Das verschwundene Volk von JoeyB (Winterwichteln 09/10) ================================================================================ Kapitel 1: Das verschwundene Volk --------------------------------- Das verschwundene Volk Der Planet schien unbewohnt zu sein. Bis auf die kleinen Punkte in der näheren Umgebung zeigte der Scanner keine Lebenszeichen an. Die Anzahl passte zur Besatzung, also würden sie wenigstens keinen unwillkommenen Besuch bekommen. Das Raumschiff war auf kargem Fels gelandet, was den ohnehin schon zertrümmerten Rumpf noch mehr in Mitleidenschaft gezogen hatte. Jetzt, da sie den Kreuzer von außen betrachteten, schien es ein Wunder zu sein, dass es nur zwei Tote gegeben hatte – glücklicherweise Wraith. Dafür steckten sie jetzt hier fest. Um sie herum erstreckte sich unfruchtbares Ödland. Nur vereinzelte, fremdartig wirkende Bäume und kleine Insektenschwärme ließen auf Leben schließen. Zwei Sonnen erhellten den Planeten. Glücklicherweise befanden sie sich offenbar beide in einer sicheren Entfernung, sodass die Temperatur erträglich war. Warm, aber noch nicht unangenehm. Sie hatten schon an schlimmeren Orten festgesessen. „Verdammt!“ Mit einem Klatschen machte Dr. Rodney McKay sein bisher schweigendes Team auf sich aufmerksam. „Das verfluchte Biest hat mich gestochen!“ „Die haben jetzt lange genug diskutiert.“ John Sheppard runzelte die Stirn und sah zu der Gruppe Wraith, die sich um ihren Kommandanten versammelt hatten. „Wir sollten endlich mit Todd reden.“ „Was, wenn es giftig war?“, fragte Rodney und fühlte vorsichtig über seine Wange. „Ich meine... Das war ein Weltrauminsekt! Vielleicht werde ich gelähmt oder verstumme... oder sterbe sogar!“ „Ja“, leistete Ronon seinen Beitrag zur Unterhaltung und verschränkte die Arme vor der Brust, während er mit leicht verengten Augen die Wraith musterte. „Das... war jetzt hoffentlich an Sheppard gerichtet“, murmelte sich Rodney selbst zu und wandte sich an Teyla: „Wir hätten einen Arzt mitnehmen sollen. Schwillt die Wange schon an?“ „Rodney“, sagte Teyla bemüht geduldig. „Sie haben nichts.“ „Und wenn doch“, murrte John, „dann wäre das auch nicht weiter tragisch.“ „Ha ha“, sagte Rodney trocken. „Wenn ich gleich tot umfalle, werden Sie für immer ein schlechtes Gewissen haben.“ „Werd' ich wohl mit leben müssen“, meinte John und ging ein paar Schritte auf das Raumschiff zu. „Hey!“, machte er die Wraith rufend auf sich aufmerksam. Er drehte sich zu seinem Team: „Mal schauen, wie schlimm es aussieht.“ „Sehr schlimm“, warf Rodney ein und folgte ihm zu der Gruppe. „Wir sind mit einem Haufen Wraith auf einem unbewohnten Planeten, vermutlich ohne Stargate, gelandet! Das Raumschiff ist im Eimer und etwas hat auf uns geschossen!“ Zwei Gestalten lösten sich aus der Gruppe und kamen auf sie zu. An den spitzen Zeichnungen im Gesicht erkannten sie Todd, den Kommandanten des beschädigten Wraith-Kreuzers. Neben ihm lief ein etwas kleinerer Wraith, dessen linkes Auge eine abgerundete Tätowierung zierte. Er hatte sich ihnen als Leiter der Techniker auf Todds Schiff vorgestellt. „Todd und Billy kommen“, stellte John fest und blieb stehen. Er wollte diese Unterhaltung offenbar nicht vor den anderen Wraith führen, sondern in sicherer Entfernung. „Billy? Seit wann heißt er...?“ Rodney unterbrach sich selbst. „Ach, vergessen Sie es. Warum rege ich mich eigentlich noch darüber auf?“ Er tastete erneut vorsichtig seine Wange ab, als befürchtete er, es könne jeden Augenblick ein ausgewachsener Käfer daraus hervorbrechen. Ronon blieb zwei Schritte hinter ihnen stehen und sah betont desinteressiert in die andere Richtung. Bei genauerer Betrachtung fiel jedoch schnell auf, dass seine rechte Hand auf dem Griff seiner Pistole lag. „Das Schiff ist nicht flugfähig“, erklärte Todd, sobald er und Billy die Menschen erreicht hatten. „Und um das festzustellen, mussten Sie eine halbe Stunde lang diskutieren“, merkte John sarkastisch an und ließ den Blick zu dem Kreuzer gleiten, den die Wraith nur mit Mühe hatten landen können. „Wie lange brauchen Sie für die Reparatur?“, fragte Teyla und warf John einen kurzen vorwurfsvollen Blick zu. Momentan waren sie ganz offensichtlich von Todd und seiner Mannschaft abhängig, deshalb schienen ihr sarkastische und feindselige Bemerkungen unangebracht zu sein. „Meine Techniker gehen von mindestens einer Woche aus“, erwiderte Todd, der offenbar beschlossen hatte, Johns Kommentar auf sich beruhen zu lassen. „Wissen Sie schon, wie das passieren konnte?“, fragte Teyla weiter. Todd und Billy tauschten einen undefinierbaren Blick aus, bevor Todd schließlich sagte: „Sie standen genau neben mir, als wir beschossen wurden.“ „Von einer Weltraummine“, meldete sich Rodney wieder zu Wort. „Sie haben Ihr Schiff während der letzten Hyperraumpause offenbar genau auf einer Mine geparkt, die irgendwer im Planetenorbit vergessen hat. Man kann daher kaum von einem Beschuss sprechen, eher von schlechten Parkkünsten.“ „Nach unserer nächsten Konferenz mit den Wraith lassen wir uns von der Daedalus abholen“, beschloss John schlecht gelaunt. „Keine Hyperraumpausen – keine Probleme.“ „Wieso sollte jemand Minen im Orbit platzieren?“, wollte Teyla wissen und sah gen Himmel. Rodney zuckte leicht mit den Schultern. „Weiß nicht“, meinte er spitz. „Um Schiffe abzuschießen?“ „Es scheint ein Schutz zu sein“, sagte Teyla nachdenklich. Die vergangenen Jahre hatten sie gelehrt, den Unterton in den Äußerungen ihrer Teammitglieder zu überhören. „Vielleicht war der Planet hier früher einmal bewohnt.“ „Von jemandem, der die technischen Möglichkeiten hatte, Minen in den Orbit zu schießen.“ John legte den Kopf schief und lächelte zufrieden. „Klingt gut.“ „Sie wittern wieder neue Waffen?“, vermutete Rodney und zog seinen Scanner aus der Westentasche, um ihn neu einzustellen. Statt Lebenszeichen suchte er nun nach Energiesignaturen. „Es hat mit einem Schuss einen Wraith-Kreuzer vom Himmel geholt“, sagte Ronon langsam. Vermutlich beabsichtigte er es nicht, aber ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Todd schnaubte. „Meinen Kreuzer.“ „Hey! Ich empfange eine Energiesignatur!“, stellte Rodney überrascht fest. „Etwa drei Kilometer östlich.“ „Hätte ich zehn Kilometer östlich gesagt, hätte er uns bestimmt den Jumper überlassen“, maulte Rodney und blieb stehen. Er betrachtete den Boden einen Moment lang kritisch, bevor er sich hinsetzte. Ronon drehte sich verwirrt zu ihm um. „Wir haben noch nicht einmal die halbe Strecke geschafft“, sagte er. „Umso wichtiger, dass wir für den längeren Teil des Weges ausgeruht sind. Wir wissen schließlich nicht, was uns erwartet“, fand Rodney und stellte seinen Rucksack neben sich ab, um nach etwas Essbarem zu suchen. „Ruinen“, meinte Ronon bloß. Er machte ganz offensichtlich keinen Hehl daraus, seine Motivation im Lager vergessen zu haben. Vermutlich hatte er sich nur freiwillig für die Mission gemeldet, um nicht bei einem Raumschiff voller Wraith warten zu müssen. „Ist nicht gesagt“, widersprach Rodney und zog einen Energieriegel aus der Seitentasche des Rucksacks. Lange Wanderungen machten ihn immer hungrig. „Wir könnten einen alten Militärstützpunkt finden. Oder eine neue, unerschöpfliche Energiequelle. Oder eine Datenbank mit dem Wissen eines ausgestorbenen Volkes.