HOLLOW II von Creep (Bad Moon Rising) ================================================================================ Kapitel 1: 1095 --------------- Überaschung! HA! Ich weiß genau, dass hiermit KEINER von euch gerechnet hat. Ein neues, langes, unangekündigtes Kapitel MIT Inhalt! Einige werden sich sicher gefragt haben, wieso zur Hölle ich jetzt ein halbes Jahr lang nichts mehr geschrieben habe. Das lag zum einen daran, dass mein geliebstes Notebook vom Flexing-Fehler dahin gerafft wurde. Zum anderen hat mich mein Leben in den letzten paar Monaten permanent gefickt. Allerdings hat das Leben vergessen, dass ich wesentlich besser im Bett bin. Momentan ziehe ich mich also mehr oder minder an den eigenen Haaren aus der Scheiße und dieses Kapitel ist nach sechs Monaten, in denen ich wirklich NICHTS zu Stande bringen konnte, ein wahres Wunder. Genug des Gesülzes. Ich hoffe es gefällt euch. Seid unbesorgt, die nächsten Kapitel werden kein halbes Jahr lang in der Mache sein! ;D Achja. Hier noch der passende Song: Nine Inch Nails - Dead Souls http://www.youtube.com/watch?v=3PDZC38doDM Tolles Stück übrigens. Ein Hoch auf Trent Reznor! enjoy ♥ *-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-* Universität der Bildenden Künste, Campus ... Buntes Laub fiel langsam und lautlos von den Bäumen. Der Wind trug ein vereinzeltes Blatt eine Weile durch die nass-kalte Luft, nur um es dann genau vor den Füßen eines augenscheinlich jungen Mannes wieder fallen zu lassen. Das Blatt fiel auf den Boden und blieb dort, seiner Natur vollkommen gemäß, liegen. Hizumi schenkte dem einsamen Blatt keinerlei Beachtung. Stattdessen schlug er die Seite seines mitgebrachten Buches um. Angestrengt versuchte er sich auf die Geschichte des Impressionismus zu konzentrieren, doch irgendwie konnten weder Farbmodule noch Kompositionslinien zu seinem überstrapazierten Gehirn vordringen. Hizumi gab schließlich auf und klappte das Buch mit einem lauten Seufzer zu. Er blickte sich auf dem Campusgelände um. Kaum eine Menschenseele war zu sehen, nur einige vereinzelte Studenten huschten, angesichts der Herbstkälte bereits dick vermummt, über die Kieswege in Richtung Universitätsgebäude. Gerade als Hizumi Anstalten machte, sich zu erheben, bemerkte er einen Blick im Nacken. Langsam drehte der junge Vampir sich um und sah in die Augen einer kräftig gebauten Brünetten. Das Mädchen blinzelte ertappt und lief rot an. „Ähm. Entschuldigen Sie die Störung.“, brachte sie stammelnd hervor. Hizumi erhob sich und schenkte der Studentin ein Lächeln. „Keine Panik, du störst nicht. Was gibt’s denn?“, fragte er so freundlich wie möglich, in der Hoffnung, sein Gegenüber ein wenig beruhigen zu können. „Ich- wollte nur fragen, wann genau wir jetzt diese Hausarbeit abgeben müssen.“, kam die gestotterte Antwort. „Nächste Woche Montag.“ „Achso, gut. Danke.“ Mit diesen Worten verschwand das Mädchen mit einer nicht zu verachtenden Geschwindigkeit. Hizumi runzelte die Stirn und sah seiner Schülerin kopfschüttelnd nach. Während er in aller Ruhe zum Universitätsgebäude zurück schlenderte, versuchte er sich zu erinnern, welche seiner Vorlesungen diese soeben Hals über Kopf verschwundene Gesprächspartnerin überhaupt besuchte. Ihr Gesicht war ihm völlig fremd gewesen. Auch das scharfe Nachdenken brachte nichts außer zusätzlicher Verwirrung. In Momenten wie diesen war Hizumi froh über sein selbst entworfenes Korrektursystem. Da er momentan mehrere Vorlesungen für verschiedene Kurse hielt, konnte es leicht passieren, dass man bei dieser Vielzahl von