Tales of the Firefly von PenAmour (- Searching) ================================================================================ Kapitel 2: Helfende Hände ------------------------- Helfende Hände The moon is a friend for the lonesome to talk to. (Carl Sandburg) Er wusste nicht, wie lange er schon rannte, aber sein pochendes Herz sagte ihm, dass er bald seine Grenze erreicht hatte. Es stach in seiner Brust, als habe man ihm ebendort ein Messer hinein gerammt. Seine Lungen sogen sich mit dem Dunst aus Rauch und Asche voll, so dass nur ein rasselndes Atmen über seine Lippen kam. Um ihn herum schien die Welt zusammenzubrechen, während er nach einem Schlupfloch suchte. Flammen züngelten an der Stadt, die mit einem stöhnenden Ächzen darauf antwortete. Rote Augen streiften die Straßen und Gassen, zu finden, jeden den sie erfassen konnten. Er hatte gesehen, was mit jenen geschah, die gefangen genommen wurden. Man trieb sie zusammen, wie Tiere, drängte sie in riesige Laster und transportierte sie durch den Dunst, der durch die Stadt zog. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, welches Schicksal sie erwartete, aber ihres teilen würde er niemals. Deshalb rannte er weiter und weiter, blendete das Leid, welches in seinen Augenwinkeln aufblitzte, aus und suchte nach einem Ausweg. Immer wieder drangen dumpfe Schreie an seine Ohren, die er beiseite schob, der Boden erzitterte unter seinen Schuhsohlen und ein Beben jagte das nächste, gefolgt von Stahlträgern, die aufeinander prallten, Steinmauern, die sich ihren Widersachern ergaben und unter lautem Grollen zusammensackten. Terriermons Pfoten drückten auf seinen Schultern, während Lopmon sich in seinen Kragen festgekrallt hatte. Die beiden hatten lange kämpfen müssen und waren für dieses fluchtartige Unternehmen einfach noch zu schwach. Er bedauerte, seine Partner solch einem Kampf ausgesetzt zu haben, aber er war dem Ruf der anderen gefolgt, wohl wissend, was auf dem Spiel stand und was sie zu schützen hatten. Und doch hätte er bereits nach den ersten kläglichen Attacken, die an MaloMyotismon verpufften wie eine seichte Brise, erkennen müssen, dass sie nicht gewinnen konnten. Daisukes Reaktion hätte ihn wachrütteln müssen. Er hätte sofort seine Beine in die Hand nehmen sollen, nachdem der Junge panisch und gleichzeitig beschämt über seine Feigheit, das Gesicht in seinen Händen versteckte und einen Schritt zur Seite trat, um Taichi buchstäblich den Weg frei zu machen. Und vielleicht war es genau dieser Punkt, der ihn zum Bleiben bewegte. Taichi hatte keinen Augenblick gezögert. In dem Moment, in dem Daisuke zurückwich, preschte Taichi nach vorne und brüllte Befehle durch die Luft, wie ein General, der seine Truppen für einen Krieg mobilisierte. Taichi hatte Selbstsicherheit ausgestrahlt, deshalb war er geblieben. Und eben das war sein Fehler gewesen. Nun rannte er völlig schutzlos durch die fremden Straßen, kopflos, ohne zu wissen wo er war. Und daraus ergab sich schon bald ein weiteres Problem, wie er zu seinem Leidwesen feststellen sollte… Er hatte vergessen, dass in dieser Stadt nun ein Krieg tobte, dies wurde ihm schmerzlich bewusst, als ihm blutüberströmte Menschen entgegenkamen, sie hasteten über die Betondecke, während die Attacken wie Peitschenhiebe nach ihnen ausholten. Er drückte sich an die Hauswand, bevor ihn ein flüchtender Mann umrennen