“ „Oder Ruinen.“ Ronon runzelte plötzlich die Stirn und ging an Rodney vorbei ein paar Schritte zurück. „Was ist?“ Rodney versuchte über seine Schulter einen Blick auf das zu werfen, was Ronon offenbar bemerkt hatte. „Jemand folgt uns“, sagte Ronon bloß. „Im Jumper?“, fragte Rodney hoffnungsvoll und stand wieder auf. „Zu Fuß.“ „Oh“, sagte Rodney eine Spur weniger enthusiastisch. „Ob sie das Schiff repariert haben?“, fragte sich Ronon. Rodney schnaubte. „Haben Sie den Rumpf des Kreuzers gesehen? Die werden Wochen für die Reparatur brauchen, vermutlich sogar länger, schließlich sind es Wraith. Ich hätte vielleicht dableiben und ihnen helfen sollen... Aber dann wäre nicht ich, sondern Sheppard zu der Energiequelle gegangen, hätte irgendetwas Gefährliches angefasst und damit für noch mehr Katastrophen gesorgt, die ich am Ende hätte beheben müssen.“ „Es ist Todd“, sagte Ronon. „Echt?“ Rodney kniff die Augen zusammen. Mittlerweile erkannte auch er einen Wraith in der Gestalt, die ihnen mit schnellen Schritten folgte – aber auch nur wegen der langen, hellen Haare und dem typischen schwarzen Kleidungsstil. „Seit wann haben Sie solche Adleraugen?“ Ronon warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Wraith richtete. Rodney wusste nie so recht, was dieser Blick bedeutete. War Ronon amüsiert? Oder genervt? Das war wirklich schwer einzuschätzen. Es dauerte nicht lange, bis auch Rodney anhand der feinen Gesichtszeichnungen Todd erkannte und schon bald darauf hatte der Kommandant des abgestürzten Kreuzers sie erreicht. „Was wollen Sie hier?“, fragte Ronon unfreundlich, die Hand selbstverständlich auf seiner Waffe liegend. Ein wahrer König der Diplomatie. „Ich schließe mich Ihnen an“, beschloss Todd. „Willkommen im Team“, sagte Rodney sarkastisch und biss von seinem Energieriegel ab. „Warum?“, fragte Ronon. „Sie sind mit meinem Schiff auf diesem Planeten gelandet“, erklärte Todd, ohne Ronon anzusehen. „Wenn es hier also etwas Wertvolles gibt, dann sollte ich daran teilhaben.“ „Es sind bloß Ruinen“, meinte Ronon. Rodney widmete seine Aufmerksamkeit nun vollständig dem Riegel in seiner Hand. Da die beiden Männer neben ihm nicht mehr sprachen, vermutete er, dass sie sich mit Blicken zu töten versuchten. Er hielt sich lieber da raus, bevor sich die aufgestaute Feindseligkeit noch auf ihn entlud. Als er seine Ration aufgegessen hatte, blieb ihm jedoch nichts anderes übrig, als doch noch den Blick zu heben. Offenbar hatte er sich geirrt. Ronon starrte Todd tatsächlich unverhohlen an, noch immer mit der Hand an seiner Pistole. Der Wraith hingegen sah zu Rodney, so als erwartete er eine Reaktion von ihm. Verdutzt sah Rodney wieder zu Ronon. „Ähm... Genug ausgeruht“, sagte er ein wenig verunsichert und hob seinen Rucksack wieder hoch. „Echt?“, fragte Ronon und lockerte die unangenehme Stimmung, indem er die Hand von der Pistole nahm. Aus den Augenwinkeln sah Rodney jedoch, dass eine der beiden Lampen rot leuchtete – ein Zeichen dafür, dass Ronon sie auf Töten gestellt hatte. Wenigstens zeigte er seine Aggression nur subtil – vermutlich sogar zu subtil, als dass Todd sie hätte verstehen können. „Wie haben Sie uns gefunden?“, fragte Rodney, während sie weitergingen. Todd antwortete nicht, sondern warf nur einen vielsagenden Blick über seine Schulter. Rodney runzelte die Stirn und wandte sich ebenfalls um. „Oh, klar“, sagte er. „Fußspuren. Natürlich.“ „Müssen Sie nicht Ihr Schiff reparieren?“, fragte Ronon abweisend. Offenbar ein letzter Versuch, ihre Gruppe wieder auf zwei Leute zu reduzieren. „Meine Techniker kümmern sich darum“, erwiderte Todd. Ronon seufzte lautlos. Rodney starrte verbissen den kleinen Scanner in seiner Hand an, auf dem noch immer die Energiequelle blinkend auf sich aufmerksam machte. Es war ja schon mäßig unterhaltsam gewesen, nur mit Ronon durch die Einöde zu laufen. Aber in Ronons Anwesenheit hatte er wenigstens mit sich selbst reden können. Jetzt, da Todd neben ihnen herlief, waren sämtliche Unterhaltungen verstummt. Erst als er erneut ein Stechen im Gesicht spürte, durchbrach Rodney verärgert das Schweigen: „Schon wieder!“ Er fuchtelte ein wenig in der Luft herum, doch das Insekt war schon wieder verschwunden. „Zwei Stiche innerhalb weniger Stunden – Wenn ich gleich umfalle, werden Sie mich den ganzen Weg zurücktragen müssen! Wir hätten wirklich den Jumper mitnehmen sollen!“ Da Teyla nicht da war und Rodney somit nicht beschwichtigen konnte, sah sich Ronon dazu verpflichtet, desinteressiert zu brummeln: „Sie haben nichts.“ „Hm“, machte Todd bloß. „Oh ja, besänftigen Sie den Todgeweihten“, meinte Rodney sarkastisch. Er fühlte über die Stelle am Hals, an der er gestochen worden war. Nichts. Dann tastete er über die zuvor traktierte Haut an seiner Wange. „Meine Haut ist ganz heiß!“, stellte er entsetzt fest. „So fängt eine allergische Reaktion an! Erst wird die Haut heiß, dann kriege ich plötzlich keine Luft mehr... Und der Ausschlag erst... Ich werde schlimm aussehen – wenn ich nicht eh sterbe.“ Als niemand Anstalten machte, ihm zu antworten, fuhr er fort: „So hat es auch angefangen, als ich meine Allergie gegen Zitrusfrüchte entdeckt habe. Wissen Sie eigentlich, wie unangenehm es ist, auf einem Kindergeburtstag mit dem Krankenwagen abgeholt zu werden?“ „Nein“, sagte Todd. „Es war nicht schön“, meinte Rodney und runzelte die Stirn. „Wraith haben sowas wie Kindergeburtstage vermutlich nicht, oder? Feiern Sie überhaupt Geburtstage? Ich stelle es mir lustig vor, wenn eine...“ Er unterbrach sich selbst und begann stattdessen, nervös zu summen. Vielleicht würde Todd es nicht mögen, von seiner Vorstellung zu hören, wie eine Wraith-Königin aus einer Torte sprang, also behielt er diesen Gedanken lieber für sich. „Wie weit noch?“, fragte Ronon. „Ähm...“ Rodney musterte den Scanner. „Nicht mehr weit. Wir müssten gleich da sein.“ Es dauerte tatsächlich nicht mehr lange, bis sie die Quelle der Energie fanden. Es war ein einfacher, etwa zwei Meter großer Obelisk aus dunklem Stein. In die Seite waren Schriftzeichen eingraviert, die jedoch keiner von ihnen lesen konnte. Die Schrift bestand aus feinen, stets gerade Linien, die entfernt an Runen erinnerten. „Das ist alles?“, fragte Ronon und sah sich um. Doch bis auf Ödland, ein paar Felsen und Horizont war hier nichts. Nur dieser eine Obelisk. „Die Energiesignatur geht eindeutig von diesem Stein aus“, stellte Rodney fest und umkreiste den Obelisken. „Und was ist das?“, fragte Todd und sah über Rodneys Schulter auf den Scanner, so als stünde dort mit Leuchtschrift eine Erklärung. „Ich bin zwar ein Genie, aber nicht allwissend“, meinte Rodney. Ein weiteres Mal ging er langsam um den Obelisken herum. „Die Zeichen...