Hades von Franlilith (The bloody rage) ================================================================================ Kapitel 1: Dyspnea ------------------ Durch die Hände eines anderen gefangen. Es war, als würde man jeden Schritt, den man tat auf einen sich dahin windenden Grund setzen. Jederzeit konnte man den Boden unter den Füßen verlieren. Nie war man sich wirklich sicher, denn nächsten Tag zu erleben. Man wünschte sich nicht einmal, es zu tun. Weil man an das Warten gewöhnt war? Aber war Gewohnheit überhaupt etwas, worüber man sich in dieser Situation Gedanken machen sollte? In Augenblicken, in denen man die zarte Umarmung des Todes immer und überall verspüren konnte. Wenngleich man noch am leben war. Selbst wenn man sich darüber nicht immer im Klaren war. Am leben zu sein, was hieß das schon? Rache zu nehmen? Wut zu verspüren? Irgendwann verloren sich solche Dinge. Man hörte auf, sich danach zu richten, obwohl das Ziel nicht erreicht war. Konnte man etwas erreichen, was man vergessen hatte? Und war es überhaupt möglich zu vergessen, was man zu erreichen versuchte? Also wie war es? Gefangener eines anderen zu sein? Er war es, drum konnte er es doch nicht sagen. Irgendwann würde die Uhr wieder schneller laufen. Dann wäre das Ziel erreicht. Bis dahin, wollte er noch ein wenig ruhen. Noch eine Weile, die kalte Umarmung des Hades spüren. „Junger Herr, es ist Zeit aufzustehen.“ Die bekannte Stimme ließ ihn langsam, fast schon zärtlich aus seinem verworrenen Traum erwachen. Die Lichtstrahlen, die sich durch die noch zugezogenen Vorhänge zwängten, ließen ihn leicht mit den Wimpern zucken, ehe er den Arm hob und seine Augen vor dem harten Sonnenlicht zu schützen versuchte. Jemand hatte den letzten Schatten aus dem Raum gejagt, wenngleich er doch noch immer zu spüren war. Dieser eine Schatten, der über ihn wachte, würde nie einfach so verschwinden. Für einen kurzen Moment zog er die Luft um sich herum ein - als gäbe es in seinen Lungen nicht genügend Sauerstoff – und vernahm den bekannten Geruch des Tees, der ihm beinahe jeden Morgen ans Bett gebracht wurde. Er versuchte sich an die unangenehme Helligkeit des neuen Tages zu gewöhnen, als er sich langsam aufsetzte und sich kaum merklich über die Augen rieb. Unschön, wo es doch gerade noch so finster und friedlich gewesen war. Erst als seine Augen sich an all das Licht gewöhnt hatten, sah er langsam zur Seite und griff nach der Tasse Earl Grey, die neben ihm auf dem Nachtschränkchen stand. Er erkannte, wie die Zeitung des aktuellen Tages neben ihn gelegt wurde und folgte den behandschuhten Fingern, die sich langsam wieder zurückzogen. Sein Blick wanderte nach oben, über die schlanke, männliche Statur, die weißliche Haut, bis zu den roten Augen und den schwarzen feinen Haaren. Schwarz gekleidet wie es sich für einen Butler gehörte, ohne den kleinsten Makel. So perfekt wie immer. „Die Aufgaben für heute, Sebastian“, forderte er kühl und schlug die Zeitung auf, um einen misstrauischen Blick auf das Titelblatt zu werfen. London gehörte wirklich nicht du den sichersten Orten auf der Welt, dessen war er sich ja bewusst. Aber gleich fünf Leichen innerhalb einer Stunde? „Ihr haltet bereits die Schlagzeile in den Händen, junger Herr“, erklärte der perfekte Butler und lächelte sein übliches, undurchschaubares Lächeln. Weiterhin nicht ganz