Die Nebelhexe von Lianait (Formori-Chroniken I) ================================================================================ Kapitel 1: Runen ---------------- Layla saß auf der Veranda ihres neuen Hauses am Rande des Waldes und las ein Buch. Sie waren vor ein paar Wochen hergezogen, weil ihr Vater hierher versetzt worden war. Ihre Mutter lebte schon lange nicht mehr; sie starb in einem Autounfall als Layla sieben war. Sie versuchte sich die Zeit zu vertreiben, denn es waren Ferien und sie kannte noch niemanden hier, was wahrscheinlich auch noch eine Weile so bleiben würde, mit einem Nachnamen wie McCambridge in Deutschland. Die Eltern ihres Vaters waren Iren und sie beide sahen aus wie Klischee-Iren, ohne dass sie der Name verraten musste. Sie hatten beide leuchtend rote Haare und grüne Augen, ganz zu schweigen von den Sommersprossen ihres Vaters; bei ihr hatten sich zum Glück die Gene ihrer Mutter durchgesetzt und sie war nicht ganz so gesprenkelt wie ein Dalmatiner. Ihr Vater würde spät in der Nacht nach Hause kommen, also machte sie sich gar nicht erst die Mühe zu kochen. Sie war sich bis heute immer noch nicht sicher, was ein Buchhalter bis tief in die Nacht zu arbeiten hatte. Die untergehende Sonne tauchte die Veranda, auf der sie saß in ein angenehmes orangerotes Licht und sie kraulte ihren Kater Phobos, der auf ihrem Schoß saß, gedankenverloren hinter den Ohren, als sie eine Seite in ihrem Buch umblätterte. Das Buch war nicht sonderlich spannend, da die Handlung nicht wirklich existent war und Layla glaubte, dass sie auch nicht mehr existent werden würde . Gerade als sie hoffte, die „Handlung“ könnte potentiell in Kraft treten, sprang Phobos von ihrem Schoß und ging schnurstracks über den Rasen in Richtung Wald. Sie sah ihm etwas verwundert nach. Hatte sie etwas getan, das ihn aufgeschreckt hatte? „Phobos?“ Als ob er sie verstehen könnte, blieb er stehen und sah über seine Schulter hinweg zu ihr zurück. Als sie aufstand um ihn wieder zu holen, setzte er seinen Weg unbeirrt fort. Sie ging einen Schritt schneller, um ihn zu schnappen, aber er schien sie gehört zu haben und entwischte ihr. Das Spielchen wiederholten sie einige Male bis er wieder spielerisch aus ihrer Reichweite sprang und sich auf einen kleinen Pfad am Waldrand setzte. Layla musterte ihren sonst so trägen Kater verwundert. Er war ein bisschen groß für eine Hauskatze, schwarz wie die Nacht, sodass der weiße Fleck an seinem Hals umso heller leuchtete. Nope. Nichts anders. Immer noch dieselbe Gammel-Katze wie gestern auch, dachte sie sich. Als sie wieder einen Schritt auf ihn zu machen wollte, stand er erneut auf und fing an den Pfad entlang zu gehen. So langsam wurde es ihr zu bunt. „Blöde Katze!“, stieß sie wütend aus und stapfte dem Kater hinterher. Sie versuchte erneut ihn zu greifen, aber er sprang wieder weg. „Dann mach doch was du willst!“, fauchte sie ihn an und wandte sich um, um wieder zum Haus zu gehen. Doch sie hatte noch keine zwei Schritte zurück gemacht, als sie hinter sich ein Miauen hörte. Als sie sich umdrehte, saß Phobos wieder auf dem Pfad und starrte sie aus seinen grünen Katzenaugen an. Sobald sie sich wieder umwandte, maunzte er wieder, aber wenn sie auf ihn zuging, stand er auf und ging weiter in den dunkler werdenden Wald hinein. Verwirrt blieb sie auf dem Pfad stehen. Sie schaute zurück zum Haus dann wieder auf den schwarzen Kater. Phobos war ein paar Schritte weiter gegangen und starrte nun wieder über seine Schulter zu ihr zurück – eine sehr menschliche Geste . Als wollte er, dass sie ihm folgte. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, und wie als ob er ihre Vermutung bestätigen wollte, setzte er seinen Weg fort. „Das ist doch vollkommen hirnrissig!“, meinte Layla nur und drehte sich wieder zum Haus. Phobos miaute wieder und sie seufzte laut auf. „Gut, gut! Aber ich geh nicht ohne eine Taschenlampe da rein!“, gab sie sich geschlagen und er setzte sich wartend auf den Pfad nur um sie wieder anzustarren. Widersinnig wie es war, ging sie dennoch zurück zum Haus um ihr eine Taschenlampe zu suchen, am besten mit Duracell-Batterien. Sie hatte ausreichend Project Zero gespielt und genügend Horrorfilme gesehen, um zu wissen wie das übliche Geschehen im dunklen, dunklen Wald mit dem hilflosen Mädchen ablief. Auf ihrem Rückweg durchs Wohnzimmer, kam sie am neueingebauten Kamin vorbei. Besser auch noch eine Waffe! , dachte sie sich und nahm einen Schürhaken aus dem zugehörigen Ständer. Falls ich irgendwo auf einen Schwarzen Mann treffe… Layla hatte schon gehofft, dass sie sich umsonst vor ihr selbst vollkommen lächerlich gemacht hatte und Phobos mittlerweile im Wald verschwunden war, doch er saß immer noch da, wo sie ihn zurückgelassen hatte. Die Sonne war längst hinter den Baumwipfeln untergegangen. Nur ein heller Schein am Horizont zeugte noch von ihrer Anwesenheit und ließ die Wipfel golden glänzen. Phobos‘ Augen leuchten im verblassenden Licht und so langsam gruselte Layla ihre eigene Katze etwas. Als sie wieder auf ihn zutrat, stand er auf und ging wieder in den Wald hinein. Er blickte noch einmal zurück, wie um sich zu vergewissern, dass sie im folgte und setzte seinen Weg dann schnell wieder fort. Mein Gott, ist das bescheuert! Ich will meiner Katze in den dunklen, dunklen Wald folgen, weil ich so ein Gefühl habe! Jeder, der mich hier mit einem Schürhaken und einer Taschenlampe bewaffnet sieht, wie ich einer Katze in den Wald folge, muss mich für vollkommen bekloppt halten!, wetterte sie in Gedanken, weil sie sich nicht traute, die Worte laut auszusprechen, da sie das Gefühl hatte, dass alles dann noch sinnloser klingen würde. Doch ungeachtet ihrer Schimpftriaden gegen sich selbst setzte sie ihren Weg fort. Um wieder hinter Phobos aufzuholen, ging sie schneller und prompt blieb ihr Rock an einem dornigen Busch hängen. Fluchend friemelte sie den Rock frei und sah, das Phobos wieder gewartet hatte. Schaudernd beschloss sie ihre Taschenlampe einzuschalten, sodass sie nicht wieder irgendwo hängen blieb. Naja, oder zumindest versuchen konnte, auszuweichen. „Wehe, du hast mir nicht etwas Wichtiges zu zeigen! Wenn du mich irgendwo zu einem Haufen toter Mäuse schleppst, werde ich sauer!“, grummelte Layla den Kater an. „Jetzt rede ich auch noch mit einem Kater!