“ Er blieb vor nachdenklich stehen und beugte sich weiter vor, um die Zeichen genauer betrachten zu können. „Keine der Rassen, die wir kennen, schreibt so. Kommt Ihnen vielleicht etwas bekannt vor?“ „Mir nicht“, sagte Ronon. Todd legte den Kopf schief. „Nie gesehen.“ „Ist ja seltsam...“ Rodney seufzte und verwarf die Frage in seinem Kopf, wer den unleserlichen Text in die Oberfläche eingraviert hatte, um sich einem anderen Thema zu widmen: „Der Obelisk selbst kann keine solche Energie ausstrahlen. Das ist unlogisch. Vermutlich schützt er bloß die eigentliche Energiequelle – ein ZPM vielleicht. Wir müssen nur versuchen, an das Innere des Steins zu kommen.“ Sofort zückte Ronon seine Pistole und richtete sie auf den Obelisken. „Hey!“, beschwerte sich Rodney. „Wir werden doch wohl eine zivilisiertere Lösung finden... Bei der wir keine nützliche Energiequelle zerstören.“ „Haben Sie eine Idee?“, wollte Todd wissen und ging nun ebenfalls langsam um den Obelisken herum. „Vielleicht gibt es einen versteckten Schalter“, überlegte Rodney und legte die Hand auf den Obelisken, um prüfend über die glatte Oberfläche zu fühlen. Im nächsten Moment wurde alles schwarz. „McKay! McKay, wachen Sie auf!“ Ein unsanfter Stoß gegen die Schulter ließ Rodney verwirrt aufschreckend. Gerade rechtzeitig, um Ronons Fuß auszuweichen. „He!“, beschwerte er sich und setzte sich auf. Erst jetzt bemerkte er das Gras, auf dem er offenbar saß. Verwirrt sah er sich um. Seit dem Moment, in dem er den Obelisken berührt hatte, schien sich eine prächtige Flora auf dem Planeten entwickelt zu haben. Er richtete sich auf und drehte sich langsam um seine eigene Achse. Tatsächlich. Eine Wiese. Blumen, Gras, blauer Himmel und... Insekten, soweit das Auge reichte. „Was soll das?“, fragte Ronon schlecht gelaunt und sah an sich herab. „Wo ist meine Waffe?“ „Bessere Frage: Wieso sind mit den ganzen Felsen nicht auch die Insekten verschwunden?“, wollte Rodney wissen und musterte Ronon kurz. Tatsächlich steckte seine Waffe nicht mehr in ihrem Halfter. Und auch Todd schien unbewaffnet zu sein. Rodney tastete seine Hüfte ab. Nicht bloß der Scanner war verschwunden, sondern auch seine Pistole fehlte. Und noch schlimmer... „Mein Rucksack!“ Er verrenkte den Hals, um hinter sich sehen zu können, doch das fehlende Gewicht war eigentlich schon Beweis genug. „Mein ganzer Proviant ist weg!“ „Wieso haben Sie das Ding angefasst?“, fragte Ronon. „Weil, ähm...“ Rodney räusperte sich. „Vielleicht ein Transporter“, sagte Todd nachdenklich. „So eine Technologie haben die Asgard benutzt“, fiel Rodney dazu ein. „SG-1 ist vor ein paar Jahren auf einen Planeten gestoßen, der vor den Goa'Uld geschützt wurde. Sobald jemand mit einem Symbionten durch das Stargate getreten ist, wurde er in eine Höhle transportiert, wo er entweder gefressen oder vom Symbionten befreit wurde.“ „Gefressen?“, fragte Ronon und tastete erneut nach seiner fehlenden Waffe. „Goa'Uld?“, wiederholte Todd. „Die Bösewichte aus unserer Galaxie“, erklärte Rodney kurz und betrachtete den Obelisken, der noch immer vor ihnen stand. „Aber ich frage mich... Wir haben doch keinen Symbionten, oder?“ „Vielleicht reagiert der Obelisk auf Wraith“, meinte Ronon und sah drohend zu Todd. „Habe ich den Stein angefasst?“, erwiderte dieser ruhig. „Wir sollten unsere Zeit nicht mit Schuldzuweisungen vergeuden“, schlug Rodney diplomatisch und völlig uneigennützig vor. „Wie wäre es, wenn wir den Obelisken erneut berühren und uns wieder zurücktransportieren lassen?“ „Wir?“, wiederholte Todd spöttisch. „Aaaach...“ Rodney ging auf den Obelisken zu und streckte die Hand aus. „Soll ich?“ „Wollen Sie testen, ob Sie uns in eine noch schlimmere Lage bringen können?“, wollte Todd höflich wissen. „Was ist denn an der Situation hier schlimm?“, fragte Rodney. „Wir haben Blumen und einen blauen Himmel... Ist doch nett hier. Vielleicht verschwinden beim nächsten Mal sogar die Insekten.“ Er schloss die Augen und berührte kurz den Stein. Ein leiser, heller Ton erklang und er sprang verdutzt einen Schritt zurück. Eine junge Frau mit langen, schwarzen Haaren schien geradewegs aus dem Obelisken herauszuschreiten. Sie trug ein hellbraunes, schlichtes Gewand und bei näherem Hinsehen flackerte ihre blasse Haut kaum merklich. „Willkommen, Reisende aus dem Volk der Antiker“, sagte sie mit klarer, heller Stimme. „Die halten uns für Antiker“, stellte Rodney überrascht fest und wandte sich an Ronon und Todd. „Vermutlich hat der Obelisk auf mein Antiker-Gen reagiert. Das würde durchaus Sinn ergeben – Wenn man den Planeten schon durch Minen schützt, dann wird man doch etwas Wertvolles nicht einfach so herumstehen lassen, damit irgendwelche Wraith – nicht böse gemeint – es antatschen und benutzen können.“ „Ich glaube, sie will noch was sagen“, merkte Ronon an und sah wie gebannt die leicht schimmernde Gestalt der Frau an. „Die wird schon nicht beleidigt sein – Das ist eh bloß ein Hologramm“, meinte Rodney und drehte sich wieder zu der Frau. „Fahren Sie fort“, bat er betont höflich und warf Ronon einen vielsagenden Blick zu. „Viele Jahrtausende lang lebten wir, die Saigir, in dieser Galaxie, verstreut über viele Planeten, doch geeint in Frieden und Brüderlichkeit unter einem Banner. Aber im Laufe der Zeit schwächten Zwietracht und Verrat unsere Moral. Unser Bündnisse mit anderen Völkern wendeten sich gegen uns und ließen uns keine andere Wahl: Ein Bleiben in diesen Gestaden hätte den Untergang unserer Kultur bedeutet, also beschloss unser Volk, geschlossen diese Galaxie zu verlassen“, erzählte die Frau. „Wir fanden gemeinsam eine neue Heimat fern ab anderer bewohnter Planeten. Erneut zu einem Staat vereint, leben wir nun in Eintracht, getrennt von den Einflüssen feindlicher Völker.“ „Können Sie...“, unterbrach Rodney sie vorsichtig. „Können Sie Fragen beantworten? Sie sind doch bestimmt technisch so weit entwickelt, dass Sie uns Dinge näher erläutern können... Oder?“ Die Frau blickte ihn einen Moment lang an, bevor sie sich wieder an die Allgemeinheit wandte: „Nur ein Bündnis war stärker als unser Wunsch nach Ruhe vor fremdem Leben. So errichteten wir diesen Außenposten, der es euch, unseren alten Freunden, erlauben wird, uns zu finden, wenn ihr euch noch immer als unserer würdig erweist.“ „Fragen jetzt erlaubt?“, fragte Rodney. „Die hat nur die paar Sätze“, vermutete Ronon. „Sie hat mich angeguckt“, meinte Rodney. „Also muss sie eine Art von... Bewusstsein haben. Außerdem macht sie Pausen, wenn wir sprechen. Sehen Sie? Jetzt gerade könnte sie fröhlich weiter reden, aber sie tut es nicht, damit wir ihr zuhören können!“ „Schweigen Sie“, raunzte ihn Todd an. „Ich bitte Sie“, meinte Rodney entnervt. „Das ist doch gar nicht für Ihre Ohren bestimmt! Sie sind ein Wraith – Vermutlich waren Sie und Ihr Volk der Grund dafür, dass die Saigir von hier verschwunden sind!