Menschen und Themen, was die Hausarbeitskorrektur betraf, durcheinander kam. Hizumis Methode das zu vermeiden war genauso simpel wie sie wirkungsvoll war. Er wies schlichtweg alle seine Schüler dazu an, ihre Arbeiten an einem Montag abzugeben. So war die Gefahr einzelne Arbeiten, oder gleich einen ganzen Kurs, zu vergessen fast nichtig. Dies war nur einer von vielen kleinen Kniffen, die sich Hizumi in seinem dritten Jahr als Dozent, oder viel mehr Universitätsprofessor an der staatlichen Akademie für Bildende Künste, ausgedacht hatte. Das dritte Jahr. Das dritte Jahr, das er hier, an einer ihm bis dahin fremden Einrichtung verbrachte, das dritte Jahr, in dem er nicht mehr als Student, sondern als Professor im Hörsaal saß. Das dritte Jahr allein. Drei Jahre. Das waren ganze eintausendfünfundneunzig Tage. 1095 in Zahlen. 1095 Tage. Potenzierte Einsamkeit. Noch bevor Hizumis Gedanken in weitere Untiefen abschweifen konnten, rief er sich selbst zur Ordnung. Es machte keinen Sinn noch weitere Augenblicke an Vergangenes zu verschwenden. Vergangenheit blieb vergangen, so sehr diese Erkenntnis auch schmerzen mochte. Hizumi warf einen flüchtigen Blick auf seine Uhr. Es war kurz vor zwei. Um zwei begann seine Vorlesung. Der Brünette schüttelte die erneut aufkeimenden Erinnerungen ab, straffte sich und begab sich in die sterilen Hallen der Lehranstalt. Karyus Wohnung, ca. 14.00 Uhr ... Im Schlafzimmer herrschte vollkommene Stille. Nur die zerwühlten Bettlaken auf dem Boden ließen auf die Ereignisse der letzten Nacht schließen. Auf dem Bett lag bäuchlings eine Person, die sehr leise und sehr zufrieden vor sich hin schnarchte. Vollkommen unbemerkt wurde die Schlafzimmertür geöffnet. Eine zweite Person betrat langsam und auf Zehenspitzen das Zimmer und näherte sich vollkommen lautlos dem Bett mitsamt Inhalt. Schmale Hände strichen vorsichtig einige Blonde Haarsträhnen zur Seite. Der Schlafende schien von alledem nichts mit zu bekommen. Die Hände fanden ihren Weg in eine gewisse Jackentasche und beförderten zwei kleine würfelartige Gebilde an Tageslicht, die in Sekundenschnelle im hinteren T-Shirtkragen des Liegenden verschwanden. Genau drei Komma fünf Sekunden später ertönte ein markerschütternder Schrei und Karyu fiel mit einem lauten Aufprall aus dem Bett. Noch in der Verwirrung stiftenden Phase des allmorgendlichen Dämmerzustandes gefangen, versuchte er extrem hektisch die beiden Eiswürfel aus seinem Oberteil zu schütteln. Dieser Vorgang gestaltete sich schwerer als erwartet, doch irgendwann löste sich das Problem wie von selbst, indem das Eis schmolz und nun nichts weiter zurück blieb, als ein großer Wasserfleck auf Karyus Oberteil. Vollkommen zerzaust und ziemlich durchnässt starrte der Blonde zum Bett, auf dem der Eiswürfel werfende Eindringling saß und zufrieden lächelte. „Guten Morgen, Sonnenschein.“, sagte Zero und hob grüßend die rechte Hand. „Du...“, murmelte Karyu leise und schälte sich aus seinem klebrig-nassen T-Shirt. „Du!“, wiederholte er noch einmal, diesmal allerdings wesentlich lauter, die Stimme erfüllt von blankem Hass. Mit einem schnellen Satz war Karyu vom Boden aufs Bett, oder viel mehr auf die dort sitzende Person, gesprungen. „Du blöder Penner kommst hier am frühen Morgen in meine Wohnung spaziert und wirfst mit scheiß Eiswürfeln! Hast du kein Leben oder was!?“, wetterte Karyu und schwang sich breitbeinig auf Zeros Brust, um diesen so bewegungsunfähig zu machen. Der Kleinere grinste breit und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Karyu, wir haben zwei Uhr mittags. Das ist selbst für dich-“ Weiter kam der Jüngere nicht, denn ein nasses Stück Stoff wurde ihm ins Gesicht gepresst. „Ist mir scheiß egal wie viel Uhr es ist, man!