konnte, der nur wenige Meter weiter über einen zurückgelassenen Koffer stolperte und mit dem Gesicht auf dem harten Stein aufschlug. Er schaute nicht genauer hin, aber das Krachen der Knochen sagte ihm bereits alles. Sein Herz pochte bis zum Hals, während die Hauswand hinter ihm bedrohlich brodelte unter den krachenden Schritten, mit denen sich rotäugige Truppen näherten. Sie stampften über den Boden und ließen ihn erschaudern, während über ihren Köpfen weitere Flugdigimon den Himmel abstreiften. „Macht euch bereit“, murmelte er leise, „Wenn wir schon sterben, dann wenigstens kämpfend.“ Er spürte, wie sich Terriermons Muskeln anspannten und sah Lopmons Nicken, während er seine rauen Lippen befeuchtete und sich in Stellung begab. Sie würden hier nicht lebend rauskommen, er würde hier an diesem fremden Ort sterben und sein Körper würde sich mit den Überresten der dahinsiechenden Stadt vermischen. „Jetzt“, kreischte er und sprang aus dem schützenden Schatten der Hauswand, sein Digivice pulsierte in seiner Hand als Terriermon und Lopmon an ihm vorbeirauschten und im Sprung zu Gargomon und Truiemon digitierten. Und während MaloMyotismons Schergen ihre Köpfe in die Richtung der Störquelle drehten, rumorte ein Grollen über ihren Köpfen und im nächsten Moment, entlud sich ein Inferno über ihnen, so dass die Asphaltdecke aufplatzte, Dachpfannen auf sie nieder rasten und hunderte von Armen sich um die Truppen schlangen. Er erahnte die Umrisse dreier Digimon, die sich da den Truppen in den Weg gestellt hatten und mit ihren Tentakeln auf diese einschlugen. Seine Partner blickten ihn fragend an und er wusste, was ihre Knopfaugen ihm zu sagen versuchten und reagierte. Ohne ein Wort winkte er die beiden zu sich, das war ihre Chance. Rasch verwandelten sie sich zurück, während die drei fremden Digimon gerade wutschnaubende Angriffe abwendeten. Klauen blitzten auf und er konnte hören, wie sie sich in das Fleisch rammten und nur wenige Augenblicke später zuckten die Überreste eines Tentakels vor seinem Füßen, wie ein Goldfisch, den man an Land gezogen hatten und der langsam erstickte. Er riss sich von dem Anblick los und schulterte seine beiden Partner, derweil der Kampf mit lautem Getöse und Brüllen in die nächste Runde ging. „Goungji!!“ erklang eine Stimme, die mit Entschlossenheit und Kraft gefüllt war. Für eine Weile schien diese Stimme die Welt zum stoppen gebracht zu haben, die Kämpfer verharrten in ihrer Position, um zu sehen, wer sich hinter der Stimme verbarg, doch der Moment der Stille blieb nur von kurzer Dauer, als sich die Tentakeln der drei anderen Digimon wie eine Antwort um die Hälse der Feinde schlossen. Doch sein Blick ruhte nicht auf ihnen, sondern vielmehr auf den drei Figuren, die zwischen dem Rauch aufgetaucht waren und in einer ihm nicht bekannten Sprache, erneut riefen: „Goungji, Octomon!“ Sie näherten sich dem Schauplatz und er erkannte das milde Leuchten der Digivices in ihren Händen. Es flackerte wie ein Hoffnungsschimmer durch die stickige Luft, indes die drei Digimon, vermutlich ihre Partner, sich den Gegnern erneut stellten. „Wallace…“ quiekte Terriermon, doch er schüttelte den Kopf. „Sie kommen schon klar“, flüsterte er und löste sich von der Szenerie. Ein Hauch von Schmerz durchfuhr sein Herz, während er davon hastete und nur das Dröhnen der Explosionen und Schreie ihn zu verfolgen mochte. Doch er blickte sich nicht um, auch nicht als die Stimmen sich mit Verzweiflung füllten. „Jiùmìng'a!