“ Nicht, dass sie das nicht nie getan hätte. Doch sie gingen immer tiefer in den Wald und Phobos‘ buschiger Schwanz tanzte am Rande des Lichtkegels ihrer Taschenlampe vor ihr hin und her. Über sich hatte sie immer mal wieder durch die Äste der vielen Bäume den Nachthimmel gesehen. Nach einer Ewigkeit wie ihr schien, erreichten sie eine kleine Lichtung, die vom mittlerweile aufgegangenen Mond so stark erhellt wurde, dass sie ihre Taschenlampe schon gar nicht mehr benötigte. Layla dachte zuerst, dass sich ein riesiger Felsen überwuchert mit Gestrüpp auf der Lichtung befand, doch dann erkannte sie, dass der Felsen ein Loch hatte und eigentlich eine kleine Hütte war. Die Hütte war stark verwittert und die Eingangstür hing nur noch in einer Angel, sodass die Tür leicht geöffnet war. Unbeirrt ging der Kater auf den Türspalt zu, sah Layla noch einmal an und verschwand schließlich im Türspalt. „Phobos!“, zischte sie, „Komm da sofort raus!“ Doch von drinnen hörte sie nichts, nicht einmal ein „miau“. Zitternd fasste Layla ihren Schürhaken fester und stieß die Tür auf. Als sie eintrat, konnte sie zuerst nichts sehen, so dunkel war es. Das Einzige, was sie vage wahrnehmen konnte, waren Phobos' Augen, die sie aus der Dunkelheit anleuchteten. Sie schaltete ihre Taschenlampe wieder ein, um mehr sehen zu können. Ihr erster Eindruck war: groß, staubig und kaputt. Die Hütte schien von innen größer zu sein, als es von außen den Anschein machte. Der Raum, in dem sie sich befand, war eine Art Mischung aus Esszimmer und Wohnzimmer, soweit sie es erkennen konnte. Ein Esstisch, von dessen Stühlen keiner wirklich so aussah, als würde er einen ausgewachsenen Menschen tragen können, einige Sessel, aus denen das Polster herausquoll, und ein paar mehr oder weniger heil aussehende Kommoden und kleine Schränkchen zierten den Raum. Phobos saß direkt vor ihr auf einer niedrigen Kommode an der Wand neben einem kleinen Kamin und sah sie an. "Was soll das hier?", fragte sie den Kater, der ihr natürlich nicht antworten konnte. Vielleicht war ihr Kater ja auch ein Verräter und wollte sie in die Falle eines Vergewaltigers locken? Was in dieser Situation äußerst schlecht gewesen wäre, denn sie hatte nur einen Schürhaken und war mindestens drei Kilometer von ihrem Haus entfernt. Da jedoch nach einigen Minuten noch immer kein Schurke hinter einem Sessel hervorgesprungen war und geschrienen hatte: "Haha! Ich werde dich jetzt überfallen!" oder sowas in der Art, beschloss sie sich etwas umzusehen an diesem merkwürdigen Ort, zu dem sie ihr seltsamer Kater geführt hatte. Auf einen inneren Impuls hin ging sie zum Esstisch, um ihn etwas genauer zu inspizieren. Er war noch gedeckt, hatte sogar noch Speisen aufgetragen, die jedoch schon so alt waren, dass sie schon nicht mehr stanken, sondern einfach nur verfallen und mit Staub bedeckt waren. Das Geschirr und Besteck sah ebenfalls alt aus, soweit sie das beurteilen konnte. Sie hatte noch nie wirklich altes Geschirr gesehen, denn sie hatten zu Hause nur einfache weiße Teller, weil ihr Vater etwas unkreativ in der Wohnungsgestaltung war. Mit 14 hatte sie beschlossen, die Dekoration ihres Hauses zu übernehmen, da sie nicht in einem sterilen Haus wohnen wollte, dessen einzige Dekogegenstände noch von ihrer Mutter stammten. Da ihr der Tisch keine Aufschlüsse darüber geben konnte, was hier vor sich ging, verließ sie ihn und sah zum ersten Mal zwei Türen, die sie zuvor nicht wahrgenommen hatte. Sie fragte sich gerade, was sie noch alles übersehen hatte beim ersten Hineinschauen, als sie ein Geräusch von draußen vernahm. War der Schurke, das Monster, das was-auch-immer doch hier und wollte sie überfallen? Vielleicht hatte sie sich geirrt und sich das Geräusch nur eingebildet? Mit pochendem Herzen stand sie mitten im Raum und wartete. Das Geräusch erklang erneut. Näher. Lauter. Da draußen war definitiv jemand! Sie suchte schnell hinter einem der Sessel Zuflucht und schaltete ihre Taschenlampe aus, da sie ihre Position nicht durch den Lichtschein verraten wollte. Unwillkürlich hielt sie den Atem an und hoffte, dass ihr Herz nicht zu laut schlug. Sie starrte ihren Kater wütend hinter dem Sessel hervor an und fasste ihren Schürhaken wieder einmal fester, als eine Gestalt die Tür öffnete und eintrat. Als sie einige Sekunden atemlos hinter ihrem Sessel verharrt hatte, trat die Gestalt in den Raum und sie erkannte, dass es ein Mann sein musste. Er berührte mit seinem Kopf gerade einmal den niedrigen Türrahmen und schien auch so recht schmal gebaut zu sein. Wenigstens kein Muskelberg. Vielleicht kann ich ihn irgendwie überrumpeln und abhauen… Der Mann stand mittlerweile mitten im Raum, der durch die offenstehende Tür erhellt wurde. Wenn sie raus wollte musste sie definitiv an ihm vorbei, es gab keinen anderen Weg. Sie nahm den Schürhaken fest in beide Hände, nachdem sie notdürftiger Weise die Taschenlampe in den Bund ihres Rockes gesteckt hatte, und atmete tief durch. Wahrscheinlich zu tief, denn er fragte: „Wer ist da? Ist da Jemand?“ Seine Stimme klang relativ jung. Ohne sie weiter darum zu kümmern sprang sie hinter ihrem Sessel hervor und stürmte auf ihn zu. Mehr schlecht als recht schwang sie ihren Schürhaken und er konnte gerade noch ausweichen; vielleicht hatte sie ihn am Arm gestreift, aber sie konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Das Übermaß an Schwung ließ sie taumeln und er bekam Gelegenheit den Schürhaken zu greifen und versuchte ihn ihr zu entreißen. Es gelang ihm auch fast, denn er war stärker als sie, wie sie fast zu spät merkte. Sie lehnte sich mit Schwung und aller Kraft nach hinten, doch er ließ nicht los und sie fielen beide Richtung Boden. Der Raum war nicht groß und sie hatte sich nicht weit von dem Sessel entfernt, sodass sie gegen seine Lehne fiel und ihn mit sich zu Boden riss. Das gab sicher einen blauen Fleck. Selbst auf dem Boden ließ der Fremde nicht von dem Schürhaken ab und da er halb auf Layla lag musste sie ganz schön strampeln, um sich zu befreien. Sie rauften miteinander und rollten über den staubigen Boden, sodass der Staub auf ihrer Haut brannte, die nicht von ihrem Tanktop bedeckt wurde, und von der Rangelei aufgeschürft wurde. Nach einer Weile versuchte sie ihm einen Tritt zu versetzten und fluchte laut. „Lass endlich los, du Perverser!“ Sie musste ihn irgendwie mit dem Knie in die Magengegend oder ähnliches getroffen haben, dann er grunze einen Schmerzenslaut und lockerte den Griff um den Schürhaken etwas. Genug jedenfalls, sodass sie ihm den Schürhaken entreißen konnte. Layla rollte sich von ihm weg und stand schwer atmend auf. Sie suchte den Ausgang und fand ihn hinter den fremden Perversling, der sich noch am Boden krümmte. Ganz toll, Layla! Du hast zwar geschafft den Schürhaken an dich zu bringen, aber auch dich so weit wie nur möglich vom einzigen Ausgang zu bewegen! Ganz großes Kino! Sie griff den Schürhaken erneut mit beiden Händen und trat damit ausholend auf den Unbekannten zu, der sich mittlerweile versuchte aufzurichten. Als er merkte, dass sie sich ihm wieder näherte, hob er abwehrend die Hände. „Schon gut!