“ Karyu blickte reichlich mordlüstern auf sein Opfer hinunter. „Das wirst du büßen!“, zischte Karyu. „Hmpf!“, machte Zero. Gerade als Karyu ausholte, um seinen vermeintlichen Freund und „Arbeitskollegen“ bis aufs Blut durch zu kitzeln, räusperte sich jemand in der Nähe der Tür. Irritiert wandte Karyu den Blick von Zero ab und starrte zur Schlafzimmertür. Im Türrahmen stand die Person, die Schuld an seinem Schlafmangel hatte. „Darf man fragen was hier los ist?“, fragte die attraktive Blondine mit den wohlgeformten Brüsten und musterte Karyu. Der gab in der Tat ein eher bedenkliches Bild ab. Immerhin saß er, nur mit einem Paar schwarzer Boxershorts bekleidet, auf einem fremden Kerl, der wiederum murrend auf dem Bett lag und drückte ihm ein nasses Stück Stoff ins Gesicht. „Ähm.“, war Karyus wenig geistreicher Kommentar zur eben gestellten Frage. „Das ist doch krank. Echt mal. Das ist vollkommen krank!“, keifte die Blonde und schüttelte angewidert den Kopf. „Ey. Stop mal! Ayu-...Aya-... Dingsbums! Nein warte! Scheiße, wie heißt du noch gleich?“ Auf Karyus Gesicht machte sich Verzweiflung breit und die gerade aufsteigende Depression veranlasste ihn sogar dazu, den Griff um Zeros Hals ein wenig zu lockern. Der nutzte Karyus kurzen Schwächeanfall und befreite sich von dem nassen Oberteil. „Guten Morgen.“, sagte er höflich in Richtung Tür und winkte. „Krank ist das!“, keifte es zurück. „Jetzt lass mich doch mal erklären!“ „Krank!!“ Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss und Aya-Dingsbums entfernte sich. Mit einem weiteren, diesmal gedämpften Krachen, wurde auch die Haustür gewaltsam geschlossen. Nun herrschte Stille und Karyu glotzte ungläubig auf den Fleck, an dem eben noch seine momentane Bettgeschichte gestanden hatte. Plötzlich brach etwas die dramatische Stille des Momentes. Zuerst nur ein leises, rhythmisches Schnauben. Das Schnauben entwickelte sich zu einem Glucksen und mutierte schließlich und endlich zu einem nicht zu verachtenden Lachanfall. Vollkommen überfordert lenkte Karyu seinen Blick auf Zero, der immer noch unter ihm lag und hemmungslos lachte. Ein seltener und gerade darum etwas befremdlicher Anblick. „Wenn du nicht schon tot wärst, würde ich dich dafür jetzt umbringen.“, murmelte Karyu matt und erhob sich ächzend. Er verließ das Zimmer mit einem Genuschel, dem man mit etwas Fantasie die Worte „Arsch“, „Gulasch“ und „schwul“ entnehmen konnte. Sagas/Tsukasas Wohnung ... Saga lag auf dem Sofa und schwebte irgendwo zwischen Wachkoma und tödlicher Langeweile. Er warf einen Blick aus dem Fenster und stellte fest, dass einige vereinzelte Regentropfen vom Himmel fielen. „Wieso regnet es in letzter Zeit eigentlich ständig?“, fragte er leise in den Raum leeren Raum. „Weil wir Herbst haben, darum.“, folgte die unerwartete Antwort. Saga drehte sich etwas erschrocken zur Tür. Ihm war vollkommen entgangen, dass noch eine zweite Gestalt den Raum betreten hatte. „Seit wann bist du zurück?“ Saga stand auf um seinen älteren Bruder zu begrüßen, der im Flur herum stand und sich gerade seines schwarzen Mantels entledigte. „Seit ungefähr einer Minute.“ Tsukasa hängte den Mantel an die Garderobe und machte sich nun daran, die dunkelbraunen Combat-Stiefel aufzuschnüren, die seine Füße vor dem toxischen Dreck der Großstadt schützen sollten. „Du siehst müde aus.“, bemerkte er mit einem kurzen Blick in Sagas blasses Gesicht. „Bin ich auch.