“ „In vier Prüfungen werdet ihr euch beweisen müssen“, erzählte die Frau. „Sollten diese euch glücken, so werdet ihr den Schlüssel zu unserer neuen Heimat erlangen.“ „Schlüssel zu eurer neuen Heimat?“, wiederholte Rodney. „Und dann teilen Sie bestimmt Ihre Technologien mit uns, oder? Das klingt gut! Wir machen mit! Sagen Sie uns nur, was wir... hey, wo ist sie denn hin?“ Er sah sich um. Mit einem Mal war es still auf der Wiese. Das Hologramm war verschwunden. Rodney ging zu dem Obelisken und legte seine Hand auf den kalten Stein. „Verdammt, es klappt nicht.“ Er schüttelte seine Hand kurz, bevor er sie wieder darauf legte. „Schön“, sagte Ronon. „Und wie kommen wir jetzt zurück?“ „Zurück?“, fragte Rodney entrüstet. „Haben Sie nicht gehört, was sie gesagt hat? Ein mächtiges Volk, das uns geradezu zu sich einlädt?“ „Ja.“ Ronon zuckte kurz mit den Schultern. „Und?“ „Wenn wir ihre Prüfungen bestehen, könnten wir schon bald einen neuen starken Verbündeten gegen die Wraith haben!“, schlussfolgerte Rodney. „Klingt verlockend“, fand Todd. „Jetzt werden Sie nicht sarkastisch!“, meckerte der Wissenschaftler, als ihm plötzlich ein Gedanke kam. „Sie sagten doch, Sie hätten diese Schriftzeichen nie gesehen, oder? Und auch diese Technologie ist ihnen nicht bekannt? Sie kennen die Saigir gar nicht?“ „Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen“, meinte Todd trocken. „Was, wenn dieses Volk die Galaxie schon verlassen hat, bevor die Wraith hier aufgetaucht sind?“, fragte sich Rodney begeistert. „Dann müssen sie unglaublich alt sein! Wir haben die Chance, ein längst verschollenes Volk zu finden! Die müssen unglaubliche Technologien besitzen. Wie alt mag dieser Außenposten hier sein? Wenn sie damals schon solche Technologien beherrscht haben, wie sieht es dann heute aus? Wenn all diese Typen seit Jahrtausenden zusammen auf einem Haufen leben, dann müssen sie mittlerweile...“ „... aufgestiegen sein?“, vollendete Ronon seinen Satz. „Und selbst wenn – Dann finden wir ihren Planeten und beuten ihn aus“, bestimmte Rodney. „Oh, das ist gut... Das ist so gut!“ Er begann, auf der Wiese auf und ab zu gehen. „Welche starken Verbündeten haben wir denn noch? Die Antiker interessieren sich einen Dreck für uns, die Asgard haben einen auf Lemming gemacht und der ganze Rest der Galaxie lebt noch in Höhlen. Aber diese Kerle hier...Wie lange leben die wohl schon ihre Askese im Nirgendwo? Mittlerweile haben sie bestimmt die Schnauze voll vom Alleinsein und wünschen sich geradezu, neue Verbündete zu finden.“ „Das glaube ich nicht“, sagte Todd. „Die Frau sah recht menschlich aus“, fand Ronon. „Eher lantianisch“, urteilte Rodney. „Sie hat uns als Antiker begrüßt. Ich schätze mal, die haben eine Lantianerin als Hologramm benutzt, um die Empfänger der Botschaft nicht zu erschrecken. Wir wissen schließlich nicht, wie sie selbst aussehen... Hoffentlich haben sie keine Tentakeln.“ „Es ist wie damals bei SG-1“, erzählte Rodney, während sie in Richtung Wald liefen. Die Sonne ging allmählich unter und keiner von ihnen fand die Vorstellung angenehm, mitten auf der Wiese einzuschlafen. „Bevor die Asgard ihnen geholfen haben, mussten sie in einer Art Höhle mehrere Tests bestehen. Natürlich nichts Schwieriges. Wenn ich mich recht erinnere, mussten sie über eine Brücke gehen. Eine Brücke! Was soll das für ein Test sein? Selbst meine kleine Schwester würde das hinkriegen. Selbst Zelenka würde das schaffen!“ „Hört er nie auf, zu reden?“, fragte Todd seufzend. Ronon öffnete kurz den Mund, um zu einer Antwort anzusetzen, entschied sich dann jedoch dagegen. Noch war er nicht zermürbt genug, um freiwillig mit Todd zu reden. „Aber wir wissen ja, was wir von kleinen, grauen Männchen zu halten haben, die sich selbst ins Nirwana schießen“, meinte Rodney. „Nein, die Asgard sind wirklich keine Messlatte hierfür... Ihre schäbige Höhle ist nichts im Vergleich hierzu – Ich sage Ihnen, die Saigir werden meine größte Entdeckung. Und weil sie die einzige überlebende große Rasse sind, sind sie umso wertvoller.“ „Wenn sie noch leben“, warf Ronon erneut ein. „Jetzt seien Sie nicht so ein Pessimist!“, ärgerte sich Rodney. „Freuen Sie sich lieber über meine Entdeckung!“ „Ich habe doch Adleraugen, also habe ich den Obelisken ganz bestimmt vor Ihnen gesehen“, meinte Ronon belustigt. „MEIN Antiker-Gen hat das alles hier aktiviert, also ist es auch MEINE Entdeckung!“, beharrte Rodney. „Sie wollten den Obelisken erschießen, wenn ich mich recht erinnere!“ Er macht eine kurze Pause und sah Ronon an, der ausdruckslos zurückstarrte. „Aber.. ähm... Sie wollen den ganzen Ruhm gar nicht, oder? Das haben Sie gerade nur gesagt, weil meinetwegen Ihre Waffe verschwunden ist, richtig?“ „Können die uns nicht einfach ihre Prüfungen stellen und dann gehen lassen?“, fragte Todd und sah sich um. „Vielleicht ist das hier schon die erste Prüfung“, kam es Rodney in den Sinn. „Vielleicht kommen wir erst von dieser Wiese, wenn Sie es geschafft haben, eine Stunde lang nicht zu reden“, kam sofort zurück. „Als müsste ich mir sowas von einem Wraith sagen lassen“, schnappte Rodney. „Ronon, wir gehen.“ Ronon runzelte die Stirn. „Wohin?“, fragte er. „Irgendwohin, wo er seine schlechte Laune nicht verbreiten kann“, beschloss Rodney und blickte sich ebenfalls um. „Da lang.“ Er deutete in eine Richtung. In der Ferne konnten sie vereinzelte Bäume erkennen. Vielleicht ein passender Platz für ein Lager. „Und was hindert mich daran, Ihnen zu folgen?“, fragte Todd, der tatsächlich hinter Rodney und Ronon hertrottete. „Offensichtlich nichts“, meinte Rodney und warf Ronon einen vorwurfsvollen Blick zu. Ronon runzelte die Stirn und sah über seine Schulter hinweg kurz zu Todd. „Sheppard würde es nicht gut finden, wenn ich ihn umbringe“, teilte er Rodney nach ein paar Sekunden mit. „Oh.“ Rodney nickte verstehend. „Ja. Stimmt.“ „Wir könnten behaupten, er sei verpufft, weil Wraith hier keinen Zutritt haben“, schlug Ronon vor. „Das ist gut – Dieses hochentwickelte Volk duldet keine Wraith auf ihren ... heiligen Wiesen. Und da wir die einzigen Zeugen sind, wird uns niemand das Gegenteil beweisen können!“, meinte Rodney. „Wir müssen die Geschichte nur gut miteinander absprechen, damit wir uns nicht in Widersprüche verstricken...“ „Sie sagten doch, die Saigir hätten die Galaxie verlassen, bevor wir Wraith uns entwickelt haben. Wie also sollten sie eine Gefahr in uns sehen?“, mischte sich Todd in ihr Gespräch ein und blieb stehen. „Außerdem sollten Sie Ihre Aufmerksamkeit vielleicht lieber auf dringendere Probleme als mich richten.“ „Und worauf dann?“, fragte Rodney. „Auf das Wesen, das im Wald auf uns lauert“, schlug der Wraith vor und deutete auf die Bäume, in deren Richtung sie sich bewegten. Rodney kniff die Augen zusammen und versuchte, etwas Ungewöhnliches an den Pflanzen zu entdecken. Natürlich kamen ihm die Bäume fremdartig vor – Sie waren schließlich auf einem anderen Planeten. Aber Todd schien nicht die ungewöhnlich helle, gräuliche Rinde der Stämme zu meinen, sondern... Da war etwas. Etwas, das sich zwischen den Bäumen bewegte. Schnell huschte es von Stamm zu Stamm, verschwand im Geäst des einen Baums und tauchte in der Krone des nächsten wieder auf. „Was ist das?