“, schnaufte er. „Ich geb auf! Ich geb dir mein Geld, aber hör verdammt nochmal auf mich zu schlagen!“ „Geld?“, fragte Layla perplex. „Was für Geld? Warum sollte ich Geld von einem Perversen wollen?“ „Ich bin kein Perverser!“, fauchte er. „Und was bist du überhaupt für eine?! Dressierst Tiere damit sie ahnungslose Wanderer in den Wald locken und du sie zusammenschlagen kannst?! Hast du ein Aggressionsproblem?“ „Du bist also kein perverser Mädchenvergewaltiger, der ihren Kater verführt hat?“, hakte sie argwöhnisch nach und ließ ihren Schürhaken ein kleines Stück sinken. Irgendetwas Seltsames lief hier… „Was? Nein!“ „Da das genau das ist, was ein perverser Mädchenvergewaltiger, der ihren Kater verführt hat, sagen würde, erklärst du dich jetzt! Warum bist du hier?“, herrschte sie ihn an. „Warum ich und nicht du?“, wollte er ungehalten wissen. „Weil ich den Schürhaken habe und du auf dem Boden sitzt!“, fauchte Layla. Er zuckte mit den Schultern, wie um zu sagen ‚Da is‘ was dran…‘. „auch auf die Gefahr hin, dass du mir nicht glaubst und wieder versuchst mir den Schädel einzuschlagen, ich bin einer Eule hierher gefolgt.“ „Einer Eule?“ „Ja!“, antwortete er und man konnte an diesem einen Wort hören, dass er rot wurde. „Kanntest du die Eule?“, wollte sie wissen. Die Frage schien ihn zu verwirren, denn er antwortete nicht gleich. „Ob ich die Eule kannte? Soll sie sich vorgestellt haben, oder was? Etwa so: ‚Hallo, ich bin die unschuldig aussehende Eule, die dich in dein Verderben zu einer Verrückten in den dunklen, dunkeln Wald führen wird, damit dir die Verrückte den Schädel mit einem Schürhaken spalten kann. Nett dich kennen zu lernen.‘ Und ich habe dann natürlich geantwortet: ‚Hey, klare Sache! Ich bin der dumme, naive Trottel, der dir bereitwillig in den dunklen, dunklen Wald folgt, damit ich mal meine Hirnmasse außerhalb meines Körpers bewundern kann! Freut mich.‘ So etwa?“, wollte er wissen und sie musste unwillkürlich lachen. Sie ließ ihren Schürhaken vollständig sinken und fragte ihn: „Du hast diese Eule also noch nie zuvor gesehen?“ „Äh, nein?! Wer zum Geier bist du überhaupt?“, wollte er wissen. „Oh, ich bin Layla. Willkommen im Club der Wir-wurden-von-sich-seltsam-verhaltenden-Tieren-in-den-dunklen-dunklen-Wald-zu-einer-creepy-Hütte-Geführten.“, meinte sie grinsend und reichte ihm ihre Hand. Selbst in dem wenigen Licht in der Hütte konnte sie sehen, wie verwirrt er sie anstarrte. „Du bist auch einer… Eule in den Wald gefolgt?“, hakte er nach. „Nein, meinem Kater. Er hat sich seltsam verhalten und ich bin ihm her gefolgt. Nicht im Sinne von die-Hunde-aus-Scary-Movie-4-verhalten-sich-seltsam-seltsam, sondern seltsam im Sinne von anders-als-sonst-seltsam.‘“ Dann fing er an zu lachen und ergriff ihre Hand. Als Layla ihn vom Boden hochzog sagte er: „Constantin, Constantin Morgenthal. Und… äh… wo sind wir hier?“ „Keine Ahnung.“, meinte sie schulterzuckend, „Irgendwo in einer Hütte im Wald? Ich bin erst hergezogen, ich hab keine Ahnung, ob es für diesen Ort eine Bezeichnung gibt. Aber ich habe eine Taschenlampe. Mit Duracell-Batterien.“ Sie griff zum Bund ihres Rockes, doch natürlich war die Taschenlampe nicht mehr da. „Irgendwo jedenfalls ist sie… Sie muss eben runtergefallen sein…“ Sie konnte grob die Umrisse des Raumes sehen, obwohl die Tür mittlerweile wieder zugefallen war, und ging auf den umgestürzten Sessel zu. Sie hockte sich hin und tastete den Boden um den Sessel herum ab. Nachdem Constantin bemerkt hatte, was sie tat, half er ihr. Sie tasteten eine Weile im Staub herum bis Constantin sie fand. „Ich hab sie!“, meinte er, schaltete sie an und blendete Layla prompt. „Oh, ‘Tschuldigung!“, sagte er, nachdem sie fluchte und senkte den Lichtstrahl. Er schickte das Licht kurz über die Wände, an denen gelegentlich verblichene kleine Landschaftsbilder hingen, die Kommoden und die anderen mehr oder weniger gut erhaltenen Einrichtungsgegenstände. „Sieht ganz schön runtergekommen aus… egal. Ich wäre dafür, dass wir gehen. Was meinst du?“ Nachdem sie nickte, reichte er ihr ihre Taschenlampe. Sie leuchtete noch einmal zu der Kommode, auf der kurz zuvor noch Phobos gesessen hatte, doch er saß nicht mehr da. Er hatte sich wahrscheinlich während des Kampfes erschreckt und war abgehauen. „Elender Feigling!“, grummelte Layla. „Was?“, meinte Constantin, der vor ihr zur Tür gegangen war. „Nicht du, ich meinte meinen Kater. Der ist einfach abgehauen!“, erklärte sie. „Ach so“, sagte er und öffnete die Tür. „Wenn ich den zu Hause erwische! Ich werde mich –“ Doch sie konnte ihren Vorschlag Phobos kastrieren zu lassen nicht mehr zu Ende formulieren, denn sie rannte in Constantin hinein, der einfach im Türrahmen stehen geblieben war. „Was ist? Warum gehst du nicht weiter?“, wollte Layla wissen. „Ich… ich kann nicht.“, antwortete er. „Wie du kannst nicht? Hast du ein Trauma bekommen und jetzt Angst wieder in den Wald hinauszutreten oder was?“ „Nein, ich kann einfach nicht. Ich kann meinen Fuß nicht weiter als bis zur Schwelle setzen!“ „Bitte?“, fragte sie ungläubig. „Versuch du es doch!“, meinte er herausfordernd. „Gut, bitte. Dann lass mich durch“, entgegnete Layla. Er trat einen Schritt zurück und ließ sie passieren. Als sie auf der Schwelle stand, wollte sie ihren Fuß nach vorne setzen, aber sie konnte nicht. Sie konnte den Fuß anheben, aber sobald sie ihn nach draußen setzen wollte, fühlte es sich an, als ob sie gegen etwas stieß. Sie runzelte die Stirn und sah Constantin fragend an, doch auch er hatte keine Erklärung. Sie wandte sich wieder zur Tür und hob ihre Hand um sie nach draußen zu strecken. Doch sie kam wieder nur bis zur Schwelle und keinen Millimeter weiter. Über die Schwelle hinaus fühlte es sich an, als würde sie eine unsichtbare Wand anfassen. Sie konnte sogar ihre flache Hand dagegen lehnen und drücken, doch es tat sich nichts. „Das ist doch vollkommen unmöglich…“, murmelte Layla und starrte nach draußen auf die Lichtung. „Da wir wohl nicht durch die Tür kommen, wollen wir die Fenster versuchen?“, schlug Constantin sehr praktikabel vor. „Es gibt hier doch Fenster, oder?