragen, ob das Geld angekommen war? Was sollte das bedeuten? Colin verspürte ein ungutes Gefühl in der Magengegend, während seine Mutter unergründlich lächelte. „Die Rechnung eines Familienanwaltes“, fügte sie dann hinzu. War es Enttäuschung oder Frustration, die da in ihrem Blick schimmerte? Colin blieb der Mund offen stehen. Familienanwalt. Warum? Er wusste, dass sie noch nicht fertig war, deshalb behielt er seine Fragen erst einmal für sich. „Ich habe gedacht, dass er vielleicht eine andere Frau, mit der er einmal verheiratet war, dafür bezahlt, dass sie sich aus unserem Leben heraushält. Er war schon einmal verheiratet.“ Auch das war Colin neu. Er wollte schon wieder in Tränen ausbrechen, doch seine Augen waren trocken. Der riesige Eisbecher vor ihm war fast geleert. Colin hatte ihn aus Frust so schnell verdrückt, dass ihm übel war. „Jetzt denke ich, dass etwas anderes dahinter steckt. Er war zwar schon einmal verheiratet, aber diese Frau ist gestorben. Ich habe ein altes Foto von ihr und einen kleinen Zeitungsbericht gefunden. Darin stand, dass alles auf einen Selbstmord hinweist.“ Colin hielt es nicht mehr aus. „Aber Mama“, brach es aus ihm hervor, „was hat das alles mit Tom und mir zu tun?“ Sie sah ihn traurig an. „Schatz, dein Tom ist vielleicht der Sohn dieser toten Frau. Vielleicht sogar der Sohn deines Vaters. Deshalb will er nicht, dass ihr zusammen seid. Verstehst du? Es passt doch alles zusammen. Das Geld, die Telefonate, der Familienanwalt.“ Er schluckte und presste seine Hände fest zusammen. „Er ist also so was wie mein Bruder?“ fragte er mit einer Stimme, die zu versagen drohte. Sie nickte. „Das kann sein, aber ich weiß nicht, ob ich richtig liege. Du solltest Tom fragen. Wenn er es dir bestätigt, weißt du, warum dein Vater so reagiert hat.“ Sie lehnte sich auf ihrem Sitzplatz zurück. Natürlich ohne ihre Haltung zu verlieren. Er presste die Lippen zusammen, atmete tief durch und sah sie dann fest an. Sie lächelte etwas, schien stolz darauf zu sein, dass sich in ihm urplötzlich ein Widerstand regte. „Mama, ich liebe Tom. Mir ist es egal, ob er mein Bruder sein könnte. Wir sind Männer und es kann nichts Schändliches passieren. Wir tun niemandem etwas an damit. Ich werde ihn nicht verlassen. Nicht einmal für Papa.“ Sie nickte und sah sich im Eiscafé um. „Das ist die richtige Entscheidung. Steh zu dem was du tust, nur so kannst du Erfolg haben.“ Kevin starrte schweigend auf die Stadt hinunter. Sie waren mit dem Motorrad aus der Stadt hinaus und auf eines der erhöht liegenden Felder gefahren, von dem aus man eine atemberaubende Sicht auf ihre Heimat hatte. Er konnte sogar das große Schulgebäude erkennen, dessen altbackenes Ziegeldach zwischen all den Flachdächern deutlich hervorstach. Noch hatte sein Vater kein Wort gesagt, er schien sich zunächst beruhigen zu müssen, aber Kevin war schon froh, dass er die halsbrecherische Fahrt überlebt hatte. Noch einen solchen Adrenalinschub und er würde wie ohnmächtig schlafen. Der Wind zerzauste sein blondes Haar und als Jonathan endlich zu sprechen begann, stand die Sonne schon ziemlich tief. „Hast du dir noch mal Gedanken wegen der Schwangerschaft gemacht?“ Kevin nickte. „Ich werde das Kind mit Jenny großziehen, wenn es ihr Wunsch ist.“ Sein Vater nickte. „Das sind die Worte, die ich hören wollte, Kevin. Von uns, also mir und deiner Mutter, hast du die vollste Unterstützung für alles. Wir wollen deinem Kind, unserem Enkelkind, schließlich ein gutes Leben ermöglichen.“ „Wollt ihr Jenny nicht erst einmal kennen lernen?“, fragte Kevin zögerlich. „Ich denke, das wird sich noch ergeben.“, antwortete Jonathan. „Wir werden auch mit ihren Eltern sprechen.“ Kevin nickte erneut. Der Wind frischte etwas auf und er legte seine Gedanken in die Schleier aus Gras und Staub, die ihm entgegenwehten. Vielleicht würde Jenny abtreiben wollen, sie war heute nicht in der Schule gewesen, darum hatte er noch nicht mit ihr sprechen können. Oder vielleicht verlor sie das Kind wegen des Stresses. Oder aber seine Eltern würden einsehen, dass sie sich mit Absicht hatte schwängern lassen. Auf jeden Fall aber würde er einen Vaterschaftsteste (Oh Gott, wie das klang. Vater. Er war doch noch so jung.) machen lassen, um ausschließen zu können, dass sie es mit einem anderen getrieben hatte und ihm das Kind nun unterschob, weil seine Eltern Geld hatten. Oder vielleicht kam alles noch ganz anders ... Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er es durchstehen musste und dass es Menschen gab, auf die er sich jederzeit verlassen konnte. Auf einen ganz besonders. Ein digitales Piepen übertönte die laute Musik, die aus den Boxen des Fernsehers drang. Tom, der gerade Kopfüber mitten in seinem Wohn- und Schlafzimmer sein Haar trocken föhnte, stellte das Gerät ab und betrachtete das Display seines Handys. Unbekannter Teilnehmer. Das machte an sich nichts aus. Tom hatte eine gewisse Ahnung, wer es sein könnte. Er nahm das Handy an sich und drückte den Anruf weg. Sein Haar war so gut wie trocken, deshalb räumte er den Föhn weg. Das Handy begann bereits wieder zu piepen. Tom ignorierte es kurzerhand und verschwand in seinem Badezimmer. Als er knapp zwanzig Minuten später in der größten Raum seiner Wohnung zurückkam, zeigte sein Handydisplay zehn unbeantwortete Anrufe an. Heute war er hartnäckig. Tom verschränkte die Arme. Wieder ging der digitale Ton los. Er würde wohl nicht aufgeben. Genervt nahm Tom ab. „Was?“ war seine knappe Frage. Kevin streckte sich gähnend. Colin war schon vor einer guten Stunde ins Bett gegangen und man hatte ihm deutlich angesehen, dass er Schlaf nötig hatte. Sein Weg in sein eigenes Bett, führte Kevin am Arbeitszimmer seines Vaters vorbei. Die Tür war, wie er mit einem kurzen Blick bemerkte, nicht ganz geschlossen. Sie stand einen winzigen Spalt breit offen. Kevin wusste, dass die Arbeitszimmer schalldicht waren. Ließ man aber die Tür offen und sei es auch nur solch ein winziges Stück, war nichts mehr schalldicht. Das wurde ihm auch sogleich bewiesen. „Ach, nimmst du doch noch ab?!“ Kevin erschrak. Er hatte noch nie so viel Rage in der Stimme seines Vaters vernommen. Eine Gänsehaut kroch über seine Arme. Kevin schlich sich näher an die Tür. „Was denkst du dir eigentlich dabei? Nicht genug, dass ich so erfahren muss, dass du stockschwul bist, nein, du machst dich auch noch ohne mit der Wimper zu zucken an deinen Bruder heran?! Ist dir eigentlich klar, was du da getan hast?“ Kevin war gründlich verwirrt. Stockschwul. Meinte er etwa Tom? An seinen Bruder heranmachen? Tom und Colin waren doch keine Brüder. „Du wusstest es nicht?! Dir fällt nichts Besseres ein, als mir zu sagen, dass du es nicht wusstest?! Jeder weiß, wer die beiden sind und selbst ein Idiot wie du hätte es mitbekommen müssen!“ Kevin ließ sich vor der Tür nieder, direkt neben dem kleinen Spalt der zwischen Tür und Rahmen zu der guten Akustik führte. Er zog die Knie an und schlang die Arme darum. Hier lief etwas gewaltig schief. „Ich will von dir nichts hören, Thomas! Colin ist dein Bruder und ich will weiß Gott nicht noch einmal sehen, dass du ihn anfasst! Sollte ich irgendwie, von irgendwem Wind davon bekommen, dass du weiterhin zu ihm oder zu Kevin Kontakt hast, dann bekommst du keinen Cent mehr!“ Als Jonathan den Hörer laut auf den Apparat zurückwarf erhob sich Kevin von seinem Platz. Er stieß sich von der Wand ab und ging langsam in Richtung seines Zimmers. Kevin fühlte sich betäubt, alles kam ihm so irreal vor. Als er seine Zimmertür erreichte und nach der Klinke griff, sah er sich noch einmal um. Der Flur war dunkel. Er konnte den hauchdünnen Strahl Licht sehen, der aus dem Arbeitszimmer seines Vaters drang. Das Licht auf dem Flur ging an. Kevin drückte die Klinke unter seiner Hand herunter und verschwand gerade so in seinem Zimmer, dass er nicht mehr gesehen werden konnte. Er hörte die leisen Schritte seiner Mutter. Er schob sich so weit nach vorn, dass er sie sehen konnte, ohne dass sie ihn sah und beobachtete wie sie leichtfüßig ins Arbeitszimmer von Jonathan schlüpfte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)