“, gab dieser Schulter zuckend zu. „Gestern Abend ist es spät geworden. Außerdem hab ich Hunger.“ Tsukasa nickte verstehend, warf die Schuhe in eine Ecke und begab sich in die Küche. Saga folgte ihm auf dem Fuße. Mit einem leisen Rascheln stellte Tsukasa seine mitgebrachte Umhängetasche auf den Küchentisch und zog einen mit Blut gefüllten Plastikbeutel heraus. Ein weiterer folgte, dann noch einer und noch einer. Schließlich lagen insgesamt zehn Blutkonserven auf dem kleinen IKEA-Tisch. „Bitte schön, frisch vom Fass, wenn man so will.“ Tsukasa grinste schief und ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen. Aus seinen Augen sprach die pure Erschöpfung. „Ich könnte jedes mal kotzen, wenn ich neues Blut besorgen gehe. Auch nach all den Jahren noch.“, murmelte er und starrte auf die dunkelrote Flüssigkeit, die fast schon zäh und vollkommen bewegungslos in den Beuteln lag. „Tsukasa, mach dich nicht verrückt deswegen. Es sind Blutspenden, nichts weiter.“, versuchte Saga, der nun ebenfalls am Tisch Platz genommen hatte, zu argumentieren. „Ja, Blutspenden, die für sterbenskranke Menschen vorgesehen sind. Dieses Blut soll Lebende vor dem Tod bewahren und nicht Tote am Leben erhalten.“ Während Tsukasa sprach bildete sich zwischen seinen Augenbrauen eine Falte. Saga kannte diese Falte nur zu gut. Sie entstand immer dann, wenn Tsukasa von Gewissensbissen geplagt wurde. Das schien in den letzten Wochen sehr oft der Fall gewesen zu sein. „Und was glaubst du bringt dir dein schlechtes Gewissen jetzt?“, fragte Saga in die beklemmende Stille die sich über den kleinen Raum gelegt hatte hinein. „Nichts, das ist ja das Beschissene daran.“ Tsukasa erhob sich und warf Saga eine Blutkonserve zu. „Hier, iss was. Du kannst es gebrauchen, so wie du momentan aussiehst.“, sagte er und ging. „Tsukasa, warte! Willst du nichts?“ „Ich hab keinen Hunger.“ Saga blinzelte und schaute zuerst auf den leeren Stuhl, auf dem sein Bruder bis eben gesessen hatte. Dann wanderte sein Blick zu der Blutkonserve auf seinem Schoß. Mit einem tiefen Seufzen nahm er den Plastikbeutel in die Hand und riss das dünne Material an einer der vier Ecken mit den Zähnen auf. Der Geruch von kaltem Blut stieg ihm in die Nase und vernebelte seine Sinne. Gierig setzte er den Beutel an die Lippen und trank den gesamten Inhalt in einem einzigen Zug. Während Saga seinen Blutdurst stillte, saß Tsukasa auf seinem Bett und starrte Löcher in die gegenüberliegende Wand. Sein Körper fühlte sich schwer und träge an und auch seine Gedanken flossen nicht so schnell wie sonst, sondern zogen nichts weiter als träge Schlieren, während sie sich unaufhörlich im Kreis drehten. Für einen kurzen Moment dachte Tsukasa über sein bisheriges Leben nach. Zog man ein Résumé aus diesen fünfundzwanzig gelebten Jahren, wurde schnell klar, dass keines der gesteckten Ziele je wirklich erreicht worden war. Bezog man die sechs Jahre als Untoter mit ein, verfestigte sich diese Erkenntnis. Es war offensichtlich, dass Tsukasa unter der momentanen Situation litt. Bevor er sich jedoch in diesen speziellen Gedanken vertiefen konnte, öffnete sich leise die Tür und Sagas hell braune Augen schauten ihn sorgenvoll an. „Du musst was essen, Tsukasa.“, sagte er leise und setzte sich zu seinem Bruder auf die Bettkante. Der Ältere schüttelte nur vehement den Kopf. Diese Reaktion löste bei Saga ein genervtes Seufzen aus. „Das Thema haben wir in den letzten Jahren schon geschätzte zehntausend Mal diskutiert. Es bringt keinem von uns was, wenn du jetzt schon wieder anfängst die Nahrung zu verweigern. Du weißt wie es das letzte Mal ausgegangen ist.