“, fragte Rodney leise. Sie waren zwar noch einige Meter von dem kleinen Spektakel entfernt, aber irgendwie hielt er es dennoch für angemessen, zu flüstern. „Unsere erste Prüfung“, vermutete Todd. „Ist es wohl gefährlich?“, wollte Rodney wissen. Er zuckte zusammen, als ein leises Fauchen erklang. „Klingt gefährlich... Oder?“ „Wollen Sie nun Ihre neuen Verbündeten finden oder nicht?“, fragte Ronon und griff an seinen Gurt – um erneut festzustellen, dass seine Waffe verschwunden war. „Dann... sollten Sie gehen und es töten. Ich halte hier die Stellung“, bestimmte Rodney nervös. „Sie verteidigen für uns die Wiese?“, spöttelte Todd. „So ein Glück, dass wir Sie haben.“ „Ich habe uns immerhin hier reingebracht!“, beharrte Rodney. „Jetzt können Sie auch mal etwas tun!“ „Ich soll etwas dazu beitragen, dass Sie einen neuen Verbündeten gegen die Wraith finden?“, zitierte ihn Todd. „Wenn Sie lieber für immer hier festsitzen wollen... meinetwegen“, erwiderte Rodney schnippisch. Ronon verdrehte die Augen und stapfte los in Richtung Wald. „Was wissen Sie über dieses Volk?“, wollte Todd wissen. „Vielleicht nähren auch sie sich an Menschen. Ist Ihnen der Gedanke schon einmal gekommen?“ „Die Antiker wären nicht mit einer Rasse befreundet, die sich an Menschen nährt.“ Rodney lachte kurz auf. „Und das Hologramm hat uns als Freunde begrüßt.“ „Sie sind kein Antiker“, merkte Todd an. „Aber das Hologramm hält mich für einen“, beharrte Rodney. „Sie sind trotzdem keiner.“ „Ja, und?“ Rodney sah sich um. „Wo ist Ronon eigentlich?“ „Kämpft mit dem Feind“, erwiderte Todd. „Oder lässt sich von ihm töten, um Ihr Gerede nicht mehr ertragen zu müssen.“ „Ronon?“, rief Rodney und näherte sich vorsichtig den Bäumen. „Bin hier.“ Ronon trat zwischen den Bäumen hervor und lächelte zufrieden. „Hab's besiegt.“ „Oh“, machte Rodney überrascht und verrenkte den Hals, um hinter Ronon eine Leiche zu erblicken. „Ob man wohl... Naja, ich habe Hunger. Meinen Sie, man kann es...?“ Ronon schüttelte den Kopf. „Hat sich in Luft aufgelöst.“ „Achso.“ Rodney seufzte lautlos. „Als es verschwunden ist, lagen die hier auf dem Boden.“ Ronon öffnete seine bisher zu einer Faust geballten Hand. Ein Haufen kleiner Steine in verschiedenen Farben lag darin. Er drückte sie Rodney in die Hand. „Machen Sie was Schlaues damit.“ „Und was?“ Rodney betrachtete nachdenklich die Steine, die nun in seiner Handfläche lagen. Sie waren sehr flach und quadratisch, offensichtlich alle gleich groß. Nur die Farben unterschieden sich voneinander. „Ist die erste Prüfung jetzt bestanden?“, fragte Todd. „Wenn sie es ist, dann haben Sie nichts dazu beigetragen!“, merkte Rodney an und steckte die Steine in seine Jackentasche. Er würde sich später damit befassen. „Es wird schnell dunkel“, meinte Ronon. „Wir sollten uns endlich einen sicheren Platz zum Schlafen suchen.“ Im Wald herrschte völlige Stille. Außer dem Wesen, das Ronon besiegt hatte, schien es hier keine Tiere zu geben. Selbst die Insekten hatten sich verzogen. Die Luft war völlig still, weshalb nicht einmal ein leises Rascheln der Blätter zu hören war. Das einzige Geräusch, das die Männer hörten, waren ihre eigenen Schritte auf dem erdigen Boden. Mit dem Schweigen war auch die Dunkelheit gekommen; schneller als erwartet. Licht spendete ihnen bloß der helle Mond, der dicht über dem Planeten schwebte. Als sie noch im Kreuzer gesessen hatten, war ihnen kein Mond aufgefallen. Entweder waren sie blind gewesen, diese künstliche Welt war äußerst realistisch oder die Maschine hatte sie auf einen anderen Planeten transportiert. „Ist das eine Höhle?“, fragte Rodney nach einer Weile, in der sie ziellos durch den Wald geirrt waren. „Da vorne!“ Er lenkte seine Schritte nach links und horchte konzentriert in die Stille. Die Schritte hinter ihm waren noch immer zu hören, also folgten ihm Ronon und Todd. Tatsächlich erreichten sie schon bald den Eingang zu einer kleinen Höhle. „Es gibt hier doch keine Tiere, oder?“, fragte Rodney vorsichtig. „Nicht, dass da drin ein Bär lauert und uns alle auffrisst...“ „Nein.“ Ronon ging an ihm vorbei und in die Höhle hinein. Todd folgte ihm, ohne zu zögern. „Ich frage mich, woher die das wissen wollen“, grummelte Rodney, beließ es jedoch dabei und folgte ihnen. Im Innern der Höhle setzte er sich auf den Boden und wünschte sich seinen Rucksack herbei. Allmählich brachte ihn der Hunger um. Ein schleichender, gemeiner Tod. „Kann man von den Pflanzen da draußen wohl welche essen?“, fragte er sich. „Die Typen wollen uns doch bestimmt nicht vergiften, oder?“ „Wenn Sie diese Theorie prüfen wollen, stehen wir Ihnen garantiert nicht im Weg“, meinte Todd großzügig. Plötzlich wurde es dunkel. Nur für einen kurzen Augenblick, in dem der Mond offenbar beschlossen hatte, nicht mehr zu scheinen. Das Licht, das ihnen nach nur wenigen Sekunden gespendet wurde, kam nicht von draußen. Im Gegenteil: Der Eingang zur Höhle war verschwunden. Die ganze Höhlenwand schien geschlossen zu sein, so als habe es nie eine Öffnung gegeben. Stattdessen funkelten Linien an einer der Wände. So hell, dass die drei Männer einander erkennen konnten. Rodney stöhnte gequält. „Wieso wird bei solchen Tests nie bedacht, dass es Leute mit Platzangst gibt?“ Er lehnte sich gegen die Höhlenwand und starrte trübsinnig die Linien an. „Und wieso gerate ich mindestens einmal im Jahr in eine Situation, in der ich Gefahr laufe, in einem engen Raum zu ersticken?“ „Vermutlich unsere zweite Prüfung“, meinte Todd und ging langsam an der Wand mit den feinen, leuchtenden Linien entlang. Er fuhr mit der Hand vorsichtig über den Fels. Nichts geschah. „Hier sind Einbuchtungen“, stellte er plötzlich fest. „Einbuchtungen?“ Rodney griff in seine Tasche. „Klein und quadratisch?“, fragte er und zog die Steine hervor, die Ronon ihm gegeben hatte. „Ja“, sagte Todd nach einem kurzen Blick und trat einen Schritt zurück, als Rodney aufsprang und zu ihm eilte. Rodney nahm einen der Steine und hielt ihn prüfend vor eine Einbuchtung, „Müsste passen“, stellte er fest. „Wie viele Einbuchtungen haben wir? Sieben?“ Er trat einen Schritt zurück, um die Wand überblicken zu können. Tatsächlich gab es sieben Lücken in der Wand. Sie waren als Dreieck angeordnet. Jede Seite bestand aus drei Einbuchtungen. In der Mitte des Gebildes befand sich ebenfalls ein Lücke. „Die Steine haben unterschiedliche Farben - Vermutlich müssen wir sie richtig anordnen“, meinte Rodney. Er setzte sich auf den Boden und legte die Steine vor sich. „Rot, grün, orange, gelb, blau, grau und lila“, zählte er auf und malte in den sandigen Boden kleine Vierecke, die die Form eines Dreiecks bildeten. „Welcher Stein gehört an welche Stelle?