sicher, was er von der „Schlagzeile“ halten sollte, erhoffte er sich eine genauere Aussage seines Butlers, denn er abwartend anblickte. Der sah nur schmunzelnd zurück und verbeugte sich dann leicht, als er warnend angesehen wurde. „Etwas Merkwürdiges scheint im Augenblick in den Straßen Londons vor sich zu gehen. Ich habe vernommen, die Königin sei sehr besorgt“, erklärte Sebastian und schlug kurz die Augen nieder, um dem Earl dann ins Gesicht zu sehen. Dieser wandte sich wieder der Zeitung zu und las aufmerksam den Artikel, um den so ein großes Geheimnis gemacht wurde. Dann legte er die Zeitung mit einem Seufzen zur Seite und stand auf, um sich von seinem Butler ankleiden zu lassen. „Es ist nichts ungewöhnliches daran, das in den Straßen Londons gemordet wird“, gestand Ciel seufzend und ließ sich von Sebastian sein Hemd zuknöpfen, der sich in Schweigen hüllte und den Earl spekulieren ließ. „Aber was nützt es, in so kurzer Zeit, so viele Kinder umzubringen?“, fragte er sich und hob den Kopf etwas, als ihm die Schleife umgebunden wurde. Der Artikel sprach für sich, wahrlich, aber warum machte die ganze Erklärung darin kaum einen Sinn. „Junge Männer, junger Herr“, erwiderte Sebastian dann plötzlich, als würde er Ciel nicht ergänzen sondern verbessern wollen. Wahrscheinlich war dem auch so. Der Butler ging in die Knie und zog Ciel seine Schuhe an. „Nun gut, aber es ergibt dennoch keinen Sinn. Wem ist es möglich innerhalb einer Stunde fünf Menschen zu töten, die sich in fünf verschiedenen Ecken Londons aufhalten? Wenn es nicht mehrere Mörder sind“, dachte der Earl laut weiter und stand dann auf, um in Richtung Fenster zu gehen und hinaus zu schauen. Gelangweilt beobachtete er wie Finny die Bäume verunstaltete und irgendwie abwesend - wie er nun mal war - ein paar gesunde Zweige weg schnitt. Er wusste bereits jetzt, dass die Königin ihn mit der Aufdeckung dieses Falls beauftragen würde. „Ich warte am Esstisch auf Euch, junger Herr“, sprach Sebastian und verneigte sich leicht, als Ciel nickte. Dann verließ er den Raum und lief mit gemächlichen Schritten den Gang entlang. Sogleich fiel alle Anspannung von Ciel ab und er senkte seufzend den Kopf. Es wäre nicht auszudenken, würde Sebastian ihn in solch einer Haltung vorfinden. Sebastian. Ein leidiges Thema für den jungen Earl. Es war zum verzweifeln, wie konnte jemand, der sich aus Menschen absolut nichts machte, nur so eine Anziehungskraft haben? Nun gut, es lag sehr wahrscheinlich an seiner dämonischen Ausstrahlung, aber es musste auch irgendwie Absicht dahinter stecken. Sobald der Butler verschwunden war, gelang es Ciel plötzlich nicht mehr, sich noch weiter abzulenken. Egal, wie wichtig der Fall war, der auf ihn wartete, seine Gedanken wollten eine andere Richtung einschlagen. Ciel war nun achtzehn Jahre und in all der vergangenen Zeit, war er seinem Ziel kaum näher gekommen. Doch das war eigentlich nicht sein wirkliches Problem. Er wurde erwachsen und somit langsam aber sicher anfällig für jederlei Annährungen anderer Menschen. Nein, das war nicht ganz richtig. Annährungen eines gewissen Dämons, der seit einer gefühlten Ewigkeit dem Hause Phantomhive diente. Ciel Phantomhive diente. Er brütete lange schon über diesem Thema, wie über einer verzwickten Tonmelodie, die er von Sebastian beim Geigenunterricht auferlegt bekommen hatte. Nicht