“ Saga schwieg für einen Moment und musterte Tsukasa eindringlich. „So was kann und will ich nicht noch mal miterleben.“, fügte er schließlich leise hinzu. Er hielt Tsukasa eine Blutkonserve vor die Nase. „Jetzt mach schon.“ Schweigend nahm der Ältere die Konserve entgegen, riss sie auf und setzte sie an die Lippen. Tsukasas Bewegungen wirkten seltsam mechanisch und als der letzte Tropfen Blut in seiner Kehle verschwunden war, warf er den leeren Beutel auf den Fußboden. Eine Weile saßen die beiden Geschwister stumm nebeneinander und lauschten dem Regen, der nun mit einem ungleichmäßigen Prasseln auf das Dachfenster über dem Schreibtisch aufschlug. „Geht's dir jetzt besser?“, fragte Saga schließlich im Flüsterton. Tsukasa nickte stumm. Karyus Wohnung ... Mit einem leisen Piepen machte die Kaffeemaschine auf ihr vollendetes Werk aufmerksam. Sorgfältig und genau darauf bedacht, keinen einzigen Tropfen dieses magischen Getränks zu verschütten, entfernte Karyu die Tasse aus der Halterung. Er setzte sich an den Tisch, nahm einen tiefen Schluck Kaffee und ignorierte Zero, der ihm gegenüber saß. „Karyu, es gibt Arbeit.“, sagte Zero knapp und schielte kurz nach der Kaffeetasse, die sich momentan in seinem direkten Blickfeld befand. „Vergiss es. Leute wie du bekommen von mir keinen Kaffee.“, knurrte Karyu und umklammerte seine Tasse mit beiden Händen. Eine kurze aber heftige Welle der Enttäuschung überschwemmte Zeros gelassene Züge. „Selber Schuld. Du hättest mich auch liebevoller wecken können! Möglichst ohne meine momentane Freundin zu verschrecken!“ Zeros rechte Augenbraue hob sich wie durch Zauberhand. „Deine Freundin?“ „Ja, meine Freundin.“ „Karyu.“, begann Zero geduldig. „Du wusstest nicht mal ihren Namen. Das ist im Normalfall die Mindestvoraussetzung für eine Beziehung, weißt du?“ „Ach scheiß doch auf ihren Namen! Hast du dir mal ihre Brüste angeguckt? Bei dem Anblick streikt das Gehirn! Also ihre Brüste, die waren-“ „Ganz wunderbar, ja. Wunderbare Brüste, wirklich.“, unterbrach Zero sein Gegenüber, das gerade voller Euphorie begonnen hatte ein paar Brüste pantomimisch darzustellen. „Aber jetzt mal weg von Brüsten und hin zum Problem.“ Schmollend lies Karyu die Hände sinken und schlürfte provokant laut seinen Kaffee. Zero ignorierte diese Geste gekonnt. „Das Problem ist folgendes: Jemand ist verschwunden.“ „Aha. Und was haben wir damit zu tun? Es verschwinden ständig irgendwelche Menschen.“ „Ich rede nicht von Menschen, ich rede von Clanmitgliedern.“ Bei dieser Aussage wurde Karyu hellhörig. „Wer?“ „Yuuto, der Typ mit dem Waffenladen. Du erinnerst dich?“ Karyu dachte angestrengt nach. Irgendwo in seinem Hinterkopf klingelte es. Allerdings war das dazugehörige Glöckchen überdeckt mit dem Gedanken an den weiblichen Körper und seine Vorzüge. Karyu schüttelte kurz den Kopf, und prompt rollte der imaginäre Frauenkörper zur Seite und zum Vorschein kam das Bild eines hageren Mittdreißigers, der eine besondere Liebe zu Schuss- und Stichwaffen aufwies. „Ja, da klingelt was.“, sagte Karyu wahrheitsgetreu. „Ok, also der Kerl ist verschwunden. Das kann vorkommen, vielleicht hatte er genug vom Leben, oder hat sich irgendwohin abgesetzt.“ Zero schüttelte den Kopf. „Nein. Tot ist er definitiv nicht, das hätte ich gemerkt. Seine Gedankenströme sind noch wahrnehmbar.“ „Alles klar, also schon mal nicht tot. Aber was dann?“ „Wir befürchten, dass er das Land verlassen hat und Informationen an gewisse radikale Organisationen weiter gibt.