“ „Äh, keine Ahnung. Ich denke schon“, meinte Layla und leuchtete mit der Taschenlampe die Wände ab. Sie konnten wieder die beiden Türen sehen und mit etwas Mühe ließen sich auch zwei Fenster, deren Läden geschlossen waren, an der jeweils rechten und linken Wand ausmachen. Sie gingen zuerst zum rechten Fensterladen und Constantin stieß ihn mit Schwung auf, als ob er erwartet hätte, dass er blockieren würde. Constantin sah Layla fragend an und sie zuckte mit den Schultern. Er versuchte sich zum Fenster herauszulehnen doch er stockte mitten in der Bewegung. „Nichts?“, fragte sie. „Nichts“, antwortete er resigniert. „Lass uns den anderen versuchen.“ Dieses Mal stieß Layla die Läden auf und versuchte hinauszuklettern. Sie konnte sich auf den Rahmen setzen, aber kam nicht weiter aus der Hütte raus und schüttelte den Kopf. „Hier auch nicht. Was ist mit den Türen?“, fragte sie. Durch die geöffneten Läden schien das Mondlicht in die Hütte und erleuchtete sie, sodass sie besser sehen konnten, auch ohne Taschenlampe. Constantin stand noch in der Mitte des Raumes und wandte sich an die Tür, die direkt an die rechte Wand grenzte. Layla ließ mich von der Fensterbank gleiten und ging auf andere Tür zu. „Das hier scheint sowas wie eine Vorratskammer zu sein!“, rief Constantin, der seine Tür schon geöffnet hatte, bevor Layla ihre überhaupt erreicht hatte. „Aber es sieht nicht so aus, als sei hier ein Ausgang. Was ist bei dir?“ Ihre Tür war einen Spalt geöffnet und als sie diese weiter aufstieß, erblickte Layla einen weiteren Raum, in dessen Dunkelheit zwei Augen leuchteten. Fast erschrocken richtete sie meine Taschenlampe darauf und erkannte, dass es nur Phobos war, der auf einem uralten Holzbett saß und sie nun anblinzelte. Sie leuchtete den Raum aus. Der Raum an sich schien fast so groß zu sein wie das Wohn-Esszimmer, vielleicht geringfügig kleiner. Die Wände waren von ähnlicher Beschaffenheit und hier und da hing mal ein vergilbtes Bild. Neben dem Bett stand ein kleiner Nachtschrank, auf dem eine von diesen Kerzen stand, die man an einem Henkel des Ständers herumtragen konnte. Layla hatte sich immer gefragt, ob es wohl einen Begriff für diese Kerzenständer gab. Ansonsten gab es hier noch ein Kleiderschrank und eine weitere Kommode. „Sieht aus wie ein Schlafzimmer!“, rief Layla zurück. Sie wollte schon den Raum verlassen und zurück zu Constantin gehen als sie den Fensterladen an der gegenüberliegenden Wand sah. „Hier ist noch ein Fensterladen!“, fügte sie laut hinzu und durchquerte dabei den Raum. Layla stieß auch diesen Laden mit mehr Kraft als vielleicht nötig gewesen wäre auf. Sie stieg wieder auf die schmale Fensterbank, doch konnte den Raum nicht verlassen. „Und?“, fragte Constantin wenig hoffnungsvoll von der Tür aus. „Nein, hier auch nicht“, seufzte sie kopfschüttelnd. „Das kann doch gar nicht sein…“, meinte er. „Ich meine, wir sind irgendwelchen Tieren in den Wald gefolgt und jetzt sind wir in einer Hütte, die wir nicht mehr verlassen können!“ „Jeder, dem wir das erzählen, hält uns für vollkommen bekloppt“, ergänzte sie seinen Gedankengang und setzte sich neben Phobos auf das Bett. Allerdings fasste sie ihn nicht an und saß so weit wie möglich von ihm entfernt. Obwohl es vollkommen sinnlos war dem Tier die Schuld zu geben, war sie trotzdem sauer auf ihn. „Was machen wir jetzt?“, fragte Constantin und durchquerte den Raum, um sich neben Layla zu setzen. „Ist das dein Kater?“ „Ja, das ist er“, beantwortete ich grummelnd seine letzte Frage zuerst. „Zu deiner anderen Frage, keine Ahnung. Hast du ein Handy dabei? Vielleicht können wir Hilfe rufen.“ „Hätte ich aus selber draufkommen können“, sagte er und kramte in seiner Hosentasche nach seinem Handy. „Ach, Scheiße! Ich hab keinen Empfang, was ist mit dir?“ „Ich hab kein Handy dabei. Wo sollte ich das denn hinstecken? In den Ausschnitt ?“, entgegnete Layla und merkte, wie er sie nun im Halblicht musterte. Als sie auf ihren Rock hinunter blickte, wurde ihr klar, dass sie furchtbar aussehen musste. Eigentlich war ihr Lieblingsrock schwarz, reichte bis zu den Knien und hatte einen mit Spitze besetzten Saum, doch durch den „Kampf“ mit Constantin und die nächtliche Wanderung durch den Wald hatte einiges einbüßen müssen. Er war unregelmäßig mit Staub bedeckt und sie wusste, dass der Spitzensaum an mindestens einer Stelle zerrissen war, als sie im Wald hängen geblieben war. Ihr Oberteil sah bestimmt nicht besser aus und ihre Haare mussten in alle Richtungen abstehen. Wenigstens sah Constantin auch nicht besser aus. Seine Jeans – Layla vermutete zumindest, dass es eine war – und sein dunkles T-Shirt mit irgendeinem Aufdruck drauf waren mit Staub bedeckt. Er war in etwa ihrem Alter, vielleicht ein Jahr älter oder zwei, aber nicht mehr, hatte blonde Haare und braune oder grüne Augen. Sie sah erst jetzt, dass er einen Kratzer am Arm hatte. Von meinem Schürhaken? Vielleicht sollte ich mich entschuldigen… „Äh, das mit deinem Arm tut mir leid“, meinte sie kleinlaut. „Was?“, fragte er etwas verwirrt. „Ach so. Nein, das muss dir nicht leid tun. Du dachtest immerhin ich sei ein Perverser… Wenn du noch ein bisschen tiefer getreten hättest, hätte ich meiner abartigen Berufung sicher nicht mehr Folge leisten können…“ „Tut mir leid, wirklich!“, erwiderte Layla erneut und merkte, wie sie rot wurde, aber er grinste nur und winkte ab. „Was machen wir jetzt?“, fragte er noch einmal und sie war froh, die Peinlichkeit zu überbrücken. „Da wir hier festsitzen und definitiv nicht hier rauskommen“, fasste sie zusammen, „sollten wir uns vielleicht genauer umsehen. Die Fensterläden sind zwar schon offen und es ist heller hier drin, aber etwas mehr Licht könnte nicht schaden, vor allem, wenn der Mond untergeht. Auf dem Nachttisch ist eine Kerze, vielleicht finden wir noch andere und irgendwas um sie anzuzünden.“ „Klingt nach einem Plan.“ Da der Nachtschrank am vielversprechendsten aussah, versuchten sie zuerst dort unser Glück. Und wurden sogar fündig. Als Constantin die Schublade aufzog kamen ein paar alte Stofftaschentücher und ein kleine Packung Streichhölzer zum Abbrechen zum Vorschein, mit denen sie die Kerze auf dem Nachttisch entzündeten. Leider hatten sie nicht noch mehr Glück und fanden nicht auch noch weitere Kerzen in der Schublade, nur noch ein in Leder gebundenes Buch, das sehr alt aussah. Constantin klappte es auf und sie blickten auf Handschriften herunter. „Sieht wie ein Tagebuch aus“, meinte Layla. „Aber das ist kein Deutsch, oder?“ „Nein, glaube ich nicht. Viel zu viele Akzente. Französisch? Nein, auch nicht“, mutmaßte er. „Ich glaube, es ist Irisch.“, meinte sie mach einer Weile. „Und wie kommst du darauf? Nicht, dass ich es für unwahrscheinlich halten würde, aber die Idee kam mir noch nicht mal“, hakte er nach und sah sie fragend an. „Mein Vater ist Ire. Deswegen weiß ich grob wie es aussieht und klingt, aber ich kann es nicht sprechen oder verstehen.