nur, dass er eigentlich mit Elizabeth verlobt war – wobei er ohnehin nicht ernsthaft vorhatte, sie jemals zu ehelichen – auch das sein Anstand und seine Prinzipien ihn einen Perversen schimpften, weil er sich für einen anderen Mann interessierte. Und das nicht nur auf harmloser, verständlicher, vielleicht sogar pubertärer Basis, sondern wirklich ernsthaft und sicher. Vielleicht lag es nur daran, dass sich in Ciels Gegenwart einfach zu wenige Frauen aufhielten, sah man mal von Elizabeth und Maylene ab. Denn weder die eine noch die andere, standen für ihn persönlich überhaupt zur Wahl. Seine Verlobte war für ihn eher wie eine Freundin und über das tollpatschige Hausmädchen brauchte er gar nicht erst nachzudenken. Aber das allerschlimmste an der ganzen Angelegenheit war, dass Ciel nicht wusste, was Sebastian tun und denken würde, sollte er jemals von diesen kleinen, manchmal verdammt schmutzigen Phantasien seines Masters erfahren. Er war ein Dämon und als solcher, sollten ihn die Anstandsregeln der Menschen reichlich egal sein. Konnte es also nicht sein, dass ihn so etwas gar nicht befremdlich wäre? Mit einem Schaudern dachte er über Grell Sutcliffe nach, der Ciels Butler oft genug mehr als unmoralische Angebote gemacht hatte und Sebastians Reaktion darauf ließ sich etwa zwischen purem Ekel und absolutem Dessintresse einordnen. Das waren doch deutliche Aussichten. Sebastian hätte fünfzig Frauen an jeder Hand, wenn er es denn jemals wollen würde, warum also sollte er sich für einen fast jungen Mann interessieren? Dabei sollte Sebastian sich seiner Anziehungskraft mehr als bewusst sein, egal bei welchem Geschlecht sie nun Früchte trugen. Ciel schauderte erneut, seine Gedanken nahmen merkwürdige Züge an. Vielleicht sollte er zum Frühstück nach unten gehen und ignorieren, wie nah Sebastian ihm beim Tee nachschenken war. „Ihr seht sehr unzufrieden aus, junger Herr. Ist etwas mit dem Gebäck nicht in Ordnung?“ Sebastians gespielt fragender Blick, ließ Ciel seufzen. Ob dieser Mann wusste, was es wirklich war? Nein, das hätte er mit Sicherheit schon viel früher bemerkt. Er mochte überdurchschnittliche Fähigkeiten haben, doch Ciel hoffte, Gedankenlesen zählte nicht dazu. Ohne eine Antwort zu geben, besah sich der Earl das Schriftstück in seinen Händen. Wie er vermutet hatte, er wurde zum Schauplatz und zur Aufklärung des Verbrechens der letzte beiden Nächte geschickt. Langsam trank Ciel einen Schluck Tee und besah sich dann wieder das Titelblatt der Zeitung. Dieser Fall würde sehr wahrscheinlich etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, als er sich erhofft hatte. „Wir werden gegen Mittag nach London fahren. Ich muss etwas überprüfen“, erklärte der Earl nach einer Weile und lehnte sich schmunzelnd auf seinem Stuhl zurück. Er war sich sicher Scotland Yard würde nicht erfreut sein, ihn zu sehen. „Yes, my Lord.“ Langsam verbeugte sich Sebastian und schüttete dann Tee nach. Ciel ignorierte so gut es ging, das feine Lächeln auf den Lippen des Butlers und beschloss einfach an seinen Auftrag zu denken. In Sebastians Gegenwart, wurde es für ihn immer anstrengender. „Brad, würdest du die Küche bitte wieder in ihren Ursprungszustand versetzen?