“ Karyu ließ die Kaffeetasse sinken. „Woher willst du das wissen?“ „Wir sind schon seit einigen Tagen an diesem Vorfall dran und waren nicht ganz untätig. Es gibt Daten über einen gebuchten Flug nach Sankt Petersburg. One Way, wohlgemerkt. Er plant also nicht zurück zu kommen. Außerdem sind sämtliche Konten leer geräumt und die dazugehörigen Kreditkarten vernichtet. Er will also scheinbar nicht, dass man ihn durch Kontoabbuchungen oder Ähnliches findet. Wir waren in seiner Wohnung und haben mit dem Vermieter gesprochen. Er hat den Mietvertrag gekündigt, aber sämtliche Möbel und persönliche Gegenstände da gelassen. Scheinbar hat dieser Freak die ganze Sache schon länger geplant.“ In Karyus Augen, die Zero bis zum letzten Wort des Lageberichtes emotionslos angeschaut hatten, flackerte etwas auf. „Ich will mindestens drei Einheiten haben die sich um ihn kümmern. Sämtliche Schläfer in und um Moskau herum sollen aktiviert werden. Wenn die ihn aufgabeln, dann wird die Ratte zurück nach Tokyo gebracht, ich werde mich dann persönlich um ihn kümmern.“, begann Karyu mit angespannter Stimme. „Und wenn ich den Wichser in die Finger bekomme, dann schlitz ich ihn auf und lass ihn seine Eingeweide fressen.“ „Drei Scharfschützen und ein Profiler sind momentan schon auf dem Weg nach Moskau, die Schläfer sind auch schon benachrichtigt. Er wird nicht weit kommen, denke ich. Selbst wenn er sich außerhalb von Moskau mit irgendeinem Informanten trifft kriegen wir ihn. Wir haben einige sehr begabte Seher da unten sitzen. Verschwendet er auch nur den kleinsten Gedanken an verräterische Infos, dann finden sie ihn.“ „Sorg dafür, dass der Rat heute Abend zusammen kommt. Wir müssen den Mistkerl stoppen, sonst kann es ungemütlich werden. Sollten interne Informationen an den verdammten Orden gelangen, sind wir geliefert. Dann suchen die sich hundert prozentig irgendwelche daher gelaufenen Krawallmacher und versuchen sich unser Revier unter den Nagel zu reißen.“ Zero nickte. „Ja, die Befürchtung habe ich auch. Ich sage das nur ungern, aber wir sollten aufrüsten. Im übertragenen Sinne. Unsere Leute sollten wissen, dass es im schlimmsten Fall mächtig Ärger geben kann. Wir müssen vorbereitet sein.“, zog Zero in Erwägung. Karyu schien angestrengt zu überlegen. „Ich bin dafür, dass wir vorerst nur den internen Kreis informieren. Jeden, der irgendwie behilflich sein kann was konkrete Verteidigung betrifft. Wenn wir jetzt noch eine Massenpanik auslösen, können wir gleich das Handtuch werfen. Wir sind zwar verdammt viele, aber wenn wir nicht alle eine geschlossene Einheit bilden, dann ist es für die Russen kein Problem uns fertig zu machen.“ Zero wiegte den Kopf hin und her, dann entschied er sich zu einem Nicken. „Wie du meinst. Ich werde allen Bescheid geben.“ Er erhob sich und schob den Stuhl zurück an den Tisch. „Wir sehen uns ja dann heute Abend.“ Zero klopfte Karyu flüchtig mit der Hand auf die Schulter und verschwand kurz darauf nach draußen, hinein in den Herbstregen. Karyu blieb zurück und starrte verbissen in seine Kaffeetasse. Heute war wieder einer dieser Tage. Ein Scheißtag. Erst wurde man unsanft geweckt, dann hielt die Freundin einen für schwul und im nächsten Moment entpuppte sich ein langjähriges Clanmitglied als Informant des Feindes. Außerdem regnete es. Beschissen. Karyu stürzte den restlichen Kaffee hinunter. Dann schlurfte er ins Badezimmer, um sich den restlichen Schlaf aus den Zügen zu waschen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)