“, antwortete sie schulterzuckend. „Meine Eltern haben immer nur Deutsch miteinander geredet und meine Großeltern in Irland seltsamer Weise auch. Oder Englisch. Ich erkenne in einer irischen Tageszeitung oder einem Buch mal ein Wort, aber das war’s dann auch schon.“ Nachdenklich klappte er das Buch zu und sah sie prüfend an. „Du hast vorhin erwähnt, dass du erst hierhergezogen bist.“ „Äh, ja. Und?“, wollte sie verwirrt wissen. Layla wusste nicht wirklich, was das mit ihren nicht vorhandenen Irischkenntnissen zu tun haben sollte. „Ihr seid nicht zufällig in das alte Fuhrmann-Haus auf der anderen Waldseite eingezogen?“, fragte er. „Doch sind wir. Warum fragst du?“, hakte nun sie nach. Der Zusammenhang war ihr immer noch schleierhaft. „Dann hat sie euch gemeint…“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu Layla. „Ehrlich gesagt, kann ich dir nicht ganz folgen…“, fügte sie schließlich doch hinzu. „Meine Tante. Ich wohne bei ihr hinter einem Ausläufer des Waldes auf der anderen Seite, der unsere Grundstücke voneinander abgrenzt.“ Nachdem sie ihn immer noch fragend anschaute setzte er nach: „Wir sind sozusagen eure Nachbarn. Meine Tante war deswegen ganz aus dem Häuschen. Sie hat ganz aufgeregt erzählt, dass eine irische Familie in das Haus einzieht und es renoviert. Da es hier nicht wirklich dicht besiedelt ist, denke ich, dass es weit und breit nur eine neue irische Familie gibt.“ „Aaaaaaaaaaaaaaaaah! Jetzt versteh ich!“, sagte sie. Endlich eine Erleuchtung. „Naja, ‚renoviert‘ kann man nicht direkt sagen, sondern eher ‚fast komplett wieder neu aufgebaut‘. Wir haben den Grundbau beibehalten, mussten aber einiges durch neue Materialien ersetzen… Wie lange stand das Haus leer?“ „Ehrlich gesagt, keine Ahnung. So lange ich denken kann, steht es leer. Ich hab noch nie jemanden da wohnender Weise drin gesehen.“, antwortete er, legte das Buch auf das Bett und stand auf, um die Kommode zu untersuchen. „Du lebst bei deiner Tante?“, fragte sie und stand auch vom Bett auf. „Ja“, meinte er und zog eine der Schuladen auf. „Meine Eltern sind beruflich im Ausland und ich lebe solange bei meiner Tante bis meine Eltern wieder fest nach Deutschland ziehen; sie sind Diplomaten. Meine Tante ist zwar ein wenig eigen, aber eigentlich ganz nett.“ „Eigen? In welchem Sinne eigen?“, wollte sie weiter wissen und trat zu ihm an die Kommode. Die erste Schublade hatte nichts Interessantes ergeben, also schloss Constantin sie wieder und öffnete die zweite. „Naja, sie ist der festen Überzeugung in die Zukunft sehen zu können“, fuhr er fort, während er die Schublade durchsuchte. „Du solltest das Haus sehen! Überall Kristallkugeln, Pendel und spirituelle Bücher. Als ich vor sechs Monaten bei ihr eingezogen bin, habe ich erst mal alle Tarotkarten aus meinem Zimmer verbannt. Aber ich könnte schwören, die führen ein Eigenleben… ich hab heute Morgen schon wieder eine gefunden! In meiner Sockenschublade.“ Layla musste lachen. „War es eine gruselige Karte?“ Sie bemühte sich ernst zu klingen, konnte aber ihr Grinsen sicher nicht verbergen. „Zum Glück nicht. Ich glaube, sie hieß ‚Wheel of Fortune‘ oder sowas…“, entgegnete er abwesend. „Ach, verdammt, hier ist auch nichts drin!“, grummelte er und stieß die Schublade zu, nur um gleich die letzte auch noch zu öffnen. Doch auch in ihr befand sich nur ein bisschen altes Tuch. Layla wandte sich wieder zum Bett, während Constantin aufstand, doch Phobos lag nicht mehr auf der alten Decke. Verwirrt und immer noch ein bisschen wütend ging sie wieder in den Eingangsraum. Kann dieser Kater nicht wenigstens einmal an einer Stelle bleiben?! Hinter sich hörte sie nur ein „Warte!“ als auch Constantin schon wieder zu ihr aufschloss. Sie kamen gerade noch rechtzeitig in das Esszimmer, um zu sehen, wie Phobos‘ Schwanz in dem Spalt, den die schiefe Haustür mit der Wand bildete, verschwand. Von hoffnungsvollen Gedanken beseelt rannten sie fast auf die Tür zu. Energisch stieß Constantin die Tür auf und sie konnte den schwarzen Phobos am Ende der Lichtung nur noch mit dem dunklen Waldrand verschmelzen sehen. Sie rief seinen Namen, doch ihre Stimme hallte nicht einmal ein bisschen auf der Lichtung wieder und die Eule auf dem nächsten Baum zuckte nicht ein Stück. Layla wollte Phobos nach, doch als sie über die Schwelle treten wollte, stieß sie wieder gegen die Wand und fluchte ungehalten. „Verdammter Kater!“ Sie wetterte noch bestimmt fünf Minuten im Esszimmer auf und abschreitend, bevor Constantin sie beruhigen konnte. Sie war aber auch zugegebenermaßen mit der Gesamtsituation unzufrieden. „Weißt du, was ich mich gerade frage?“, erkundigte er sich. Nachdem sie den Kopf langsam geschüttelt hatte, führ er fort. „Was ist, wenn andere Dinge und Wesen die Hütte verlassen können, aber nur wir nicht?“ „Aber selbst wenn, was hätte das für einen Sinn?“, überlegte sie. „Was hat es für einen Sinn, dass wir eine heruntergekommene Hütte im Wald nicht verlassen können?“, entgegnete er. „Auch wieder wahr…“ „Wir könnten einfach versuchen meine Theorie mal zu testen.“, meinte er und ging auf den Küchentisch zu. „Wie denn?“, wollte Layla wissen, doch anstatt ihr zu antworten, nahm er eine Tasse vom Tisch und warf sie aus der Türöffnung. Widererwarten zerschellte die Tasse nicht an der unsichtbaren Wand, sondern flog im hohen Bogen durch die geöffnete Tür und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem weichen Waldboden, ohne zu zerbrechen. „So.“, meinte er nur knapp. „Shit“, sagte Layla nur mit Gefühl. „Du sagst es.“ „Was machen wir denn jetzt?“ „Ich weigere mich zu glauben, dass wir ganz sinnlos in dieser Hütte festsitzen!“, meinte er aufgebracht. „Wie ist das überhaupt möglich?“ „Keine Ahnung… naja, doch schon, aber das Einzige, was mir einfällt, sind Zauberei und Aliens. Und Zauberei gibt es nicht! Denke ich zumindest… über die Aliens lässt sich streiten.“ „Zauberei…“, murmelte er vor sich hin und durchschritt den Raum. „Das ist doch unlogisch… das geht nicht…“ Nach einigem weiteren Gemurmel setzte er sich auf einen der wenig stabil aussehenden Sesseln. „Aber was machen wir, wenn es eben doch möglich ist?“, gab Layla skeptisch zu bedenken und setzte sich auf eine der Kommoden und legte ihren Schürhaken neben sich. „Auch auf die Gefahr hin, dass ich wie ein unverbesserlicher Nerd klinge, es gibt zwar keine Beweise für die Existenz von Zauberei, Magie oder wie auch immer wir es nennen wollen, aber auch nicht dagegen.