“ Er drehte sich nicht um. „Jiùmìng'a!“ Seine Beine trugen ihn davon, er erlaubte ihnen nicht, auch nur einen Moment zu zögern, es wäre ein Moment der Schwäche geworden. Und als er das letzte Mal die fremden Worte hörte, „Jiùmìng'a“, versiegten seine Tränen und er war allein mit seinem Herzen, welches mit aller Kraft Blut durch seine Adern pumpte und dabei ein Rauschen in seinen Ohren zurück ließ. Er verlangsamte seine Schritte, bis er die Umrisse der Stadt erkannte. Glas zersprang, als es den Feuern nicht mehr standhalten konnte, riesige Krater klafften aus dem Boden, Schuhe und Koffer lagen verlassen auf dem Asphalt. „Was sollen wir nun tun?“, drang Lopmons Stimme in sein Bewusstsein. Er streifte die zerstörten Häuser, die einmal Menschen beherbergt hatten, warf einen flüchtigen Blick auf eine sonnengelbe Sandale, die mit kleinen weißen Blumen verziert war und er fasste einen Beschluss. „Wir müssen…“ Doch Terriermon unterbrach ihn mit einem Schreckensschrei. „Wir sind nicht allein“, zitterte es, während er seiner Pfote folgte, die auf drei Schemen in der Ferne deutete, die kaum zwischen dem Rauch zu erkennen waren. Sein Herz setzte für eine Sekunde aus. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen, seine Hände zu Fäusten geballt. Sie schauten unverkennbar in seine Richtung, sie hatten ihn längst bemerkt. Er wog seine Chancen ab, und entschied sich kurzerhand. Ihre Staturen ließen darauf schließen, dass er es hier nur mit Menschen zu tun hatte, falls sie ihn angriffen, wäre er ihnen haushoch überlegen… Der Rauch verebbte und er blickte in zwei dunkelblaue Augen, die wahrscheinlich mit ebensoviel Misstrauen bestückt waren, wie die seinen. Das Gesicht war von blonden Locken eingerahmt, die sicherlich, wenn sie nicht gerade schutt- und blutverschmiert waren, viele Mädchenherzen höher schlugen ließen. Der Junge schien nicht viel älter als er selbst zu sein. Seine Hand hatte sich schützend auf die Schulter eines kleinen Mädchens gelegt, welches ihm gerade einmal bis zur Brust reichte. Sein wildes Haar stand in alle Richtungen ab. Im Hintergrund hielt sich ein weiterer Junge auf, dessen seiden schwarzes Haar zwischen dem grauen Steinstaub hervorschimmerte und dann erkannte er drei Digimon, die sich hinter dem Schwarzhaarigen versteckt hatten. Der Lockenkopf folgte seinem Blick und schien zu erahnen, was in ihm vorging, denn er hob beschwichtigend die Hände und versuchte ein Lächeln auf seine Lippen zu setzen. „Wir sind wie du“, raunte er knapp und deutete auf sein Digivice, das unter dem T-Shirt hervorlugte. Seine Muskeln entspannten sich und er nickte entschuldigend. „Das sind Lou, Otamamon, Chichos, Gottsumon, Betamon und ich bin Michael.“ Der Junge streckte ihm die Russ verschmierte Hand entgegen. „Terriermon, Lopmon“, er ergriff die Hand und deutete mit der freien auf seine Partner und anschließend auf sich, „Wallace.“ „Wie hast du es geschafft, MaloMyotismons Schergen zu entkommen?“, meldete sich nun Lou aus dem Hintergrund. Er schluckte. „Eine gute Portion Glück war wohl im Spiel. Ich war einfach schnell genug.