“ Todd kniete sich neben ihn und musterte die Steine nachdenklich. „Probieren Sie doch einfach so lange, bis es klappt“, schlug Ronon vor. „Lieber nicht“, murmelte Rodney, während er die Steine hin- und herlegte. „Wenn wir einen Stein an eine falsche Stelle setzen, lösen wir womöglich noch einen Mechanismus aus, der uns alle umbringt. Sonst könnte man ja einfach alles durchprobieren, bis es klappt. So ein Rätsel muss wahrscheinlich auf Anhieb gelöst werden.“ „Also sitzen wir hier fest?“, fragte Ronon. „Nein.“ Rodney runzelte die Stirn. „Ich glaube, ich hab's schon gelöst. Für wie dumm halten uns diese Idioten bloß?“ Er nahm den grauen Stein in die Hand und stand auf. Den Stein drückte er vorsichtig in das mittlere Quadrat. Sofort leuchtete der Stein auf. „Sehen Sie? Sobald man einen Stein einsetzt, reagiert die Wand darauf. Wenn man es richtig macht, leuchtet alles und wenn man es falsch macht... Dann muss man vermutlich nicht mehr darauf warten, hier zu ersticken.“ „Also... Ist der Stein richtig?“, fragte Todd. „Ja, offensichtlich“, meinte Rodney zufrieden und setzte sich wieder. „Dann setzen Sie die anderen Steine auch ein“, verlangte Ronon. „Kann ich nicht.“ Rodney fuhr mehrmals mit dem Finger um die Kuhle in der Mitte seines Bodendreiecks. „Das Prinzip dieses Rätsels ist wirklich einfach – Das ist eine Farbenlehre, die man bei uns schon als Kind lernt! Sehen Sie...“ Er legte den blauen und den gelben Stein jeweils in eine Ecke des Gebildes. „Wenn man Blau und Gelb mischt, ergeben sie Grün“, erklärte er und legte den grünen Stein zwischen die beiden. Dann nahm er den roten Stein und legte ihn in die letzte Ecke. „Gelb und Rot werden zu Orange“, der orangene Stein landete an seinem Platz, „und Rot und Blau werden zu Violett.“ Er legte den letzten Stein an die erklärte Stelle. „Mischt man alle Farben zusammen, werden sie zu Schwarz oder Dunkelgrau. Der Stein gehört also in die Mitte. Dieses sogenannte Rätsel ist fast schon eine Beleidigung!“ „Und warum können Sie es nicht lösen?“, fragte Ronon. „Weil man die Steine vertauschen kann. Ich könnte den gelben Stein auch in die blaue Ecke legen. Wenn ich die restlichen Steine daran anpasse, ergibt das genauso viel Sinn“, erklärte Rodney. „Und solange wir nicht wissen, welche Farbe in welche Ecke gehört, können wir das Rätsel nicht lösen.“ „Dann sind Sie wohl doch kein Genie“, schlussfolgerte Ronon und setzte sich in die andere Ecke der Höhle. Er lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen, so als wolle er schlafen. „Kein Ge...“ Rodney unterbrach sich selbst und zog scharf die Luft ein. „Und sowas von einem Neandertaler“, grummelte er und stand auf, um die Wand genauer zu betrachten. „Klar, wenn man was töten kann, ist er immer vorne dabei, aber Denkarbeit... Nein, dafür ist er nicht geschaffen! Ganz bestimmt nicht!“ „Vielleicht haben die Zeichen an den Lücken eine Bedeutung“, sagte Todd und deutete auf die untere linke Ecke des Dreiecks. Tatsächlich befand sich auf der linken Seite der Kuhle eine geschlängelte Linie. „Hier ist eine ähnliche Linie“, sagte Rodney und deutete auf die rechte Ecke des Gebildes. „Aber sie liegt quer. Wie... Eine Wellenlinie. Was ist oben?“ „Zwei kurze Striche, einer auf jeder Seite, die schräg nach oben gehen“, erzählte Todd und bückte sich, um den gelben Stein aufzuheben. „Als Symbole für die Sonne?“, überlegte er und sah Rodney an. „Dann haben wir hier Wellen“, meinte Rodney. „Also blau – für Wasser. Und in diese letzte Ecke kommt der rote Stein. Die Linie geht gewunden nach oben – wie eine Flamme. Himmel, das Rätsel ist wirklich beleidigend! Die scheinen sich ja sehr nach Nähe zu sehnen, wenn sie es uns so verdammt leicht machen!“ Er hob die restlichen Steine auf und drückte sie nacheinander in die Einbuchtungen. Ein Stein nach dem anderen leuchtete auf. Zum Schluss setzte Todd den gelben Stein an die Spitze und trat einen Schritt zurück. Ein leises Surren erklang und verschwand wieder, bevor die Höhlenwand begann, sich aufzulösen. „Haben wir es geschafft?“, fragte Ronon. „Wir?“, wiederholte Rodney pikiert. „Ohne mich wären Sie nicht beleidigt genug gewesen, um sich anzustrengen“, meinte Ronon und ging gut gelaunt in den matt erleuchteten Gang, der sich vor ihnen auftat. „Genau, gehen wir noch tiefer in die Höhle hinein“, murmelte Rodney. „Entfernen wir uns vom Eingang und somit der einzigen Sauerstoffzufuhr... Mehr als ersticken, uns verirren, verhungern oder vor Erschöpfung sterben, können wir ja nicht.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und blieb demonstrativ stehen. Todd konnte gerade noch rechtzeitig anhalten, um nicht in Rodney reinzulaufen, der als lebendes Hindernis den Gang versperrte. „Der Eingang ist verschlossen“, sagte er und verdrehte die Augen. „Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich Platzangst habe?“, fragte Rodney pikiert. „Ja“, gaben Ronon und Todd zeitgleich zurück. „Oh.“ Rodney räusperte sich und nickte sich dann selbst zu. „Ich habe seit Stunden nichts gegessen. Und geschlafen auch nicht. Die Saigir haben es ganz offenbar nicht nötig, sich jemals zu ernähren, sonst hätten sie das bedacht und uns irgendetwas Essbares gegeben.“ „Ich verspüre keinen Hunger“, stellte Todd fest. „Das ist ja wunderbar“, meinte Rodney sarkastisch. „Jetzt geht es mir gleich besser!“ Ronon schnaubte leise und ging wieder ein paar Schritte zurück. Er packte Rodney am Arm und zog ihn dann hinter sich her durch den Gang. „He!“, protestierte Rodney. „Das ist Entführung! Außerdem ist es nicht nötig, dass Sie so fest.. Au! Hey, das tut weh!“ Der kleine Gang mündete schon nach kurzer Zeit in einen gut ausgebauten Korridor. Sowohl die Wände als auch der Boden bestanden aus einem grauen, festen Metall. Es gab keine eindeutige Lichtquelle – Alle Helligkeit schien von den Schriftzeichen an den Wänden auszugehen, die grün schimmerten und den Korridor in ein unnatürlich wirkendes Licht tauchten. „Das... ist faszinierend“, meinte Rodney und ging langsam auf eine der Wände zu. „Ich wünschte, ich könnte lesen, was da steht.“ „Vermutlich die Geschichte ihres Volkes“, argwöhnte Todd und drehte sich um seine eigene Achse. „Ich sehe hier keine Prüfung, also sollten wir weitergehen.“ Rodney streckte vorsichtig die Hand aus und berührte die kalte Wand. „Naquadah“, sagte er langsam. „Ihre Architektur scheint auf Naquadah zu basieren. Das ist unglaublich!“ Er strich über die Wand und berührte die grünen Zeichen, welche sich daraufhin in einer fließenden Bewegung veränderten. „Die Schriftzeichen sind auch aus Naquadah“, vermutete Rodney. „Sehen Sie? Die einzelnen Zeichen scheinen aus verschiedenen Linien zusammengesetzt zu sein – alle gleich lang und breit. Also haben die Saigir flüssiges Naquadah in kleine, lange Röhrchen gefüllt, die sich bei Berührung zu verschiedenen Wörtern zusammensetzen können.