“ „Ja, das stimmt schon, aber selbst, wenn wir davon ausgehen – rein hypothetisch versteht sich – dass Magie existent ist, warum sollte sie dazu verwendet werden, uns in einer Hütte in Wald festzusetzen? Ich weiß ja nicht, wie es mit dir ist, aber ich bin nur ein Oberstufenschüler und habe keinerlei Einfluss auf irgendetwas Weltbewegendes. Ein alter Becher Jogurt bewegt mehr als ich! Also: Warum?“, wollte er wissen und sah Layla fragend an. „Keine Ahnung, aber die Alternative, Aliens, ist auch nicht viel besser. Mir persönlich wäre Magie lieber als ein strenggeheimes Alienexperiment, das unser Staat finanziert und in das wir reingeraten sind. Hallo?! Wir leben nicht in Amerika, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern in Deutschland, dem Land der unbegrenzten Bürokratie. Aber gehen wir jetzt mal davon aus – rein hypothetisch – dass es Magie gibt und sie auf irgendeine Weise hier am Werke ist. Was machen wir dann?“, wollte ich wissen. „Keine Ahnung. Wenn wir in einem Videospiel wären, müssten wir jetzt was suchen, das uns weiterhilft. Obwohl ich bezweifle in einem Videospiel zu sein, halte ich es trotzdem für keine schlechte Idee hier alles gründlich zu durchsuchen. Kann ja nicht schaden, oder?“ „Quasi das Item suchen, das aus dem Dungeon hilft“, meinte sie ergänzend und er sah Layla ein wenig seltsam an. „Was?“, fragte sie etwas genervt um ihre röter werdenden Wangen zu kaschieren. „Äh… ich hatte nur nie erwartet je ein Mädchen zu treffen, dem Begriffe wie ‚Item‘ und ‚Dungeon‘ etwas sagen.“ „Tut mir leid deine Welt zerstören zu müssen, aber nicht jedes Mädchen ist eine Barbie“, entgegnete sie. „Vielleicht sollte ich dir das dann auch noch sagen… Schocks lassen schließlich sich besser verarbeiten, wenn sie zusammen kommen…“, fügte sie wie in Gedanken versunken hinzu. „Mir was sagen?“, hakte er verwirrt nach. Layla holte tief Luft, wie um sich auf eine schwere Aufgabe vorzubereiten. „Den Weihnachtsmann gibt es nicht“, sagte sie so ernst ich konnte und schaute ihn gespielt fürsorglich an. „Und den Osterhasen auch nicht.“ Er schaute sie zuerst verdattert an und fing dann an laut zu lachen. „Und eigentlich sind es die Illuminaten, die uns hier festhalten, oder?“ „Natürlich. Hast du denn nie die Lehrsendung ‚Galileo Mystery‘ gesehen? Sie lehrt uns, dass hinter allem Mysteriösen die Illuminaten stecken.“, meinte Layla ernst. „Wenn Aiman Abdallah gleich aus einem Poké-Ball gesprungen kommt, glaube ich das sogar…“, meinte Constantin schulterzuckend und sie musste grinsen. „Aber mal im Ernst. Vielleicht sollten wir uns genauer umschauen.“ Angeleitet von diesen Worten erhob er sich aus dem wackeligen Sessel und durchstreifte den Raum. Schulterzuckend tat Layla es ihm gleich und schob sich von der Kommode, auf der sie saß, nur um diese sogleich zu untersuchen. Doch sehr zu ihrem Missfallen fand sie kein Zauberitem, welches sie bei Berührung nach Hause in ihr Bett beamte und eine heiße Schokolade auf ihren Nachtschrank stellte. Nur uralte Kleidung, die allem Anschein nach noch aus der Vorkriegszeit stammte. Auch in den beiden folgenden Schubladen fand sie nichts Nützlicheres als zwei Kerzenstummel. Seufzend erhob sie sich und wollte gerade zur nächsten Kommode streifen, als Constantin sich zu Wort meldete. „Ich hab was gefunden. Denke ich zumindest…“ „Was denkst du denn, gefunden zu haben?“, meinte sie schmunzelnd. Erst jetzt bemerkte sie, dass er vor der Kommode stand, auf der zuvor Phobos gesessen hatte. „Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Aber es sieht anders aus als alles, was ich je gesehen habe“, entgegnete er und wendete einen kleinen Gegenstand in den Händen. Als sie näher an ihn herantrat, erkannte sie einen kleinen, dunklen, runden, aber flachen Stein. „Ist das… was ist das?“, fragte er und zeigte Layla ein verschlungenes Muster auf einer Seite des Steins. „Darf ich mal sehen?“, fragte Layla und streckte ihm ihre Hand entgegen. Schulterzuckend ließ er den Stein hineinfallen und er fühlte sich kalt und schwerer an, als er bei dieser Größe sein sollte. Auch als sie den Stein in die andere Hand nahm, um ihn sich genauer anzusehen, hinterließ er in der ersten Hand, die ihn berührt hatte, ein seltsames Gefühl. Der Stein war schwarz oder braun, schwer auszumachen bei Mondlicht, und hatte ein kleines Loch an einer Ecke, wie um eine Schnur hindurch zu ziehen. Einer flachen Seite zierte ein verschlungenes Muster, welches Layla auch bei genauerem Hinsehen nichts sagte. „Keine Ahnung, was das ist. Vielleicht ein Schmuckstück…“, mutmaßte sie. „Obwohl… er fühlt sich komisch an.“ „Ja, oder?“, pflichtete Constantin ihr bei. „Schon als ich ihn aus der Schublade genommen habe, war er so warm.“ „Warm?“, fragte sie stirnrunzelnd. „Ich finde er fühlt sich kalt an und irgendwie… fremd. Ich weiß nicht, wie ich es anderes nennen soll, aber ich finde ‚fremd‘ trifft es ganz gut.“ „Hmm, komisch. Ich finde ihn warm, aber vielleicht haben wir auch nur ein anderes warm-kalt-Verständnis. Warm, wie als ob man ihn in der Hosentasche hatte und ihn dann rausholt.“ „Nein. Ich finde, er ist kalt. So kalt, als ob er Ewigkeiten draußen gelegen hätte“, entgegnete Layla schaudernd und drückte Constantin das vermaledeite Ding wieder in die Hand. Als er sich den Stein stirnrunzelnd ansah, drehte sie sich weg und trat wie von selbst an den Esstisch heran. Sie wusste nicht warum, doch irgendetwas drückte sie weg von diesem seltsamen Stein mit dem Muster und zog sie näher zum Tisch. Sie ließ ein weiteres Mal ihren Blick über die verdorbenen Speisen schweifen, doch dieses Mal genauer. Nachdem Layla bestimmt zum dritten Mal über die alten Bratenknochen geschaut hatte, sah sie es. Es war weiß und schimmerte ein wenig. Nicht im Sinne von ‚sparkle-sparkle‘-glänzen wie Modeschmuck, sondern eher das Glänzen eines matten Fotos. Zögernd streckte Layla die Hand nach dem glänzenden, weißen Ding aus. Als sich ihre Finger darum schlossen, fühlte es sich angenehm kühl an. „Was ist los?“, hörte sie Constantin hinter sich sagen, doch sie antwortete nicht sondern, sah sich das weiße Ding genauer an. Es sah ähnlich wie der seltsame Stein von Constantin aus, aber nicht rund, sondern oval und flach mit einem kleinen Loch. Außerdem fühlte es sich nicht schwer an, sondern sehr leicht. Als wäre es gar nicht in ihrer Hand. Erst als sie es umdrehte, sah sie, dass auch ein verschlungenes Muster darauf geprägt war, und sog scharf Luft ein. „Sieht aus wie der Stein hier“, sagte Constantin ganz dicht neben Layla und sie zuckte zusammen. Unbemerkt war er neben sie getreten und hatte sich schräg über ihre Schulter gebeugt, um besser sehen zu können. Er zuckte mit den Schultern und sah sie entschuldigend an. „Ja, aber ein bisschen anders“, meinte Layla, als sie sich wieder gefangen hatte. „Der Stein hier ist oval und sehr leicht.