“ Er zuckte die Schultern. „Hast du… hast du noch andere von uns gesehen?" Michaels fragende Augen durchbohrten ihn. „Weiter nördlich kämpfen noch welche von uns…“ Er geriet ins Stocken, verdrängte die frischen Erinnerungen aber rasch, „Aber ich rate euch davon ab, ihnen zu folgen. Rettet euch lieber selbst und versucht so schnell wie möglich von diesem gottverdammten Kontinent zu verschwinden. Hier wird die Hölle ausbrechen, sobald MaloMyotismon als klarer Sieger hervorgeht und das will keiner von uns erleben!“ Die anderen schwiegen – betroffen, verwirrt, zustimmend, er konnte es nicht klar definieren – doch schließlich ergriff der Junge der Michael hieß wieder das Wort. „Gerade deshalb sollten wir die anderen suchen, vielleicht können wir zusammen eine Lösung für das Problem finden…“ „Du hast doch gesehen, dass wir nichts ausrichten können…“, fuhr er dazwischen und legte so viel Nachdruck in seine Stimme wie er konnte. „Selbst wir alle zusammen haben keine Chance gegen MaloMyotismon. Ihr werdet eher bei dem Versuch drauf gehen, wenn ihr euch ihm noch einmal stellen solltet. Und selbst das ist fraglich, wo seine Häscher überall lauern und nur darauf warten, einen von uns in die Finger zu kriegen.“ Michael schüttelte den Kopf, die verklebten Locken wirbelten um seinen Kopf. „Wir können nicht so einfach aufgeben, Wallace, es ist unsere Pflicht…“ „Ich weiß ja nicht, was deine Pflicht ist, aber ich will nur am Leben bleiben, das ist meine einzige Aufgabe.“ Wutentbrannt blitzte er Michael an, der recht ungehalten wirkte, als er seinen Satz beendet hatte. Was nahm sich der Blondschopf heraus? Glaubte er wirklich er, Wallace hatte die letzten Stunden auf dem Sofa verbracht und könnte die Situation nicht angemessen beurteilen?! Für einen endlos wirkenden Augenblick starrten sie sich einfach nur an, zornig und zugleich sehr müde. Michael fuhr sich über die Augen. „Ihm Norden sagtest du?“ Er nickte widerwillig. „Dann werden wir also nach Norden gehen. Möchtest du dich uns anschließen?“ „Nein danke“, murmelte er, „Ich habe andere Ziele.“ Und mit diesen Worten schulterte er seinen Rucksack, ließ das gähnende Terriermon hineinschlüpfen, während Lopmon sich auf seine Schultern setzte. Diesmal war es Michael, der seinerseits mit den Schultern zuckte. „Wie du willst, Wallace.“ Und dann zu seiner großen Überraschung. „Viel Glück! Ich hoffe, dass dein Weg es wert ist und wir uns vielleicht unter glücklicheren Umständen wieder sehen werden…“ Er brachte ein halbes Lächeln über die Lippen. „Euch auch“, und setzte seine Füße in Bewegung. „Aber seid gewarnt. Im Norden wird euch kein herzlicher Empfang bereitet!“ Mit diesen Worten kehrte er den drei Digirittern den Rücken, wohl ahnend, dass sie ins Ungewisse rannten, aber was hätte er noch alles unternehmen sollen, um sie von der Gefahr zu überzeugen? Er hatte alles in seiner Macht stehende versucht, um den Feind zu besiegen, und er war gescheitert. „Wohin gehen wir denn?“, fragte Lopmon. „Nach Hause…“ Author’s Note: Wie schon in FoD werdet ihr auch hier innerhalb der Handlung bemerken, wer der Erzähler eigentlich ist. Ich setze absichtlich keine Namen an den Anfang, damit sich das Bild beim Lesen aufbaut und man ein bisschen rätseln kann, wer spricht, wer sonst vorkommt etc. Schließlich muss ein gewisser Spannungsbogen ja erhalten werden! Ich will noch gar nicht zu viel zu den einzelnen Charakteren sagen, aber seid gewiss, dass ich in üblicher Manier dazu noch meinen Senf geben werde – nur halt noch nicht sofort! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)