“ Eigentlich war das keine Frage, sondern eine Aufforderung. Aber Sebastian war nicht in der Stimmung seine Stimme unsinnigerweise zu heben. Also sah er den – wahrscheinlich selbsternannten – Koch nur lächelnd und gleichermaßen warnend an, ehe er den verkohlten Raum verließ und auf seine Taschenuhr blickte, um festzustellen, das es langsam an der Zeit war, die Fahrt nach London vorzubereiten. Während er den Gang entlang lief – um nebenbei die Teller aufzufangen, die Maylene, in ihrer grenzenlosen Ungeschicklichkeit, beinahe hätte fallen lassen – dachte er nach. Sein Master war seit einer geraumen Weile nicht ganz - wie sollte man es ausdrücken – bei der Sache? Nun, dass traf es doch recht gut. Der junge Herr, war niemand, der offen zeigte, dass ihn etwas beschäftigt. Das hatte Sebastian vom ersten Augenblick an gewusst. Aber das sich der Earl so geistesabwesend verhielt, war selbst dem jahrelangen „eingestellten“ Butler neu. Sein Gespür verriet ihm zwar, dass er selbst daran wohl nicht ganz unschuldig war, aber das rührte ja kaum an der Sache. Vielleicht war es selbstgefällig, doch ihm war bewusst, welche Ausstrahlung er als Dämon gegenüber Menschen hatte. Gegebenenfalls machte dies auch vor seinem jungen Herrn nicht halt. Sebastian selbst war ja von vielen Dingen der Menschenwelt nicht abgeneigt, natürlich waren das keine materiellen Dinge – für die hatte er keine Verwendung – aber so manche körperliche Freude konnte man sich in dieser Welt sehr gut gönnen. Aber wie passten diese Gedanken mit Ciel Phantomhive zusammen? Die Frage stellte sich Sebastian auch des Öfteren. Aber sein Herr war nun nicht mehr das Kind von vor fünf Jahren. Er hatte sich verändert, war im Inbegriff es weiter zu tun und irgendwie hatte dieser beinahe erwachsene Körper nun etwas Anziehendes auf den Dämon, der Sebastian nun einmal war. Vielleicht waren diese wirklich spürbaren Gelüste schon immer da gewesen, aber erst jetzt, waren sie für ihn so allgegenwärtig. Dennoch waren das alles nichts als Vermutungen, egal wie sehr Sebastian selbst hoffte, er würde sich all das wirklich nicht nur einbilden, den Anfang musste sein junger Herr schon machen. Und irgendwie lief ihm bei dem Gedanken das Wasser im Munde zusammen. „Junger Herr, die Kutsche steht bereit.“ Sebastian half seinem jungen Herrn in das Gefährt und stieg dann selbst ein. Die ganze Fahrt über schien der Junge völlig damit beschäftigt zu sein, den Brief der Königin und den Zeitungsbericht zu vergleichen. Wenngleich er sich eher abzulenken versuchte. Er konnte Sebastian nicht täuschen, auch wenn er es versuchte. „Ich frage mich“, begann der Earl nach einer Weile und seufzte kaum hörbar. „Warum in der Zeitung und in diesem Brief immer erwähnt wird, dass es sich um eine Person handelt. Es liegt nicht gerade im Bereich des Möglichen, allein an so vielen verschiedenen Stellen in London, noch dazu in so kurzer Zeit, ein solches Massaker anzurichten.“ Sebastian schmunzelte. Sein Herr war wieder völlig in seinem Element, selbst wenn er von seiner merkwürdigen Unsicherheit nur abzulenken schien. „Es wäre nicht das erste Mal“, meinte Sebastian und lächelte den Jungen kühl an, der aus dem Fenster der Droschke blickte. Ciel wusste, dass ein Butler auf den Fall „Jack the Ripper“ anspielte. Aber er dachte nicht gern über diese Zeit nach. Noch heute war der Tod Madam Reds keine Erinnerung, an der sich der junge Earl festhalten wollte. „Wahrscheinlich...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)