“ „Der hier ist auch leicht.“ „Was? Nein! Der ist voll schwer!“ „Gib mal bitte her!“, forderte er und Layla ließ den Stein in seine Hand fallen. Nachdem er die Steine in den Händen gewogen hatte, schüttelte er den Kopf. „Nein. Der Weiße ist definitiv schwerer. Und auch noch eiskalt. Als würden einem die Finger abfrieren.“ Wie um es ihr zu bestätigen, legte er ihr beide Steine in die Hände. Sofort stellte sich in der Hand, in der der dunkle Stein lag, wieder dieses seltsam fremde Gefühl ein. „Okay, der Stein ist kühl, aber ich würde ihn nicht ‚eiskalt‘ nennen. Und der weiße Stein ist leichter“, meinte ich sofort. „Außerdem fühlt sich der dunkle immer noch komisch an. Der weiße fühlt sich… ‚richtig‘ an.“ „Wie wäre es wenn wir uns einigen, dass wir in diesem Punkt uneinig sind und jeder hält den Stein, den er besser findet?“ Nachdem sie nickte und ihm den dunklen Stein wiedergab, fuhr er fort: „Was ist mit den Mustern, Knoten, Runen, was-auch-immer?“ Layla hielt ihren Stein neben seinen und sie verglichen schweigend die schwungvollen, komplexen Muster. „Nein“, meinte sie nach einer Weile, „sie sind sich ähnlich, aber nicht gleich.“ Layla sah nur noch Constantins zustimmendes Gesicht, doch dann legte sich Dunkelheit von hinten um sie herum und alles war schwarz. Langsam drang das Sonnenlicht durch Laylas Lider und verdrängte die Dunkelheit und so auch den merkwürdigen Traum. Das Licht wurde immer heller und sie öffnete widerwillig ihre Augen. Als die Bilder, die sie wahrnahm, langsam in ihr Bewusstsein sickerten, sah sie ihr Zimmer, welches ein wenig in Chaos versank. Seltsam, wenn der erste Gedanke, den ich habe, wenn ich morgens aufwache, ist, dass ich mein Zimmer aufräumen sollte…Vor allem um halb acht morgens in den Ferien, fügte sie in Gedanken hinzu, als sie auf den Wecker auf ihrem Nachtschrank blickte. Unmut machte sich in ihr breit und sie drehte sich mürrisch in ihrem Bett herum. Layla zwang ihre Augen sich erneut zu schließen, doch der Schlaf wollte nicht zu ihr zurückkehren. Da sie nicht mehr einschlafen konnte, beschloss sie, dass sie ebenso gut aufstehen könnte. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett und streckte sich, wobei sich ein Ziehen in ihren Muskeln ausbreitete . Ich muss wohl falsch gelegen haben… Im Augenwinkel bemerkte Layla etwas Glitzerndes, doch als sie genauer hinschaute, sah sie nichts, was hätte glitzern können. Mit der Überzeugung, dass sie wahrscheinlich noch nicht vollständig wach war und sich seltsame, glitzernde Dinge einbildete, rieb sie sich die Augen und machte sich auf dem Weg in die Küche um etwas Essbares zu finden. Sie hatte aus ihr unverständlichen Gründen solch einen Hunger als hätte sie seit mindestens einem Tag nichts mehr gegessen. Als sie ihr Zimmer hinter sich ließ und auf die Holztreppe aus dunklem Holz mit bordeauxrotem Läufer trat, hörte sie Stimmen in der Küche. Haben wir Besuch? So früh am Morgen? Layla versuchte so leise wie möglich die Treppe hinunterzugehen und hielt am Treppenabsatz inne um festzustellen, ob sie sich in ihrem Schlafanzug in die Küche wagen konnte, oder es doch lieber bleiben lassen sollte. „…was hast du dir dabei gedacht?“, hörte sie ihren Vater aufgebracht sagen. „Es hätte weiß Gott was passieren können!“ „Ist es aber nicht“, antwortete eine Stimme, die Layla nicht zuordnen konnte. „Außerdem war es abzusehen, dass sowas auch bald ohne mein Zutun passiert wäre.“ Es folgte der übliche, grummelnde Laut ihres Vaters, der seinen Unmut ausdrücken sollte und anderweitig keinerlei kommunikativen Zweck erfüllte. „Clancy, gewisse Zeichen lassen sich nicht anders deuten oder ignorieren.“, fügte die fremde Stimme fürsorglich hinzu. „Ich weiß, aber es muss mir ja nicht gefallen…“, grummelte ihr Vater. „Weißt du, was sie…“ Während Layla das Gespräch belauschte, war sie ohne es zu merken immer weiter die Treppe heruntergegangen. Plötzlich verlor sie auf dem noch nicht ganz festgesteckten Läufer den Halt und rutschte die letzten Stufen unsanft und laut auf ihrem Hinterteil hinunter. „Autsch“, stöhnte sie. „Layla!“, rief ihr Vater entsetzt und kam aus dem Wohnzimmer gestürmt um ihr aufzuhelfen. „Ist dir was passiert?“, wollte er wissen und sah seine Tochter besorgt an. „Nein, ich denke nicht“, antwortete sie und strafte meine Worte Lügen, indem sie sich das Steißbein rieb. Ihr Vater führte sie durch das Wohnzimmer, in dem Phobos auf einem der Sessel saß , in die Küche und brachte sie dazu, sich auf einen der Stühle zu setzen. „Mit wem hast du geredet?“, wollte Layla wissen und griff nach der Cornflakesschachtel, die auf dem Tisch stand. Beim Anheben der Schachtel bemerkte sie eine Leichtigkeit, die sie nicht gutheißen konnte und schüttelte die Schachtel etwas. Sie hörte sich so leer an, wie sie sich anfühlte und auch ein Blick in ihr Innerstes stimmte Layla nicht fröhlicher. Erst jetzt im fortgeschrittenen Stadium ihres erfolglosen Unterfangens der leeren Packung noch ein paar Cornflakes zu entlocken, bemerkte sie, dass ihr Vater nicht geantwortet hatte. „Und?“ hakte sie nach und stand auf um sich eine Müslischüssel und eine neue Packung Cornflakes zu holen, welche ihre Bedürfnisse hoffentlich erfüllen konnte. „Mit jemandem von der Arbeit“ meinte er und wandte sich zum Kühlschrank um Layla die Milch zu reichen. „Der war dann aber schnell weg. Ich hab niemanden im Wohnzimmer gesehen.“ Er stockte etwas in der Bewegung, doch meinte schließlich: „Ich habe telefoniert und den Lautsprecher angehabt.“ „Ach so.“ Während Layla ihre Schüssel mit Cornflakes füllte, betrachte sie ihren Vater, der höchst unväterlich lässig am Kühlschrank lehnte. Dürfen Väter in seinem Alter so an Kühlschränken lehnen? Vor allem, wenn sie dabei Anzüge tragen? Mit seinen 1,83 war er weder groß für einen Mann noch klein. Obwohl er schon 48 war, ging sein rotes Haar immer noch nicht zur Neige und seine grünen Augen benötigten auch nur eine Brille mit wenigen Dioptrien zum Autofahren. Seinen Ehering trug er nicht mehr an der Hand sondern mit einer Kette um den Hals, doch stattdessen trug er einen Ring mit keltischen Knoten. Schlagartig fiel ihr auf, dass ihr Vater nicht wie jemand aussah, der stark auf die 50 zuging. Er sah immer noch so jung aus, wie der Mann, den sie in ihren Erinnerungen mit ihrer Mutter sah. Sah er die ganze Zeit so jung aus? Okay, wann habe ich zum letzten Mal genau hingesehen? Aber er sieht aus wie Anfang oder Mitte 30 und nicht Ende 40! Stirnrunzelnd betrachte sie ihn weiter; er sah ein wenig angespannt aus, aber ansonsten wirkte er wie immer. Waren seine Ohren schon immer so spitz? „Stimmt was nicht?