“ „Aha“, sagte Ronon mit einem derartig desinteressierten Ausdruck im Gesicht, dass Rodney am liebsten zu ihm gegangen wäre, um ihn zu schütteln. „Das bedeutet, dass sie schon vor Ewigkeiten mit Naqaudah umgehen konnten – Auf eine Art und Weise, wie ich es bisher noch nicht gesehen habe. Normalerweise ist es die Basis für außerirdische Technologien, aber hier... Sie nutzen es, um zu BAUEN! Und gleichzeitig wird die Energie des Naquadahs genutzt, um die Wand... Geschichten erzählen zu lassen. Das ist unglaublich!“ Rodney schüttelte langsam den Kopf und trat einen Schritt zurück, um die Wand in ihrer Gänze zu betrachten. „Wer weiß, wie viele Informationen die Saigir hier gespeichert haben? Wen ich nur ihre Schrift lesen könnte... oder eine Kamera dabei hätte, um das hier zu filmen... Warum haben die uns bloß die Rucksäcke weggenommen?“ „Jetzt kommen Sie endlich, McKay“, forderte ihn Ronon auf. Rodney seufzte. „Aber... Sehen Sie sich das an! Vielleicht steht da etwas über unbegrenzte Energiequellen, über...“ „McKay!“, unterbrach ihn Ronon. „Wenn Sie die Freundschaft dieses Volkes gewinnen, werden die Ihnen sicherlich noch einen Blick hierauf gewähren“, sagte Todd gelangweilt. „Meinen Sie?“, fragte Rodney hoffnungsvoll. „Nein“, entgegnete Todd. „Aber ich will weitergehen.“ Rodney verdrehte die Augen. „Na schön, gehen wir weiter... Lassen wir das Wissen eines hochentwickelten Volkes hier zurück und...“ „McKay!“, wiederholte Ronon, dieses Mal eine Spur lauter. „Ist ja gut.“ Rodney verzog das Gesicht und folgte Ronon durch den Korridor. Erst nach Stunden, wie es schien, fand der Korridor ein Ende. Sie standen auf einmal in einer kleinen Halle. Der Weg, den sie gekommen hatte, versperrte sich von selbst. „Hätten die uns diesen Fußmarsch nicht ersparen und gleich herbringen können?“, fragte Rodney und setzte sich auf den Boden. Er zog seine Schuhe aus und streckte die Beine von sich. „Wie viele Kilometer waren das wohl? 20? 30?“ „Bei Ihrem endlosen Gerede kam es mir vor wie 50“, erwiderte Todd stöhnend und sah sich in der Halle um. Rodney rutschte zur Wand und lehnte sich dagegen. „Ich will nur noch schlafen“, sagte er. „Wollen wir nicht eine kleine Pause einlegen?“ „Welche nehmen wir?“, fragte Ronon, der bereits am anderen Ende der Halle stand und die beiden Türen betrachtete, zwischen denen sie offenbar wählen konnten. „Die, die näher liegt“, grummelte Rodney und schloss die Augen. Bloß wenige Sekunden, denn als er einen Tritt an seinem Bein spürte, öffnete er sie wieder. „Hey! Warum TUN Sie sowas? ... Ronon, der Wraith hat mich getreten!“ „Stehen Sie auf“, befahl Todd. „Je schneller wir die Prüfungen bestehen, desto geringer wird mein Drang sein, mich an Ihnen zu nähren.“ Rodney zog seine Schuhe wieder heran und zog sie langsam an. „Sie können sich gar nicht mehr an mir nähren“; erinnerte er Todd. „Ich weiß“, kam es düster zurück. „Sonst wären Sie längst tot.“ Rodney sah verdutzt zu ihm auf, doch Todd hatte sich längst umgedreht, um zu Ronon zu gehen. „Pff“, machte der Wissenschaftler und fügte murmelnd ein: „Arschloch!“ hinzu. Schließlich richtete er sich auf und folgte seinen beiden unfreiwilligen Gefährten, die vor den Türen standen und an der Wand nach Hinweisen suchten. „Keine Rätsel oder so?“, fragte Rodney und sah sich ebenfalls um. Hier war die Wand völlig eben und unbeschriftet. „Wo kommt hier eigentlich das Licht her?“ Er sah sich um. Die Halle war zwar verschlossen, aber ein gleichmäßiges, helles Licht lag über ihnen. „Diese Typen können Licht ohne Lichtquelle erzeugen“, meinte Rodney seufzend. „Das wird echt von Minute zu Minute besser. Dank mir wird die Menschheit bald vermutlich ein Heilmittel gegen jede Krankheit und unerschöpfliche Energiequellen haben.“ „Erst wenn Sie uns gesagt haben, welche Tür wir öffnen sollen.“ Ronon sah Rodney erwartungsvoll an. Dieser zuckte jedoch bloß mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ „Okay.“ Mit einem Ruck zog Ronon eine der Türen auf. Erschrocken duckte sich Rodney, als befürchtete er, ein Drache könne aus dem Raum hinter der Tür hervorschießen und ihm im Flug den Kopf abreißen. Als nichts geschah, richtete er sich wieder auf und spähte in den Gang hinter der Tür. „Ein Gang“, sagte er überflüssigerweise, bevor ihm etwas anderes einfiel: „Sind Sie wahnsinnig? Wenn ich dämliches Verhalten und vorschnelle Entscheidungen gewollt hätte, hätte ich gleich Sheppard mitnehmen können! Nicht einmal Zelenka wäre so dumm, auf gut Glück eine der Türen aufzumachen!“ „Ist nur 'n Gang“, sagte Ronon unbeeindruckt und griff nach dem zweiten Türknauf. „Das haben Sie nicht wirklich vor, oder?“, fragte Rodney. Ronon öffnete die Tür. Rodney schnappte nach Luft. Vor ihnen erstreckte sich eine riesige Halle, gefüllt mit... „Diamanten!“, jappste Rodney. „Das... Das sind Diamanten! Und.. und andere funkelnde Steine! Ganz viele!“ „Sieht wertvoll aus“, fand Todd und ging einen Schritt vor, um besser in die Halle spähen zu können. „Entscheiden wir uns für den Schatz oder gehen wir weiter?“ „Das... das ist unglaublich wertvoll“, stammelte Rodney. „Wir können doch nicht einfach weitergehen.. Was, wenn jemand vorbeikommt und es mitnimmt?“ „Jemand wie wir?“, fragte Ronon unbeeindruckt. „Ich gehe davon aus, dass diese Türen eine Prüfung sind“, gab Todd zu bedenken. „Welche Entscheidung würden die Saigir eher gutheißen? Dass wir ihren Schatz stehlen oder demütig weitergehen?“ „Naja, das sind immerhin Diamanten“, betonte Rodney. „Wenn sich im Film jemand für den Schatz entscheidet, stirbt er“, half ihnen Ronon weiter. „Sie schauen viel zu viel Indiana Jones“, tadelte ihn Rodney. „Und ich bezweifle übrigens, dass die Saigir Sheppard als filmischen Berater hatten. Die wollen vielleicht unseren Sinn für Ästhetik prüfen und halten uns für verdorben, wenn wir nicht anerkennen, was für wunderschöne Dinge sie uns hier auf dem Silbertablett präsentieren.“ „In keinem Film hat jemand das überlebt“, fuhr Ronon fort. „Am Ende des anderen Ganges ist Licht“, warf Todd ein. „Die Hauptcharaktere nehmen immer den freien Gang und überleben“, erzählte Ronon. „Ist ja gut!“, schnappte Rodney. „Ich meine nur... Vielleicht ist das so eine Art Gastgeschenk und die Saigir sind beleidigt, wenn wir es nicht annehmen.“ „Allmählich wird es zur Gewohnheit, dass man Sie mitschleifen muss“, stellte Todd fest. „Man konnte argwöhnen, dass Sie dieses Volk gar nicht kennenlernen wollen.“ „Denken Sie an Zelenkas und Colonel Carters dumme Gesichter, wenn Sie ihnen eine neue Rasse vorstellen“, zog Ronon sein letztes Ass aus dem Ärmel. „Ja, aber...“ Rodney seufzte. „Aber wenn die Typen beleidigt sind, dann ist es Ihre Schuld!“ Ronon schüttelte resignierend den Kopf und ging dann in den Gang hinein, dicht gefolgt von Todd. Rodney blieb enttäuscht vor der anderen Tür stehen. „MCKAY!“ Er verzog das Gesicht, bevor er die Tür schloss und den beiden Anderen folgte. Der Gang war bloß kurz und führte tatsächlich ins Freie hinaus. Als Rodney sich umdrehte, war der Höhlenausgang verschwunden. Sie standen auf einem kleinen, felsigen Tableau, das hoch über einem Wald aufragte. „Oh Gott, hätten wir bloß die Diamanten genommen“, murmelte Rodney. „Hier ist wieder ein Stein“, sagte Ronon und trat beiseite, sodass Rodney den kleinen Obelisken sehen konnte. „Soll ich ihn aktivieren?“, fragte Rodney. „Auch wenn die Gefahr besteht, dass jemand erscheinen und uns hier runterstoßen könnte?“ „Machen Sie schon“, forderte ihn Todd auf. Rodney streckte die Hand aus und berührte den Obelisken. Erneut erschien das Hologramm der Antikerin. „Willkommen zu eurer vierten und letzten Prüfung“, sagte sie lächelnd und hielt dann inne. „Und worum geht es?“, fragte Ronon. „Das werde ich euch erst sagen können, wenn die dritte Prüfung bestanden ist“, kam es freundlich zurück. Todd runzelte die Stirn. Ronon verdrehte die Augen. „McKay!“, sagte er entnervt. „Ist ja gut“, murmelte Rodney und zog den Diamanten hervor. „Er ist mir vorhin geradewegs vor die Füße gerollt, also dachte ich, es wäre okay...“ „Denken Sie an die Filme“, warnte Ronon. Rodney seufzte und warf den Diamanten über den Rand des Tableaus. „Vielleicht müssen wir ja gleich nochmal in den Wald, dann kann ich ihn suchen. Wird eh nicht lange dauern, bis wir hier fertig sind - bisher waren die Prüfungen ja alle recht leicht“, verriet er Ronon leise, bevor er wieder zu der Frau sah. „Die vierte Prüfung bitte.“ „Um uns eure Entschlossenheit zu beweisen, muss einer von euch geopfert werden“, sagte sie. „Erst dann habt ihr uns eure Willenskraft bewiesen.“ Noch bevor einer der drei etwas hätte sagen können, verschwand sie wieder. Einen Augenblick lang herrschte Stille, die Ronon schließlich durchbrach: „Soll ich ihn direkt töten oder reicht es, ihn hier runterzustoßen?“ Er schielte Todd argwöhnisch an. „Und wieso sollte man mich opfern?“, fragte Todd. „Soweit ich das sehe, besitzen Sie nicht viel mehr als Muskeln. Ich kann kämpfen und gleichzeitig denken, was mich zu einem wertvolleren Mitglied dieser Gruppe macht.“ „Das ist die letzte Prüfung, also brauchen wir Sie nicht mehr“, meinte Ronon. „Und kein Wraith könnte jemals wertvoller sein als ein Mensch.“ „Auch unter den Menschen gibt es Mörder“, sagte Todd. „Außerdem nähre ich mich, wie Sie wissen, nicht mehr an Menschen.“ „Also, McKay“, wandte sich Ronon an Rodney, „drehe ich ihm jetzt den Hals um oder werfe ich ihn runter?“ „Geben Sie mir einen Augenblick Bedenkzeit“, bat Rodney und starrte konzentriert den Obelisken an. „Denken Sie, ich würde mich nicht wehren?“, fragt Todd. „Bei einem Kampf könnte es leicht passieren, dass wir beide hier hinunterstürzen. Wir könnten gleich das körperlich schwächste Mitglied der Gruppe wählen, um so etwas zu vermeiden.“ Rodney sah fassungslos zu ihm auf. „Was? Meinen Sie mich?“ „Vergessen Sie's“, meinte Ronon böse und stellte sich zwischen Rodney und Todd. „Dr. McKay, erinnern Sie sich daran, dass ich Ihrer Schwester das Leben gerettet habe?“, versuchte Todd es nun auf anderem Wege. Rodney schloss die Augen und atmete tief durch, bevor er den Obelisken berührte. Ein weiteres Mal erschien das Hologramm. „Habt ihr eure Entscheidung getroffen?“, fragte es. „Hier wird niemand geopfert!“, sagte Rodney. „Was?“, fragte Ronon entsetzt. „Denken Sie an die Weltraumminen!“ „Wir können das nicht tun“, sagte Rodney. „Es wäre falsch. Lieber verzichten wir auf Ihre Freundschaft, als ein unschuldiges Leben zu beenden.“ „Er ist nicht unschuldig!“, beharrte Ronon. Die Frau sah Rodney einen Moment lang ausdruckslos an, bevor sie nickte. Einen Augenblick später standen sie wieder auf der Wiese, auf der die Prüfungen begonnen hatten. Vor ihnen stand der Obelisk, der ihnen zum ersten Mal das Hologramm offenbart hatte. „Unschuldig?“, wiederholte Ronon. „Haben Sie ihn wirklich als unschuldig bezeichnet? Er hat Ihre Schwester doch nur gerettet, weil er dadurch die Naniten erforschen konnte!“ „Wir haben die Prüfung bestanden“, sagte Rodney. „Die wollten gar nicht, dass wir jemanden opfern. Das liegt nicht in ihrer Natur.“ Ronon runzelte die Stirn. „Im Eingangstext ging es doch um Brüderlichkeit und Frieden“, erklärte Rodney. „Die haben ihre Galaxie verlassen, weil es ihnen hier zu brutal wurde! So ein Volk würde kein Menschenopfer verlangen. Die wollten nur testen, ob unsere Ethik genauso ausgeprägt ist wie ihre, damit keine unmoralischen Wesen den Kontakt zu ihnen suchen.“ „Sagte der Diamantendieb“, murmelte Ronon. „Und was, wenn es nicht geklappt hätte?“ „Sie standen strategisch günstig und hätten ihn im Notfall immer noch runterschubsen können“, meinte Rodney unbekümmert. Todd stöhnte entnervt. Rodney rieb sich die Hände. „Also“, sagte er, „wollen wir uns die Belohnung abholen?“ Er trat auf den Obelisken zu und legte die Handfläche darauf. Die Gestalt, die ihnen gegenüberstand, war gewiss nicht lantianischer Herkunft. Sie war kleiner als die drei Männer und bedeutend schmaler. „Tentakeln“, murmelte Rodney unglücklich, als ihm klar wurde, dass der Körper der Gestalt in fünf Tentakeln mündete, die in demselben matten Blau leuchteten wie die gesamte Erscheinung. Der Kopf der Gestalt war länglich und mit zwei Augenpaaren besetzt, von welchen eines bloß aus zwei pechschwarzen Kugeln zu bestehen schien. Ob es sie ansah, konnte man schwer sagen. Bloß das obere Augenpaar besaß Pupillen, die sie nacheinander musterten. Das Wesen besaß keine Arme, zumindest keine auf Anhieb erkennbaren. „Ihr habt die vier Prüfungen der Saigir bestanden“, sagte das Wesen. Erst jetzt fiel Rodney auf, dass es keinen Mund besaß. Wie konnte es bloß sprechen? „Als Belohnung wird euch nun offenbart, wie ihr...“ „Hm?“ Rodney sah sich um. „Was ist los?“ Er runzelte die Stirn, als ihm klar wurde, dass die Wiese verschwunden war. „Hat einer von Ihnen die Koordinaten?“, fragte er Todd und Ronon, die ebenso verwirrt wirkten. Sie standen wieder dort, wo ihre Reise begonnen hatte: Inmitten der Einöde, direkt an dem Obelisken. Doch von dem Stein war nicht mehr viel übrig. Ganz offensichtlich hatte ihn jemand zerstört. „Sie sind wieder da!“, erklang plötzlich eine Stimme und ein Mensch löst sich von einem der Felsen. Es war John Sheppard, der ganz offensichtlich den Zünder für eine Bombe in der Hand hielt. „Sie... Sie haben den Obelisken gesprengt?“, fragte Rodney entsetzt. „Wir haben Ihre Rucksäcke und Waffen hier gefunden“, meinte John. „Und weil die Energiewerte dieses... Dings gestiegen sind, dachte ich mir, dass es Sie irgendwie gefangen hält. Ich habe es mit C4 gesprengt, um Sie zu retten.“ „Aber... aber...“ Rodney spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. „Einer von Ihnen MUSS die Koordinaten gehört haben!“, wandte er sich an Ronon und Todd, die John bloß fassungslos anstarrten. John drehte sich um und ging zum Jumper zurück. „Ist schon okay“, rief er ihnen über die Schulter hinweg zu. „Sie können mir später danken!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)