“, fragte er besorgt. „Äh, nein. Ich frage mich nur gerade, warum du noch hier bist. Ich dachte, du musst arbeiten? Wir haben schon fast acht.“, meinte Layla ausweichend und sah auf die blaue Küchenuhr neben dem Kühlschrank. „Ja, muss ich jetzt auch. Wir sehen uns heute Abend“, sagte er. Er zögerte einen Moment, als wolle er noch etwas hinzufügen, verabschiedete sich dann doch schnell, indem er ihr durch die ohnehin in alle Richtungen abstehenden Haare wuschelte. Während sie aß, musste Layla an den seltsamen Traum denken, den sie diese Nacht gehabt hatte, der so jedoch unglaublich real gewesen war. Sie hatte geträumt, sie sei Phobos in den Wald zu einer alten Hütte gefolgt, in der sie auf einen Jungen getroffen war. Wie hieß er noch gleich? Cornelius? Nein. Conrad? Nein, auch nicht. Naja, ist ja auch nicht so wichtig. Auf jeden Fall konnte Phobos zwar die Hütte verlassen, aber der Junge und sie saßen immer noch fest. Sie hatten irgendwas gefunden und dann war sie aufgewacht. Seltsamer Traum. Nachdem sie gefrühstückt hatte, stellte sie ihr Geschirr in die Spüle und machte sich wieder auf den Weg in ihr neues Zimmer zu ihrem ebenfalls neuen Bad. Als sie im Flur an der Telefonstation vorbei kam, steckte das Telefon in der Station. Wann hat er es denn zurückgesteckt? In Gedanken ging sie die Möglichkeiten durch, doch sie kam nicht auf die Lösung. Schulterzuckend setzte sie ihren Weg die Treppe hoch fort, wobei ihr ihr Steißbein bei jeder Stufe erneut ihre Ungeschicklichkeit ins Gedächtnis rief. In ihrem Zimmer angekommen, stöhnte Layla schon allein bei dem Anblick der schmutzigen Kleidung, die sich auf dem Sessel türmte. Das bedeutete: Wäsche waschen. Layla hasste Wäsche waschen und alles, was mit Wäsche zu tun hatte. Ohne einen weiteren Blick auf das restliche Chaos in ihrem Zimmer zu werfen, ging sie zu ihrem Schrank und griff sich irgendein T-Shirt, eine Jeans und was man noch so an frischer Wäsche brauchte. In ihrem Bad angekommen, entkleidete sie sich schnell und sprang unter die Dusche. Als der heiße Strahl auf ihre Schultern traf, zuckte sie zurück, denn es brannte höllisch. Sie drehte das Wasser ab und untersuchte ihre Schultern so gut es ging. Sie hatte auf beiden Schulterblättern Abschürfungen. „Wo kommen die denn her?“, fragte sie sich selbst verwirrt. Glücklicherweise gab ihr niemand eine Antwort. Als Layla sich weiter untersuchte, fand sie weitere Abschürfungen an den Beinen, vor allem den Knien; außerdem hatte sie einen großen blauen Fleck an der Hüfte. Sie konnte sich aber keinen Reim darauf machen, wie sie zu diesen Verletzungen gekommen war. Bin ich unter die Schlafwandler gegangen? Es sei denn… Ach, Quatsch! Von ihr selbst irritiert stellte sie das Wasser wieder an und zuckte diesmal nicht weg, da sie wusste, was sie zu erwarten hatte. Layla stand eine Zeit lang einfach nur verwirrt und in Gedanken versunken unter dem Strahl, ohne sich wirklich aktiv zu waschen. Sie starrte die Kabinenwände und die Muster, die das Wasser auf ihnen bildete, an. Eines der Muster irritierte sie. Der Pfad, den das Wasser wählen sollte, war vor ihrem inneren Auge wesentlich harmonischer, als das, was sie in Wirklichkeit sah. Sie starrte weiterhin auf die Stelle, wie um sie zu zwingen sich zu verändern. Und dann, nach einer Weile intensiven, frustrierten Starrens, geschah es. Das Wasser änderte seine Bahn und floss in dem Muster die Kabinenwand hinunter, das sich in ihrem Kopf gebildet hatte. Sie rieb sich die Augen, um noch einmal hinzusehen. Tatsächlich, ein anderes Muster. Wieder einmal verwirrt an diesem Morgen, aber grinsend , machte sie sich endlich daran sich zu waschen. Nachdem sie sich abgetrocknet und angezogen hatte, schnappte Layla sich ihre Zahnbürste und fing an, Zähne putzend ihr Bad zu schrubben. Es lebe die multitaskingfähige Frau! Als Layla ihr nun sauberes Bad verließ, verließ sie nun im Gegenzug ein wenig ihr Elan. Ihr Schreibtisch war mal wieder überfüllt mit allem möglichen Kram, der Boden hätte gesaugt werden können, nicht zu vergessen die Regale waren staubig und dann… die WÄSCHE. Um das Schlimmste gleich hinter sich zu bringen, nahm sie den Haufen Kleidung und trug ihn runter in den Waschkeller. Beim Sortieren der Wäsche fiel ihr auf, dass ihr schwarzer Rock einen Riss in der Spitze hatte. Da muss ich wohl irgendwo hängen geblieben sein… und mich auf dem Boden gewälzt haben. Der ist ja voller Staub! Stirnrunzelnd stopfte sie den Rock zu den anderen schwarzen Kleidungsstücken in die Trommel. Wieder in ihrem Zimmer angekommen, band sie sich nur schnell die Haare zusammen und scheuchte Phobos aus dem Zimmer. „Guck mich nicht so an, ich muss hier sauber machen, da kann ich keinen Kater dazwischen gebrauchen“, meinte sie nur streng und er sah sie vorwurfsvoll an. Irgendwie sieht er anders aus…überlegte sie …war er schon immer so groß, schlank und geschmeidig? Hauskatzen haben doch normaler Weise keine Schulterhöhe von bestimmt 35 Zentimetern, oder? Außerdem sind die Ohren von anderen Katzen doch auch nicht so spitz und haben kleine Büschel an den Enden wie Luchse, oder? Ich frage mich gerade, was für eine Rasse er eigentlich ist… Ich sollte Papa nachher mal fragen… „Los, du Riesenkater, beweg dich“, scheuchte Layla ihn fort, doch bevor er das Zimmer verließ, sah er sie noch einmal verwirrt an. Habe ich gerade gedacht, dass mein Kater mich verwirrt angeschaut hat? Was ist denn heute los mit mir? Kopfschüttelnd räumte sie die Playstation in das Fernsehtischchen, um zu saugen. Nachdem auch das erledigt war, kümmerte sie sich im ihren Schreibtisch und zum Schluss um die Regale. Gerade blies sie sich eine rote, lockige Haarsträhne aus dem Gesicht, als sie etwas Seltsames in der obersten Regalreihe ertastete. Es fühlte sich angenehm kühl und leicht an, als sie es anhob. Sie betrachtete es genauer: Es war weiß, oval und sah aus wie einer dieser geschliffenen Steine, die man um den Hals tragen konnte Aber das ist kein Stein, oder? Sie schaute noch genauer hin und schnappte überrascht nach Luft. Das ist ein Knochen! Seit wann hab ich einen Knochenanhänger? Mit ihrer nächsten Handlung fiel Layla schlagartig wieder ein, wie sie zu den schmerzenden Muskeln und den Abschürfungen gekommen und wie ihr Rock so zu zugerichtet worden war. Layla drehte den Knochen um und erblickte wieder dieses unbekannte Runenmuster auf der anderen Seite. „Scheiße.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)